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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 9

1901 - Glogau : Flemming
— 9 — empor. Kein zweites Land in Europa, wird behauptet, hat so schöne Baien und Häfen wie die „Smaragdinsel". Man zählt 14 Häfen für die größten Schiffe, 17 für Fregatten und gegen 40 für Kauffahrtei- schiffe. Cork mit Queenstown sind noch heute die Station für die transatlantischen Postdampfer. — Wo England demnach durch seine natürliche Beschaffenheit schon ohnedies so ausgezeichnet und ge- eignet für den Seeverkehr war, versäumte man andrerseits auch nicht, durch allerlei künstliche Mittel die maritime Zugänglichkeit des Landes zu erhöhen. Während man die Gesamtlänge aller schiffbaren Flüsse in England und Wales auf ca. 3175 km. angeben will, beträgt die Länge der Kanäle über 3500 km.*- Dies Kanalfyftem strahlt in drei Vereinigungspunkte aus, Birmingham, Manchester und London; aus je 3 lh!M. Fläche kommt 1 Meile Fluß- oder Kanalstraße. In Schottland unterstützen die charakteristischen Einschnürungen die Anlage von Kanälen. Berühmt sind der Clydekanal, der nur 91 km geführt zu werden brauchte, um die Nordfee mit dem Oceau zu ver- binden, und der kaledonische Kanal zwischen Firth of Lorn und Moraybusen. Dort fahren vorüber am Ben Newis, dem höchsten Berge in Schottland, Fregatten quer durch das Land. — Ein zweites Mittel, die Schiffahrt zu unterstützen, bietet sich in der Anlage von Leuchttürmen, und England besitzt deren 330, darunter der berühmte von Bell Rock vor der Mündung des Tay, ^ und der von Eddystone. Letzterer liegt vor der Reede von Plymouth, auf der die größte Flotte der Welt sicher ankern könnte, und dünkt den westwärts in den Ocean eilenden großen Dampfern wie ein letztes Wahrzeichen Europas, das den in die Wasserwüste hinaussteuernden Schiffen gleichsam den Scheidegruß der Heimat nachsendet. Wenn die Leuchtfeuer aus- gelöscht werden und der kundige Lotse fehlt, fo kann England auf feine Unzugänglichkeit pochen, und die Wachsamkeit seiner kreuzenden Flotte sichert dem Lande die Unmöglichkeit einer feindlichen Invasion. Das hat sich von den Zeiten der Armada, die Großbritannien nord- wärts umsegeln wollte und an der Felseninsel Fair zerschellte, bis zu den Kriegen Napoleons I. bewahrheitet. Ein beispielloses Glück hatte dagegen Wilhelm Iii. Er täuschte die englische Flotte, die annahm, er würde in Jorkshire landen, fuhr in den Kanal und konnte in der Bai von Tor Anker werfen, von wo ihn weiter das Glück nach London und auf den Königsthron geleitete. So erwuchs in dem Briten das stolze Selbstgefühls die Einsicht in den Zustand der eigenen Sicherheit und zugleich die Überzeugung, daß Britannien die anerkannte Meerbeherrscherin sei, wie sich das in dem Nationalliede ausspricht rule Britannia the waves (Herrsche, 1 Der Bau derselben erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts begonnen. 2 Der wasserreichste Strom Großbritanniens.

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 10

1901 - Glogau : Flemming
— 10 — Britannien, über die Wogen), Räch England laufen alle Radien des Seeverkehrs zusammen, und das leuchtet nicht nur den Europäern ein, sondern auch den Amerikanern. Hat man doch triumphierend auf die verblüffende Thatsache hingewiesen, daß der schnellste Weg, um von New-^)ork aus Post, Passagiere und Güter nach Brasilien zu bringen, über den britischen Hafen — Liverpool führt. Und andererseits hat England von dem Mutterlande aus ein Kolonial- reich erworben, das den sünsten Teil der nicht vom Wasser bedeckten Landmasse unserer Erdoberfläche einnimmt. Wenn man weiter be- denkt, daß der vierte Mensch auf Erden ein englischer Unterthan ist, wird man das stolze Wort des Staatsmannes Fox begreisen können: England ist nur unser Absteigequartier, aber die Welt, die Welt — das ist das eigentliche England! 1 Wir treten in die dritte Periode der englischen Geschichte, in die Zeit des kolossalen industriellen Ausschwungs, die England „zur größten Werkstätte der Welt" gemacht hat. Die vorhandenen physi- kalischen Anlagen des Landes haben, wie Ritter sagt, diese staunens- werte Metamorphose herbeigeführt. Die unerschöpflichen Mineral- schätze des Bodens fanden dann erst ihre wahre Verwertung, als die schwarzen Diamanten, an denen England gleichermaßen reich ist, in ihrer Verwendbarkeit für den Maschinenbetrieb richtig erkannt waren. So hat sich Englands neueste Zeit eigentlich aufgebaut auf den drei Faktoren Eisen, Steinkohle und Dampfmaschine. Die Jndustrie- bezirke Englands drängen sich sozusagen um die Irische See herum und haben, abgesehen von den großen Kohlenlagern von Rewcastle und Südwales hauptsächlich ihre Stätte in dem westlichen Mittel- england und den Lowlands von Schottland, wozu noch in Irland, allerdings ohne die gleichzeitige Ausbeutung der unterirdischen Kohlen- schätze, die berühmte Leinenindustrie der Provinz Ulster kommt. Die Kohlenflöze haben in England einen fast unerschöpflichen Reich- tum. Es arbeitet in den Bergwerken eine halbe Million Arbeiter; bis unter das Meer werden in den Küstenstrichen die Atollen ge- trieben, so daß man zu Häupten die Brandung der See rauschen boren kann, und man rechnet aus den Kops der Bevölkerung einen Verbrauch von 4000 kg Kohlen. Da das Klima äußerst milde ist, — die englische Sprache kennt kein Wort für Schlitten — alfo zum Heizen nicht viel Kohlen im Lande verwendet werden, so kann man sich denken, einen wie enormen Verbrauch die industriellen Zwecke für sich in Anspruch nehmen. Und hier hat sich der kaufmännische Geift des Volkes und seine praktische Anstelligkeit in glänzendster Enthaltung gezeigt. Ter oben erwähnte Ritter sagt staunend, daj; * Daher hat auch der Seeheld Nelson die meisten Denkmäler in England.

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 11

1901 - Glogau : Flemming
sich in den neuesten Jahrhunderten ein reiches System von Kommuni- kationen durch alle Flußgebiete, über alle Wasserscheiden und durch alle Bergrücken über die ganze Insel verzweigt habe. Durch Kanäle, Schleusen, Aquädukte oft der kühnsten Art, Heerstraßen, Brücken, die über trockene Thäler wegführen, durch Eisenbahnen, Dampfmaschinen und Dampfschiffe sind sämtliche Häsen mit allen Binnenstädten des Landes in die leichteste Verknüpfung gebracht, und so wurde durch die zugeleitete Masse der Heizkohlen der Damps erzeugt, und der Dampf setzte dies märchenhafte Getriebe aller der surrenden und kreisenden Räder einer beispiellosen Industrie in Bewegung. Der Maschinenbetrieb kommt zuerst der Eisenbereitung zu gute. Bon den 16 Millionen Tonnen Roheisen, die Europa jährlich er- zeugt, liefert England die Hälfte und von der Gesamtproduktion der Erde mehr als den dritten Teil. Nahezu eine Million Arbeiter findet in dieser Industrie Beschäftigung, und neben Sheffield und Birmingham ist das westlicher gelegene black country, das schwarze Land, als Arbeitsstätte der Nagel-, Ketten- und Ankerschmiede her- vorzuheben. — Weiter steht an der Spitze des britischen Gewerbe- betriebs die Verarbeitung der Baumwolle; neben den Jronlords giebt es in den reichen Industriestädten die Cottonlords. Hier ist außer dem schottischen Glasgow die Landschaft Lancashire zu nennen, die in Liverpool ihren weltberühmten Einfuhrhafen hat. Früher wurde die kostbare Ware der Baumwolle nur von Nordamerika bezogen, neuerdings sind Ostindien und Ägypten als wichtige Lieseranten hinzugetreten. Von Liverpool führte nach Manchester die älteste Eisenbahn, die schon im Jahre 1830 gebaut wurde, und Manchester, zu dem der staunenswerte Bau des Bridgewaterkanals, „des Groß- vaters der englischen Kanäle", die Steinkohlen hinsührt, ist die Metropole dieser englischen Webeindustrie. Mit seinen 44 Millionen Spindeln und 560 Tausend mechanischen Webstühlen liefert über- Haupt England mehr als die Hälfte aller europäischen Baumwoll- gespinste und Baumwollgewebe. Die Aussuhr an Baumwollwaren aus England erzielt eine Einnahme, zehnmal so hoch wie in Deutsch- land. Rechnet man hierzu die Wollensabrikation in Jorkshire, die hauptsächlich australische Wolle verarbeitet, und die Töpferwaren in dem Potery genannten Distrikte Mittelenglands, wo „der keramische Künstler ein Psund Thon zum Wert eines Psundes Gold erhebt", so haben wir die hauptsächlichsten Äußerungen und Betätigungen der englischen Industrie vorgeführt. Daß England in früherer Zeit in allem, was Industrie hieß, die Führerrolle übernommen hatte, zeigte sich auch darin, daß von ihm die seitdem so ost glänzend ver- wertete Idee der Weltausstellungen ausging. Gerade vor 50 Jahren (1851) wurde im Hydepark von London in dem wunderbaren Ge- bände des Krystallpalastes die erste Industrieausstellung eröffnet, und

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 12

1901 - Glogau : Flemming
— 12 — man hat den kolossalen Palast, nachdem er seiner ursprünglichen Be- stimmung gedient hatte, in weit vergrößertem Maßstabe wieder in Sydenham aufgebaut, um die Kühnheit des imposanten Baues zu ver- ewigen. Dort bleibt er nun dem staunenden Blick der Bewunderer- modernster Architektur erhalten und ausbewahrt. Die hohen Türme der Notredamekirche in Paris könnten sich recht gut unter dem Mittel- teil des Palastes bergen, und als das Handeltest in London gefeiert wurde, haben in dem Gebäude 30000 Zuhörer Platz gesunden. England hat in dem eben abgelaufenen Biktorianischen Zeitalter des 19. Jahrhunderts den Höhepunkt seiner glänzenden Entwickelung gehabt, und es ist eingetroffen, was Thomson in der ersten Hülste des 18. Jahrhunderts in dem Liede sang, das seitdem das berühmte englische Nationallied Rule Britannia geworden ist: thy cities shall with commerce shine All thine shall be the subject inain And eyery shore it circles, thine.1 Das Charakteristische ist, daß die Engländer zum größten Teil ein städtisches Leben sichren. Großbritannien, das eine kolossale Volksdichte besitzt, hat von seinen ca. 40 Millionen Einwohnern ein Drittel in den 24 Großstädten wohnen, und ebenfalls nur ein Drittel in den Landorten. Jeder siebente Engländer endlich ist Londoner, und damit kommen wir auf dieses Unikum im Weltenrund zu sprechen, von dem der Franzose sehr richtig gesagt hat: Londres n'est plus une yille, c'est une province couverte de maisons. lind diese ganz singuläre Bedeutung verdankt London seiner einzigartigen Lage; es ist die ,,Schifssstadt" (von dem eeltischen lhong Schiff), und schon Tacitus muß es nennen eopia ns^otiatoi-uni et comineatiium celebre, berühmt durch die Menge der Kausleute und den Handelsverkehr. Die ganze Fläche der Stadt umsaßt über 5 ^M., also etwa so viel wie das ganze Fürstentum Reuß ä. L., und daraus stehen die Häuser — so viel wie in der ganzen Lombardei —, von der mansion des Adligen bis zur cottage des Arbeiters. So ist es in Wahrheit das caput et compendium totius regni, wie es die alten Geographen nannten, und zwar spiegelt es in seinen einzelnen Stadtteilen die Zustände und Lebensäußerungen des gesamten Königreichs wieder. In Westminster und Westend ist es der Sitz des Hoses und des Parlaments, in der City vereinigt es den Großhandel, in South- wark ist es Fabrikstadt und in Eastend der erste Seehasen des Landes, der mehr Kaussahrteischisfe besitzt als ganz Frankreich. Natürlich sehten auch nicht die Schattenseiten einer so riesigen Menschen- * „Der Städte Pracht vor Handel glänzt, Ja dir nur lauscht das Meer — dir nur, Und jeder Strand, der es umkränzt!" in der Nagelschen Ubersetzung.

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 13

1901 - Glogau : Flemming
— 13 — anhäufung. Man hat behauptet, daß es vielleicht niemanden gäbe, der alle Straßen und Viertel von London gesehen hatte, und der Kohlendampf, für den in der schweren, nebligen Luft gar kein rechter Abzug vorhanden ist, hat namentlich im Herzen der Stadt alles wie mit schwarzem Lack überzogen, so daß Kuppel und Schiff der präch- tigen Paulskirche trotz aller Reinigung und Wäsche einen recht ver- räucherten Eindruck machen. Und dazu überkommt den Fremden das Gefühl der trostlosen Vereinsamung. „Die Ausdehnung, die Un- erschöpflichkeit Londons, die Unmöglichkeit, das Ende zu erreichen, und wenn man auch meilenlang sortgeht, bringt es mit sich, daß der Fremde sich in dieser Stadt so unheimlich einsam suhlt." Die Orientierung ist ja natürlich auch nicht leicht; giebt es doch 37 Königs- straßen, 10 Wellingtonplätze und 30000 Londoner, die den Namen Smith führen. Nirgends findet sich daher auch ein solches Massen- elend wie gerade in London, und schon vor 50 Jahren zählte man über 30000 Menschen, die keine bestimmte Beschäftigung oder nach- weisbare Existenzmittel hatten. Während also in der Regentsstreet die prachtvollen Läden alle Reichtümer der Erde aushäusen, während über die Londonbridge täglich eine Menschenmasse flutet, die man aus 120000 berechnet, neben 20000 Fuhrwerken, sterben zahlreiche Menschen den Hungertod, und namentlich um die Weihnachtszeit werden überall in Lmnpen oder Zeitungspapier gewickelte Pakete aufgelesen, die ausgesetzte Kinder enthalten; durchschnittlich im Jahre 3000. Diese letzte Betrachtung leitet dazu über, daß sich auch in dem Gesamtbilde, das wir hier zum Schlüsse von dein heutigen glänzenden Kulturzustande Englands entwersen müssen, neben den unleugbaren Lichtseiten tiese Schattenseiten finden werden. Was zunächst den Zustand der Landwirtschaft betrifft, so ist ja der Eindruck der landschaftlichen Bilder in den ebenen Partieen ein überaus wohlthuender und anmutiger, und das Nationallied rühmt in einem seiner Verse, to thee (o Britannien) belongs the rural reign. Die östliche Ebene Englands ist „ein reiches Getreide- und Wiesenland, unübertroffen an Fruchtbarkeit des Bodens und an Sorgfalt und Mannigfaltigkeit des Anbaus". Die Abgrenzungen der Felder aus lebendigen Hecken (fences) geben der landschaftlichen ^cenerie etwas ungemein Freundliches, und die überall befindlichen Baumgruppen, die den Wald anderer Länder ersetzen müssen, ver- schaffen Englands Bodenverhältnissen den Charakter des Parkartigen. Hierzu kommt die mit Recht bewunderte Viehzucht. Berühmt sind die Wagenpferde aus Aorkshire, die Schinken aus Westmoreland, die irischen Rinder und die schottischen Schafe. Aber es fehlt auch nicht an manchen Zügen, um uns dies Bild nicht allzu rosig erscheinen zu lassen. Das Zauberhafte des ganzen Eindrucks wird doch recht beeinträchtigt durch die Eigenart des Klimas. Der Golfstrom, der

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 16

1901 - Glogau : Flemming
— Ig — Was hat denn die nordamerikanischen Kolouieen Englands zur Losreißung vom Mutterlande getrieben? Die Hartherzigkeit der Eng- (ander, die die Kolonie im steten Zustande der Unmündigkeit erhalten wollten und ihr einen Anteil an der Steuergesetzgebung und am Parlamente verweigerten. Und heutzutage erleben wir in den Zu- ständen Irlands noch schreiendere Mißstände. Schon seit alter Zeit befindet sich Grund und Boden in Irland in englischen Händen. Während aber die englischen Grundherren das System des absenteeism befolgen, also sich aus ihren Gütern weiter nicht blicken lassen, haben sie ihren Besitz in Pachtungen ansgethan und ost sogar ihre Äckereien an die conacre-men nur sür eine Ernte vergeben. Diese landwirt- schastliche Gepslogenheit sührt zum Elend und zur Verarmung des ganzen Jrenlandes. Paddy — so nennt man den irischen Bauer wegen des häufig vorkommenden Vornamens Patrik — mit seinen wunderbar zersetzten Kleidern, den schwarzen Hut, cauleen, der so- zusagen die Nationaltracht bildet, aus dem Kopse, schart sich in seinen elenden mudcabins ^Lehmhütten) um das Torsseuer und führt das denkbar genügsamste und armseligste Dasein. Natürlich ist aber in den letzten Zeiträumen das Bewußtsein, zu einer ganz unwürdigen Existenz verdammt zu sein, mehr und mehr in den Kopsen der cel- tischen Ureinwohner der Insel ausgedämmert, und zweierlei Folgen haben sich aus dieser politisch-socialen Lage eigenster Art ergeben. Die Iren sind entweder ausgewandert und bilden jetzt in den Ver- einigten Staaten Amerikas einen starken Bruchteil der Bevölkerung, während die Einwohnerzahl Irlands bei jeder Volkszählung einen erheblichen Rückgang ausweist, — oder die uuzusriedeuen Bewohner der Smaragdinsel stiften geheime Verschwörungen an und nehmen ihre Zuslucht zu scheußlichen Verbrechen. So hat sich der unheim- liche Bund der Ferner gebildet, die sich nach einem gälischen Helden also nennen, und Tipperary, als the golden vale wegen seiner Frucht- barkeit und Anmut gepriesen, hat vielleicht gerade darum den Fluch aus sich nehmen müssen, als „klassischer Boden der agrarischen Mord- thaten" bezeichnet zu werden. Wir kommen zu dem dritten Ruhme Englands, ein besonders ausgebildetes Land der Industrie und vorgeschrittensten Technik zu sein. Und wirklich berichten ja die Zeitungen fast jährlich von staunenswerten Betätigungen des erfinderischen Menschengeistes in Bezug auf Riesenbauten und geschickte Benutzung der maschinellen Kräfte; da werden in turmhohen Eisenbahnbrücken Meeresarme über- spannt, wie beim Tay^ und in der Britanniabrücke; 2 in Glasgow, „der Geburtsstätte der Dampsmaschinen," zeigt man als höchstes Bau- 1 die Hängebrücke von Cliston (Bristol) über den Avon, über 80 m hoch. 2 zwischen Wales und Anglesea über die Menai Stroits, 32 in über dein höchsten Wasserstande.

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 17

1901 - Glogau : Flemming
— 17 — werk den Schornstein einer chemischen Fabrik mit 160 m, und im Schiffsbau und in den Armstrongkanonen galt Britannien lange Zeit als führende Meisterin der vervollkommneten Technik. ^ Aber mehr und mehr sängt dieser Ruhm an zu erblassen. Noch in den Zeiten, die der Aushebung der napoleonischen Kontinentalsperre folgten, überschwemmten die englischen Fabrikwaren bis zur Unerträglichst den deutschen Markt, und in Birmingham, dem „^.andladen der Welt", war alle mögliche Fabrikation vertreten, vom Luxusgegenstand bis zum Regenschirm und zur Stecknadel. Doch heute haben die ausländischen Jndustrieen sich gewaltig emancipiert. Von der ameri- kanischen zu geschweigen, ist vor allem die deutsche Fabrikation der englischen dicht aus den Fersen, und das made in Germany ist zum ehrenvollen Zeugnis geworden sür deutschen Gewerbsleiß und deutsche Energie in Bezug aus Handel und Vertrieb. Wir müssen aber noch eine andere Schattenseite des englischen Jndustrielebeus berühren. Man hat dem englischen Volkstum vor- geworfen, in der Zeit seiner neuesten ruhmwürdigen Entwickelung zu sehr den Krämergeist und engherzigen Egoismus spüren zu lassen; Egoismus an und sür sich könnte ja nicht so ohne weiteres dem Volke zum Vorwurf gemacht werden, gehört vielmehr zu den berech- tigten nationalen Eigentümlichkeiten. Jeder Engländer ist, wie man das glücklich gesagt hat, „eine Insel sür sich". Seine Vorliebe für sein eigenes Besitztum ist bekannt; das my liouse is my Castle kennzeichnet dieses stolze Glück und diese Freude an seinem Eigen- tum, die Behaglichkeit, sich auszuruhen an seiner fire side. Und alles in der Häuslichkeit soll gediegen sein, namentlich nach dem Grundsatz: Der Mensch ist, was er ißt, die Leibesnahrung, in der die krästigen Beefsteaks und mutton chops (Hammelrippchen) eine Hauptrolle spielen. Diese Lebensweise und Ernährung hatte schon dem alten Justus Moser imponiert, und er vergleicht, als er von der kolossalen Sprunggelenkigkeit der Eimbern berichtet, mit dieser Virtuosität der Vorfahren das fleifchgenährte und sportssrohe Eng- ländertum in seiner Zeit, wobei er mit etwas geringschätzigem Seiten- blick aus die Ernährung seiner Landsleute hinzufügt: Rübenfresser schickten sich dazu nicht lnämlich zu so staunenswerten Sprung- leistungen). Wenn also der Engländer weltbekannt ist in der Pslege und Ausgestaltung einer behaglichen Häuslichkeit, so hat sich in diese Richtung aus das persönliche Wohlbesinden allmählich ein kalter Geschäftsgeist eingeschlichen, der sich allzuwenig um das Wohl seiner Mitmenschen kümmert. Allerdings sind ja noch immer das gewaltige Greenwichspital sür die alten Seeleute und die Westminsterabtei mit 1 „Das ganze Land erscheint wie ein großer, dicht mit Geleisen belegter Bahnhof". Hanncke, Erdkundl. Aufsätze. Ii. 2

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 19

1901 - Glogau : Flemming
— 19 — bare Erzählung vom Robinson, und es folgten jene Romane teils sentimentalen, teils humoristisch-satirischen Charakters, die allerwärts bewundert und nachgeahmt wurden. Um die Mitte des 18. Jahr- Hunderts begann auch die deutsche Muse sich zu regen; stolz auf die kühne, stolzer auf sich, beinaß die hohe Britin — dich Tuiskone singt Klopstock in den „beiden Musen". Also wohlgemerkt, .unsere deutschen Schriftsteller fühlten ihre Abhängigkeit von den englischen Vorbildern, und Lessing warf zuerst den Feuergedanken in die Seelen des jungen litterärischen Deutschlands, daß Shakespeare unser drama- tisches Muster sein müsse und nicht die angebeteten Franzosen. — Auch im neunzehnten Jahrhundert haben zwei englische Schriftsteller den Löwenanteil davongetragen in der Befriedigung des Lesedurstes und gespannten Interesses für ein größeres Publikum, nämlich Walther Scott und Dickens (Voz). Die historischen Romane des schottischen Dichters von Abbotsford erregten namentlich in Deutsch- land großes Aufsehen und riefen eine ganze Schule deutscher Dichter ins Leben, wie man denn z. B. von einem brandenburgischen Walther Scott spricht (Willibald Alexis) ^ und „viele Stoffe der Romane zu bekannten Operntexten verwertet hat. Ähnlich hat Dickens mit seinen Erzählungen den größten Beisall gefunden, und die komischen Figuren der Pikwickier sind in beiden Hemisphären der Welt viel belacht worden. Aber dennoch hat im 19. Jahrhundert das Interesse für die schöngeistige Litteratur Englands deutlich abzuebben begonnen, und es ist so, als ob diese Minderung der Teilnahme zeitlich ziem- lich zusammenträfe mit dem Besuche, den der begeisterte englische Dichter Thackeray bei unserem Dichterfürsten Goethe machte. Die deutsche Litteratur hatte jetzt volles Genüge an ihrer klassischen Periode, und auch die Epigonen ließen sich im Geschmacke des größeren Publi- kums nicht mehr verdrängen. Gleichermaßen zählt England in den Wissenschaften und den technischen Ersindungeu die erleuchtetsten Geister. Eine besondere Pflege fand das Gebiet der Geschichte. Gibbon, Groote, Carlyle schufen viel bewunderte Werke, und namentlich die archäologische Forschung verdankte dem Reichtum und Ansehen des Weltreiches eine ungeahnte Förderung, wie das die Ausgrabungen in Niniveh und die ägyptologischen Studien ergaben. Desgleichen wurde die Volkswirtschaft neu angebaut; ich nenne nur Malthus. Ebenso haben die exakten Wissenschaften in ihren verschiedensten Abstufungen in den Engländern ganz ausgezeichnete Vertreter gefunden. Die Erdkunde ist durch die mit beispiellosem Mute unternommenen Forscherreisen zu 1 Ernst Wichert wird von Gottschall „der Walther Scott Ostpreußens" genannt.

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 24

1901 - Glogau : Flemming
— 24 — und schon darin wird ein Faktor der Bedeutsamkeit gegeben, daß Frankreich überhaupt Anteil am Mittelmeer hat, das, Uue es neulich noch Höckel ausgesprochen hat, als das „interessanteste aller Meere" bezeichnet werden muß. Die Franzosen hat es daher auch von je mehr zum Mittelmeer als zum Ocean gezogen, und ihr politischer Ehrgeiz laust darauf hinaus, das Mittelmeer zu einem französischen See nmznstempeln.1 Sie haben am afrikanischen Rande wichtige Kolonieen erworben - und wachen eifersüchtig darüber, daß der Kanal von Suez ihnen jederzeit offen steht. Die Flotte überhaupt, hat man gesagt, ist für den Franzosen mehr eine Frage der politischen Notwendigkeit, und ihn fesselt vor allem sein schönes Heimatland. Wir wollen uns jetzt diese belle France etwas näher ansehen. Ein Blick aus die Karte überzeugt uns, daß wir in dem heutigen Frankreich den Nordwesten von dem Südosten und Süden unter- scheiden müssen. Dort haben wir Getreide- und Waldboden, hier von Burgund bis Bordeaux die Rebenzucht, wozu noch im Süden die Pflege des Maulbeerbaums, der Olive hinzutritt, so daß Seide, Ol und Südfrüchte als einheimische Erzeugnisse in Betracht kommen. Dort herrscht die Sprache langue d'oni, hier gilt die langue d'oc, die provenyalische Mundart: dorthin sind Franken eingewandert, hier sinden wir Burgunden und Westgoten als älteste germanische Zuzügler vor; dort ist kirchliche ^Einheit vertreten gewesen unter dem rex christianissimus oder tres chretien, hier hat sich seit den Zeiten der Albigenser und Reformierten die Ketzerei geltend gemacht. Die Haupt- fache aber ist, daß sich von der breit gelagerten Ebene des Nord- Westens, ebenso hier wie in England und Deutschland, die monarchische Einheit des Landes vollzogen hat. Dank solchen energischen Königen wie Ludwig Xi. und Ludwig Xiv. und den allgewaltigen Ministern Richelieu und Mazarin hat sich Frankreich zu einem geschlossenen einheitlichen Staatsgebilde entwickelt und seine politisch überlegene Stellung sehr auf Kosten des zersplitterten Deutschlands ausgenutzt. Die schroff durchgeführte Centralifierung in Frankreich schließt nicht aus, daß wir innerhalb des Landes sehr verschiedenartigen territorialen Typen begegnen. Wenn wir nun diese einzelnen Landschasten charakterisieren wollen, so sehen wir ab von den Territorien, die erst seit wenig über 40 Jahren sranzöfifch geworden sind, von Savoyen und Nizza. Dort haben..wir Europas Eisriesen, den Mont Blanc mit seiner unwirtlichen Ode, hier den entzückendsten Küstenstrich der Riviera mit seinen Palmen und Agaven. Wir wenden uns zu älterem sranzösischen Besitztum und beginnen zunächst mit dem Südosten Frankreichs. Das sran- 1 Wecken der Freundschaft mit Italien wurde es auch jüngst genannt: das lateinische Meer par excellence. 2 Deren Gebiet sich jetzt bis zum Kongo erstreckt.

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 26

1901 - Glogau : Flemming
Herz des Reiches".- Es hat übrigens früher lebhafte Beziehungen zu dem oberrheinischen Deutschland unterhalten, und die Bildsäule des „von Allemand" ist ein Zeugnis für die dankbare Pietät der Bewohner. — Westwärts von Lyon liegt der große Kohlenbezirk, und mitten in ihm St. Etienne, das Birmingham und Sheffield Frankreichs. Hier werden Metallgeräte gearbeitet und namentlich die Waffen geschmiedet für die französische Armee; hier ist aber auch der Derd der Strikebewegungen und socialdemokratischen Umtriebe. — Nördlich von Lyon zieht sich die Saone aufwärts und an den Berg- hängen das Land Burgund mit seinem berühmten Weinwuchs. Das Gebirge cöte d'or hat ja daher den Namen, daß aus den Reben Gold über das Land fließt. Die Herzöge von Burgund beherrschten dies Gebiet, und Philipp den Guten nannte man geradezu den due des bons vins. Die burgundischen Fürsten haben eine große Nolle in der Geschichte Frankreichs und Deutschlands gespielt; Karl der Kühne war der reichste Fürst seiner Zeit, und da Burgunds Herrscher zugleich die gewerbthätigen Niederlande mit ihrer Wollensabrikation besaßen, so ist auf sie der Orden des goldenen Vließes zurückzuführen, der noch heute als einer der vornehmsten der Christenheit anzusehen ist. Aber noch in einer anderen Beziehung ist das burgundische Land von mächtigem Einflüsse gewesen; es war das Land der Klöster. Welche Fülle religiöser Anregungen ist von Cluny ausgegangen! Die cluniacensische Richtung verinnerlichte das ganze Glaubensleben des 11. Jahrhunderts, ermöglichte demnach die Entstehung der Kreuzzüge, begründete aber auch zugleich die Anmaßung der hierarchischen An- sprüche und schus dem deutschen Kaiser die schwersten Gegner und Kämpfe. Ungleich friedlicher ist der Einfluß, der von Citeaux, der Heimatsstätte der Cifterzienfermönche, ausging. Aus den weit ver- breiteten Tochterklöstern dieses Ordens zogen die Pioniere christlicher Kultur, rationelleren Ackerbaus und vorgeschrittener Gartenpflege oft- wärts unter die slavischeu Völkerschaften und gewannen z. B. dem Deutschtum den ganzen Osten seines heutigen Gebietes, die Kern- lande unseres jetzigen imposanten Kaisertums. Unweit von Citeaux liegt die clara vallis, wo der heilige Bernhard als Abzweigung des Ordens das berühmte Clairvaux gründete. Übrigens nennt man in Frankreich gewöhnlich die Cisterzienser Bernhardiner. Um hier, da wir gerade von den Klöstern sprechen, auch noch dreier anderer berühmten Abteien in Frankreich zu gedenken, so liegt in der Perche La Trappe der strengste Orden der katholischen Kirche, der seinen Bekennern nur erlaubt den Mund zu öffnen zu dem Todesgruße memento mori, in den Voralpen bei Grenoble die Karthaufe, das Stammkloster der Karthäuser, das seit 1819 wieder bewohnt wird, und bei Laon Pr6- montre, wo Norbert von Tanten die Prämonstratenser stiftete, die sich in gleicher Weise wie die Cisterzienser um die Verbreitung der
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