Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Zur Einführung.
Aus der Sorge um unsere Zukunft ist die Forderung nach staats-
bürgerlicher Bildung und Erziehung entstanden, da der Staat unserer Zeit
ohne die freudige und verständnisvolle Mitwirkung seiner Bürger nicht be-
stehen kann, das Verständnis für unsere Lage und unsere Aufgaben aber
sowie die Erkenntnis, daß wir die Pflichten erfüllen müssen, die unseren
Rechten entsprechen, wie jeder neue Tag zeigt, noch lange nicht so entwickelt
sind, daß wir der Zukunft ohne Besorgnis entgegensehen können.
Das Problem, das mit dieser Forderung gestellt worden ist, geht
sehr tief; an seiner Lösung mitzuhelfen, ist der Zweck der Vereinigung für
staatsbürgerliche Bildung und Erziehung. Anregungen zu geben und zur
Entstehung guter Literatur beizutragen, ist eine ihrer wesentlichen Aufgaben.
Da die Förderung staatsbürgerlicher Gesinnung und Einsicht bei der
Jugend einsetzen muß, ist die Mitwirkung der Schule nicht zu entbehren,
und besondere Beachtung verdient unter allen Schulgattungen die Fort-
bildungsschule, weil sie für die Schulentlassenen bestimmt ist und sich die
Überzeugung immer mehr befestigt, daß gerade diese Altersklassen besonderer
Pflege bedürfen.
Die Anregung zur Entstehung guter Literatur zu geben, die geeignet
ist, der staatsbürgerlichen Bildung und Erziehung in der Fortbildungsschule
zu dienen, mußte deshalb die genannte Vereinigung als eine dringende
Aufgabe betrachten. Mit der Bearbeitung hat sie mich beauftragt.
Bürgerkunde, aufgebaut auf der Heimatkunde, das mußte der Inhalt
des diesen Gedanken entsprechenden Buches sein. Sein Ziel: Kenntnis und
Liebe der engeren Heimat, ihrer Geschichte und Kultur, ihrer Art und
Arbeit, um auf dieser Grundlage Verständnis zu erwecken für den Zusammen-
hang mit dem großen Vaterlande und dessen Aufgaben und die Erkenntnis
zu verbreiten, wie das Reich und seine Glieder aufeinander angewiesen sind
und voneinander abhängen, wie jeder in seinem Kreise beitragen kann und
muß zum Wohle des Ganzen, wie aber anderseits die Geschicke des
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Vorwort.
Das vorliegende Buch will in erster Linie dem bürgerkundlichen Unter-
richte im ersten Jahrgang unserer Fortbildungsschulen dienen. Die engere
Heimat stellt es in den Mittelpunkt. Als eine geschlossene wirtschaftliche und
staatliche, von einem einheitlichen Willen durchflutete Lebensgemeinschaft soll
sie erfaßt werden.
Die Liebe zur Heimat, der Stolz auf Stammesart und Stammesleistung
sind aufzurufen. Als frohgemute Lebensäußerung des Volksgeistes, als Ausfluß
der Kraft und Tüchtigkeit des Stammes muß vor allem die heimische Wirtschaft
dargestellt werden. Zugleich wird eine historische Betrachtung, die das Gegen-
wärtige als Ergebnis des Vergangenen, als Endpunkt einer längeren Ent-
wickelungsreihe sieht und sehen lehrt und damit den Einzelnen mitten hineinstellt
in die Gemeinschaft der Gewesenen und Kommenden, der Heimatliebe und
dem Stammesstolz neue Nahrung und Vertiefung geben.
Ein Idealbild des Stammes also, das aus der Betrachtung der Ver-
gangenheit geschöpft und durch die Darstellung des Wirtschaftslebens der Gegen-
wart vervollständigt wird, soll dem jungen Menschen höhere, lichtere Ziele
geben und den Willen zu tätiger Mitarbeit an der besseren Gestaltung heimischer
Verhältnisse entwickeln.
Stammesvolk, Stammesarbeit und Staat verschmelzen so zur Einheit.
Ein Strom überindividueller Interessen wird bloß gelegt. Er muß, wenn
die Darstellung den richtigen Ton zu finden weiß, die jungen Seelen in
seine Gewalt ziehen und sie zu jener Höhe der Betrachtung führen, auf der
man wenigstens einmal gestanden haben muß, wenn man staatlichen Dingen
das richtige Verständnis entgegenbringen will. Ob es diesem Buche gelungen
ist, jenen Ton zu finden, bleibt der Beurteilung derer überlassen, die sich
aus Neigung oder von Berufswegen mit der Erziehung unserer schulentlassenen
Jugend befassen.
Doch können naturgemäß nur Einzelbilder aus Wirtschafts- und Staats-
leben der Heimat gegeben werden, und selbst diese dürfen keinerlei Anspruch
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auf Vollständigkeit machen. Wenn der einheitliche Grundton durchklingen
soll, müssen die störenden Ober- und Untertöne sorgfältig ferngehalten werden.
Staatsbürgerliche Erziehung hängt ja zum Glück nicht von der Masse der
Kenntnisse ab. Die Betrachtung einer einzigen Angelegenheit reicht oft hin,
das tiefste Wesen des Staates erkennen zu lassen. Die Darstellung der
Entstehungsgeschichte einer einzigen gesetzgeberischen Maßnahme genügt oft,
die Schwierigkeiten aufzudecken, die sich der Befriedigung aller Wünsche ent-
gegenstellen.
Doch sollen die einzelnen Darlegungen den Staat in seiner Größe
und Kraft zeigen, den überragenden Wert seiner Aufgaben und Ziele jedem
noch so sehr berechtigten Einzelinteresse gegenüber erkennen lassen. Was man
nicht zu lieben und zu bewundern vermag, für das kann man auch nicht
opferwillig und freudig arbeiten.
Bei aller liebevollen Versenkung in die Verhältnisse der Heimat aber
müssen die Einzelbilder den Blick stets über die rot-weißen Grenzpfähle hinaus-
lenken. Heimatland und Heimatstaat sollen nur den Stoff des ersten Fort-
bildungsschuljahres bilden. Das zweite hat in ähnlicher Weise, von einer
erhöhten Warte aus, Volk und Reich als größere Lebensgemeinschaft darzustellen
und lebendig zu machen. Die Verbindungsfäden zwischen den beiden Kreisen
sind von Anfang an zu knüpfen. Für ein Land ferner, das in so weitgehendem
Maße wirtschaftlich abhängig ist vom großen Vaterlande, das politisch, staats-
rechtlich so eng mit den Einrichtungen des Reiches verwachsen ist, dürfte der
durchgehende Nachweis der Beziehungen zwischen Heimat und Vaterland eine
besondere Notwendigkeit sein. Über dem allem aber steht noch das große
Ziel aller staatskundlichen Belehrung: Die Entwickelung nationalen Fühlens,
jener nationalen Lebensenergie, die nicht nur eine der wichtigsten Bedingungen
für den Bestand des Reiches, sondern auch für den Einzelnen das hervor-
ragendste Mittel zur Auswirkung einer vollen Persönlichkeit bildet. Empfangend
und gebend, anregend und selber mannigfache Förderung erhaltend, treibend
durch die Kraft stammesbestimmter Eigenart und getrieben und getragen vom
Strome des Volksgeistes, so ist die heimatliche Lebensgemeinschaft zu sehen,
so erst erhält das Bild der Heimat und seiner Bewohner die richtige Um-
rahmung und Abtönung.
In dieser Zwecksetzung wendet sich das Buch nicht an die Fortbildungs-
schule allein. Es dürfte auch der Heimatkunde in Volks- und Mittelschule
manche wertvolle Anregung geben und wenigstens einen Weg zeigen, wie
dieses Stoffgebiet mit reicherem Leben zu durchdringen sei. Die Fortbildungs-
schule könnte wesentlich entlastet und ihre Zeit für weiterliegende Aufgaben
frei werden, wenn die sieben- und achtklassige Volksschule wenigstens versuchen
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würde, als Abschluß ihres Stoffgebietes, und nachdem sie mit den Schülern
die Weiten der Erde durchgeschweist und die Jahrhunderte durchwandert hat,
ein rundes Bild heimatlichen Schaffens und Wirkens mit ins Leben hinaus-
zugeben.
Es ist dem Verfasser ein Bedürfnis und eine angenehme Pflicht,
allen denen auch an dieser Stelle aufrichtigsten Dank zu sagen, die die Ent-
stehung und Gestaltung dieses Buches mit Rat und Tat gefördert haben:
Dem Herrn Geheimen Regierungs- und Schulrat Dr. Stehle, dem Herrn
Oberregierungsrat Dr. Negenborn in Liegnitz, Herrn Landwirtschafts--
inspektor Wann er für die Durchsicht des Abschnittes über den Weinbau
und dem Herrn Verleger Ludolf Beust.
Möge das Buch sich geeignet erweisen, im kommenden Geschlechte die
Liebe zur Heimat zu vertiefen, die Freudigkeit des Strebens nach höheren
Zielen im Dienste der Allgemeinheit zu entzünden.
Straßburg im Elsaß, Sommer 1912.
E. Hauptmann
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1. Wo stehen wir?
Mit stiller Ehrfurcht betrachten wir wohl den Hausrat, der vom
Großvater oder von den Urgroßeltern herstammt. Wieviel Freude und Glück,
wieviel Weh und Leid hat sich schon vor diesen alten Erbstücken abgespielt!
Während unser Blick sinnend auf ihnen ruht, werden unsere Väter vor
unserm Auge wieder lebendig und mit ihnen alte, längstvergangene Tage.
Sie erinnern uns, daß viele, viele vor uns denselben Namen getragen wie
wir. Gar gerne möchten wir Genaueres über ihr Leben wissen, weil wir
fühlen, daß wir durch sie nicht allein stehen, daß wir nur ein Glied
einer langen Reihe sind. Gerne hören wir von jenen Gewesenen, die
wir nicht gekannt, berichten. Wir sind stolz auf sie und möchten es ihnen
gerne gleichtun.
Auch außerhalb unserer Häuser steigen da und dort gewesene Geschlechter
vor uns auf. Dieses oder jenes graue, jahrhundertealte Gebäude, besonders
aber die Kirchen in Dorf und Stadt erinnern uns an sie. Oft genug aber
denken wir derer gar nicht, die uns diese Stätten gebaut haben.
So manche Gemeinde zieht alljährlich aus ihrem Walde bedeutende
Summen, und doch denkt das Geschlecht, das diese Summen verbraucht,
selten der langen und heißen Kämpfe, die einst von den längst verstorbenen
Bewohnern dieser Gemeinde ausgekämpft werden mußten, damit der Wald
als Gemeindebesitz sicher stand und stehe.
Von unsern Bergen herab schauen zahlreiche Burgruinen ins Tal auf
ein Geschlecht neuer Menschen, das sich kaum nach ihnen umsieht und scheinbar
vergessen hat, daß die einstigen Bewohner dieser Burgen dem Namen unseres
Stammes einen hellen Klang gegeben.
So lassen diese Zeugen der Vergangenheit unsern Blick weiter schweifen
auf eine noch größere Gemeinschaft, der wir angehören, deren Glieder zwar
nicht denselben Namen tragen wie wir, die aber mit uns zum gleichen
Volksstamme gehören, die sich gleich uns Elsässer oder Lothringer nennen.
Gemeinsame Geschichte, gemeinsame Mundart machen aus uns allen eine
große Familie.
1
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Volksgenossen würdig zu sein. Wir fühlen uns gedrungen, unser Bestes zu
leisten, um, soviel an uns liegt, dem Namen eines Deutschen seinen Klang
zu erhalten.
Jeder muß fühlen, daß er zu irgend einem Volke gehört. Kein
Volk kann zwar von sich sagen: Ich bin das beste, vornehmste unter allen.
Jedes hat seine besonderen Tugenden und seine Fehler. Sein Volk lieben,
heißt darum noch nicht, ein anderes hassen. Wer seine Familienangehörigen
liebt, haßt ja um deswillen auch nicht die, die nicht zu dieser Familie ge-
hören. Daß Liebe zu seinem Volke nicht Haß gegen ein fremdes bedeutet,
müssen wir Elsaß-Lothringer insbesondere uns immer vor Augen halten.
Außer unserer heimischen Mundart klingen ja vereinzelt auch fremdsprachige
Laute, französische, an unser Ohr. Sie erinnern uns an eine Zeit, da die
Elsaß-Lothringer mit ihrer Liebe und ihrem Stolze nicht zum deutschen,
sondern zum französischen Volke gehörten, trotz deutscher Mundart und Sitte,
trotz ihrer größtenteils deutschen Geschichte. Aber wissen müssen wir, daß
wir nicht eins und das andere, daß wir mit dem Herzen entweder nur
Deutsche oder nur Franzosen sein können.
Heute klingt der Name des Deutschen stolzer denn je durch die Welt.
Den Beginn des neuen Ruhmes bildete jener Krieg, der uns Elsaß-Lothringer
wieder zum deutschen Volke gebracht hat. Seither erscheinen die Farben des
Deutschen Reiches in den entferntesten Winkeln der Erde, auch da, wo vorher
selbst der Name des Deutschen ganz unbekannt war. Ob das so bleibt, liegt
nur an den deutschen Stämmen, die das deutsche Volk ausmachen.
Denn das deutsche Volk lebt unter Einrichtungen, die von denen der
meisten andern verschieden sind. Jedes fremde Volk wohnt gewissermaßen
in einer weiten Riesenhalle beisammen. Der Bau für das deutsche ist in
Kammern eingeteilt, in selbständige Staaten, in denen die Söhne derselben
Mutter zwar durch leichte Wände getrennt, aber doch so nahe beieinander
wohnen, daß einer des andern Nähe fortwährend spürt. Jeder muß sich erst
in seiner eigenen „Kammer" auskennen, ehe er in die fremden schaut. Wir
Elsaß-Lothringer müssen unser Land und unsern Staat kennen, damit wir
wissen, was er unter den anderen deutschen Staaten bedeutet, wo wir arbeiten
müssen, um seine Einrichtungen noch besser zu gestalten.
2. Der Elsaß-Lothringer in der Geschichte.
Ein ganz kurzer Blick in unsere Geschichte kann uns sagen, was die
Elsaß-Lothringer in vergangenen Zeiten bedeutet haben, und ob auch
der Klang unseres Stammesnamens uns zu Stolz berechtigt.
1*
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Nur im südlichen Teile von Lothringen ist es oft schwer, zu unterscheiden,
ob die Bewohner nach ihrer körperlichen Beschaffenheit mehr den Franzosen
oder mehr den Bewohnern der benachbarten deutschen Länder zugezählt
werden müssen (nach Schwalbe). So ist es also nicht die Sprache allein,
die uns der deutschen Volksfamilie zuweist.
Mit durchlebt, und das von ganzem Herzen, haben die Elsaß-
Lothringer jedenfalls den größten Teil der deutschen Geschichte.
Sie ist also auch elsaß-lothringische Geschichte. Nur ein paar Stichproben
aus ihr sollen uns zeigen, wer und was unsere Vorfahren gewesen sind.
Schon aus einer Zeit, in der es noch kein deutsches und kein französisches
Reich gab, klingt uns das Lob von alamannischer und fränkischer Tapfer-
keit und Treue entgegen. Nachdem die Römer unser Land hatten verlassen
müssen, wollten Alamannen und Franken ihre Schwerter nicht ruhen lassen.
Ihr tapferer Sinn sehnte sich nach Schlacht und Sieg, und da sie zu
Hause nichts zu bekriegen hatten, traten sie ins römische Heer ein, von den
Römern mit offenen Armen aufgenommen, und schlugen dort als „Römer"
die Schlachten des Weltreiches, selbst gegen ihre germanischen Brüder. So
finden wir gleich zu Anfang unserer Geschichte zwei hervorstechende Eigen-
schaften der Elsaß-Lothringer: ihre Liebe zum Waffenhandwerk und ihre
Treue gegen den selbstgewählten Herrn, zwei Eigenschaften, die sie in ihrer
späteren Geschichte noch oft bewähren sollten.
Beide Hauptteile unseres Landes haben im ersten Jahrtausend längere
Zeit hindurch den Mittelpunkt eines Reiches gebildet. Lothringen war
unter den Söhnen und Enkeln Chlodwigs wiederholt das Hauptstück eines
Königreiches Austrasien; Metz mit seinen berühmten Klosterschulen die
Hauptstadt dieses Königreiches. Die Waren ans Ost und Nord flössen
in dieser Stadt zusammen, um nach Italien und Südfrankreich abgegeben
zu werden.
Als sich aus dem gewaltigen Frankenreiche, das das heutige Frank-
reich und einen großen Teil des heutigen Deutschland zu einem Staate
vereinigt hatte, ein französisches und ein deutsches Reich herausbildete, blieb
unser Land für lange Zeit eines der Hauptländer des deutschen Reiches.
Bis zum Jahre 900 etwa hat, neben Worms und Mainz, Straßburg die
deutschen Könige am meisten gesehen. Der Südwesten des heutigen Deutsch-
land war eben Kern und Herz des Reiches.
In der Folgezeit finden wir dann die Namen Elsaß und Lothringen
jedesmal genannt, wenn es sich um wichtige Ereignisse in der deutschen
Geschichte handelte.
Aus der Römerzeit her stand bei den Gebildeten Deutschlands, be-
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Extrahierte Personennamen: Chlodwigs
Extrahierte Ortsnamen: Lothringen Elsaß-Lothringer Nord Italien Deutschland Worms Mainz Lothringen Deutschlands
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nach Norddeutschland wie nach Italien sandten: auch die Kunst fand eine
Heimat unter diesen reichen Bürgern. Davon erzählt uns heute noch
mancher ehrwürdige, kunstvolle Dom in den Städten; vor allem ist das
Münster zu Straßburg ein redender Zeuge dafür. Wohl ist die Bauweise,
in der das Münster und noch manches Gotteshaus unseres Landes aufge-
führt sind, der gotische Stil, in Nordfrankreich zu Hause. Aber er
verdankt doch seine Entstehung den germanischen Einwohnern von Nord-
frankreich, deren germanische Abstammung im Mittelalter noch ganz deutlich
war. Jedenfalls ist die gotische Bauart durch die Deutschen dem deutschen
Charakter gemäß verändert worden. Deutsch sind die weiten Hallen und
die hohen Türme. Straßburg hat überhaupt in der Geschichte der deutschen
Baukunst sich einen der vornehmsten Plätze gesichert. Damals war die Bau-
kunst ein streng gewahrtes Geheimnis der Bauleute, die sich zu einer Art
Verein, der „Bauhütte", zusammengeschlossen hatten. 1459 wurde die
Straßburger Bauhütte zur obersten in allen deutschen Landen gewählt und
hat diese Stellung jahrhundertelang behauptet.
Ungefähr zu gleicher Zeit schrieb auf dem Odilienberge die Äbtissin
Herrad von Landsperg ihr weltberühmtes gelehrtes Buch, den „Lust und
Wonnegarten". In Straßburg entstand um 1400 das erste Geschichtswerk
in deutscher Sprache, die „Teutsche Chronik" des Domherrn vom Münster,
Jakob Twinger von Königshofen. Weltbekannt wurde um 1500 das Spott-
gedicht „Das Narrenschiff", vom Straßburger Stadtschreiber Sebastian Braut
verfaßt, und zu gleicher Zeit predigte int Münster der größte Kanzelredner
feiner Zeit, der Freund des Kaisers Maximilian I., Johannes Geiler von
Kaysersberg (in Schaffhausen geboren).
Wieviel Schönes ist sonst noch in unserm Lande geschaffen worden!
Das steht alles verzeichnet in jenen Büchern, die allerdings nicht von Kriegen
und Schlachten, sondern von Kunstwerken und Künstlern erzählen. Drei
Namen aus jener Zeit müssen noch genannt werden: Martin Schongauer,
Mathias Grünewald und Hans Baldung, genannt Grien. Zwei davon,
Schongauer und Baldung, sind im Elsaß geboren, der erstere in Colmar,
der andere in der Nähe von Straßburg; beide sind Söhne eingewanderter
Eltern. Mathias Grünewald ist Bayer, hat aber im Elsaß gelebt und ge-
wirkt. Schongauer nennt die Kunstgeschichte nicht nur den damals größten
Maler Deutschlands, sie erzählt uns sogar von seinem Weltruhm. Das
Schongauer-Museum in Colmar ist noch heute eines der wichtigsten für das
Studium der Kunstgeschichte jener Zeit.
Eine Glanzzeit des Elsaß beginnt ungefähr mit der Neuzeit, zu Ende des
15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Reiche und Vornehme wollten da-
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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seinen eigenen Vorteil, er arbeitet am allgemeinen Wohle mit. Und es
ist doch auch ein stolzes Gefühl, zu wissen: Meine Arbeit nützt nicht nur
mir selber, sie hat auch Wert für alle die vielen Millionen, die meine
Sprache sprechen, die meines Volkes sind.
Und nun kommen wir endlich zum berühmtesten Zweige unseres
Ackerbaues; es ist
v. Unser Weinbau.
Wenn der elsässische Wanderer von den Hängen unserer wunder-
schönen Berge niedersteigt, schlägt ihm das Herz noch einmal stolz und
hoch, weil er aus dem Walde in die Rebgelände tritt. Schöne Berg-
waldungen mag es wohl sonstwo noch geben in deutschen Landen. Selten
aber wohl so schön beisammen: Wald, Burg und Wein. Und nicht
nur in schönen Rahmen gefaßt liegen unsere Rebberge da. Sie haben auch
die klimatisch glücklichste Lage, die man sich denken kann: Im Süden
Deutschlands, an der Westumrandung der von der Natur so warm und
gut geschützten Oberrheinischen Tiefebene, dem Osten, der Sonne, das
Gesicht zuwendend. Mußte es das Reich nicht als ein Glück ansehen, daß
ihm 1871 dieses frohe Land des edeln Traubenblutes zugefallen? Sollten
nicht die deutschen Brüder drüben, unsere Weine trinkend, den Tag
loben können, der diese Weine wieder zu deutschen gemacht hat, und hatten
nicht die Elsaß-Lothringer Grund, mitzuloben, weil dieser Tag ihnen
den Anfang neuen Wohlstandes bezeichnete?
Denn für den Weinbau mußte doch die Wiedervereinigung unseres
Landes mit Deutschland ein Glück sein. Zur französischen Zeit war
es nur eines unter den vielen Weingebieten Frankreichs, und nicht
einmal das vornehmste. Mit Frankreichs weltberühmten Weinen
konnten sich die seinen nicht messen. Statt daß der Elsässer Wein ins
Innere Frankreichs gegangen wäre, drangen französische in sein eigenes
Gebiet ein. Seit es Eisenbahnen gab, die Südfrankreich besser mit dem
Elsaß verbanden, kamen besonders die südfranzösischen Sorten ins Elsaß.
Schon damals war der Ruhmesstern des Elsässer Weines am Erbleichen.
Der alten berühmten Weine, der Edelmarken, waren im Laufe der Zeit
immer weniger geworden.
Einst, in den alten deutschen Tagen, hatte der Elsässer Edelwein
einen volltönenden Namen gehabt. Schon im 9. Jahrhundert wußten ihn
Friesländer, Engländer, Dänen und Schweden zu schätzen. Auf dem
großen Handelswege des Rheins schwammen alljährlich gewaltige Schiffs-
3*
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Frankreichs Frankreichs Elsaß Elsässer_Edelwein Schweden Rheins
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sein überlegener Geist. Dem ganzen großen Vaterlande widmete er seine
Sorge, seine gewaltige Kraft. Zu neuer Einigkeit und Größe wollte er das
Reich führen, das in seiner Uneinigkeit und Zerrissenheit dem Untergange
zusteuerte. Kaiser und Fürsten verhandelten mit ihm wie mit ihresgleichen.
Wie kommt es, so fragen wir, daß alle diese Söhne unseres kleinen
Landes eine solche Bedeutung gewinnen konnten? Wohl nannten sie sich
Söhne unseres Landes, aber ihr Sinnen und Fühlen gehörte doch ebenso sehr
den großen Ereignissen des deutschen Vaterlandes. Wenn irgend etwas Wichtiges,
Gewaltiges geschah oder geschehen sollte in deutschen Landen, waren sie mit
ihrem warmen, schnellen Gefühle gleich dabei. Wohl wußten sie: die Gaben,
die wir haben, der nüchterne, ruhige Verstand, die Freude am Kampf, sind
die Gaben unseres Stammes. Aber sie nützten sie im Dienste der größeren
Heimat und haben damit auch der kleineren am besten gedient. Nie hat der
Ruhm der Elsässer und Lothringer heller gestrahlt als damals, da unsere
Stammesgenossen über den Sorgen und Kämpfen für die Dinge im Reich
ihre Heimat zu vergessen schienen.
Leider sollte diese glanzvolle Verbindung zwischen unserer Heimat und
dem großen deutschen Vaterlande bald abreißen. Hundert Jahre nach diesen
stolzen Tagen hat der österreichische Herrscher, der auch deutscher Kaiser und
Landgraf im Elsaß war, seine elsässischen Besitzungen, große Teile des Ober-
elsaß, die Reichsstädte und Reichsdörfer im Unterelsaß an Frankreich abge-
treten, um nach dem Dreißigjährigen Kriege den Frieden von den Franzosen
zu erkaufen (1648). Lothringen hatte sich schon seit der Mitte des 16. Jahr-
hunderts wenigstens halb vom deutschen Reiche gelöst. Zwar lagen noch
Besitzungen deutscher Fürsten über das ganze Land verstreut. Aber die große
Ader, die von drüben her in unser Land geführt hatte, war doch zerschnitten.
Es folgten hundert Jahre stiller Geschichte, aus denen nichts Großes
über unser Land zu berichten ist. Mit der französischen Revolution (1789)
wurde der Rhein eine scharfe Grenzlinie zwischen Elsaß-Lothringen und den
deutschen Landen. Straßburg war nicht mehr die stolze Reichsstadt, deren
Bürgermeister in der großen Reichsversammlung wie ein gebietender Herr
auftreten konnte. Eine französische Provinzstadt, ohne Bedeutung, lag es
an der äußersten Grenze des französischen Reiches. Immer stiller wurde es
im Lande. Jeder ging seiner Beschäftigung nach, unser Stamm verlernte
es allmählich, sich um die Angelegenheiten eines großen Volkes zu kümmern.
Doch der Fleiß brachte Frucht.
Frankreich konnte ja den Elsaß-Lothringern etwas bieten, was das zuletzt
kraftlos gewordene, uneinige deutsche Reich nicht hatte geben können: Schutz und
Schirm dem Gewerbe des Landes. Das mächtige Königtum der Franzosen
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