Darstellender ~
Anschauungsunterricht
bearbeite! von
Dr. pbil. E. Dickhosj,
Stadt- und Kreisschulinspektor in Berlin
Otto Schmidt, Karl Groch,
Rektor in Berlin Lehrer in Berlin
mit zahlreichen Textzeichnungen von
Ernst Redlich,
Lehrer in Berlin
Zweite und dritte Auflage
1914
Friedrich Kortkamp
Inhaber Kortkamp & Scholz (Schulbuchhandlung von F. G. L. Greßler)
Langensalza.
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter]]
Extrahierte Personennamen: Otto_Schmidt Otto Karl_Groch Karl Ernst_Redlich Ernst Friedrich_Kortkamp
Inhaber_Kortkamp Friedrich Scholz L._Greßler
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Berlin Berlin Langensalza
- Vii -
neuer geistiger Inhalt entsteht, der sich als inneres Erlebnis
darstellt.
Auch in anderer Hinsicht rechtfertigt sich der Titel des Werkes.
Es will nicht bloß den psychischen Erwerb der heimatlichen Sach-
Vorstellungen selbsttätig gestalten lehren, sondern auch die äußeren
Formen des Darstellens pflegen, namentlich auch durch
diebetätigungderhand. Die Verfasser haben sich bei jedem
Anschauungsstoffe gewissenhaft gefragt, welche für das geistige Wachs-
tum der Kinder wichtigen Stoffe sich zur Behandlung besonders eig-
nen: seien es Stoffe sprachlicher Darstellung in Prosa oder Poesie,
seien es Rätsel oder Scherzfragen, seien es Dinge, die ein körperliches
Gestalten durch Formen, Legen, Ausschneiden, einfache, vom Kinde
darstellbare Zeichnungen oder Lehrerskizzen an der Wandtafel als
besonders zweckmäßig erscheinen lassen. Nahezu 150 Zetchentäfelchen
sind in den Text bei den einzelnen Abschnitten eingefügt. Sie geben
in körperhafter Zeichnung die Formübungen, in Silhouettenform
die Ausschneideübungen und in Strichzeichnungen die Legeübungen
mit Stäbchen an. Die Schüler- und die Lehrerzeichnungen sind in
einfachen Rissen gezeichnet: viele Bilder deuten für den weniger
zeichenkundigen Lehrer auch reichlich zeichnerische Hilfen an. Diese
Dinge aber werden nicht als die Hauptsache im Unterricht
angesehen, sie dienen wesentlich nur zur Klärung in den Fällen,
wo sie besser als das Wort die Anschauung darstellen oder die sprach-
liche Darstellung unterstützen.
Seinen Stoffen nach trägt das Werk zunächst den Charakter
eines Berliner Heimatbuches. Für die Auswahl waren in erster
Linie die Forderungen des neuen Berliner Grundlehrplans maß-
gebend Wenn aus diesem Grunde die heimatkundlichen Stoffe der
großstädtischen Kultur in erster Reihe darin vertreten sind, so haben
die Verfasser doch auch die Momente berücksichtigt, ohne die für die
Städter ein Umgang mit der Natur nicht gut möglich ist. Zudem
sind auch die Stoffe nicht außer Betracht gelassen, die für Kinder ein-
facher Schulverhältnisse und des Landes unterrichtliches Interesse die-
ten und daher Behandlung verdienen. Eine sachliche Ergänzung mit
Rücksicht auf die besonderen lokalen Verhältnisse wird sich unschwer
vornehmen lassen, ja ergibt sich mitunter von selbst auf Grund der
Schülerantworten. Der praktische Teil zeigt die Lehrstoffe in syste-
matischer Folge; die theoretischen Bemerkungen dazu enthalten auch
den Plan des heimatkundlichen Unterrichts. Wir haben nicht
die Absicht verfolgt, dem Lehrer ein Gängelband für den Un-
terricht anzulegen, es kam uns darauf an, die Anschauungs-
stoffe in methodischem Aufbau zu zeigen. Das Erarbeiten all dieser
Vorstellungen kann nicht in einem Buche, sondern nur in der Schul-
stube gezeigt werden. Darum sind wir auch in der Beigabe von
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
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hat, täuscht über den wahren Inhalt hinweg. Erst wenn der Inhalt
vollständig geworden ist und die Eigenschaften als in einem logischen
Zusammenhange stehend erkannt werden, ist es eine brauchbare
Münze des mündlichen Verkehrs und des Bildungserwerbs. Eine
allgemeine Bedeutung kommt den sprachlichen Zeichen erst dann zu,
wenn die Anschauung so weit entwickelt ist, daß das Wort mehr als
eine ?-ndividualbenennnng bedeutet. Diese Verallgemei-
nerung, die zum begrifflichen Denken schließlich hinführt,
muß der Anschauungsunterricht leisten. Erst wenn das Wort „Vogel"
nicht wie auf der primitiven Stufe nur einen unbestimmten Eindruck
wiedergibt, auch nicht bloß etwa einen bestimmten Kanarienvogel,
den das Kind kennt, bedeutet, sondern wenn in diesem Worte die
Merkmale sich aussprechen, die durch die Ähnlichkeiten im Bau und
Leben dieser Tiere bestimmt werden, ist das Ziel der Anschauungs-
arbeit erreicht. Wenn der klärende und erweiternde Anschauungs-
Unterricht diese Arbeit leistet, vermehrt er nicht nur den Sprachschatz
des Kindes, der Ausdruck wird nun zu einem Netz, das die Seele
auswirft, um neue Anschauungen zu fangen, wie S t e i n t h a l sich
ausdrückt.
Es ist für den Spracherwerb wichtig, die Entwickelung so zu
leiten, daß die F o r m e n des Dialekts den Ausgangs-
punkt für unterrichtliche Belehrungen bilden. Man soll nicht ver-
langen, daß der Gebrauch der hochdeutschen Sprachform der u n-
bedingte Ausdruck der Anfänger sei. Man darf die Antwor-
ten im Dialekt zunächst ruhig entgegennehmen und wird sie sogar
in freundlichem Entgegenkommen als willkommene Beiträge schätzen.
Nur vorsichtig führt man diese Ausdrücke so in die hochdeutsche Form
über, daß das Weben des lebendigen Sprachgeistes bei der Um-
gestaltung nicht unterbrochen wird. Keineswegs darf sich
der Lehrer befugt halten, einen spezifisch heimatlichen Ausdruck, eine
mundartliche Wendung, wenn sie sachlich richtig ist, aus sprachlichen
Gründen als falsch zu bezeichnen.
Das geschilderte Zusammenweben der Ausdrücke erhält bei der
Erörterung der Ableitungen erhöhte Bedeutung. Wenn dem Kinde,
wie K. R i ch t e r in seinem bekannten Werke über den Anschauungs-
Unterricht anführt, der Zusammenhang zwischen „Weizen" und
„weiß", „heizen" und „heiß", „spicken" und „Speck", „nisten" und
„Nest", „Schelle" und „schellen", „sprengen" und „springen", „Spin-
ne", „spinnen", „spannen", „widerspenstig" u. a. m. zum Bewußtsein
gebracht wird, so geht ihm ein ganz neues Licht auf über die Ent-
stehung und Bildungsweise einer ganzen Anzahl ähnlicher Wörter,
deren Bedeutung es wohl ahnte und oberflächlich verstand, die
aber nun einmal einen ganz neuen Inhalt bekommen. Ähn-
liches gilt auch bei Zusammensetzungen und ganzen Redewendungen.
3*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
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Die Aktivität aber, die das Ziel der Kulturpädagogik unserer
Zeit ist, bildet zugleich das Mittel zur Entfaltung der
Kräfte. Wenn K ü h n e l in seinem Werke „Moderner Anschau-
ungsunterricht" (Leipzig, Klinkhardt. 4./5. Aufl. S. 92 ff.) als Grund-
sätze für unseren Unterricht den Obergedankenderanschau-
ung, die tatsächliche sinnliche Nähe des Objekts for-
dert, das wirklich und allseitig erforscht wird, für die D e u t l i ch k e i t
der sinnlichen Erfahrung mit größtem Nachdruck auftritt
und dem Wirklichkeitssinn in der logischen Schluß-
folgerung aus den beobachteten Tatsachen so hohen Wert beimißt,
so stimmen wir ihm, wie unsere Ausführungen zeigen, in vollen:
Umfange zu. Aber wir heben gleichzeitig hervor, daß für die
schöpferische Synthese zu diesen Bedingungen die Z i e l v o r st e l-
lung mit ihrer leitenden Kraft treten muß, die Ziel-
Vorstellung, die sich zwar in fortleitenden Einzelheiten nach dem In-
halt der jeweiligen Untersuchung wandelt und sogar heterogene Be-
standteile aneinanderfügen darf, die aber in ihrem inneren Sinn zu-
sammengehalten werden muß durch das Grundthema, das schon der
Ausgangspunkt als Problem aufrollte. So wird der Weg in der
Bildung der Anschauung von Schritt zu Schritt zur Erziehung
denkender, fühlender und wollender Kulturträ-
ger führen.
S. Die Stoffe des Anschauungsunterrichts.
Der bisherige Anschauungsunterricht hat in der neueren Zeit
durch Gansberg und Scharrel mann scharfe Angriffe
erfahren. Mit poetischem Blick haben sie das Leben des Alltags
durchdrungen und gefunden, daß hier sch ätzenswerte Ele-
mente des Geisteslebens zu finden sind. Sie sind für die
Verwendung dieser kraftbildenden Nährstoffe und die Gestaltung eines
innigen Verhältnisses in der Schülergemeinschaft eingetreten. Sie
haben eindringlich gezeigt, daß nur ein lebensvoller herzhafter Unter-
richt das kindliche Geistesleben vollkräftig entwickelt und haben den
Weg gewiesen, auf dem man in die Schule Lebenslust und
Freude bringen kann. Wer die Welt mit Dichteraugen sieht, wie
diese beiden Methodiker, übersieht aber leicht nach der anderen Seite
hin wichtige Faktoren bei der Bildung der Anschauungen, wenn er
nicht gar trügerischen Boden betritt.
Gansberg will zunächst dem Anschauungsunterricht in der Groß-
stadt die st ä d t i s ch e Kultur erschließen. Er meint, daß Stadt-
kinder an den dörflichen und naturgeschichtlichen Stoffen des bis-
herigen Unterrichts kein ursprüngliches Interesse hätten, weil diese
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Verhältnisse der städtischen Lebensgemeinschaft zu ferne lägen und
zu gering an Umfang und Tiefe wären. Er erwartet von der unter-
richtlichen Beachtung des alltäglichen Lebens in Haus und auf der
Straße der Großstadt bessere Lehrerfolge, als von der Besprechung
von Lerche, Bienchen, Böckchen, Gänschen und Häschen; denn das
Stadtkind kenne diese Dinge nicht, und darum leben diese Dinge für
es nicht. Sie bieten der Phantasie nichts, „nichts als Aufzählungen,
Feststellungen, Begleichungen und Beschreibungen", und dabei schläft
die Klasse ein.
Zunächst ist es nun, nach Meinung aller unbeirrten Pädagogen,
das Ziel des Anschauungsunterrichts, das gesamte Kulturgut
in seinen elementaren Formen den Kinderaugen zu er-
schließen. Dazu gehört auch neben der Kultur der Stadt die Natur,
die jede Stadt umgibt, die mit tausend und abertausend Beziehun-
gen ins steinerne Meer hineinreicht. Es wäre ein grobes Versehen,
wollte man die Natur und das Leben der Tiere und Pflanzen vom
Lehrplan der Großstadt ausschließen, die Apperzeptionsstützen zur
Auffassung jener in manchen Schriften geschmähten Naturdinge dürfen
nicht fehlen. Andererseits hat Gansberg Recht, wenn er die bis-
herige Vernachlässigung des Stadtlebens und der
großstädtischen Verhältnisse bekämpft. Es gibt schlech-
terdings auch für dos Stadtkind im Stadtleben weite Gebiete, die
wertvolles Bildungsgut enthalten, das nicht vernachlässigt werden
darf. Freilich wird die Behandlung der Naturgegenstände in der
Stadt eine andere sein müssen als auf dem Lande, wo alles lebens-
frisch ist; aber diese Art der Berücksichtigung ist eine Frage der M e-
t h o d e und nicht eine der S t o s s a u s w a h l.
Eine weitere Gegnerschaft ist im Anschauungsunterricht dem
Stoffgebiete der Beschreibungen erwachsen. Die konkreten
Dinge, die in natura vor die Seele treten und betrachtet werden, sollen
kein geeigneter Anschauungsstoff sein, nur das Leben an den
Dingen, „wie sie leben, sich verändern, wie sie wirken und mit
andern Dingen Verbindungen eingehen —" erscheint Gansberg als
das Alleinwichtige. Die Schilderungen und Erzählungen sind ihm
demnach die hervorragendsten Mittel, das Leben zur Darstellung zu
bringen, und die Pflege der Phantasie, das Schaffen eines neuen
Bildes aus der Erinnerung ist ihm wichtiger als die Sinnesbildung.
Gansberg will lieber ganz fernliegende Stoffe an die Kinder
heranbringen, er verlangt nur, daß Leben und Funktion in
ihnen dargestellt werden können. Er will den Anschauungsunterricht
sogar zu einem Weltanschauungsunterricht hinaufführen.
Dieses Emporbilden soll durch belebende Ideen geschehen, die auch
noch dem Lehrer zu denken geben. „Sie sollen nicht ausgesprochen
werden, sie sollen nur durchklingen, ahnen lassen, sollen dem Unter-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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gung keineswegs das unterscheidende Prinzip, der Arbeitsgedanke
will vielmehr aufgefaßt werden als eine Methode der geifti-
gen Bildung.
Bevor wir die Durchführung des Arbeitsgedan-
k e n s auf dem Gebiete des elementaren Sachunterrichts
zeigen, müssen wir die allgemeinen Vorfragen erörtern, die zur
Fundierung eines didaktischen Hilfsbuches notwendig sind. Diese Vor-
fragen sind zunächst psychologischer Art. Es muß die Frage
beantwortet werden, welche Ansätze die Natur des Kindes für die
Gestaltung des Weges der Selbsttätigkeit besitzt. Dabei werden einer-
seits die Ergebnisse der Psychologie des Kindes berück-
sichtigt werden müssen, andrerseits wird der Lernprozeß in
seinen G r u n d z ü g e n darzustellen sein. Erst nach der Erledi-
gung dieser Vorfragen können die eigentlichen Fragen aufgerollt
werden, die nach den Bedingungen forschen, unter denen die
Übermittelung des Bildungsgutes vor sich gehen kann.
Der Hauptteil unserer Arbeit ist freilich nicht theoretischer Art. Die
Skizzierung des Stoffes in der Gestalt, die für den Arbeits-
prozeß die günstigste zielfördernde Gelegenheit auf-
weist, haben wir als unsere Hauptaufgabe betrachtet.
Das psychologische Hauptmoment für die Grundlegung des An-
schauungsunterrichtes besteht notwendig in der Untersuchung der An-
läge des Kindes und der Beschaffenheit des kindlichen Anschauungs-
kreises. Über beide Untersuchungsgegenstände liegt eine ganze An-
zahl von Veröffentlichungen vor. Aber man kann kaum sagen, daß
diese Fragen zu einem befriedigenden Abschluß gekommen seien.
Ganz im Gegenteil behaupten die wissenschaftlichen Vertreter der
Psychologie des Kindes, daß wir mit unseren Untersuchungen über die
psychologischen Prozesse der Kindesseele, über ihren geistigen Ur-
bestand, ihren Umfang und Fortschritt erst am Anfange der Ar-
b e i t stehen.
Man darf im allgemeinen sagen, daß das sechsjährige Kind mit
allen geistigen Funktionen ausgestattet ist, die auch der Erwachsene
ausübt; aber sie haben weder die Stärke noch die V o l l k o m-
m e n h e i t des reiferen Alters. Das Gleichgewicht der geistigen
Kräfte schwankt so sehr, daß man ein Kind in geistiger Beziehung
nicht als einen kleinen Erwachsenen ansehen darf, wie es die psycho-
logische Grundlegung der offiziellen Pädagogik noch vor wenigen
Iahren fast durchweg getan hat. Das kindliche Geistes-
leben ist vielmehr von dem des Erwachsenen außer-
ordentlich verschieden. Zunächst können wir feststellen, daß
der Umfang seiner Erfahrungen bedeutend geringer ist. Dem
Kinde fehlt die große Menge von Erfahrungen, die der Er-
wachsene zur selbständigen Führung seines Lebens bedarf. Es sind
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
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in der Schule. Aber sein Anschauungsunterricht will die Beobach-
tungen und Erfahrungen, die in der freien Zeit im Hause und auf
der Straße erworben worden sind, sammeln, und er gibt sich dabei
dem Glauben hin, daß damit, „das ist selbstverständlich, auch die
Sinnestätigkeit in jeder Stunde wieder aufs neue angeregt wird".
„Wir wünschen", sagt er, „daß das Kind die Anschauung wieder-
gibt, die es sich selbst in seinem individuellen Leben erworben hat."
Hier scheint ein verhängnisvoller Irrtum vorzuliegen,
indem Sinnestätigkeit und Erinnerungsvorstel-
lungen einander gleichgesetzt werden. Wir können darum auch
nicht zustimmen, wenn Gansberg weiter schreibt: „Wir treiben mithin
echteste Menschenbildung und Geisteserziehung, wenn wir erstens
Tag für Tag vor den Augen der Kinder bunte, reichbelebte, rein
persönliche Bilder aus der Menschenwelt entwerfen, und wenn wir
zweitens so langsam, so Stück für Stück und Strich für Strich an
diesen Bildern arbeiten, daß die Klasse ganz von selbst mit gleich-
artigen Beiträgen in unsere Arbeit sich einfügt, und das brächte
zweierlei Gewinn mit sich: erstens belebenden Einfluß auf die Vor-
stellungs- und Darstellungskraft des Kindes — aus Denkern werden
Dichter — zweitens belebenden Eindruck auf die Beobachtungs- und
Auffassungskraft der Kinder — aus Dichtern werden Seher." Wir
glauben nicht recht an die Ursprünglichkeit und Sinnesfrische dieser
Beobachtungen aus allgemeinen psychologischen Erfahrungen über
die Beschaffenheit der kindlichen Vorstellungen und möchten auch die
Kinder weniger zu Dichtern, als zu tüchtigen Menschen des Alltags
mit klaren und deutlichen Begriffen bilden, die nüchtern und objektiv
Tatsachen festzustellen vermögen und aus ihnen Schlüsse und Folge-
rungen herleiten können. Die von den Modernen so sehr verpönten
Gegenstände „das Pult, der Schrank, der Stuhl" sind gewiß „ehr-
würdige" Anschauungsgegenstände: aber sie sind durchaus als solche
nicht unbrauchbar, wenn man nur dafür sorgt, daß unser Tisch,
unser Pult, unser Stuhl besehen und besprochen wird, und wenn
man an diesen und andern Gegenständen mit der sinnenfälligen
Beschreibung gewisse partielle Vorstellungen, namentlich Farben- und
Raumvorstellungen (rechts, links, halb, oben, unten u. a. m.), Zahl-
Vorstellungen, Zeitvorstellungen, Formenkunde gewinnen kann, wenn
weiterhin Vergleiche angestellt und Unterschiede beobachtet werden.
Wird die Aufmerksamkeit daran gewöhnt, die wahrgenommenen Teil-
objekte in einer gewissen Ordnung zu beobachten, dann ist die Zeit
für diese Übungen außerordentlich nützlich verwendet. Wir halten
darum in Übereinstimmung mit der exakten Psychologie die Forde-
rung aufrecht, daß neben die Erzählung im An-
schauungsunterricht auch die Beschreibung zu
setzen ist. Gerade auf der Stufe, die die Vorbereitung auf den
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
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Späteren naturgeschichtlichen und heimatkundlichen Unterricht bedeutete
legen wir der Frage: Wie ist der Tisch? vor der kausalen Behand-
lung der andern Fragen: Wie wird das Ding gebraucht? oder: Wie
äußern sich die Lebensanschauungen der Naturgegenstände? großen
Wert bei. Erst dadurch, daß die kausalen Verknüpfungen sich auf klar
beobachtete Tatsachen und saubere Unterscheidungen gründen, er-
halten sie den L e b e n s w e r t, der in den aktiven Vorgängen über-
Haupt liegt.
Wir möchten, um dem „dichterischen Sehen" zu genügen, nicht
an jeden Lehrer die Forderung stellen, ein Dichter zu werden: wir
fürchten, mit dieser Forderung wenig Erfolg zu haben. Dafür aber
sollen die poetischen Erzählungen des Märchens in unserm An-
schauungsunterricht eine wichtige Stelle haben: denn das Märchen
ist durch Dichter geschaffen worden nicht in bloßer Wiedergabe eines
Naturvorganges, sondern aus verdichteter Erfahrung, aus seinem
Lebenskern und seines Herzens Tiefe. Darum sind auch diese lus-
tigen Kinder der Phantasie in höherem Maße auf die Wirklichkeit
und ihre Beobachtung gegründet, als es bisweilen scheinen mag: es
kann sie nur der recht verstehen, der ein starkes Wirklichkeit s-
g e f ü h l hat und die Dinge von Haus aus kennt und empfindet.
Treffend sagt darüber Itschner in seiner Unterrichtslehre („Unter-
richt gefaßt als Entbindung gestaltender Kraft", 2. Band, 2. Hälfte,
S. 275 ff.): „Aus dem Wesen der Dinge schießen die Szenen an,
schürzen sich die Konflikte, ergeben sich die Lösungen, So umspannt
die Phantasie das Gewölbe der königlichen Schatzkammer mit tausend
Fäden der Lüsternheit, und sie erfaßt auch, wie man sich des Schatzes
bemächtigen kann, und wäre er noch so sehr behütet? Wer kann
hindern, daß einer zum Schlüsselloch eindringt? Freilich geht es
nicht bei jedem. Flugs erfindet sie dies Geschöpf: den Daumenlang:
also e i n Eingang bleibt durch jede Tür. Diese ganze Schöpfung wird
aber erst so recht lebendig dem, der sich das Wesen der Tür vergegen-
wärtigt. Wie lebt dann das Märchen, wie lebt die Tür? Das ist
aber etwas für unsere Kinder? Sie haften nicht allzulange am Gegen-
ständlichen, sie schwingen sich gern ins Übersinnliche und Zeitlose.
Deshalb lieben sie auch so sehr das Märchen, sie werden es aber
umsomehr genießen, je besser sie eingedrungen sind ins Wesen der
Dinge, die gestaltend eingegriffen haben."
Märchen werden als Kunstwerke erzählt, und für ihre Be-
Handlung gelten all die Grundsätze, die man bei der Behandlung
eines Kunstwerkes beachten muß. Die kleinen Erzählungen aber, die
im ersten Schuljahr aus dem Spiel und dem Leben der Kinder ent-
wickelt werden, dürfen nicht vom Lehrer vorerzählt werden. Der
Lehrer braucht nur das Thema zu nennen, die Zielvorstellung an-
zudeuten, um das G e st a l t e n d e r E r z ä h l u n g durch die Arbeit
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
— 42 —
der Klasse wachzurufen. Das Ziel gibt nur die Flugrichlung des von
der Phantasie getriebenen lustigen Fahrzeuges an, die Aufmerksam-
keit belebt die Apperzeption, und die Zusammenfassung rundet das
kleine Bild ab, das durch die Anschlußstoffe des Formens, des Malens
und hie und da auch durch poetische Stoffe ergänzt wird.
Auch das Rätsel gehört in den Anschauungsunterricht. Es ist
gewißlich wahr, daß das Rätsel, das schlichte Volksrätsel zumal,
keine Sache des Verstandes ist, sondern eine Sache der
Anschauung, „daß es in erster Linie eine Schöpfung der künst-
lerischen Gestaltungskraft stets gewesen ist, eine Schleifstätte sozu-
sagen von der plastischen Vorstellung von der Natur und ihrer Dinge
und nicht eine Sache des scharfen Sinnes." So haben bedeutende
Forscher des Sprachgeistes das Rätsel bezeichnet, und die Erfahrung
gibt uns Recht, daß manches Rätsel, an dem der Erwachsene mit
scharfem Verstände sich müht, von dem sinnlich denkenden Kinde wie
eine Nuß mit leichter Schale aufgeknackt wird.
Durch die L e f e b u ch st o s f e, die wir zunächst im Anschluß
an einige weit verbreitete Bücher gegeben haben, wollen wir Hin-
weise darauf geben, daß der Anschauungsunterricht nicht isoliert
stehen, sondern in vielseitige Beziehung auch zum
Stoffe des Lesebuchs, insbesondere zu dem poetischen Stoffe
treten soll. In den meisten Fällen werden die Verse und Reime
A n s ch l u ß st o s s e sein: zuweilen wird es sich jedoch als nützlich er-
weisen, daß sie als Ausgangs stosse der Behandlung dienen.
Wir fügen hier den Verteilungsplan an, den wir un-
ferer Stoffsammlung zugrunde gelegt haben und lassen ihm einige
methodische Bemerkungen folgen, die für die Behandlung als Er-
läuterungen und Richtlinien gelten sollen. In sachlicher Beziehung
sind es die Bestimmungen des neuen Berliner Lehrplans.
Als Z i e l des Anschauungsunterrichts sehen wir die Klärung des
kindlichen Vorstellungskreises und seine Erweiterung durch Erfahrung
an. Daneben soll das Kind befähigt werden, sich über die Sachen
und Tatsachen seiner Umgebung in einfacher Weise auszudrücken.
Die Stoffe des ersten Schuljahres nehmen wir aus
der näheren Erfahrungswelt des Kindes. Das 5)aus, die Schule, die
nächste Umgebung und deren Veränderung in den Jahreszeiten be-
zeichnen die Sachgebiete. An diese schließen sich leichte Märchen,
Fabeln und Erzählungen an. Der Lehrstoff des z w e i t e n Schul-
j a h r e s rückt die Tätigkeiten in den Vordergrund, die in
Landwirtschast, Gartenbau, Gewerbe und Verkehr in den örtlichen
Verhältnissen besonders hervortreten. Selbstverständlich werden nur
die Stoffe berücksichtigt, denen das Kind innerlich nahesteht. Wie
im ersten Schuljahre schließen sich hieran ebenfalls Märchen, Fabeln
und Erzählungen. Für das dritte Schuljahr tritt die 5) e i-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
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mal in besonderem Sinne in den Vordergrund, und wir rechnen
dahin alle Erscheinungen, die auf den Ausflügen als Tatsachen be-
obachtet werden können. Dazu gehören die Straße und ihr Verkehr,
die nähere Umgebung der Schule, die bekanntesten Pflanzen, Tierr-
und Gesteine der Heimat und auch die geschichtlichen Erinnerungen,
die dem Kinde naheliegen. Wir nehmen zugleich darauf Rücksicht^
die erdkundlichen Grundlagen zu gewinnen und die Wiedergabe der
Geländezeichen auf dem Stadtplane und der Landkarte zum Ver-
ftändnis zu bringen.
Die nachfolgenden Erläuterungen und methodischen Bemerkungen
wollen weniger Vorschriften als vielmehr Richtlinien sein,
in denen die Behandlung der Anschauungsstoffe erfolgt.
Der heimatkundliche Anschauungsunterricht soll mit dem Deutsch-
Unterricht innig verknüpft sein. Daneben ist er S t a m m u n t e r-
r i ch t, der durch seinen Lehrstoff die später auftretenden Fächer
Geschichte, Raumlehre, Naturkunde und Erdkunde in sich oereinigt
und vorbereitet. Er ist nach der Art seines Betriebes E r f a h-
rungsunterricht, nach seinem Inhalt Heimatkunde, nach-
seiner Form Sprach- und Darstellungsunterricht. Er-
folgt einem Plane, der von jeder Schule für ihre Umgebung auf-
gestellt werden muß. Viele Stoffe werden bei einer passenden Ge-
legenheit erklärt. Kleine Spaziergänge, ferner auch allerlei Dinge,
die von den Kindern mitgebracht werden, können als Anknüpfungs-
punkte dienen.
Die gewonnenen Vorstellungen werden durch die Sprache, das
Formen, das malende Zeichnen, das Ausschneiden und das kindliche-
Spiel zum Ausdruck gebracht. In der Behandlung verdient ganz
besonders im Anfang die erzählende Form vor der Be-
fchreibung den Vorzug, natürlich nur, wenn sie durch die*
Sachlage gegeben ist.
Diesen Richtlinien wollen wir nur wenige Worte von all-
gemein er didaktischer Bedeutung hinzufügen, die im
Anschauungsunterricht aber besonders beherzigenswert sind. Wie jede
wahre Bildnngsarbeit, so ist auch der Anschauungsunterricht Arbeit
im Dienste der Persönlichkeitsbildung. Wenn der An-
schauungsunterricht lebenweckende Kraft betätigen soll, so muß er-
such Eindrücke hervorbringen, die den Charakter des Lebendigen
an sich tragen. „Neues Leben aber kann toter Stoff nur erhalten in
einer lebendigen Menschenseele. Es ist wie der Atemhauch des
Schöpfers, was da plötzlich die tote Materie umwebt und durchdringt
und ihr den Charakter des Lebens schenkt. Schon das Kind betätigt
sich belebend, wenn es in seinem Spiel den Stecken zum Pferde, den
Stiefelknecht zur Puppe werden läßt. Aber seine lebensspendende'
Kraft versagt, wo es sich um Kulturstufen höheren Grades handelt.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]