Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Deutsche Prosa - S. 15

1900 - Gera : Hofmann
H?om Oeist der Keschichte. 1797. Johann Gottfried Herder, Briefe zu Beförderung der Humanität. (Suphan, Band 18.) Wenn in einem Felde der Wissenschaft menschliche Gesinnungen herrschen sollten, so ist's im Felde der Geschichte: denn erzählt diese nicht menschliche Handlungen? und entscheiden diese nicht über den Wert des Menschen? bauen diese nicht unsers Geschlechts Glück und Unglück? Man sagt: „Die Geschichte erzähle Begebenheiten" und ist beinah geneigt, diese für so unwillkürlich, ja für so unerklürbar anzusehen, wie man in den dunkelsten Jahrhunderten die Naturbegebenheiten nicht ansah, sondern anstaunte. Ein erregter Krieg oder Aufruhr gilt der gemeinen Geschichte wie ein Ungewitter, wie ein Erdbeben; die ihn erregten, werden als Geißel der Gottheit, als mächtige Zauberer be- trachtet; und damit gnug! Eine Geschichte dieser Art kann die klügste oder die stupideste werden, nachdem der Sinn des Verfassers war. Die stupideste wird sie, wenn sie in einem sogenannt großen und göttlichen Mann alles bewundert, und keine seiner Unternehmungen an ein Richtmaß menschlicher Vernunft zu bringen sich erkühnet. Manche morgenlündische Geschichten von Nadir-Schah, Timur-Long u. s. f. sind so geschrieben; wir lesen eine lobjauchzende Epopöe, mit einer dürren oder abscheulichen Thatenreihe fröhlich dnrchwebet. Europa hat an diesem morgenlündischen Geschmack vielen Anteil genommen, nicht etwa nur in den Zeiten der Kreuzzüge, sondern auch in den meisten Lebensbeschreibungen einzelner Helden, in der Geschichte ganzer Sekten, Familien und Familienkriege. Man staunt, wenn man die Andacht und Anhänglichkeit des Schriftstellers an seinen ver- ehrten Gegenstand wahrnimmt, und kann nicht anders sagen, als: „er hat aus dem Becher der Betäubung getrunken; Wein der Dämonen hat ihm die Sinne benebelt."

2. Deutsche Prosa - S. 18

1900 - Gera : Hofmann
18 Johann Gottfried Herder. zwanzig Jahre spater als wohl- oder übelgemeinte Fieber-Phantasieen lesen; reifere Gemüter lesen sie jetzt schon also. Also bleibt die Geschichte einzig und ewig nichts, als der Geist ihres ältesten Schreibers, Herodots, der unangestrengte, milde Sinn der Menschheit. Unbefangen sieht dieser alle Völker und zeichnet jedes auf seiner Stelle, nach seinen Sitten und Gebräuchen. Un- befangen erzählt er die Begebenheiten, und bemerkt, wie allenthalben nur Mäßigung die Völker glücklich mache und jeder Übermut seine Nemesis hinter sich habe. Dies Maß der Nemesis, nach feineren oder größeren Verhältnissen angewandt, ist der einzige und ewige Maß- stab aller Menschengeschichte. „Was du nicht willst, das dir geschehe, das thue keinem andern"; die Rache kommt, ja sie ist da, bei jeder Verirrung, bei jedem Frevel. Alle Mißverhältnisse und Unbilligkeiten, jede stolze Anmaßung, jede feindselige Verhetzung, jede Treulosigkeit hat ihre Strafe mit oder hinter sich; je später, desto schrecklicher und ernster. Die Schuld der Väter häuft sich mit erschreckendem Gewicht auf Kinder und Enkel. Gott hat den Menschen nicht erlaubt, lasterhaft zu sein als unter dem harten Gesetz der Strafe. Wiederum belohnt sich auch in der Geschichte das kleinste Gute. Kein vernünftiges Wort, was je ein Weiser sprach, kein gutes Beispiel, kein Strahl auch in der dunkelsten Nacht war je verloren. Unbemerkt wirkte es fort und that Gutes. Kein Blut des Unschuldigen ward fruchtlos vergossen; jeder Seufzer des Unterdrückten stieg gen Himmel und fand zu seiner Zeit einen Helfer. Auch Thränen sind in der Saat der Zeit Samenkörner der glücklichsten Ernte. Das Menschen- geschlecht ist Ein Ganzes; wir arbeiten und dulden, säen und ernten für einander. Wie milde, wie sanft aufmunternd; aber auch wie ernst und zu- sammenhaltend ist dieser Geist der Menschengeschichte! Er läßt jedes Volk an Stelle und Ort: denn jedes hat seine Regel des Rechts, sein Maß der Glückseligkeit in sich. Er schonet alle und verzärtelt keines. Sündigen die Völker, so büßen sie; und büßen so lange und schwer, bis sie nicht mehr sündigen. Wollen sie nicht Kinder sein, so erzieht sie die Natur zu Sklaven. Keiner politischen Verfassung tritt dieser Geist der Geschichte in den Weg. Er wirft nicht das Haus dem Ruhigen über den Kopf zusammen, ehe ein anderes, besseres da ist; zeigt aber dem zu Sicheren mit freundlicher Hand Fehler und Mängel des Hauses, und führt mit stillem Fleiß Materialien herbei zur Nutzung des alten, oder zum Bau eines besseren. Nationalvorurteile tastet er nicht an: denn in ihnen als Hülsen

3. Deutsche Prosa - S. VI

1900 - Gera : Hofmann
Vi Vorwort. mir als Schul-Lektüre, selbst in den obersten Klassen, kaum geeignet. Auch abgesehen davon, daß die Sprache unserer Klassiker, wenngleich un- erreichbar in ihrer Art, doch nicht mehr die natürliche Sprache unserer Zeit ist, welch eine Stufe intellektueller Entwickelung wird vorausgesetzt, um Lessings kritische Schriften mit Genuß, welche innere Reife muß vor- handen sein, um Goethes abgeklärte Prosa mit wirklichem Verständnis lesen zu können.*) Und wie soll die Jugend zu einer Beherrschung unserer Sprache herangebildet werden, wenn ihr die Meister der Prosa-Sprache unserer Zeit ganz fremd bleiben? Schon aus diesem Grunde halte ich die plan- mäßige Verwertung unserer modernen Prosa für die Jugend-Lektüre für durchaus notwendig. Ich darf in diesem Zusammenhange auf Münchs Aufsatz: „Vom deutschen Unterricht an Real-Gymnasien"**) verweisen, in dem dieselbe Ansicht ausgesprochen wird. Wenn gleichwohl einiges Ältere aufgenommen ist, wie zwei Herdersche Abhandlungen, fo wird das eigenartig Reizvolle der älteren Sprache, wie mir scheint, gerade durch den Vergleich mit unserer modernen Prosa besonders hervorgehoben. Und die äußerste Konsequenz wird leicht — zur Pedanterie. Lessing, Schiller und Goethe jedoch, deren Werke in keinem gebildeten Hause fehlen, sind aus dieser Sammlung, die unserer Jugend nur das Weitverstreute bringen soll, ganz ausgeschlossen. Daß aber bei der modernen Prosa-Lektüre der Essay (die Rede, die Studie) als ein abgerundetes Ganze, als ein kleines, in sich geschlossenes Kunstwerk vor irgend einem „ausgewählten Kapitel", vor irgend einem Bruchstück den Vorzug verdient, bedarf wohl keiner Ausführung. An diesen kleinen Meisterwerken unserer großen Schriftsteller, die fo fein ge- gliedert, so durchdacht und planvoll angelegt und doch so lebensvoll, gleich- sam mit Naturnotwendigkeit, aus einem Gedanken organisch herausgewachsen sind, lernt die Jugend nicht nur die Gesetze des Stils kennen, sondern auch die Gesetze der Komposition, äußere und innere Form, weit besser *) „Niemals", sagt Lotze in seinem nachgelassenen Aufsatze über Goethe, „soll das Gefühl dankbarer Verehrung für die erlauchten Geister erlöschen, die zu- erst der Sinnesart unseres Volkes den vollstimmigen und vielseitigen Ausdruck gegeben haben, den widrige Schicksale ihr so lange unmöglich gemacht hatten. Aber zunehmende Gewohnheiten unserer Literaturgeschichte, weder an sich billig, wie mir scheint, noch in Übereinstimmung mit dem Gefühle des Volkes, drohen durch die Einseitigkeit dieses Rückblickes die Zukunft zu schädigen, für welche wir mitverantwortlich sind." (Kleine Schriften, Iii2.) **) W. Münch, „Vermischte Aufsätze über Unterrichtsziele und Unterrichts- kunst". Berlin. 1888.

4. Deutsche Prosa - S. 20

1900 - Gera : Hofmann
20 Ernst Curtius. Are Kriechen als Meister der Kolonisation. 22. März 1883. Ernst Curtius, Altertum und Gegenwart. 3. Band. („Unter drei Kaisern".) Berlin, Wilhelm Hertz. Die Geschichte der klassischen Völker ist eine Weltgeschichte im Kleinen, so inhaltreich und übersichtlich, daß wir auch für die Aufgaben unserer Zeit immer Neues lernen, je eifriger wir nachforschen, wie es den Alten gelungen ist, die von der Natur dargebotenen Vorteile zu verwerten und die Gefahren zu vermeiden. Denn die natürlichen Gaben können alle zum Segen wie zum Unsegen werden. Was bewundern wir mehr im Archipelagus als die gegenseitige Durchdringung von Meer und Land und schon an der Riviera rufen wir entzückt: Das ist ein griechisches Gestade! Themistokles beklagte, daß seine Vaterstadt nicht ganz im Meer auf vorspringender Halbinsel angelegt sei, und suchte diesen Nachteil nach Möglichkeit wieder gut zu machen; aber schon in Platons Gesetzen — welch ein Widerspruch! — wird der Satz aufgestellt, daß eine Stadt, welche in Ehrbarkeit und guter Sitte sich selbst treu bleiben wolle, mindestens zwei Meilen vom Strande entfernt sein müsse, und die philosophischen Staatslehrer waren einstimmig, die Meeresnahe als eine verhängnisvolle Mitgift, als die Ursache der Entartung des Volks und seines sittlichen Verfalls anzu- sehen. Die Einseitigkeit dieser moralisierenden Betrachtung hat schon Aristoteles gerügt, und wir sind alle mit ihm der Überzeugung, daß, wo menschliches Leben sich voll und reich gestaltet, mit den Keimen, welche Blüte und Frucht treiben, unvermeidlich auch die Ursachen des Vergehens sich entwickeln. Der Geschichtsforscher aber hat das Recht und die Pflicht, vor allem das Werden ins Auge zu fassen, die mit der Arbeit wachsende Energie des gesunden Volksgeistes in Erledigung großer Kulturaufgaben, und ihr folgen wir nirgends mit höherer Be- wunderung, als wenn wir fehen, wie die Hellenen mit zäher Ausdauer alle Schrecken des Meeres überwinden, seine wüsten Flüchen in Straßen des täglichen Verkehrs umwandeln, alle Hafenplätze ringsum aufspüren und durch ihre Besiedelung die Nachbarvölker in den Kreis einer höheren Lebensordnung einführen, die Mängel ihrer Heimat ergänzen, ihre Hülfsquellen mehren, ihren Gesichtskreis stetig erweitern und während langer Friedenszeiten kühnen Unternehmungssinn in Übung halten. Die Durchführung dieser Arbeit ist die größte Leistung der Hellenen, die den Glanz der glorreichsten Siegestage erbleichen läßt. Denn bei ihnen war ja die Kolonisation nicht etwas Gelegentliches, das hie und da unter besonderen Verhältnissen zu stände kam, sondern ein wesent- liches Stück ihres Lebens, Jahrhunderte lang in allen Formen durch-

5. Deutsche Prosa - S. VIII

1900 - Gera : Hofmann
Viii Vorwort. bücher zu einem mehrbändigen wissenschaftlichen Werk. Ich erinnere nur an die oben citierten Worte Goethes. Hier wird nun gewissermaßen eine Vorbereitung dazu geboten, ein Übergang, indem die jugendlichen Leser daran gewöhnt werden, auch einen Aufsatz von zwanzig, dreißig Seiten beharrlich durchzuarbeiten und schließlich zu einem Überblick über das Ganze zu gelangen. Bei der weiblichen Jugend zum mindesten ist eine derartige Übung und Schulung nicht überflüssig. Es ist jedoch auch hierbei die äußerste Konsequenz vermieden, und es sind — aus bestimmten Gründen — einige Abschnitte ausgenommen, die einem größeren Zusammenhange angehören, wie Burckhardts Be- schreibung des Tempels von Pästum und Mommsens Schilderung der Völker des Nordens. — Kürzungen und Auslassungen waren hie und da im pädagogischen Interesse geboten. Der größere Umfang einzelner der hier gesammelten Aufsätze aber machte eine Beschränkung aus eine geringere Zahl von Nummern notwendig, sollte das Buch nicht allzu stark und unhandlich werden. Vieles sehr Bedeutende und Schöne, das durchaus in den Rahmen hineingepaßt hätte, mußte aus diesem Grunde zurückgestellt werden. Dies Verzichten- Müssen war der schwierigste Teil meiner Arbeit. Aber der geschickte Lehrer wird gewiß neben der gemeinsamen Klassen-Lektüre immer auch auf die geeignete Privat-Lektüre während und nach der Schulzeit hin- weisen und dazu anregen; er wird vor allem die Jugend selbst zu der Erkenntnis führen, daß im späteren Leben die Lektüre eines der wichtigsten Bildungsmittel ist, und daß eine gesunde, reiche und edle Geistes- und Charakterentwicklung in hohem Grade von der richtigen Wahl der Lektüre abhängt. Was nun, dem Inhalte nach, die Auswahl der einzelnen Aussätze betrifft, so ging ich von der Überzeugung aus, daß die Lektüre nicht einseitig der ästhetisch-litterarischen Bildung zu dienen habe, sondern daß die „Erregung des vielseitigen Interesse", die Herbart fordert, gerade durch die Lektüre geleistet werden könne und solle. Es ist dieselbe Grund- anschauung, die auch bei der Abfassung des „Deutschen Lesebuches für die weibliche Jugend" *) maßgebend war, nur daß in der vorliegenden Sammlung der litterarische Wert der einzelnen Aufsätze mehr berücksichtigt werden mußte, als bei dem für die Fortbildungsschule bestimmten Buche. *) *) U. und M. Henschke, Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend. Zum Gebrauch an Fortbildungsschulen und anderen Lehr- und Erziehungsanstalten für das nachschulpflichtige Alter. 2. Aufl. Gera. Hofmann.

6. Deutsche Prosa - S. IX

1900 - Gera : Hofmann
Vorwort. Ix Die Lektüre soll m. E. nicht positive Kenntnisse übermitteln*), sondern vielseitige Anregungen geben, den Horizont erweitern, Interesse wecken, ans dem vielleicht nicht nur das „fortsührende, weiterspinnende Interesse", wie Willmann es einmal nennt, hervorgeht, sondern ernste, wirkliche Lebens- interessen sich entwickeln. Denn gerade der weiblichen Jugend thut es not, Lebensinteressen zu gewinnen, die über den engen Kreis des persönlichen Lebens hinausführen, die von den eigenen Lebensschicksalen unabhängig sind und in gewissem Sinne auch unabhängig machen. Mir kam es hier in erster Linie darauf an, unserer weiblichen Jugend von dem Reichtum unseres modernen geistigen Lebens überhaupt eine Ahnung zu geben, Teilnahme und Verständnis zu erwecken für manche Fragen und Aufgaben unserer Zeit. „Die bekümmernde Verständnislosigkeit", sagt Waetzoldt, „mit der manche gebildete Frau der Litteratur unserer Tage gegenübersteht, ihr Zögern, sich von einer einengenden Geschmacksüberlieferung frei zu machen und auch der Gegenwart ihr Recht zu lassen, haben zum Teil darin ihren Grund, daß von dem guten Neuen in der Schulzeit fast nichts an Ohr und Herz der Mädchen dringt". (Besprechung des Lese- buches von Schmid & Speyer in der „Zeitschrift für den deutschen Untere richt" von Otto Lyon, 1897.) Aber nicht nur auf dem Gebiete der schönen Litteratur tritt diese „bekümmernde Verständnislosigkeit" zu Tage! Vielfach berühren sich meine Ansichten mit den von O h l e r t in seinem interessanten Buche: „Die deutsche höhere Schule" gemachten Vor- schlägen, nur daß Ohlert bei den Primanern des Gymnasiums und Real- Gymnasiums auf ganz andere Vorkenntnisse rechnen und ihnen daher auch ganz andere Schwierigkeiten zumuten darf, als es leider! in der Töchterschule möglich ist. Dennoch dürfen auch wir, bei unseren bescheide- neren Zielen, uns sein Grundprinzip aneignen, das er in den treffenden Worten ausspricht: „Da unser sittliches Handeln auf dem Wirken der Ideen beruht, so erreicht der Bildungsgang erst mit dem Verständnis der in der Gegenwart wirksamen Ideen seinen (vorläufigen) Abschluß. Der Unterricht hat sich also nicht auf die Aufgabe zu beschränken, der Jugend eine Summe verschieden- artiger Kenntnisse mitzugeben, sondern sein wesentliches Ziel ist, natürlich *) Die Lektüre soll nicht positive Kenntnisse übermitteln — aber positive Kenntnisse werden bei derartiger Lektüre als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Notwendigkeit und der Wert des Wissens wird der Jugend vielleicht durch nichts deutlicher zum Bewußtsein gebracht, als durch diese beständige Bezugnahme der verschiedensten Autoren auf geschichtliche Ereignisse, Aussprüche unserer Dichter und Denker u. dergl.

7. Deutsche Prosa - S. 23

1900 - Gera : Hofmann
Die Griechen als Meister der Kolonisation. 23 Die Kolonisationsarbeit, die das achte und siebente Jahrhundert ausfüllte, war eine Heldenzeit der Hellenen, eine ununterbrochene Reihe von Feldzügen, in denen sie die Glut tropischer Sonne wie des Nordens Winterkalte ertragen und die wildesten Völker bändigen lernten. Es war die Zeit, wo sie aus der Enge ihrer Heimatskreise heraus Natur und Menschenwelt überblicken lernten. Die Dichter des achten Jahr- hunderts priesen die stolzen Wogen des Borysthenes und in den Hafen- plätzen Joniens gediehen die ersten Keime vergleichender Länder- und Völkerkunde, der Naturforschung und Philosophie. Es war aber die Ausbreitung des Volks, auch wenn sie sich bis an die Mündungen der Rhone und des Guadalquivir erstreckte, keine Lockerung des Volksganzen und keine Auflösung der natürlichen Gemeinschaft, sondern die Hellenen wurden sich jetzt erst klar über ihren angeborenen Besitz; sie lernten sich fühlen als ein gottbegnadigtes Ge- schlecht, körperlich wie geistig zur Herrschaft berufen. Es war eine Verklärung und Vergeistigung ihres Heimatsgefühls, indem es nicht mehr an der Scholle klebte. Weit getrennte Städte fühlten sich als Kinder eines Hauses, weil sie vom Stadtherde der Mutterstadt ihr Feuer empfangen hatten, weil sie an denselben Tagen denselben Gott- heiten opferten, dieselben Gesetze und bürgerlichen Ordnungen hatten, weil sie ihren Kindern die schönen Sagen von Jphigeneia und der irrenden Jo erzählten, weil sie alle einen Homer hatten. In der Kolonisation ist der Heldenmut erwachsen, kraft dessen die Phokeer sich jenseits des Meeres eine neue Heimat suchten und Themistokles den Spartanern mit dem Abzug der Flotte nach Italien drohte, wo aus freien Athenern ein neues Athen erstehen würde. Das ist das Gesamtresultat der Kolonisation für die Geschichte des griechischen Volks. Sie wurde aber in einzelnen Staaten in be- sonderer Weise als ein Zweig politischer Kunst ausgebildet. Zunächst in Korinth. Die Korinther, am schmalen Gebirgsrande angesiedelt, waren von Anfang an mehr draußen als daheim zu Hause, und schon in den Zeiten, da die Geschlechter überall das Stadtregiment führten, gab es hier, und nur hier, eine Aristokratie, deren Grundbesitz Werste und Seeschiffe waren, die von fernen Küsten das Rohmaterial einführten, und in ein- heimischen Fabriken verwerteten. Die eigene Unzulänglichkeit wurde die Quelle von Macht und Reichtum: Denn das Stadtgebiet wurde auf die jenseitige terra tirma, die üppige Achelooslandschaft, ausgedehnt; außerhalb des Golfs ging es von Insel zu Insel weiter; feste Plätze wurden in zweckmäßigen Entfernungen angelegt, Land- und Seestraßen gebahnt, henunende Landzungen durchstochen. Kriegsschiffe sicherten den Handelsverkehr und so gestaltete sich von der kleinen Winkelstadt in

8. Deutsche Prosa - S. XII

1900 - Gera : Hofmann
Xii Vorwort. Freilich gilt es auch hier, die Geister zu uuterscheiden. Was für deu einen ein Halt, eine höchst willkommene Stütze ist, ist für den andern ein unerträglicher Zwang. Ich habe es bewährt gefunden, das Thema zu- weilen in doppelter Fassung zu geben, so daß den einen zu engerer An- lehnung an das Gelesene, den anderen zu einer freieren Art der Anknüpfung und selbständigeren Verarbeitung Gelegenheit geboten wurde. Daß übrigens auch in demselben Menschenwesen die entgegengesetzten Tendenzen vorhanden sind und berücksichtigt sein wollen, sowohl der Trieb zur Nachahmung, wie das Verlangen nach Selbständigkeit, weiß jeder Psycholog. Für eine Behandlung, wie sie oben geschildert wurde, läßt sich freilich wohl nur in der „Selekta", den „wahlfreien Kursen" „Jugendkursen" oder ähnlichen Veranstaltungen die Zeit finden?) Sollte die vorliegende Sammlung, wie ich hoffe, auch in der ersten Klasse der höheren Mädchen- schulen eingeführt werden (nach den „Bestimmungen vom Mai 1894 ist für die I. und Ii. Klasse allerdings kein Lesebuch mehr vorgesehen), so würde man sich auf die gemeinsame Klassen-Lektüre beschränken und auf die ergänzenden freiwilligen Arbeiten verzichten müssen. Bei den Ver- änderungen, die in dem preußischen Mädchenschulwesen gewiß in nächster Zeit eintreten werden, scheint mir jedoch der Stoff an sich für eine erste Klaffe durchaus nicht zu hoch gegriffen; auch sind mit Absicht bei jeder Gruppe einzelne leichtere Aufsätze eingestreut. Die meisten neueren Pädagogen sind darüber einig, daß auf der obersten Stufe männlicher Bildungsanstalten den Schülern im deutschen Unterricht auch wirklich etwas zugemutet werden soll. Sollte das auf der obersten Stufe weiblicher Bildungsanstalten nicht gleichfalls angezeigt sein? Ich kann diese Bemerkungen nicht schließen, ohne Fräulein Agnes Dörstling, Schulvorsteherin in Berlin, herzlichsten Dank zu sagen, die es mir in liberalster Weise gestattet hat, meinen deutschen Unterricht an den „wahlfreien Kursen" ihrer Anstalt ganz nach eigener Idee aus- zugestalten. Auch für Rat und Förderung von seiten hervorragender Pädagogen möchte ich mir erlauben, an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus- zusprechen, sowie ich andererseits dem großen Kreise von Gelehrten und Verlegern zu aufrichtigstem Danke verpflichtet bin, durch deren liebens- würdiges Entgegenkommen die Ausführung meines Planes überhaupt erst ermöglicht wurde. *) *) Auch für unsere jüngste Schul-Katcgorie, die „Mädchen-Gymnasien" dürfte dies Lesebuch geeignet sein.

9. Deutsche Prosa - S. XIII

1900 - Gera : Hofmann
Vorwort. Xiii Möge die vorliegende Sammlung bei allen denen freundliche Auf- nahme finden, die, wie die Herausgeberin, der Überzeugung find, daß der deutsche Unterricht eine der wichtigsten Ausgaben der deutschen Schule zu erfüllen hat, und möge sie mit der Nachsicht aufgenommen werden, die man einem Versuche zu teil werden läßt. Die liebe Jugend aber, der dies Buch bestimmt ist, möge die Freude an ernster Lektüre ans der Schule in das Leben hineinnehmen. Möge die ideale Lebensauffassung, die allen den hier vereinten Autoren, wie verschieden sie auch sonst seien, eignet, in den jugendlichen Herzen die Begeisterung entzünden, die uns allein den Mut giebt, auch unsere schwache Kraft in den Dienst des Großen und Guten zu stellen. Berlin, 1. März 1900. Margarete Henschke.

10. Deutsche Prosa - S. 25

1900 - Gera : Hofmann
Die Griechen als Meister der Kolonisation. 25 Nachdem die Gewaltpolitik des Themistokles aufgegeben war, kam durch Aristeides und Kimon eine ganz neue Art von Kolonialverbaltd zu stände. An Stelle der Blutsverwandtschaft trat ein geistiges Band, auf freiem Anschluß beruhend, eine ans den verschiedensten Stämmen zusammengesetzte Bnndesgenossenschaft, um den Tempel des Apollon vereinigt; an Stelle einer ans Geldwirtschaft gegründeten Kaufmanns- politik eine nationale Aufgabe ersten Rangs, die Freiheit des griechischen Mannes, die Sicherheit hellenischer Kultur den lündergierigen Barbaren gegenüber. Es war das verklärte Bild eines Kolonialreichs, in welchem dem anerkannt ersten Staate die mutterstädtischen Rechte als Ehren- gabe freiwillig übertragen wurden. Es liegt in der Natur der menschlichen Dinge, daß dieser ideale Zustand nicht lange ungetrübt dauern konnte. Die Verhältnisse waren so zart und schwierig, daß sie nur von der Hand eines überlegenen Staatsmanns glücklich behandelt werden konnten. Nur ein Mann wie Perikles war im stände, milde Schonung mit unerbittlicher Strenge richtig zu verbinden. Er verfolgte auch zuerst den großen Gedanken, die Wahl-Mntterstadt so mit Kunst und Weisheit auszustatten, daß sie gleichsam die Sonne wurde, um welche sich wie nach einem Natur- gesetze die Insel- und Küstengemeinden ordneten. Er sorgte dafür, daß mehr und mehr Landgebiet, entweder solches, das nach Kriegsrecht ein- gezogen oder durch besondere Verträge erworben war, in Ackerlose geteilt, zur Ansiedelung attischer Kolonisten benutzt wurde. Dadurch wurde Athen nachträglich eine wirkliche Mutterstadt der Insel. Diese Neubürger gingen aber nicht in die ältere Bevölkerung auf, sondern sie blieben Bürger von Athen. Die Hauptstadt wurde vor Übervölkerung beschützt; Mitglieder der untersten Vermögensklassen wurden Grund- besitzer und ihre Ansiedelungen die festesten Stützpunkte attischer See- macht; es waren überseeische Gaue von Attiea. Als Vorort zur See konnte Athen auch die westlichen Golfe und Meere nicht außer acht lassen. Korinth, der einzige gefährliche Neben- buhler, mußte in Schach gehalten werden. Seine abtrünnigen Kolonieen wurden in Bundesgenossenschaft aufgenommen und am Ausgange des Golfs von Lepanto erwuchs in dem mit Messeniern bevölkerten Naupak- tos Korinth gegenüber ein attischer Waffenplatz. In Großgriechenland hatte sich das Hellenentum auf eigentümliche Weise entwickelt. Weise Gesetzgeber hatten hier aus den bürgerlichen Satzungen der einzelnen Staaten des Mutterlandes das Beste vereinigt, um solche Verfassungen herzustellen, in denen jede hellenische Be- völkerung ihre Befriedigung finden konnte. Das war ein ungemein wichtiger Fortschritt griechischer Kultur, wie er nur in den Kolonien zu stände kommen konnte. Hier knüpfte Perikles an. Alt-Sybaris
   bis 10 von 413 weiter»  »»
413 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 413 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 9
1 43
2 1
3 11
4 60
5 38
6 0
7 47
8 0
9 17
10 107
11 1
12 0
13 2
14 4
15 0
16 11
17 0
18 0
19 7
20 0
21 3
22 4
23 0
24 8
25 4
26 7
27 2
28 0
29 0
30 1
31 0
32 0
33 20
34 3
35 0
36 0
37 178
38 3
39 31
40 0
41 4
42 0
43 3
44 5
45 334
46 0
47 2
48 3
49 9

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 1
1 41
2 8
3 35
4 17
5 0
6 1
7 0
8 0
9 18
10 2
11 2
12 9
13 43
14 1
15 2
16 28
17 166
18 0
19 0
20 1
21 17
22 4
23 4
24 15
25 33
26 2
27 0
28 19
29 3
30 2
31 2
32 3
33 7
34 1
35 72
36 16
37 0
38 20
39 42
40 8
41 27
42 17
43 78
44 0
45 107
46 27
47 0
48 1
49 7
50 6
51 0
52 130
53 2
54 5
55 1
56 2
57 0
58 0
59 2
60 3
61 4
62 1
63 0
64 5
65 2
66 8
67 0
68 5
69 3
70 3
71 52
72 23
73 0
74 1
75 13
76 19
77 91
78 0
79 2
80 0
81 8
82 5
83 0
84 0
85 1
86 4
87 16
88 3
89 1
90 3
91 26
92 365
93 0
94 37
95 3
96 0
97 0
98 32
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 26
1 1
2 1
3 5
4 0
5 10
6 16
7 5
8 1
9 1
10 0
11 0
12 7
13 2
14 0
15 1
16 1
17 0
18 0
19 3
20 0
21 0
22 3
23 0
24 7
25 6
26 2
27 0
28 11
29 13
30 0
31 2
32 6
33 103
34 8
35 2
36 0
37 0
38 0
39 17
40 5
41 0
42 0
43 37
44 0
45 0
46 6
47 7
48 0
49 0
50 6
51 22
52 39
53 0
54 43
55 0
56 0
57 0
58 3
59 70
60 0
61 12
62 1
63 2
64 3
65 3
66 0
67 0
68 1
69 0
70 0
71 13
72 0
73 2
74 38
75 4
76 2
77 0
78 2
79 2
80 4
81 142
82 7
83 5
84 0
85 1
86 1
87 0
88 0
89 1
90 0
91 20
92 0
93 0
94 1
95 2
96 0
97 0
98 1
99 1
100 26
101 0
102 10
103 0
104 0
105 1
106 3
107 0
108 5
109 8
110 5
111 21
112 1
113 1
114 1
115 8
116 2
117 0
118 0
119 0
120 1
121 2
122 3
123 7
124 9
125 4
126 3
127 36
128 0
129 2
130 0
131 38
132 0
133 1
134 0
135 0
136 303
137 1
138 1
139 1
140 0
141 0
142 2
143 2
144 0
145 8
146 2
147 0
148 3
149 2
150 0
151 5
152 23
153 0
154 10
155 1
156 4
157 15
158 0
159 1
160 15
161 2
162 0
163 0
164 2
165 5
166 35
167 2
168 2
169 3
170 1
171 0
172 47
173 60
174 0
175 104
176 0
177 25
178 0
179 19
180 2
181 2
182 12
183 141
184 3
185 0
186 0
187 1
188 4
189 0
190 2
191 0
192 2
193 2
194 4
195 0
196 13
197 1
198 1
199 19