H?om Oeist der Keschichte.
1797.
Johann Gottfried Herder, Briefe zu Beförderung der Humanität.
(Suphan, Band 18.)
Wenn in einem Felde der Wissenschaft menschliche Gesinnungen
herrschen sollten, so ist's im Felde der Geschichte: denn erzählt diese
nicht menschliche Handlungen? und entscheiden diese nicht über den
Wert des Menschen? bauen diese nicht unsers Geschlechts Glück und
Unglück?
Man sagt: „Die Geschichte erzähle Begebenheiten" und ist beinah
geneigt, diese für so unwillkürlich, ja für so unerklürbar anzusehen,
wie man in den dunkelsten Jahrhunderten die Naturbegebenheiten nicht
ansah, sondern anstaunte. Ein erregter Krieg oder Aufruhr gilt der
gemeinen Geschichte wie ein Ungewitter, wie ein Erdbeben; die ihn
erregten, werden als Geißel der Gottheit, als mächtige Zauberer be-
trachtet; und damit gnug!
Eine Geschichte dieser Art kann die klügste oder die stupideste
werden, nachdem der Sinn des Verfassers war.
Die stupideste wird sie, wenn sie in einem sogenannt großen
und göttlichen Mann alles bewundert, und keine seiner Unternehmungen
an ein Richtmaß menschlicher Vernunft zu bringen sich erkühnet.
Manche morgenlündische Geschichten von Nadir-Schah, Timur-Long
u. s. f. sind so geschrieben; wir lesen eine lobjauchzende Epopöe, mit
einer dürren oder abscheulichen Thatenreihe fröhlich dnrchwebet.
Europa hat an diesem morgenlündischen Geschmack vielen Anteil
genommen, nicht etwa nur in den Zeiten der Kreuzzüge, sondern auch
in den meisten Lebensbeschreibungen einzelner Helden, in der Geschichte
ganzer Sekten, Familien und Familienkriege. Man staunt, wenn
man die Andacht und Anhänglichkeit des Schriftstellers an seinen ver-
ehrten Gegenstand wahrnimmt, und kann nicht anders sagen, als: „er
hat aus dem Becher der Betäubung getrunken; Wein der Dämonen
hat ihm die Sinne benebelt."
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Extrahierte Personennamen: Johann_Gottfried_Herder Johann
18
Johann Gottfried Herder.
zwanzig Jahre spater als wohl- oder übelgemeinte Fieber-Phantasieen
lesen; reifere Gemüter lesen sie jetzt schon also.
Also bleibt die Geschichte einzig und ewig nichts, als der Geist
ihres ältesten Schreibers, Herodots, der unangestrengte, milde Sinn
der Menschheit. Unbefangen sieht dieser alle Völker und zeichnet
jedes auf seiner Stelle, nach seinen Sitten und Gebräuchen. Un-
befangen erzählt er die Begebenheiten, und bemerkt, wie allenthalben
nur Mäßigung die Völker glücklich mache und jeder Übermut seine
Nemesis hinter sich habe. Dies Maß der Nemesis, nach feineren
oder größeren Verhältnissen angewandt, ist der einzige und ewige Maß-
stab aller Menschengeschichte.
„Was du nicht willst, das dir geschehe, das thue keinem andern";
die Rache kommt, ja sie ist da, bei jeder Verirrung, bei jedem Frevel.
Alle Mißverhältnisse und Unbilligkeiten, jede stolze Anmaßung, jede
feindselige Verhetzung, jede Treulosigkeit hat ihre Strafe mit oder hinter
sich; je später, desto schrecklicher und ernster. Die Schuld der Väter
häuft sich mit erschreckendem Gewicht auf Kinder und Enkel. Gott
hat den Menschen nicht erlaubt, lasterhaft zu sein als unter dem harten
Gesetz der Strafe.
Wiederum belohnt sich auch in der Geschichte das kleinste Gute.
Kein vernünftiges Wort, was je ein Weiser sprach, kein gutes Beispiel,
kein Strahl auch in der dunkelsten Nacht war je verloren. Unbemerkt
wirkte es fort und that Gutes. Kein Blut des Unschuldigen ward
fruchtlos vergossen; jeder Seufzer des Unterdrückten stieg gen Himmel
und fand zu seiner Zeit einen Helfer. Auch Thränen sind in der
Saat der Zeit Samenkörner der glücklichsten Ernte. Das Menschen-
geschlecht ist Ein Ganzes; wir arbeiten und dulden, säen und ernten
für einander.
Wie milde, wie sanft aufmunternd; aber auch wie ernst und zu-
sammenhaltend ist dieser Geist der Menschengeschichte! Er läßt jedes
Volk an Stelle und Ort: denn jedes hat seine Regel des Rechts,
sein Maß der Glückseligkeit in sich. Er schonet alle und verzärtelt
keines. Sündigen die Völker, so büßen sie; und büßen so lange und
schwer, bis sie nicht mehr sündigen. Wollen sie nicht Kinder sein, so
erzieht sie die Natur zu Sklaven.
Keiner politischen Verfassung tritt dieser Geist der Geschichte in
den Weg. Er wirft nicht das Haus dem Ruhigen über den Kopf
zusammen, ehe ein anderes, besseres da ist; zeigt aber dem zu Sicheren
mit freundlicher Hand Fehler und Mängel des Hauses, und führt mit
stillem Fleiß Materialien herbei zur Nutzung des alten, oder zum Bau
eines besseren.
Nationalvorurteile tastet er nicht an: denn in ihnen als Hülsen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Johann_Gottfried_Herder Johann Herodots Nationalvorurteile
Vi
Vorwort.
mir als Schul-Lektüre, selbst in den obersten Klassen, kaum geeignet.
Auch abgesehen davon, daß die Sprache unserer Klassiker, wenngleich un-
erreichbar in ihrer Art, doch nicht mehr die natürliche Sprache unserer
Zeit ist, welch eine Stufe intellektueller Entwickelung wird vorausgesetzt,
um Lessings kritische Schriften mit Genuß, welche innere Reife muß vor-
handen sein, um Goethes abgeklärte Prosa mit wirklichem Verständnis
lesen zu können.*)
Und wie soll die Jugend zu einer Beherrschung unserer Sprache
herangebildet werden, wenn ihr die Meister der Prosa-Sprache unserer
Zeit ganz fremd bleiben? Schon aus diesem Grunde halte ich die plan-
mäßige Verwertung unserer modernen Prosa für die Jugend-Lektüre
für durchaus notwendig. Ich darf in diesem Zusammenhange auf Münchs
Aufsatz: „Vom deutschen Unterricht an Real-Gymnasien"**) verweisen, in
dem dieselbe Ansicht ausgesprochen wird. Wenn gleichwohl einiges Ältere
aufgenommen ist, wie zwei Herdersche Abhandlungen, fo wird das eigenartig
Reizvolle der älteren Sprache, wie mir scheint, gerade durch den Vergleich
mit unserer modernen Prosa besonders hervorgehoben. Und die äußerste
Konsequenz wird leicht — zur Pedanterie. Lessing, Schiller und Goethe
jedoch, deren Werke in keinem gebildeten Hause fehlen, sind aus dieser
Sammlung, die unserer Jugend nur das Weitverstreute bringen soll, ganz
ausgeschlossen.
Daß aber bei der modernen Prosa-Lektüre der Essay (die Rede, die
Studie) als ein abgerundetes Ganze, als ein kleines, in sich geschlossenes
Kunstwerk vor irgend einem „ausgewählten Kapitel", vor irgend einem
Bruchstück den Vorzug verdient, bedarf wohl keiner Ausführung. An
diesen kleinen Meisterwerken unserer großen Schriftsteller, die fo fein ge-
gliedert, so durchdacht und planvoll angelegt und doch so lebensvoll, gleich-
sam mit Naturnotwendigkeit, aus einem Gedanken organisch herausgewachsen
sind, lernt die Jugend nicht nur die Gesetze des Stils kennen, sondern
auch die Gesetze der Komposition, äußere und innere Form, weit besser
*) „Niemals", sagt Lotze in seinem nachgelassenen Aufsatze über Goethe,
„soll das Gefühl dankbarer Verehrung für die erlauchten Geister erlöschen, die zu-
erst der Sinnesart unseres Volkes den vollstimmigen und vielseitigen Ausdruck
gegeben haben, den widrige Schicksale ihr so lange unmöglich gemacht hatten.
Aber zunehmende Gewohnheiten unserer Literaturgeschichte, weder an sich billig,
wie mir scheint, noch in Übereinstimmung mit dem Gefühle des Volkes, drohen
durch die Einseitigkeit dieses Rückblickes die Zukunft zu schädigen, für welche wir
mitverantwortlich sind." (Kleine Schriften, Iii2.)
**) W. Münch, „Vermischte Aufsätze über Unterrichtsziele und Unterrichts-
kunst". Berlin. 1888.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
20
Ernst Curtius.
Are Kriechen als Meister der Kolonisation.
22. März 1883.
Ernst Curtius, Altertum und Gegenwart. 3. Band. („Unter drei
Kaisern".) Berlin, Wilhelm Hertz.
Die Geschichte der klassischen Völker ist eine Weltgeschichte im
Kleinen, so inhaltreich und übersichtlich, daß wir auch für die Aufgaben
unserer Zeit immer Neues lernen, je eifriger wir nachforschen, wie es
den Alten gelungen ist, die von der Natur dargebotenen Vorteile zu
verwerten und die Gefahren zu vermeiden. Denn die natürlichen Gaben
können alle zum Segen wie zum Unsegen werden.
Was bewundern wir mehr im Archipelagus als die gegenseitige
Durchdringung von Meer und Land und schon an der Riviera rufen
wir entzückt: Das ist ein griechisches Gestade! Themistokles beklagte,
daß seine Vaterstadt nicht ganz im Meer auf vorspringender Halbinsel
angelegt sei, und suchte diesen Nachteil nach Möglichkeit wieder gut zu
machen; aber schon in Platons Gesetzen — welch ein Widerspruch! —
wird der Satz aufgestellt, daß eine Stadt, welche in Ehrbarkeit und
guter Sitte sich selbst treu bleiben wolle, mindestens zwei Meilen vom
Strande entfernt sein müsse, und die philosophischen Staatslehrer waren
einstimmig, die Meeresnahe als eine verhängnisvolle Mitgift, als die
Ursache der Entartung des Volks und seines sittlichen Verfalls anzu-
sehen. Die Einseitigkeit dieser moralisierenden Betrachtung hat schon
Aristoteles gerügt, und wir sind alle mit ihm der Überzeugung, daß,
wo menschliches Leben sich voll und reich gestaltet, mit den Keimen,
welche Blüte und Frucht treiben, unvermeidlich auch die Ursachen des
Vergehens sich entwickeln. Der Geschichtsforscher aber hat das Recht
und die Pflicht, vor allem das Werden ins Auge zu fassen, die mit
der Arbeit wachsende Energie des gesunden Volksgeistes in Erledigung
großer Kulturaufgaben, und ihr folgen wir nirgends mit höherer Be-
wunderung, als wenn wir fehen, wie die Hellenen mit zäher Ausdauer
alle Schrecken des Meeres überwinden, seine wüsten Flüchen in Straßen
des täglichen Verkehrs umwandeln, alle Hafenplätze ringsum aufspüren
und durch ihre Besiedelung die Nachbarvölker in den Kreis einer
höheren Lebensordnung einführen, die Mängel ihrer Heimat ergänzen,
ihre Hülfsquellen mehren, ihren Gesichtskreis stetig erweitern und während
langer Friedenszeiten kühnen Unternehmungssinn in Übung halten.
Die Durchführung dieser Arbeit ist die größte Leistung der Hellenen,
die den Glanz der glorreichsten Siegestage erbleichen läßt. Denn bei
ihnen war ja die Kolonisation nicht etwas Gelegentliches, das hie und
da unter besonderen Verhältnissen zu stände kam, sondern ein wesent-
liches Stück ihres Lebens, Jahrhunderte lang in allen Formen durch-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Ernst_Curtius Ernst Ernst_Curtius Ernst Wilhelm
Viii
Vorwort.
bücher zu einem mehrbändigen wissenschaftlichen Werk. Ich erinnere nur
an die oben citierten Worte Goethes. Hier wird nun gewissermaßen eine
Vorbereitung dazu geboten, ein Übergang, indem die jugendlichen Leser
daran gewöhnt werden, auch einen Aufsatz von zwanzig, dreißig Seiten
beharrlich durchzuarbeiten und schließlich zu einem Überblick über das
Ganze zu gelangen. Bei der weiblichen Jugend zum mindesten ist eine
derartige Übung und Schulung nicht überflüssig.
Es ist jedoch auch hierbei die äußerste Konsequenz vermieden, und
es sind — aus bestimmten Gründen — einige Abschnitte ausgenommen,
die einem größeren Zusammenhange angehören, wie Burckhardts Be-
schreibung des Tempels von Pästum und Mommsens Schilderung der
Völker des Nordens. — Kürzungen und Auslassungen waren hie und da
im pädagogischen Interesse geboten.
Der größere Umfang einzelner der hier gesammelten Aufsätze aber
machte eine Beschränkung aus eine geringere Zahl von Nummern notwendig,
sollte das Buch nicht allzu stark und unhandlich werden. Vieles sehr
Bedeutende und Schöne, das durchaus in den Rahmen hineingepaßt
hätte, mußte aus diesem Grunde zurückgestellt werden. Dies Verzichten-
Müssen war der schwierigste Teil meiner Arbeit. Aber der geschickte
Lehrer wird gewiß neben der gemeinsamen Klassen-Lektüre immer auch
auf die geeignete Privat-Lektüre während und nach der Schulzeit hin-
weisen und dazu anregen; er wird vor allem die Jugend selbst zu der
Erkenntnis führen, daß im späteren Leben die Lektüre eines der wichtigsten
Bildungsmittel ist, und daß eine gesunde, reiche und edle Geistes- und
Charakterentwicklung in hohem Grade von der richtigen Wahl der Lektüre
abhängt.
Was nun, dem Inhalte nach, die Auswahl der einzelnen Aussätze
betrifft, so ging ich von der Überzeugung aus, daß die Lektüre nicht
einseitig der ästhetisch-litterarischen Bildung zu dienen habe, sondern daß
die „Erregung des vielseitigen Interesse", die Herbart fordert, gerade
durch die Lektüre geleistet werden könne und solle. Es ist dieselbe Grund-
anschauung, die auch bei der Abfassung des „Deutschen Lesebuches für
die weibliche Jugend" *) maßgebend war, nur daß in der vorliegenden
Sammlung der litterarische Wert der einzelnen Aufsätze mehr berücksichtigt
werden mußte, als bei dem für die Fortbildungsschule bestimmten Buche. *)
*) U. und M. Henschke, Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend. Zum
Gebrauch an Fortbildungsschulen und anderen Lehr- und Erziehungsanstalten
für das nachschulpflichtige Alter. 2. Aufl. Gera. Hofmann.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
Vorwort.
Ix
Die Lektüre soll m. E. nicht positive Kenntnisse übermitteln*), sondern
vielseitige Anregungen geben, den Horizont erweitern, Interesse wecken, ans
dem vielleicht nicht nur das „fortsührende, weiterspinnende Interesse", wie
Willmann es einmal nennt, hervorgeht, sondern ernste, wirkliche Lebens-
interessen sich entwickeln. Denn gerade der weiblichen Jugend thut es not,
Lebensinteressen zu gewinnen, die über den engen Kreis des persönlichen
Lebens hinausführen, die von den eigenen Lebensschicksalen unabhängig
sind und in gewissem Sinne auch unabhängig machen. Mir kam es hier
in erster Linie darauf an, unserer weiblichen Jugend von dem Reichtum
unseres modernen geistigen Lebens überhaupt eine Ahnung zu geben,
Teilnahme und Verständnis zu erwecken für manche Fragen und Aufgaben
unserer Zeit. „Die bekümmernde Verständnislosigkeit", sagt Waetzoldt,
„mit der manche gebildete Frau der Litteratur unserer Tage gegenübersteht,
ihr Zögern, sich von einer einengenden Geschmacksüberlieferung frei zu
machen und auch der Gegenwart ihr Recht zu lassen, haben zum Teil
darin ihren Grund, daß von dem guten Neuen in der Schulzeit fast
nichts an Ohr und Herz der Mädchen dringt". (Besprechung des Lese-
buches von Schmid & Speyer in der „Zeitschrift für den deutschen Untere
richt" von Otto Lyon, 1897.) Aber nicht nur auf dem Gebiete der schönen
Litteratur tritt diese „bekümmernde Verständnislosigkeit" zu Tage!
Vielfach berühren sich meine Ansichten mit den von O h l e r t in
seinem interessanten Buche: „Die deutsche höhere Schule" gemachten Vor-
schlägen, nur daß Ohlert bei den Primanern des Gymnasiums und Real-
Gymnasiums auf ganz andere Vorkenntnisse rechnen und ihnen daher
auch ganz andere Schwierigkeiten zumuten darf, als es leider! in der
Töchterschule möglich ist. Dennoch dürfen auch wir, bei unseren bescheide-
neren Zielen, uns sein Grundprinzip aneignen, das er in den treffenden
Worten ausspricht:
„Da unser sittliches Handeln auf dem Wirken der Ideen beruht, so
erreicht der Bildungsgang erst mit dem Verständnis der in der Gegenwart
wirksamen Ideen seinen (vorläufigen) Abschluß. Der Unterricht hat sich also
nicht auf die Aufgabe zu beschränken, der Jugend eine Summe verschieden-
artiger Kenntnisse mitzugeben, sondern sein wesentliches Ziel ist, natürlich
*) Die Lektüre soll nicht positive Kenntnisse übermitteln — aber positive
Kenntnisse werden bei derartiger Lektüre als selbstverständlich vorausgesetzt. Die
Notwendigkeit und der Wert des Wissens wird der Jugend vielleicht durch nichts
deutlicher zum Bewußtsein gebracht, als durch diese beständige Bezugnahme der
verschiedensten Autoren auf geschichtliche Ereignisse, Aussprüche unserer Dichter
und Denker u. dergl.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Willmann Waetzoldt Otto
Die Griechen als Meister der Kolonisation.
23
Die Kolonisationsarbeit, die das achte und siebente Jahrhundert
ausfüllte, war eine Heldenzeit der Hellenen, eine ununterbrochene Reihe
von Feldzügen, in denen sie die Glut tropischer Sonne wie des Nordens
Winterkalte ertragen und die wildesten Völker bändigen lernten. Es
war die Zeit, wo sie aus der Enge ihrer Heimatskreise heraus Natur
und Menschenwelt überblicken lernten. Die Dichter des achten Jahr-
hunderts priesen die stolzen Wogen des Borysthenes und in den Hafen-
plätzen Joniens gediehen die ersten Keime vergleichender Länder- und
Völkerkunde, der Naturforschung und Philosophie.
Es war aber die Ausbreitung des Volks, auch wenn sie sich bis
an die Mündungen der Rhone und des Guadalquivir erstreckte,
keine Lockerung des Volksganzen und keine Auflösung der natürlichen
Gemeinschaft, sondern die Hellenen wurden sich jetzt erst klar über ihren
angeborenen Besitz; sie lernten sich fühlen als ein gottbegnadigtes Ge-
schlecht, körperlich wie geistig zur Herrschaft berufen. Es war eine
Verklärung und Vergeistigung ihres Heimatsgefühls, indem es nicht
mehr an der Scholle klebte. Weit getrennte Städte fühlten sich als
Kinder eines Hauses, weil sie vom Stadtherde der Mutterstadt ihr
Feuer empfangen hatten, weil sie an denselben Tagen denselben Gott-
heiten opferten, dieselben Gesetze und bürgerlichen Ordnungen hatten,
weil sie ihren Kindern die schönen Sagen von Jphigeneia und der
irrenden Jo erzählten, weil sie alle einen Homer hatten. In der
Kolonisation ist der Heldenmut erwachsen, kraft dessen die Phokeer sich
jenseits des Meeres eine neue Heimat suchten und Themistokles den
Spartanern mit dem Abzug der Flotte nach Italien drohte, wo aus
freien Athenern ein neues Athen erstehen würde.
Das ist das Gesamtresultat der Kolonisation für die Geschichte
des griechischen Volks. Sie wurde aber in einzelnen Staaten in be-
sonderer Weise als ein Zweig politischer Kunst ausgebildet.
Zunächst in Korinth.
Die Korinther, am schmalen Gebirgsrande angesiedelt, waren von
Anfang an mehr draußen als daheim zu Hause, und schon in den Zeiten,
da die Geschlechter überall das Stadtregiment führten, gab es hier, und
nur hier, eine Aristokratie, deren Grundbesitz Werste und Seeschiffe
waren, die von fernen Küsten das Rohmaterial einführten, und in ein-
heimischen Fabriken verwerteten. Die eigene Unzulänglichkeit wurde die
Quelle von Macht und Reichtum: Denn das Stadtgebiet wurde auf
die jenseitige terra tirma, die üppige Achelooslandschaft, ausgedehnt;
außerhalb des Golfs ging es von Insel zu Insel weiter; feste Plätze
wurden in zweckmäßigen Entfernungen angelegt, Land- und Seestraßen
gebahnt, henunende Landzungen durchstochen. Kriegsschiffe sicherten den
Handelsverkehr und so gestaltete sich von der kleinen Winkelstadt in
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T2: [Athen Stadt Sparta Griechenland Insel Krieg Korinth Peloponnes Theben Staat], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer]]
Xii
Vorwort.
Freilich gilt es auch hier, die Geister zu uuterscheiden. Was für deu
einen ein Halt, eine höchst willkommene Stütze ist, ist für den andern
ein unerträglicher Zwang. Ich habe es bewährt gefunden, das Thema zu-
weilen in doppelter Fassung zu geben, so daß den einen zu engerer An-
lehnung an das Gelesene, den anderen zu einer freieren Art der Anknüpfung
und selbständigeren Verarbeitung Gelegenheit geboten wurde. Daß übrigens
auch in demselben Menschenwesen die entgegengesetzten Tendenzen vorhanden
sind und berücksichtigt sein wollen, sowohl der Trieb zur Nachahmung, wie
das Verlangen nach Selbständigkeit, weiß jeder Psycholog.
Für eine Behandlung, wie sie oben geschildert wurde, läßt sich freilich
wohl nur in der „Selekta", den „wahlfreien Kursen" „Jugendkursen"
oder ähnlichen Veranstaltungen die Zeit finden?) Sollte die vorliegende
Sammlung, wie ich hoffe, auch in der ersten Klasse der höheren Mädchen-
schulen eingeführt werden (nach den „Bestimmungen vom Mai 1894 ist
für die I. und Ii. Klasse allerdings kein Lesebuch mehr vorgesehen), so
würde man sich auf die gemeinsame Klassen-Lektüre beschränken und auf
die ergänzenden freiwilligen Arbeiten verzichten müssen. Bei den Ver-
änderungen, die in dem preußischen Mädchenschulwesen gewiß in nächster
Zeit eintreten werden, scheint mir jedoch der Stoff an sich für eine erste
Klaffe durchaus nicht zu hoch gegriffen; auch sind mit Absicht bei jeder
Gruppe einzelne leichtere Aufsätze eingestreut. Die meisten neueren
Pädagogen sind darüber einig, daß auf der obersten Stufe männlicher
Bildungsanstalten den Schülern im deutschen Unterricht auch wirklich
etwas zugemutet werden soll. Sollte das auf der obersten Stufe weiblicher
Bildungsanstalten nicht gleichfalls angezeigt sein?
Ich kann diese Bemerkungen nicht schließen, ohne Fräulein Agnes
Dörstling, Schulvorsteherin in Berlin, herzlichsten Dank zu sagen, die
es mir in liberalster Weise gestattet hat, meinen deutschen Unterricht an
den „wahlfreien Kursen" ihrer Anstalt ganz nach eigener Idee aus-
zugestalten.
Auch für Rat und Förderung von seiten hervorragender Pädagogen
möchte ich mir erlauben, an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus-
zusprechen, sowie ich andererseits dem großen Kreise von Gelehrten und
Verlegern zu aufrichtigstem Danke verpflichtet bin, durch deren liebens-
würdiges Entgegenkommen die Ausführung meines Planes überhaupt erst
ermöglicht wurde. *)
*) Auch für unsere jüngste Schul-Katcgorie, die „Mädchen-Gymnasien"
dürfte dies Lesebuch geeignet sein.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Vorwort.
Xiii
Möge die vorliegende Sammlung bei allen denen freundliche Auf-
nahme finden, die, wie die Herausgeberin, der Überzeugung find, daß der
deutsche Unterricht eine der wichtigsten Ausgaben der deutschen Schule zu
erfüllen hat, und möge sie mit der Nachsicht aufgenommen werden, die man
einem Versuche zu teil werden läßt.
Die liebe Jugend aber, der dies Buch bestimmt ist, möge die
Freude an ernster Lektüre ans der Schule in das Leben hineinnehmen.
Möge die ideale Lebensauffassung, die allen den hier vereinten Autoren,
wie verschieden sie auch sonst seien, eignet, in den jugendlichen Herzen die
Begeisterung entzünden, die uns allein den Mut giebt, auch unsere schwache
Kraft in den Dienst des Großen und Guten zu stellen.
Berlin, 1. März 1900.
Margarete Henschke.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
Die Griechen als Meister der Kolonisation.
25
Nachdem die Gewaltpolitik des Themistokles aufgegeben war, kam
durch Aristeides und Kimon eine ganz neue Art von Kolonialverbaltd
zu stände. An Stelle der Blutsverwandtschaft trat ein geistiges Band,
auf freiem Anschluß beruhend, eine ans den verschiedensten Stämmen
zusammengesetzte Bnndesgenossenschaft, um den Tempel des Apollon
vereinigt; an Stelle einer ans Geldwirtschaft gegründeten Kaufmanns-
politik eine nationale Aufgabe ersten Rangs, die Freiheit des griechischen
Mannes, die Sicherheit hellenischer Kultur den lündergierigen Barbaren
gegenüber. Es war das verklärte Bild eines Kolonialreichs, in welchem
dem anerkannt ersten Staate die mutterstädtischen Rechte als Ehren-
gabe freiwillig übertragen wurden.
Es liegt in der Natur der menschlichen Dinge, daß dieser ideale
Zustand nicht lange ungetrübt dauern konnte. Die Verhältnisse waren
so zart und schwierig, daß sie nur von der Hand eines überlegenen
Staatsmanns glücklich behandelt werden konnten. Nur ein Mann wie
Perikles war im stände, milde Schonung mit unerbittlicher Strenge
richtig zu verbinden. Er verfolgte auch zuerst den großen Gedanken,
die Wahl-Mntterstadt so mit Kunst und Weisheit auszustatten, daß sie
gleichsam die Sonne wurde, um welche sich wie nach einem Natur-
gesetze die Insel- und Küstengemeinden ordneten. Er sorgte dafür, daß
mehr und mehr Landgebiet, entweder solches, das nach Kriegsrecht ein-
gezogen oder durch besondere Verträge erworben war, in Ackerlose
geteilt, zur Ansiedelung attischer Kolonisten benutzt wurde. Dadurch
wurde Athen nachträglich eine wirkliche Mutterstadt der Insel. Diese
Neubürger gingen aber nicht in die ältere Bevölkerung auf, sondern sie
blieben Bürger von Athen. Die Hauptstadt wurde vor Übervölkerung
beschützt; Mitglieder der untersten Vermögensklassen wurden Grund-
besitzer und ihre Ansiedelungen die festesten Stützpunkte attischer See-
macht; es waren überseeische Gaue von Attiea.
Als Vorort zur See konnte Athen auch die westlichen Golfe und
Meere nicht außer acht lassen. Korinth, der einzige gefährliche Neben-
buhler, mußte in Schach gehalten werden. Seine abtrünnigen Kolonieen
wurden in Bundesgenossenschaft aufgenommen und am Ausgange des
Golfs von Lepanto erwuchs in dem mit Messeniern bevölkerten Naupak-
tos Korinth gegenüber ein attischer Waffenplatz.
In Großgriechenland hatte sich das Hellenentum auf eigentümliche
Weise entwickelt. Weise Gesetzgeber hatten hier aus den bürgerlichen
Satzungen der einzelnen Staaten des Mutterlandes das Beste vereinigt,
um solche Verfassungen herzustellen, in denen jede hellenische Be-
völkerung ihre Befriedigung finden konnte. Das war ein ungemein
wichtiger Fortschritt griechischer Kultur, wie er nur in den Kolonien
zu stände kommen konnte. Hier knüpfte Perikles an. Alt-Sybaris
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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