Handel und Völkerverkehr des mittleru Aflen's.
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dieser stand vorzüglich Athen in Verbindung, dessen Gebiet bei weitem
nicht so viel Korn erzeugte, als das Bedürfniß seiner Einwohner
erforderte.
Weiter als der Kornhandel führte die Griechen der Pelzhandel in
das Innere des Landes. Es ist bereits oben bemerkt, daß der Pelz-
handel zwar nicht beit Umfang im Alterthum erreichen konnte, den er
gegenwärtig hat, aber doch immer ein großer und wichtiger Handels-
zweig war. Nach allen vorhandenen Nachrichten war das Clima in
den Ländern zunächst um das schwarze Meer und denen, die mit
ihnen in gleichen Breitengraden liegen, um Vieles kälter, als gegen-
wärtig, und der Gebrauch wärmerer Kleidungen deshalb um Vieles
nothwendiger. Es war daher bei den thracischen sowohl, als den
asiatischen Völkerschaften, die über den 40. Grad N. Br. wohnten,
wie man aus Herodot's Verzeichniß sieht, der Gebrauch von Pelz-
werk fast allgemein eingeführt. So tragen z. B. die Thracier eine
Kopfbekleidung von Fuchspelz, ferner Pelzstiefeln; so sind die seythischen
Völkerschaften und die diesen nördlich wohnten, die Melanchlänen, ge-
wöhnlich in Pelze gekleidet; so wie auch mehrere der Völker an der
Ostseite des caspischen Meeres. Daß aber die feinen Pelzwerke auch
im südlichen Asien gesucht wurden, werden wir unten zeigen.
Allein der unternehmende Geist der pontischen Griechen begnügte
sich mit diesem nördlichen Handel nicht. Sie drangen nach Osten
vor, und bahnten sich den Weg bis zu den Hauptvölkern der großen
Mongolei. Auch darüber verdanken wir die Nachrichten Hcrodot.
„Bis zu den Argippäern" (oder den Kalmücken), sagt er, „ist das
Land sehr wohl bekannt; so wie auch bei den vorher erwähnten Völ-
kern. Denn theilö kommen Seythen zu ihnen, von denen es nicht
schwer ist, Nachrichten einzuzieheu, theils auch die Griechen aus der
Stadt Olbia und den griechischen Handelsstädten. Die Seythen aber,
die dahin ziehen, treiben ihre Geschäfte durch sieben Dollmetscher und
in sieben verschiedenen Sprachen."
Dieser merkwürdige Bericht des Schriftstellers enthält offenbar die
Beschreibung eines Caravanenhandels, der über das Uralgebirge nörd-
lich um das caspische Meer bis in das Innere der großen Mongolei
getrieben wurde. Pontische Griechen und Seythen nahmen gemein-
schaftlichen Theil an diesem Handel, und dadurch ist, so bald man
den Gang des Caravanenhandels kennt, auch die Einrichtung desselben
deutlich. Als Nomaden, die mit ihren zahlreichen Heerden umher-
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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56
Handel und Völkerverkehr des Mittlern Asien's.
zogen, waren die Scythen die besten Waarenführer, weil sie die Last-
thiere dazu besaßen; und sie bildeten eigentlich die Caravanen, welche
in das östliche Asien zogen.
lieber den Anfang und das Ziel des Weges kann also kein Zweifel
sein. Er begann in Olbia an der Mündung des Borysthenes, und
das Ziel waren die Wohnsitze der Argippäer oder Kalmücken, jenseit
des Uralgebirges. Sie gehören zu dem großen mongolischen Völker-
stamm, und müssen als der westlichste Zweig desselben angesehen wer-
den. Als Kalmücken oder Mongolen erscheinen sie schon durch ihre
ans Filzen bereiteten Gezelte, während die Seythen, die nach Herodot
ihre Wohnung auf ihren Wagen oder Karren hatten, dadurch ihre
tartarische Herkunft verrathen. Aber die Sitze der Argippäer lassen
sich doch nur in so weit bestimmen, daß sie in der westlichen Hälfte
der großen Mongolei, wahrscheinlich in dem jetzigen Kirgisen-Lande,
zu suchen sind; da die östlich von ihnen wohnenden Völker unten
werden erwähnt werden. Aber auch so konnten ihre Sitze einen
großen Umfang haben, und sich sehr wohl bis zu dem Jarartes in
Süden ausdehnen, wo sie an die Völker der großen Tartarei und
Bucharei stießen. Ihre Grenze nach Osten läßt sich nicht genauer be-
stimmen, als daß sie die Nachbaren der Jssedonen waren. Diese Be-
merkung aber ist wichtig, weil daraus hervorgeht, daß der Verkehr mit
ihnen, sowohl den mit dem östlichen, als dem südlichen Asien eröffnen
konnte. Aber welches waren die Wege, auf denen er geführt ward?
Ein Theil des Weges, die letzte Hälfte, der durch die Steppen-
länder jenseit des Ural ging, fiel mit dem zusammen, den in unfern
Tagen die Caravanen, die von Orenburg aus nach Buchara oder
Chiwa, oder von dort nach Orenburg ziehen, zu machen haben. Die
russischen Handelszüge, besonders die Unternehmung vom Jahre 1820,
haben über diese Gegenden und Straßen ein helleres Licht verbreitet;
und ich stehe deshalb nicht an, die mir darüber mitgetheilten schrift-
lichen Nachrichten den Lesern vorzulegen.
Es giebt diesen zufolge keine feste Straße zwischen Orenburg und
Buchara. Von Orenburg bis znm Sir Darja ist kein gebahnter
Weg; hin und wieder, in der Nähe von Brunnen, nur Steige, die
durch die breiten Pfoten der Kameele gemacht sind. Die russische Ca-
ravane, die, mit einer starken Bedeckung versehen, den betretensten
Weg nehmen konnte, ging um das Nord-Ostende des Aralsee's,
setzte über die beiden Arme des Sir Darja, den nördlichen und den
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Handel und Völkerverkehr des Mittlern Asien's.
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südlichen oder Kuwan, und nahmen dann ihren Weg durch die Sand-
wüste Kistl Koum, in der nördlichen Bucharei, nach der Stadt
Buchara. Aber verschiedene Ursachen verhindern es, daß die Cara-
vanen nicht stets dieselben Wege nehmen können. Theils ihre Un-
sicherheit durch die räuberischen Nomaden, theils das Bedürfniß des
Futters und Wassers für die Kameele, die man nur in befreundeten
Gebieten darf weiden lassen. Die Chiwaer haben vier Wege, um mit
Rußland zu handeln. Der erste geht zwischen dem Aralsee und dem
caspischen Meere gerade durch die Kirgisen-Steppe nach Orenburg.
Dieser Weg setzt Ruhe, und in der Steppe Verbindungen voraus mit
den Kirgisen, lvelches seit einigen Jahren nicht der Fall ist. Der
zweite führt líber Sarutschek und längs der russischen Grenze nach
Orenburg. Durch diesen Umweg suchen die Chiwaer den Anfällen
der Kirgisen zu entgehen. Der dritte geht von Sarutschek nach Astra-
kan, voll wo die Maaren zu Wasser auf der Wolga nach Neu-Now-
gorod gebracht werden. Der vierte geht von Chiwa nach Karagan,
und voll da über das caspische Meer nach Astrakan. Von diesen
sind der zweite und dritte die gewöhnlichsten.
In wie fern diese Nachrichten auf den scythischen Handel Anwen-
dullg leiden, wird unten deutlich werden, wenn wir vorher die Handels-
straße von den Ufern des schwarzen Meeres und den dortigen griechi-
schen Handelsstädten bis zum Ural werden erforscht habeil.
Wenn gleich Herodot den Weg nicht genau bestimmt hat, den diese
Handelsgesellschaften nahmen, so läßt er sich doch mit hinreichender
Sicherheit festsetzen. Durch sieben anders redende Völkerschaften zogen
die scythischen und griechischen Handelsleute, und bedurften daher eben
so vieler Dollmetscher, sich verständlich zu machen. Diese Völkerschaften
könneil keine andere sein, als die der Schriftsteller selber beschrieben
hat: die Tauner, die Sarmaten, die Budinen und Gelonen, die
Thyssageten, die Jyrken und endlich die Argippäer.
Wenn man also Olbia mit Herodot als den Handelsplatz annimmt,
in dessen Nähe sich die Caravanen bildeten, so ging der Zug zuerst
durch die waldige Region oder die Gegend Hyläa, längs den Küsten
des azowschen Meeres, bis zu den Ufern des Tanais oder Dons.
Dies waren die Wohnsitze der Tauri, die sich nicht blos ans die nach
ihnen genannte Halbinsel beschränkten. Man passtrte diesen Fluß und
kam so in die große Steppe von Astrakan, zog alsdann in einer
nördlichen Richtung durch das Land der Sarmaten, bis man zu den
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Handel und Völkerverkehr deö Mittlern Aflen's.
Wohnsitzen der Budinen und Gelonen und der hölzemen Stadt der
letztem gelangte. Von hier nahm die Caravane eine nordöstliche Rich-
tung, der Weg lief nun durch eine siebentägige Wüste, bis sie die
Wohnsitze der Thyssageten und Jyrken, an den sibirischen Grenzen,
berührte. Sodann überstieg sie die Kette des Urals, und langte in
den Steppen der Kirgisen und Kalmücken, dem letzten Ziel ihrer
Reise, an.
Es fällt von selbst in die Augen, daß diese Straße nicht die gera-
deste und kürzeste war, um von Olbia in daö Land der Argippäer
zu kommen. Sie bog links ab, und nahm einen nördlichen Umweg,
so daß sie bis zu den Grenzen Sibiriens, wo nicht bis in dasselbe,
sich hitlaufzog. Denn südlicher können wir die Völker, durch welche
sie giilg, nach allen von mir angeführten Angaben Herodot's nicht
setzen. Man könnte zwar annehmen, daß Unsicherheit der Wege diesen
Umweg nöthig gemacht habe. Aber im Herodot selbst haben sich so
deutliche Beweise erhalten, daß nicht sowohl diese, als vielmehr Handelö-
bedürfnisse es verursachten, daß daran schwerlich ein Zweifel sein kann.
Schon daß die Griechen der Dollmetscher bedurften, lehrt dies, denn
wozu hätten sie ihrer sonst, als zu dem Verkehr mit diesen Völkern
bedurft? Worül aber dieser Verkehr zunächst bestand, geht klar aus
Herodot hervor: es war die älteste Straße des Pelzhandels.
Die nördlichen und nordöstlichen Völker, von den Budinen an,
diese selbst, die Thyssageten und Jyrken sind nach Herodot's ausdrück-
lichem Bericht Jägervölker. Sie wohnen in dichten Wäldern, sie
lauern den Thieren auf, indem sie die Bäume besteigen, sie erlegen
sie mit Pfeilen und jagen sie mit Pferden und Hunden. Zwischen
diesen Völkern ist gewöhnlich eine Wüste von mehreren Tagereisen.
Was kann sie anders sein, als ihr Jagdrevier? Sollte diese Jagd
einen andern Zweck gehabt haben, als sich der kostbaren Felle dieser
Thiere zu bemächtigen, so wie sie ihn in Sibirien noch jetzt hat?
Jndeß Herodot sagt es ja ausdrücklich! „In dem Lande der Bu-
dinen," sagt er, „ist ein See und Morast mit Rohr, in dem die
Ottern gefangen werden und die Biber und andere Thiere mit vier-
ecktem Kopf, deren Felle um die Pelzkleider gesetzt werden." Bedarf
es weiterer Zeugnisse?
Wo diese Jägervölker ihren Anfang nahmen, in dein Lande der
Budinen, lag die große hölzerne Stadt, mit einer hölzernen Einfas-
sung versehen, von der jede Seite 30 Stadien (dreiviertel Meilen)
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Handel und Vvlkerverkehr des nüttlern Aflen'ö.
59
lang war. Sie war eine griechische Niederlassung mit griechischen
Wohllnngen nicht nur, sondern auch Heiligchümern, von den Griechen
aus den pontischen Handelsstädten gestiftet. Kann man über die Be-
stimmung dieser Slobode wohl zweifelhaft sein? Welche andere konnte
sie haben, als zur Hauptniederlage des Pelzhandels zu dienen? Und
so ist es wohl hinreichend erklärt, weshalb die Handelsgesellschaften
der pontischen Griechen und Scythen nicht den geraden Weg nahmen,
sondern so weit nördlich zogen. Sie tauschten hier die Waaren ein,
die sie weiter verführten, und fanden hier natürlich zugleich den Markt
für die Erzeugnisse ihrer eignen Industrie.
Erst seit Kurzem ist durch einen leider zu früh verstorbenen Gelehr-
ten ein helleres Licht über diese Länder verbreitet worden. Es ist von
ihn: aus Urkunden bewiesen, daß das Land, welches unter dem Ra-
inen Jugrien sonst im nordwestlichen Rußlande gesucht wurde, kein
anderes ist, als dasjenige, in welches uns Herodot geführt hat, in-
dem es die Gegenden zu beiden Seiten des Urals, die Statthalter-
schaft Perm und den westlichen Theil von Tobolök bis zum Oby um-
faßte. Die Bewohner desselben aber, die Jngrier, sind dieselben, die
jetzt unter dem Namen der Wogulen und der Ostiaken am Ob be-
griffen werden. Ein Land, um ein Viertheil größer, als Deutschland,
voll 16,000 Q. Meilen, vom 56. bis 67. Gr. d. Br. gerechnet. Es
war von je her, besonders der östliche Theil desselben, jenseit des
Ural, über den es drei Wege giebt, vorzugsweise das Land der Pelz-
thiere. Der Bodeil ist hier meist sumpfig und wird cs immer mehr,
je nördlicher man geht. So erklärt sich also der große See oder
vielmehr Sumpf mit Rohr, wovon Herodot spricht. Daher finden
sich hier die besten Biber, die nur am Wasser bauen; aber auch die
edelsten Pelzthiere: iiberhaupt die schönsten Zobel, Eichhörnchen und
Füchse jeder Art. Im ganzen Mittelalter war Jngriell das Land des
Handels und des Verkehrs. Schon seit dein cilften Jahrhundert
trieben ihn die Nowogroder und machten es bald selbst zu ihrer Pro-
vinz, und daß er auch nach Nowogrod'ö Fall fortdauernd blühte, ist
von dem Verfasser erwiesen. Selbst die bucharischen Caravancn kamen
noch im sechszehnten Jahrhundert dahin und brachten ihre und in-
dische Waaren. Kann es nach dem, was wir schon wissen und
hören werden, im Alterthum anders gewesen sein?
Ich baue nicht viel auf den Namen der Jyrken, wie niemals auf
bloße Namenähnlichkeit. Aber wenn es erwiesen ist, daß die Jyrken
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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60
Handel und Völkerverkehr des Mittlern Asien's.
in demselben Lande wohnten, wo wir nachmals die Jugrier finden,
ja! daß ihre Sitze bis in den Ural hineingingen, kann man sich der
Vermuthung enthalten, daß die Jyrken und Jugrier dasselbe Volk be-
zeichnen z und derselbe Handel, der noch fünfzehnhundert Jahre nach
Christo hier bestand, auch schon ein paar tausend Jahre früher geblüht
habe? Auch eine ähnliche Stadt, wie in dem Lande der Budinen
finden wir hier, die scheckige Orde, von den scheckigen Pferden, den
Prachtrossen für die Inder, so genannt, mit denen ihre Bewohner
die Waaren Jndien's eintauschten. Ja, selbst der Laut der fabelhaften
Sagen Herodot's tönt uns hier entgegen. Die Sage von den sechs
Monate schlafenden Menschen ist eine acht sibirische Sage, die ganz
natürlich da sich bildete, wo, den Menschen allein ausgenommen, die
ganze übrige leblose und belebte Natur ihren Winterschlaf hält.
Wenn die Caravane diese Pelzländer und Jagdvölker durchzogen
hatte, wairdte sie sich von den Thyssageten östlich, und ging über den
Ural, dessen südlichster Zweig, unter dem Namen des Auro-Uruk, sich
fast bis zum Aralsee herunterzieht. Die Gegend, wo sie das Gebirge
passirte, läßt sich freilich nicht genau angeben, da sie aber so weit
nach Norden gegangen war, so konnte es gewiß nicht südlicher ge-
schehen, als das jetzige Orenburg liegt (52 Gr. N. Br.), und die
weitere Straße mußte also eine von denen sein, die oben von Oren-
burg aus beschrieben sind. Der Weg ging also durch die Steppen
der Kirgisen, und nach Herodot'ö Angabe war es noch ein langer
Weg, bis sie zu den Argippäern kamen, die also in den östlichen
Theilen dieser Steppen gesucht werden mußten, aber so gut wie jetzt
die Kirgisen sich auch nach Süden, bis zum Jarartes oder dem Sir
Darja, der Herodot nicht unbekannt ist, auöbreiten mochten.
Aber konnten sie hier einen guten Markt für ihre Hauptwaaren,
die Peltereien, erwarten? Um diese Frage zu beantworten, muß ich
vor Allem an die schon in der Einleitung gemachte Bemerkung er-
innern, daß Pelzwerke nicht bloö ein Gegenstand des Bedürfnisses,
sondern auch in hohem Grade des Luruö sind, indem die feinen
Arten derselben zur Besetzung oder Verbrämung der Kleider dienen,
und daher keineswegs blos in den nördlichen, sondern auch in den
südlichen Ländern Asien's ihre Abnahme finden. So ist es noch in
ganz Persien, und welchen Markt fand nicht einst Cook für seine
Seeotterfelle ans Nntka-Sund in Canton im südlichen China? —
Im Alterthum war es nicht anders. Mehrere der Völker des easpi-
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Handel und Völkerverkehr des Mittlern Asien's.
61
schm Meeres heißen bei Herodot pelzetragende Völker. Unter den
dargebrachten Geschenken der Statthalter auf dem großen Relief von
Persepolis findet sich auch Pelzwerk. In Babylon kommen Pelze
unter Prachtkleidern vor, und daß auch in den ältesten Zeiten sie
selbst in Indien dazu gezählt wurden, wird die Untersuchung über
dieses Land lehren. So konnte es also den Scythen und Griechen
wohl so wenig fehlen, bei den Argippäern Abnahme ihrer Peltereien
zu finden, als gegenwärtig den Russen, die sie in Kiachta gegen
chinesische Artikel umsetzen. Dies wird aber noch um Vieles deut-
licher werden, wenn wir folgende Umstände hinzunehmen.
Herodot sagt zwar bestimmt, daß die Züge der Scythen und ponti-
schen Griechen nicht weiter als bis zu den Argippäern gingen, aber
aus seiner Erzählung geht auch klar hervor, daß die Sitze der Argip-
päer deshalb keineswegs die Grenzen dieses Handels waren. Es ist
nämlich mehr als wahrscheinlich, daß die Wohnsitze jener Völker blos
die Plätze waren, wo die Caravanen des Osten und des Westen zu-
sammenstießen, und wo der Austausch ihrer Waaren geschah. Denn
wenn gleich die Züge der Scythen hier ein Ende hatten, so war man
doch mit den entferntem Völkern, den Jssedonen und Massageten, sehr
wohl bekannt. Und das, was uns der Schriftsteller von diesen Völ-
kern sagt, setzt es fiir den, der den Gang des alten Handels kennt,
wohl außer Zweifel, welcher Magnet hauptsächlich die Griechen in
diese ferne Länder zog. Denn wie wichtig auch der Pelzhandel sein
mochte, so war er es doch gewiß nicht allein, um dessentwillen sie
kamen. Daß bei diesen Hirtenvölkern mich der natürliche Markt zum
Einkauf der Lastthiere, der Pferde und Kameele war, bedarf keines
Beweises. Aber auch rächt weniger der Metalle, der edlen, wie der
unedlen. Das Erz fand sich bei ihnen, nach Herodot, in großer
Menge. Aber die einen, wie die andern jener Völker waren auch
äußerst goldreiche Völker. Sie wohnten gerade an den Grenzen der
reichen Gebirgsländer Asien's, und standen mit ihnen in Verbindung.
Von hier ferner bis nach Baktra und Marakanda, den ersten Stapel-
plätzen der indischen Waaren, lief eine Völkerkette, wo Glied an Glied
sich reihte. Und woher hätte Herodot die zmn Verwundern genaue
Bekanntschaft mit den Völkern an der Ostseite des caspischen Meeres,
die wir oben haben kennen lernen, wenn keine Handelsstraßen durch
ihre Sitze gelaufen wären? Mochte nun das Gold der Hauptgegen-
stand dieses Handels sein, oder mochten die Erzeugnisse Indiens, wie
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Handel und Völkerverkehr de»? Mittlern Asien's.
03
schlichten, was ist es anders, als daß sie die Vermittler sind bei
Zwisten, die in einem Lande, wo der Umsatz der Waaren verschiedener
Völker geschah, nicht fehlen konnten. So entdecken wir also auch
hier wieder jenes Band zwischen Handel und Religion, das so oft
sich uns schon gezeigt hat, und noch öfter zeigen wird) aber so wie
man es in einem Lande erwarten kann, wo keine Tempel und stehende
Heiligthümer sich erhoben, sondern liur etwa ein heiliges Gezelt, wie
noch jetzt in den Lagern der Kalmücken. Die Massageten, ihre Stamm-
verwandten und südlichen Nachbaren, werden dagegen von Herodot
als ein kriegerisches und an die Waffen gewöhntes Volk geschildert,
und wir werden sie nicht mit Unrecht als die Kriegerkaste betrachten
können. Ganz anders aber die östlichen Nachbaren und Stammver-
wandter! der Argippäer, die Jssedonen. Krieg war nicht ihre Beschäf-
tigung; dagegen heißen sie ein gerechtes, d. i. civilisirtes und gegen
Fremde nicht feindliches Volk. Noch mehr! Von ihnen kamen alle
die Nachrichten, welche man von dem östlichen und nördlichen Asien
einziehen konnte, denn die Scythen hörten sie von den Jssedonen, die
Griechen wieder von den Scythen. Sie erscheinen also als das Handelö-
volk, das seine Verbindungen bis dahin erstreckte. Wenn außerdem,
wie oben bemerkt ist, die Serer selbst ein Zweig von ihnen sind, so
wird es noch so viel deutlicher, wie die Verbreitung der Gewebe von
diesen ihre Hauptbeschäftigung war, und die älteste Straße auch des
Seidenhandels fängt an sich zu zeigen.
So erklärt es sich also auch, wie die Grenzen ihrer Wohnsitze die
Hanptplätze des Handels und die Ziele der Caravancn werden konn-
ten, die von dem Ufer des schwarzen Meeres dahin zogen, um die-
jenigen Produkte hier einzutauschen, welche ihnen die Jssedonen aus
dem östlichen Asien znführten. Allein der Tag der Geschichte verliert
sich hier in bloße Dämmerung. (Heeren.)
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Vi. Wie Perser.
Von der Perser Sitten und Gebräuchen zu reden: so weiß ich da-
von so viel, Bildsäulen, Tempel und Altäre zu errichten ist bei ihnen
nicht Brauch, ja sie legen es denen als Thorheit aus, die das thun,
und das meines Bedenkens darum, weil sie nicht, gleich wie die Hel-
lenen, glauben, daß ihre Götter von Menschenart sind. Dem Zeus
schlachten sie das Opser auf den höchsten Berggipfeln. Zeus heißt
nämlich bei ihnen der ganze Himmelskreis. Sie opfern aber auch der
Sonne und dem Monde, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den
Winden. Denselbigen allein opferten sie ursprünglich, sie haben aber
dazu gelernt den Dienst der Urania von den Assyriern und Arabern.
Bei den Assyriern heißt Aphrodite Mylitta, bei den Arabern Alitta,
bei den Persern Mitra. Das Opfer aber für die genannten Götter
verrichten die Priester also: Wenn sie opfern wollen, so errichten sie
keinen Altar, zünden kein Feuer an, sie spenden auch nicht des Weines,
Flöten und Kränze und geröstete Gerste haben sie nicht, sondern wenn
einer sein Opfer will darbringen, so führet er das Thier an eine ge-
reinigte Stätte imd betet zu dem Gott, die Tiare bekränzet mehren-
theils mit Myrthenzweigen. Für sich allein darf aber der Opfernde
kein Heil erflehen, sondern er betet für alle Perser und für den König;
denn unter allen Persern ist er ja auch mit einbegriffen. Wenn er
nun das Opferthier in Stücke zerschnitten und das Fleisch gekocht hat,
streuet er das zarteste Gras unter, gemeiniglich Klee, darauf leget er
alles Fleisch. Ist dieses geschehen, so tritt ein Mager hinzu und
stimmt an den Gesang der Götterzeugung', wie sie den Zauberspruch
nennen, denn ohne einen Mager dürfen sie nicht opfern. Nach einiger
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T14: [König Reich Alexander Perser Stadt Sohn Land Cyrus Babylon Syrien], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T189: [König Reich Land Volk Israel Zeit Jahr Stadt Babylon Sohn], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
66
Die Perscr.
sie nach. So haben sie auch von den Hellenen die Knabenliebe ge-
lernt. Es heirathet ein Jeglicher von ihnen viele ordentliche Frauen,
dann haben sie aber auch noch viel mehr Kebsweiber. Nächst dem
Muth im Streite gilt es für ungemein wacker, wenn Einer recht viel
Kinder erzielet, und wer die meisten erzielet, dem sendet der König
alljährlich sein Geschenk. Sie setzen die Stärke in die Menge. Ihre
Knaben erziehen sie vom fünften bis zum zwanzigsten Jahre nur in
drei Dingen: im Reiten, im Bogenschießen und in der Wahrhaftig-
keit. Vor seinem fünften Jahr aber kommt ein Knabe seinem Vater
nicht vor die Augen, sondern hält sich bei beit Weibern auf. Und
das geschieht darum, daß, wenn er in diesen Jahren stirbt, der Vater
sich nicht um ihn zu grämen hat. Diese Sitte gefällt mir, so wie
auch die, daß Keiner, selbst der König nicht, einen Menschen um-
bringen darf um ein einig Vergehen, sondern erst, wenn er nach reifer
Ueberlegung findet, daß seiner Sünden mehr sind, denn seiner Dienste,
darf er seinen Zorn an ihm auslassen. Sie behaupten auch, daß
niemals Einer seinen Vater oder seine Mutter umgebracht habe, son-
dern, wenn ja etwas dergleichen vorgefallen, so hätte es sich jedesmal
bei genauer Untersuchung ausgewiesen, daß dies untergeschobene Kin-
der, oder Bastarde, gewesen; denn, behaupten sie, es sei ganz unna-
türlich, daß ein Kind seinen wirklichen Vater umbringe. Ferner, was
sie nicht thun dürfen, davon dürfen sie auch nicht sprechen. Fiir die
größte Schande aber gilt das Lügen, und dann das Schuldenmachen,
und das ans mancherlei andern Gründen, vornämlich aber, weil sie
behaupten: wer Schulden hat, muß auch nothwendig lügen. Wenn
ferner ein Bürger den Aussatz oder den weißen Ausschlag hat, der
darf nicht in die Stadt, noch in anderer Perser Gesellschaft kommen.
Denn sie sind der Meinung: wer diese Krankheit hat, der muß wider
die Sonne gesündigt haben. Jeden Fremden aber, der davon befallen
wird, vertreiben sie aus dem Lande. Viele leiden auch aus demsel-
bigen Grunde die weißen Tauben nicht. In einen Fluß harnen, noch
speien sie nicht, auch waschen sie sich nicht die Hände darinz so leiden
sie es auch von keinem andern Menschen, sondern gegen die Flüsse
hegen sie die größte Ehrfurcht. Auch ist der sonderbare Umstand bei
ihnen, was sie selber zwar nicht wissen, wohl aber wir, daß ihre
Namen, die da hergenommen sind von dem Leibe oder der Pracht,
sich alle ans den nämlichen Buchstaben endigen, denselbigen, den die
Dorier San, die Joner aber Sigma nennen. Wer Acht hat, der
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