Vi Vorwort.
nung sein, daß wir unfern Landleuten nicht zumuthen dür-
fen, ihren Kindern trockene Namentabellen und Aufzählungen
zu kaufen, um so weniger, da jeder Lehrer mit leichter
Mühe den Mangel eines solchen Abrisses zu ersetzen ver-
mag. Ich werde nachher noch Einiges über diesen Punkt
sagen. — Die ausführlichen Werke kosten fast alle mehrere
Thaler, eine schwere Ausgabe für viele Lehrer, eine unmög-
liche für die Eltern. Und ob denn die bandereichen Werke
in aller Hinsicht dem vorhin bezeichneten Zwecke ent-
sprechen, ist sehr fraglich. Es sei mir erlaubt, mit weni-
gen Worten zu sagen, wie meines Erachtens ein Lehrbuch
der vaterländischen Geschichte für unsre Schulen und ihre
Lehrer beschaffen sein muß. Zugleich will ich dadurch dem
verehrlichen Publikum Rechenschaft ablegen, welche Richt-
schnur mich bei der Bearbeitung dieses Werkchens geleitet
hat. Ich halte dies für meine Pflicht. Die Tendenz einer
brandenburgisch-preußischen Geschichte für die Lehrer und
die Schuljugend muß eine religiöse und eine patrioti-
sche sein. Hinsichtlich der erstem muß sie das Walten
der göttlichen Vorsehung in Thatsachen zeigen und dadurch
die religiös-moralische Gemüthsstimmung befördern; hin-
sichtlich der letztem muß sie die Liebe und Achtung für die
Regenten, das Vaterland, die Verfassung und die Verwal-
tung befestigen helfen. Die Darstellung selbst erfordert eine
gemüthliche, einfache, aber doch edle Sprache, damit
nicht, wie manchmal der Fall ist, die Erzählung aus dem
Kindlichen in das Kindische falle.
Mit großer Schüchternheit wage ich es nun, dem Leh-
rerstande und der Schuljugend ein Lehrbuch der preußischen
Geschichte anzubieten. Ich bin weit davon entfernt, mir
einzubilden, jener ausgesprochenen Tendenz glücklich genügt
zu haben. Das ist eine sehr große Aufgabe, die ich nach
mehrfacher Umarbeitung des Werkchens immer als
schwerer empfinde, und nur das Bewußtsein, Gutes gewollt
zu haben, giebt mir den Muth, das Buch an's Licht tre-
ten zu lassen. Darum muß ich auch sachkundige Männer,
welche diese Arbeit einer Recensi'on werth halten sollten,
recht sehr um Nachsicht und billige Beurtheilung bitten.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
Vorwort.
Vii
Das Buch ist erwachsen und ausgebildet worden durch
den practischen Unterricht. In der hiesigen Schullehrer-
Bildungs-Anstalt und in der Bürgerschule hatte ich diesen
Lehrgegenstand zu behandeln. Ich arbeitete einen Cursus
dafür aus, gebrauchte ihn, arbeitete ihn zu mehreren Ma-
len um, und so entstand endlich dies Werk. Obschon ich
die besten und zuverlässigsten Quellen benutzt habe, so weit
mir solche zu Gebote standen, so mache ich nicht vermessen
Anspruch darauf, die Erweiterung und Vervollständigung
unserer vaterländischen Geschichte durch das Lehrbuch för-
dern zu wollen. Dies wollen gütigst Historiker und Ge-
lehrte berücksichtigen, die meine Schrift zufällig durchblättern
sollten. Sie enthält gewiß noch manche Fehler und
Mängel, welche für mich unvermeidlich waren. Dankbar
werde ich daher auf öffentlichem, wie auf privatem Wege
Berichtigungen und Winke gern annehmen und solche sorg-
fältig benutzen. Zugleich ist es meinem Herzen Bedürfniß,
mehreren hochverehrten Männern meine dankende Aner-
kennung für so vielfache Unterstützung bei dieser Arbeit
hier auszusprechen.
Zuerst ist das Buch für Lehrer bestimmt. Sie sol-
len durch dasselbe in den Stand gesetzt werden, zur Vor-
bereitung das Nöthige im Gedächtnisse anfrischen und
ordnen zu können. Dazu habe ich, meiner Meinung nach,
so viel gegeben, daß kein Volksschullehrer eines weitern
Handbuchs bedarf. Vielleicht wird man mir den Vorwurf
machen, das Werk enthalte zu viel. Aber ich halte es
für Anmaßung, in einem solchen Lehrbuche Nichts mehr
und Nichts weniger niederlegen zu wollen, als die Lehrer
zu nehmen haben. So können sich diese nicht einzwängen
lassen, und noch weniger so sehr streng die Abgrenzungen
gesteckt werden, da das Bedürfniß so sehr verschieden ist.
Die alte Geschichte habe ich deshalb etwas ausführlicher
behandelt, weil ich beim Vortrage immer fand, daß den
Schülern dieser Theil sehr anziehend war, und sie mit
Wißbegierde hörten, wie es im Alterthume um das Vater-
land stand. Die allmählige Ausbildung des Reichs machte
ihnen viel Vergnügen. Die neuere Geschichte aber, der
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Ix
Vorwort zur zweiten Auflage.
Familienkreise als nützliche Lektüre Eingang fände, damit
nicht allein der Zugend, sondern auch den Erwachsenen
dadurch ein Hülssmittel würde, mit der vaterländischen
Geschichte vertrauter zu werden, als es bis jetzt noch sehr
oft der Fall. ist.
So trete denn die unbedeutende Arbeit hin in's össent-
liche Leben. Wird sie nur in etwa Liebe, Treue, Gehor-
sam, Dankbarkeit gegen Gott, gegen König und Vaterland
fördern, nur in geringem Grade den verehrten Lesern die
Ueberzeugung gewähren, daß der Verfasser Gutes gewollt
habe, so ist mein heißer Wunsch, den ich zum Himmel
emporschicke, erfüllt — und mir der süßeste Lohn geworden.
Petershagen in Westphalen. Geschrieben im
Januar 1831.
Seminar-Direktor und Schul-Rektor
Vormbaum.
Vorwort zur Zweitem Auflage.
^^aß die erste Austage dieses Werkchens 5 Monate nach
ihrem Erscheinen schon vergrissen sein würde, ist mir ganz
unerwartet gekommen. Die gegenwärtige Auflage habe ich
zwar nun sorgfältig revidirt, hier und da verbessert und
den Ausdruck zur möglichsten Correctheit zu bringen gesucht;
sonst ist aber das Ganze unverändert geblieben.
Und nun bringe ich dem hochverehrten Publikum den
ehrerbietigsten Dank für die so sehr gütige Aufnahme mei-
ner Arbeit dar. Wahrlich, es ist mir ein süßer Lohn ge-
worden durch die Ueberzeugung, daß in dem herrlichen
Prenßenlande der Glauben an Gott und das beseligende
Gefühl für Religion noch mächtig lebt, daß die Liebe
zum hochverehrten Könige, zum angestammten Regenten-
hause und zum theuren Vaterlande die braven und überall
geehrten Preußen erfüllt, und daß die Hoffnung, die
im Volke durch die vaterländische Geschichte so sehr er-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief]]
Xii Vorwort zur vierten Auflage.
spiegelt, erscheint aber so natürlich und doch so um-
flort, daß sie Erwachsene und Kinder mächtig anzieht und
unser Gefühl nachhaltig bewegt. Diesen Umstand habe
ich benutzt, um durch die Bewegung des Gefühls christ-
lichen Glauben und ungefärbte Frömmigkeit bei dem Leser
zu befördern. Wenn die kleine Gabe den Beifall des
hochverehrten Publikums erhält, so wird sie auch da und
dort wohl die seichte Romanlektüre verdrängen und das
wäre mir eine große Freude.
Schließlich gebe ich auf die an mich ergangenen viel-
fachen Aufforderungen, eine kurz ge faßte Darstellung
der vaterländischen Geschichte herauszugeben, die
Nachricht, daß ich baldmöglichst den geäußerten Wünschen
Nachkommen.werde.
Petershagen in Westphalen. Geschrieben im
December 1836.
Vormbaum.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]
Erster Abschnitt.
Die ältere brandenburgische Geschichte bis zum
Anfänge der Regierung der hohenzollernschen
Regentenfamilie.
Bis 1415 nach Christi Geburt.
Erster Zeitraum.
Von den ältesten Zeiten bis auf die Regierung des
anhaltinischen Hauses.
Bis 1133 nach Christi Geburt.
1. Das Land.
c\$n dem nordöstlichen Deutschland, zwischen und an der Elbe und
Oder, da, wo die Havel und Spree ihren Lauf haben, beginnt die
Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staats, zu dessen glücklichen
Unterthanen wir gehören. Jetzt umfaßt die Provinz Brandenburg
dem größten Theile nach diese Gegend, welche, wie gegenwärtig, so
auch in der ältesten Zeit den deutschen Landern beigezahlt wurde.
Von diesen wissen wir aber aus der grauen Vorzeit wenig zu erzäh-
len.- Ein fremdes Volk hat uns die ersten Nachrichten darüber
mitgetheilt. Es sind die Römer. Ihnen lag jenseit der Donau und
des Rheins, in weite Fernen nach Osten und Norden hin, das große,
freie, deutsche Land. Dieses Land war im Alterthume nicht so herr-
lich angebaut und so zahlreich bewohnt, wie jetzt. An vielen Stellen
breiteten sich auf den Gebirgen und in den Thalern sehr große Wal-
dungen aus, hier und da waren Sümpfe und Moraste in Menge,
da und dort sah man große Heidestrecken. Die Wälder, Sümpfe
und Moore füllten im Herbste und Winter die Luft mit Nebel an.
Je weiter sich die deutschen Gegenden nach der Ostsee und der Weich-
sel hin ausdehnten, desto unfreundlicher und rauher wurden sie, desto
kälter und feuchter war die Lust.
Vormb. br. pr. Gesch. 4. Aufl.
1
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T14: [König Reich Alexander Perser Stadt Sohn Land Cyrus Babylon Syrien]]
TM Hauptwörter (200): [T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Extrahierte Ortsnamen: Christi Christi Deutschland Donau Rheins Ostsee
Die Bewohner.
3
machten die Nahrung aus; ihr Lieblingsgetränk, das Bier, bereiteten
sie aus Hafer und Gerste. Ein kurzer Rock, mit einem Gurt befe-
stigt und aus selbst bereitetem Leinen gemacht, war das Kleid. Auch
nahm man dazu wohl das Fell wilder Thiere. Die Männer banden
das Haar oben auf dem Kopfe in einem Büschel zusammen, die
Frauen flochten es in dicke Zöpfe und schlugen es auf dem Scheffel
in einen Knoten. Ein Theil des Leibes war unbedeckt, und auch
der Winter konnte sie nicht zwingen, sich warmer zu kleiden. Hun-
ger, Kalte und die schlechteste Witterung ertrugen sie leicht, denn sie
waren von Jugend auf daran gewöhnt. Die Kinder liefen fast nackend
umher; Ringen, Rennen, Werfen, Springen war ihre tägliche Be-
schäftigung, und das Baden draußen im Flusse wurde selbst im Winter
nicht unterlassen. Das Lager des Viehes oder die Mutter Erde diente
nicht selten zur Ruhestätte, und wer auf einer Baren-, oder Wolfshaut
schliefe gehörte schon zu den Bequemen.
Städte, und Dörfer baueten sie nicht. Durch sie, so glaubten
die Sueven, würden sie an Freiheit und Unabhängigkeit beschränkt.
Und auf diese beiden Dinge legten sie einen solchen Werth, daß sie
dieselben um kein Gut vertauscht hatten. Wenn sie zwischen Baum-
stämme und Pfahlwerk Zweige flochten, die Fächer mit Lehm und
Stroh ausfüllten und das Ganze mit Rasen, Laub, oder Fellen bedeck-
ten, so war die Hütte fertig. Und je schauerlicher der Ort, desto
lieber schlugen sie daselbst die Wohnung auf.
Lust zum Kriege und zur Jagd, die selbst als ein halber Krieg
gelten konnte, war ganz vorzüglich bei den Sueven. Tausende zogen
jährlich, immer wechselnd, aus den Gauen zu kriegerischen Unternehs
mungen aus; die Uebrigen blieben daheim und bebauten den Acker.
Dieser wurde unter sie durch die Aeltesten des Volks vertheilt, denn
Niemand hatte ein festes Eigenthum, Niemand sollte sich an ein sol-
ches gewöhnen, damit sich die Luft am Kriege nicht verlöre. So
geschah es denn, daß der Eine bald hier, bald dort sein Grundstück
anzubauen hatte, und das ganze Volk in steter Bewegung zu sein
schien. Daher mögen sie denn auch wohl Sueven, d. i. Herum-
schweifende, genannt worden sein. Aber ihre Macht und ihr kriege-
rischer Sinn wurden dadurch so sehr erhöht, daß es unmöglich schien,
ihren Waffen zu widerstehen, und die übrigen deutschen Völker sag-
ten: „Selbst die unsterblichen Götter können es mit den Sueven
nicht aufnehmen."
Die Waffen waren so einfach, als das Volk selbst. Lanzen,
Wurfspieße, leichte Schilde und kurze Schwerdter machten das Kciegs-
geräthe aus; wenn sie sich aber mit diesen unter furchtbarem Kriegs-
geschrei auf die Feinde stürzten, so thaten sie Wunder der Tapferkeit.
Neben dieser Kriegslust waren bei den Sueven Zucht und Ord-
nung, Keuschheit und Treue, Ehrlichkeit und Gastfreundschaft. Dort
belachte Niemand eine böse That, dort beeiferte man sich nicht, durch
Lug und Trug den Nachbarn zu überlisten und ihm dadurch zu schaden.
- 1 *
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
4 I, Abschn. Don d. ältesten Zeiten bis 1415 n. Chr. Geb.
Ein biederer Handschlag vertrat bei ihnen die Stelle des Eides, denn
unverbrüchlich fest stand: Ein Wort, ein Wort, ein Mann, ein Mann! —
Sie schwuren selten, nur gegen Feinde in sehr wichtigen Dingen und
dann stets auf ihr Schwert. Kam ein Fremder, so wurde er so aus-
genommen, als ob er zur Familie gehöre. Man fragte ihn nicht,
woher er komme und wohin er gehe, — man zahlte dies zu den
vorwitzigen Fragen.
Es gab im Volke nur zwei Stande: Freie und Knechte. Die
letztern wurden aber sehr gut gehalten, hatten oft kleine Besitzungen
und zahlten von denselben eine geringe Abgabe an die Freien. Doch
fehlte ihnen der Eyrenschmuck: die Waffen. Diese gebührten nur dem
freien Sueven. Aber auch ihn machten nicht Stand, noch Alter
des Zeichens der Freiheit theilhaftig; eine tapfere That mußte erst
seine Würdigkeit beweisen. Dann schmückten ihn in den Volksver-
sammlungen an Voll- und Neumonden die Fürsten (Vordersten),
Grafen (Grauen) oder Aeltesten feierlich mit Schild und Speer, und
dies war der festlichste Tag des Suevenjünglings. Jetzt war ec erst
mündiges Mitglied seines Volks.
Zu den Volksversammlungen kamen alle freien Männer. Es
wurden dann die Angelegenheiten des gestimmten Stammes berathen,
Krieg und Frieden beschlossen, Zwistigkeiten nach dem Herkommen ge-
schlichtet, und an den Schlechten und den Verbrechern die Strafen
vollzogen. Diese mußten jedoch von den Göttern bestätigt und unter
ihrer Aufsicht ausgeführt werden; deshalb waren auch die Priester
zugegen. Sie, die Vertrauten der Gottheit, redeten im Namen der-
selben, und ihre Aussprüche waren dem Volke über Alles heilig. Das
reine, kräftige Gemüth der Deutschen faßte die Ehrfurcht vor dem
Allmächtigen und feinen Dienern in der ganzen Fülle auf, weil nicht
Leichtsinn, Ueppigkeit und Verweichlichung ihr Herz gegen das Heilige
gleichgültig machten. Denn der in Laster Versunkene verliert die
Kraft und Freiheit seines Herzens in den Lastern und vermag sich
nicht cmporzuheben zur wahren Verehrung des allmächtigen Gottes
und zur kindlichen Ehrfurcht vor ihm.
Religion. Darum finden wir aber bei unfern alten Vorfah-
ren, wenn gleich einen heidnischen, doch einen sehr einfachen Gottes-
dienst. Nicht in Tempeln verehrten sie ihre Gottheiten, nein, ein
solch enger Raum, meinten sie, vermöge nicht würdig die allhcrrfchende
Gottheit zu fassen. Der blaue Himmel bildete ihr Tempelgebaude;
große schauerliche Haine, in welchen ehrwürdige, uralte Eichen stan-
den, waren die Orte, an welchen die Gottheit würdig weilte. Ihrem
obersten Gott gaben sie den schönen Namen Allvater, Odin, Wodan.
Er war ihr schützender Geist auf den Kriegs- und Jagdzügen. Nächst
ihm waren ihnen der Thor, als Gott des Donners, der Teut, als
ihr Stammvater, die Freia, als Göttinn der Ehen, (von ihr soll un-
ser Freitag den Namen tragen) das Feuer und die Sonne heilig.
Eine vorzügliche Verehrung widmeten sie ihrer freundlichen und wohl-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König]]
6 I. Abschn. Don d. ältesten Zeiten bis 1415 n. Chr. Geb.
schenblut gebüßt und abgewaschen werden. Rücklings gingen sie wie-
der hinaus. Fiel einer von ungefähr nieder, so war es ihm nicht
erlaubt, wieder auszustehen; er mußte sich auf der Erde hinaus
walzen. «►
Nächst den Semnonen waren die Langobarden, vielleicht von
ihren langen Barten, oder von den langen Hellebarden, die sie führ-
ten, so genannt, eine geachtete suevische Völkerschaft. Sie waren
nicht sehr zahlreich, aber ihre Tapferkeit war überall berühmt und
bekannt, ihre Hülfe gesucht, ihr Erscheinen gefürchtet.
Und eben diese beiden Völkerschaften waren die ältesten
Bewohner des brandenburgischcn Landes. Die Semnonen wohnten
zwischen der Elbe und Oder, an der Havel und Spree, also in der
jetzigen Mittelmark, Neumark und Lausitz; die Langobarden an den
Ufern der Elbe bis zur Havel, in der heutigen Altmark und Priegnitz.
3. Die Auswanderung der Semnonen und
Longobarden.
Es war ungefähr um das fünfte Jahrhundert, als viele Völker
in und außerhalb Deutschland von einer außerordentlichen Wanderungs-
lust befallen wurden. Sie brachen in großen Massen aus ihren bis-
herigen Sitzen auf, um neue Wohnplatze zu suchen. Und wenn ein
Volk auch gar nicht geneigt war, die Heimath zu verlassen und die
Ferne dafür anzunehmen, — der Strom der wandernden Völker nahm
es mit und es konnte nicht widerstehen. So geschah es denn, daß
ein großes Drangen und Treiben entstand, und der Nachbar den
Nachbarn aus der Heimath trieb. Der Zug ging von O'st und Nord
vorzüglich nach Süden und Westen, und Frankreich, Spanien, Italien,
ja sogar Afrika's Nordküste wurde von den Wanderungslustigen über-
schwemmt. Auch die alten Bewohner Brandenburgs machten sich
auf. Sie hatten bisher ruhig in ihren Gebieten nach ihren Sitten
und Gebrauchen gelebt, denn der Römer Eroberungssucht in Deutsch-
land hatte an der Elbe die Grenze gefunden. Und wenn auch erzählt
wird, daß Semnonen und Longobarden sich mit Hermann, dem Che-
ruskerfürsten, verbanden und unter ihm mehrere Kriegszüge thaten, so
war dadurch wohl nur die kriegerische Mannschaft beschäftigt, das
Volk selbst in seinem Thun und Treiben nicht gestört worden. Aber
jetzt hatte auch seine Stunde geschlagen. Es warf sich mit in den
Wanderungsstcom und zog hin nach Gallien, Spanien und Italien.
Dort -fanden die Ankömmlinge eine neue Heimath. Die Wenigen,
die in den brandenburgischen Gegenden zurückblieben, verloren sich nach
und nach, und ihres Namens ist dort nicht weiter gedacht worden.
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Neumark Hermann
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Nord Frankreich Spanien Italien Brandenburgs Deutsch- Gallien Spanien Italien
8 I, Abschn. Von d. ältesten Zeiten bis 1415 n. Chr. Geb.
vereinzelt wurde, — Liebe zur Geselligkeit und zum Zusammenwohnen
machte, daß sie zusammenhängende Häuserreihen anlegten. Dadurch
gründeten sie Flecken und Dörfer; ihre Garts (feste Schlosser) dien-
ten zum Schutze der Besitzungen gegen Feinde und beförderten den
Anbau größerer Städte. Die Stadtenamen: Stargard, Belgard, Gar-
deleben u. s. w. zeugen dafür. Eben so schreibt man den Wenden
die Gründung der Städte: Stettin, Julin (auf der Insel Wollin),
Wineta (auf einer Insel der Ostsee), Lebus, Brennabor (Branden-
burg), Druso (Elbing) und Gidanik (Danzig) zu.
Denn noch weit über die deutschen Gaue nach Osten hinaus
lebte der Wendenstamm. Diejenigen kleinen Völkerschaften desselben,
welche in Brandenburg den Wohnsitz ausgeschlagen hatten, waren:
die Wilzen, in einem Theile der nachherigen Marken; die Rheda-
rier mit den Brizanern, in dem Lande der heutigen Priegnitz und
der Grafschaft Ruppin; die Heveller und die Stoderaner, im
Lande der Havel und Spree; die Ukrer, in der Ukermark; die Luti-
zer, in der Lausitz; die Sorben, an der Südseite der Elbe.
Jede Völkerschaft bestand für sich allein. Knesen oder Ge-
richtsherren regierten und hielten mit den Pans oder Edlen des
Volks unter alten Eichbäumen Gericht und Volksversammlungen. Die
hergebrachten Gewohnheiten galten als Gesetze. Die Knesen konnten
keine neuen Anordnungen machen und keine Verbrechen bestrafen. Das
geschah vom ganzen Gau. Bei gemeinsamer Gefahr oder andern wich-
tigen Angelegenheiten verbanden sich mehrere Stamme und wählten
ein Oberhaupt. Sie nannten es Krole. Dieses hatte kein beson-
deres Einkommen; seine eigenen Güter mußten es ernähren. Höch-
stens bearbeitete ihm das Volk freiwillig die Aecker. Aber seiner
Person wurde hohe Ehrfurcht erwiesen. Selbst die Burg desselben
war heilig und jedem Verfolgten eine sichere Freistätte.
Entstand ein Krieg, so wurde Niemand gezwungen, dem Krolen
zu folgen; aber es strömten doch, von Ruhmsucht angetrkeben, ganze
Schaaren muthiger Krieger herbei, ergriffen ihre dicken Keulen, ihre
Bogen, langen Pfeile und breiten Streitmesser und fochten mit großer
Tapferkeit, hauseten aber mit grenzenloser Wildheit. Wohin sie ka-
men, verwandelten sie blühende Fluren in Wüsteneien, Städte und
Dörfer in Schutthaufen. Sie verschonten kein menschliches Wesen;
Alles wurde ermordet.
Im Haufe herrschte der Hausvater ohne Einschränkung, selbst
über das Leben der Seinigen. Frau, Kinder, Knechte waren sammt-
lich seine Sklaven, mit denen er thun und lassen konnte, was ihm
beliebte. Starb der Mann, so mußte die Frau mit ihm sterben. Sie
tödtete sich entweder selbst, oder wurde mit ihres Mannes Leichname
verbrannt. Neugeborne Kinder, besonders Töchter, setzte man in Wü-
sten zmn Verhungern aus, wenn die Eltern glaubten,, sie nicht ernäh-
ren zu können. Wurden die Eltern alt und schwach) so brachten ihre
Kinder sie um. Und dies hielt man für eine große Wohlthat, so
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Die Einwanderung der Wenden.
9
daß oft alte Eltern flehentlich ihre Kinder baten, fle zu ermorden, um
von ihrer Lebensbürde befreit und in Walhalla ausgenommen zu wer-
den. Denn es war der allgemeine Glauben des Volks, daß nur die
des Himmels theilhastig würden, welche eines gewaltsamen Todes stür-
den. Dieser Vorstellung hingen sie so fest an, daß alte, kranke Für-
sten und Krieger sich mit ihrem Schwerte durchbohren ließen, viele
sich selbst mit einem Strick erwürgten, oder mit einem Dolche um's
Leben brachten.
Wir schaudern bei diesem Wahne und können Gott nicht inbrün-
stig genug danken, daß wir durch Jesu Lehre richtigere Begriffe vom
ewigen Leben haben, die uns solche Grausamkeiten als verabscheuungs-
würdig darstellen. Wenn wir aber dagegen an den Wenden auch
schöne Züge rühmen, so klingt dies nach der Erzählung solcher barba-
rischen Sitten fast fabelhaft. Und doch ist es so. Denn also hat
es der weise himmlische Vater oft angeordnet, daß das Milde neben
dem Harten, das Edle neben dem Rohen steht, damit nirgends der
Mensch die gütige Schöpferhand verkenne, die ihn zum Bessern lei-
ten will.
Wollust, Meineid, Diebstahl und Straßenraub waren bei den
Wenden nicht gar häufig. Ihre Hauser und Kasten verschlossen sie
nie, und doch fürchteten sie nicht, daß ihnen etwas entwendet würde,
denn solcher Beispiele hatten sie nicht viele. Nie bekräftigten sie ihr
Wort durch Eidschwüre; man müßte sie ja sonst, so meinten sie, fähig
halten, unredlich zu handeln. Den Armen gab Jeder ohne Aufforde-
rung; Bettler gab es bei ihnen wenige. Auch verargte man es dem
Unvermögenden nicht, wenn er ohne Bitten offen und frei von dem
Ueberflusse des Reichen benutzte, um einen Gastsreund zu bewirthen.
Denn die Gastfreundschaft stand in sehr hohen Ehren. Den Fremden
ungastlich von seiner Thür weisen, war ein Verbrechen und wurde
sehr strenge bestraft. Man erklärte den Hartherzigen für ehrlos, stieß
ihn aus dem Gau, zündete seine Hütte an und verbrannte sie mit
allen in ihr befindlichen Habseligkeiten. Das waren aber sehr seltene
Falle, denn jeder übte Gastfreundschaft mit Lust.
Eine besondere Erscheinung ist es, daß Wenden und Deutsche
sich gegenseitig sehr haßten. Besonders finden wir bei den ersteren
einen Abscheu gegen das Christenthum. Sie kannten nicht das Be-
glückende der seligmachenden christlichen Religion; sie sahen in ihr nur
eine Fessel, durch die sie beschrankt wurden, und die ihnen nur Abga-
den (Zehnten) für die Diener der christlichen Kirche auferlegte. Wer
aber eine Sache nicht erkennt und nur ihre scheinbar schwarzen Seiten
vor Augen hat, der wird leicht dahin gebracht, sie zu fürchten und zu
Haffen. So auch die Wenden, und daher die Anhänglichkeit an ihre
Götzenreligion.
Religion. Zwei Wesen wurden als Hauptgottheiten angese-
hen: Beelbog, der Schöpfer der Welt und Geber alles Guten, und
Zernebog, der Urheber alles Bösen. Beide hatten Untergötter.
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