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1. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. III

1891 - Berlin : Mittler
Vorwort. ■jyür Heldentum und historische Größe soll nach dem Allerhöchsten Erlaß vom 13. Februar 1890 die Jugend empfänglich gemacht werden, da hierdurch nicht nur im Gesamt-, sondern vornehmlich im Geschichtsunterricht religiös-sittliche Charaktere herangebildet werden. „Denn gerade die Geschichte soll", wie Herbart sagt, „die Lehrerin der Menschheit sein; und wenn sie es nicht wird, so tragen die Jugendlehrer der Geschichte einen großen Teil der Schuld." Demgemäß werden die Beziehungen der Gegenwart zur Vergangenheit klar erörtert werden müssen, und um deswillen wird auch eiu stärkeres Betonen der neueren und neuesten Geschichte geboten sein. Für die Charakterbildung wird es aber dem Unterrichte namentlich förderlich sein, wenn das Biographische betont wird. Denn die Personen, nicht die Zustände sind es, welche im eigentlich erziehlichen Unterrichte zu verwenden sind. Erwächst die charaktervolle Persönlichkeit auch aus der Zeit, so giebt sie derselben doch ihr Gepräge. Gerade an ihr, die doch immer ein Kind ihrer Zeit ist, wird mit Erfolg das, was wir schlechtweg unter Geist der Zeit verstehen, anschaulich zu machen sein. Hierzu kommt noch ein Weiteres. Man wird als Lehrer immer die Beobachtung machen, daß die Jugend sich gern an den Personen erwärmt und erhebt, in dem einen oder andern sich ihr Ideal sucht. Jede Handhabe, die ihr dazu verhilst, die charaktervollen Persönlichkeiten sich anschaulich zu machen, ergreift sie mit Eifer. Wenn nun deshalb Anschaulichkeit mehr als einmal gerade für den Geschichtsunterricht verlangt wird, so ist zu betoueu, „daß die rechte lebendige Anschaulichkeit, die eigentliche Versetzung in die Zeit und in den Geist der handeln-

2. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. IV

1891 - Berlin : Mittler
— Iv — den Personen nur durch das Lesen der Quellen gewonnen wirb". Die ganze Auffassung, welche man dem Geschichtsunterricht bisher zollte, ist die Veranlassung gewesen, daß man hauptsächlich im Hinblick aus das Altertum bte Frage der Quellenlektüre behanbelte. Den Wert ber-selben wirb wohl uiemanb ganz von der Hand weisen. Auch barin werben alle übereinstimmen, daß die Quellen im Geschichtsunterriebt nicht übersetzt werben können. Diese Frage für die neuere Geschichte genauer zu erwägen, war dann auch babnrch erschwert, daß das Material hier nicht jebem leicht zugänglich ist, und auch heute noch kann es nur mit Hülse einer großen Bibliothek zusammengestellt werben. Den ersten Versuch eines Quellenbuches für die neuere Geschichte machte Max Schilling (Quellenbuch zur Geschichte der Neuzeit. Für die oberen Klassen höherer Lehranstalten bearbeitet. Berlin, Gaertner 1884, zweite Auflage 1891). Ihm folgte dann Zurbousen (Quellenbuch zur branben-burgisch-preußischen Geschichte. Denkwürbige Urfunben und Quellenberichte. Berlin, Nicolai 1889). Beibe gingen von dem Grunbsatze aus, Denkschriften, Proklamationen, Dekrete, Gesetze, Reben, Briese, (Schichte u. ct. m. dem Zwecke des Unterrichtes bienlich zu machen. Gerabe bies Material würde wohl beshalb ausgewählt, weil die moberne Geschichtschreibung bei der Behanblung der Neuzeit auf ihm hauptsächlich fußt. Aber Hierbei ist boch die Gefahr vorhanben, daß dem Schüler-mehr die Art, wie die Resultate in der Forschung gewonnen werben, gezeigt wirb, als daß er recht eigentlich in die Dinge selbst einbringt. Das Wie des Geworbenen ist für den Schüler höchst gleichgültig. Allerbings giebt es eine gewisse eng begrenzte Zahl von Aktenstücken, die jeber Schüler im Unterricht kennen gelernt haben muß. Hierher rechne ich: Luthers 95 Thesen (Auswahl), die Artikel der Bauern, Steins politisches Testament, den Aufruf „An Mein Volk", die Kabinettsorbre für Errichtung der allgemeinen Wehrpflicht, Bismarcks Denkschrift von 1858, die preußische Verfassung, die Verfassung des Deutschen Reiches, die Kaiserliche Botschaft vom November 1881. Das stnb gewissermaßen die Grunb-gesetze, welche in der Schule gelesen und ausführlich erläutert werben müssen. Wohl wirb der Lehrer, um seinem Vortrag Lebenbigkeit zu verleihen, noch weitgehenber Akten ftubieren, aber immer wieber sich barauf beschränken müssen, nur in der Form des Citates das Wichtigste aus beuselbeu mitzuteilen. Aber Schilling wünscht eine ganz anbere Verwertung seines Quellenbuches , wie er kürzlich bargethan hat (Quellenlektüre und Geschichts-

3. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. V

1891 - Berlin : Mittler
— V — unterricht. Eine pädagogische Zeit- und Streitfrage. Berlin, Gaertner 1890). 1. Die Quellenstücke müssen einer sorgfältigen Betrachtung unterzogen werden. 2. Diese Betrachtung muß dem Bortrage des Lehrers vorausgehen. 3. Es ist zwar der Hausfleiß der Schüler für sie in Anspruch zu nehmen, doch findet sie erst durch gemeinsame Besprechung in der Klasse unter der Kontrolle des Lehrers ihren Abschluß. Ich habe den Bersuch in der von Schilling angegebenen Weise mit dem von ihm behandelten Abschnitte (S. 37 ff.) gemacht, konnte aber nur über großen Zeitverlust klagen, hatte dann auch vielfach falsche Vorstellungen, die die Schüler der Oia bei der ersten Lektüre gewonnen hatten, zu bekämpfen. Freilich meint Schilling, „diese Versuche müssen wiederholt werden, da auf eine einmalige Erfahrung noch kein Urteil gegründet werden kann". Allgemein erziehliche Grundsätze füllten mich davon ab, den Versuch nochmals zu wagen: ich wandle wieder den Weg, den ich bisher eingeschlagen. Dieser ist ein anderer, ringt aber auch gegen die Unfehlbarkeit der jetzt üblichen Methode an. In der That giebt es Mittel und Wege, den Schüler au der Haud der Quellen mit den Personen vertraut zu machen. Die reiche Fülle des Forschungsmaterials auf dem Gebiete der neuen Geschichte giebt noch eine andere Reihe von verwendbaren Stoffen. Schon oben hatte ich im Anschluß an Herbart betont, daß das Persönliche im Unterricht hervortreten muß. Wenn der Unterricht auf der Unterstufe nach den neuen Lehrplänen wesentlich ans das Biographische zugespitzt ist, so hat auch die Mittel- bezw. Oberstufe damit zu rechnen. Es wird darauf ankommen, die gewonnene Grundlage zu vertiefen und zu festigen. Wird auch hier die pragmatische Behandlung geboten sein, so tritt doch immer die Persönlichkeit als Höhepunkt hervor. Soll die Anschaulichkeit der Vergangenheit besonders gefördert werden, so müssen die einzelnen großen Männer der Geschichte lebendig vor den Augen der Schüler stehen. Um dies zu erreichen, wird es nicht allein nötig sein, ihnen wirklich getreue Bildnisse derselben (nicht willkürlich ersonnene), wie Oncken, Allgemeine Weltgeschichte in Einzeldarstellungen, Jaeger, Weltgeschichte, Berner, Geschichte des preußischen Staates u. a. sie bieten, vorzulegen, sondern auch die Charakterzüge dieser Personen müssen scharf hervorgehoben werden. Um dieser Anschaulichkeit willen ist als eine nicht zu unterschätzende Förderung des Unterrichts anerkannt die Entwickelung guter Charakteristiken hervorragender Persönlichkeiten. „Eine besondere Kunst", sagt

4. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. VI

1891 - Berlin : Mittler
r — Vi — Schiller, Handbuch der Pädagogik S. 528, „erfordern die Charakteristiken, da dieselben nicht zu elementar und doch auch nicht zu hoch gehalten werden dürfen." Man wird sie meist aus bedeutenden Geschichtswerken entlehnen. Noch eindringlicher wird es aber sein, die einzelne Persönlichkeit im Lichte ihrer Zeitgenossen zu betrachten. Auch hierbei wird dauu die von Schiller gewünschte Verknüpfung mit dem deutschen Unterricht möglich sein. Gerade auf diesem Gebiete glaube ich deshalb den Stoff aus Quellen für den Geschichtsunterricht der Oberstufe suchen zu müssen. Eine Sammlung nun, welche sich diese Aufgabe stellt, wird mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Wenn sie hauptsächlich die neue deutsche Geschichte seit der Reformation ins Auge faßt, so wird die Reichhaltigkeit des Materials sich ganz nach der Entwickelung, welche die Geschichtschreibung in Deutschland genommen hat, richten. Es wird erklärlich sein, daß int neunzehnten Jahrhundert sich kaum eine wichtige Persönlichkeit findet, die nicht von einem Zeitgenossen, der mit ihr in Berührung kam, treffend geschildert sei. Je weiter wir aber zurückgehen, um so schwieriger wird es, geeignetes Material zu fiuden. Für die Zeit Friedrichs des Großen bieten die Werke desselben noch vielfachen Stoff, auch Friedrich Wilhelm I. wird durch feinen Sohn treffend charakterisiert. Dagegen im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert ist es mit dem zeitgenössischen Material in dieser Hinsicht weniger gut bestellt. Die Mernoireulitteratur fehlt nahezu vollständig. Nur die venezianischen' Relationen bieten eine willkommene Quelle. Lediglich äußere Gründe veranlaßten mich, sie nicht vollständig für die Kaiser des siebzehnten Jahrhunderts auszubeuten. Die neuerschienenen Briefe der Elisabeth Charlotte an die Kursürstiu Sophie von Hannover konnten nicht mehr benutzt werden. Häufig mußte zu Belegen gegriffen werden, die doch nicht eigentlich scharf abgerundete Charakteristiken sind. Es kann hier nicht die Aufgabe sein, jedes einzelne Stück zu verteidigen; es muß für sich selbst sprechen. Daß nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer, die in die Geschicke unseres Vaterlandes bedeutsam eingriffen, Aufnahme fanden, wird ebensowenig Tadel finden, wie daß der Abfall der Niederlande der deutschen Geschichte zugewiesen ist. Denn damals gehörten die Niederlande zum heiligen römischen Reiche. Wenn nun auch die erwähnte Beschaffenheit des Materials mit den Zielen des Unterrichts gut übereinstimmt, da gerade die neueste Geschichte ausführlicher behandelt werden soll, so wird man deshalb doch nicht

5. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. VIII

1891 - Berlin : Mittler
wenn es in den Organismus des Unterrichts fest eingefügt wird, ein wesentliches Förderungsmittel bietet. Der Schüler lernt die hervorragenden Personen der Zeit anschaulich kennen, er gewinnt einen Einblick in die Urteilsfähigkeit des betreffenden Zeitalters und kann an der Hand desselben auch über die Entwickelung der deutschen Geschichtschreibung aufgeklärt werden. Steglitz bei Berlin, den 22. August 1891. Dr. Hugo Landwehr.

6. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. 2

1891 - Berlin : Mittler
— 2 — wollens auf seinem Antlitze, die unversiegbare Heiterkeit seines reinen Gemütes und seine herzgewinnende Rede, die manchen feindlich Gesinnten oft 6et der ersten Begegnung versöhnte. Als er einmal beim Empfange seiner Gemahlin Maria von Burgund in Gent seinen Einzug hielt, „auf hohem braunen Roß alle überragend, in glänzender silberner Rüstung, unbedeckten Hauptes, seine reichen blonden Locken in einen Kranz von Perlen und Edelsteinen gefaßt", da schrieb ein Anwesender: „Welch eme prächtige Erscheinung! Maximilian ist so jugendlich frisch so männlich kräftig, so strahlend von Glück, daß ich nicht weiß, was ich mehr bewundern soll, ob seine blühende Jugend oder seine Kraft oder sein Glück. Man muß ihn gern haben, den glänzenden Mann." Man mußte ihn ebenso gern haben, wenn man ihn im einfachen grauen Jagdrock, den Stulphut auf dem Kopfe, mit Steigeisen, Armbrust und Jägerhorn versehen, die höchsten Gebirge und Felsschluchten Tirols durchwandern sah, oder ihn ein trauliches Gespräch mit einem vorübergehenden Bauern anknüpfen hörte, oder wenn er bei geselligen Vergnügungen, etwa in Frankfurt oder Ulm, in launiger Rede mit den Bürgern oder den Bürgerstöchtern scherzte und es den Patrizierfrauen nicht verübelte, daß sie, die von seiner baldigen Abreise gehört, ihm Stiefel und Sporen versteckten, damit er noch einen Tag länger bleibe und auch den morgigen Tanz mit der Königin des Festes eröffne. Maximilian fühlte den lebendigen Trieb in sich, „für eine neue jugendliche Zeit Kraft und Leben einzusetzen, alle geistig Hochstrebenden zu ermuntern und zu fördern, alles bewährte Alte zu ehren, zu erhalten und neu zu festigen, dagegen alles wirklich Veraltete zu entfernen. Seine Wißbegierde war unbegrenzt, und er lernte ebenso leicht Geschütze gießen und bohren und Harnische anfertigen, als er das Studium der Geschichte, der Mathematik und der Sprachenkunde betrieb." Wie als der waffenfähigste, so galt er auch als der sprachgewandteste Fürst der Christenheit; denn außer dem Deutschen und Flämischen sprach er geläufig latent, französisch, wallonisch und italienisch und eignete sich auch die Kenntnis des Englischen und Spanischen an. Sein lebhafter, feuriger und unternehmender Geist, den er von seiner südländischen Mutter, einer portugiesischen Prinzessin, geerbt hatte, war in beständiger Thätigkeit, und er war frühzeitig durch eine reiche Schule des Lebens gegangen und hatte die Menschen beobachtet und die Wechselfälle der menschlichen Dinge kennen gelernt. „Die Not des Volkes begreift nur," sagte er einst zu einem Herzog von Sachsen, „wer selbst Not gelitten." Dabei mochte er sich daran erinnern, wie er als Knabe zur Zeit der Belagerung und Beschießung der kaiserlichen Burg durch die Wiener in den Erdgeschossen des Schlosses umhergeirrt war und unter Thränen von der Dienerschaft ein Stückchen Brot sich erbettelt hatte. Keine Widerwärtigkeit konnte ihn ans der Fassung bringen, und wenn ihm alle seine Pläne fehlschlugen, tröstete er sich damit: „Gott sorgt schon; es könnte noch schlimmer gehen." Überhaupt bezeichnete man schon damals als besondere Eigenschaften des habsburgischen Herrscherhauses:

7. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. 4

1891 - Berlin : Mittler
— 4 — Allerdings war er auch eifrigst für die dynastifchen Interessen seines Hanfes bemüht, aber die großartige Machtstellung des habs-bnrgischen Hauses kam auch dem Reiche zugute; sie wurde inskünftig das wesentlichste Bollwerk gegen das Vordringen der Türken und der Franzosen. 2. Karl V. Relation des venezianischen Gesandten Frederico Badoaro (1557) nach Gachard, Relations des ambassadeurs venitiens sur Charles-Quint et Philippe Ii. Bruxelles 1856. S. 19 ff. Karl V. ist Flamländer und in Gent geboren. Seine Gestalt ist mittelgroß und sein Äußeres ernst. Er hat eine hohe Stirn, blaue Augen mit einem energischen Ausdruck, eine ein wenig schiefe Habichtsnase und einen langen, großen Unterkiefer, welcher ihn verhindert, die Zähue zu schließen, und veranlaßt, daß man das Ende seiner Worte nicht gut versteht. Seine Vorderzähne sind wenig zahlreich und schadhaft; seine Gesichtsfarbe ist gut, sein Bart kurz, borstig und weiß. Sein Körper ist wohlgestaltet. Er hat einen phlegmatischen Sinn und ist von Natur melancholisch. Er leidet fast immer an Hämorrhoiden und oft an der Gicht. Durch letztgenannte Krankheit sind ihm auch schon die Hände gänzlich steif geworden. Er hat das Kloster St. Inste zu seinem Aufenthalt gewählt, weil die Lust dieses Ortes für die Wiederherstellung seiner Gesundheit in Spanien am geeignetsten ist, und obgleich die Gichtanfälle sich dort mehrere Male wiederholt haben, sagten mir doch der König und andere Personen, daß seine Gesundheit besser wäre als seit zehn Jahren. In seinen Reden, wie in seinen Handlungen hat der Kaiser stets die größte Hingabe für den katholischen Glauben gezeigt. An jedem Tage seines Lebens hat er eine, oft zwei Messen gehört. Jetzt vernimmt er deren drei, von denen eine für die Seele der Kaiserin und eine andere für die Königin, seine Mutter, ist. Er wohnt den Predigten der hohen kirchlichen Feste, wie allen denen der Fastenzeit, sowie oft auch den Abendmetten und anderen Gottesdiensten bei. Gegenwärtig läßt er sich täglich die Bibel vorlesen; er beichtet und nimmt das Abendmahl jährlich viermal nach seiner alten Gewohnheit und läßt Almosen an die Armen verteilen. Vor seiner Abreise nach Spanien hatte er häufig die Gewohnheit, ein Kruzifix in der Hand zu halten, und ich habe als wahre Thatfache und beredtes Zeugnis für feinen religiösen Eifer erzählen hören, daß man ihn, als er in Ingolstadt in der Nähe des protestantischen Heeres war, um Mitternacht in seinem Zelte mit gefalteten Händen vor einem Kruzifix kuieeu fah. Während der Fastenzeit, welche seiner Abdankung voranging, forschte er mit besonderer Sorgfalt nach denjenigen seines Hoses, welche Fleisch genossen, und ließ dem päpstlichen Nuntius aubesehlen, daß er sich nicht so leicht bereit zeigen möchte, den Höflingen oder anderen Leuten des Landes, wer es

8. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. 6

1891 - Berlin : Mittler
- 6 — Hofstaat gehörten, ist er niemals freigebig gewesen; fast alle haben sich beklagt, ferne Belohnung für ihre Dienste empfangen zu haben besonders zur Zeit seiner Abdankung. Ich habe von Hosleuten sagen ljoren, § er von Natur geneigt war, es viel zu genau zu nehmen wenn es sich um hundert Thaler handelte, während er sich z B verschwenderisch gezeigt hat, als er den Prinzen Doria, Don Ferrante de Gonzaga und andere Befehlshaber und Leute dieses Ranges an sich fesseln wollte. Andere dagegen meinen, daß er in Bezug auf diese letzteren so gehandelt habe in der Voraussetzung, von ihnen arößere Dienste wieder zu empfangen. Da derjenige, der nicht freigebig ist, nicht prachtliebend zu fein wctfy so kann man sagen, daß die Ausgaben, welche er für die Ausschmückung seines Palastes, für die Kleidung seines Hofstaates und für seine Festlichkeiten gemacht hat, nicht in Übereinstimmung mit der erhabenen 31>ihbe eines Kaisers, eines Herrn so vieler Königreiche und Staaten gewesen sind. $tt der That traten zu verschiedenen Zeiten seines ^ebens gewisse Eigenschaften bei ihm hervor, die das Zeichen einer hochherzigen Gesinnung sind. So hat er sich in sehr große und schwierige Unternehmungen eingelassen und dabei Beweise der Unerschrockenheit gegeben. So hat er sich, obgleich er den Krieg nicht liebte, stets mit auf ^ert Feldzug begeben, dann wollte er von jeder Sache Kenntnis nehmen, sich über alles selbst unterrichten; dabei schonte er sein eigenes Leben nicht, sondern setzte es der Gefahr ebenso aus wie jeder Hauptmauu. ^nrz, er hat beständig die Ehre vor Augen gehabt. Aber da derjenige, welcher nicht alle sittlichen Tugenden besitzt, nicht vollkommen den Namen des Großen tragen kann, so muß man bestätigen, daß der Kaiser den* selben nicht gan^ verdient hat. Man müßte ihm vielmehr ein wenig Hochmut vorwerfen, besonders wenn man daran denkt, daß er nach seinem Siege über die Protestanten dieselben auf öffentlich verteilten Medaillen so darstellen ließ, als wenn sie durch das Haus Österreich zu Boden geschleudert worden wären, wie in der Fabel die Riesen von den Göttern, die sie in sinnloser Kühnheit bekämpfen wollten. Man hat am Kaiser bemerkt, daß er wenig Ansprüche auf Förmlichkeiten machte, sobald seine Würde nicht darunter leiden konnte. Er neigte immer mehr zur Milde als zum Zorn. Es ist wahr, er widerstand dem letzteren Gefühl, bis er sich durch irgendwelche Rache ausüben konnte. In feinen Reden ebensowohl, wie bei anderen Sachen hat er sich immer nach den Forderungen der Pflicht gerichtet, ohne daß Liebe oder Haß irgendwelchen Einfluß auf ihn ausüben konnten. Er bemühte sich mehr, denjenigen, mit welchen er sprach, zu gefallen, als ihnen zu widersprechen und nahm mit seltener Urteilskraft Rücksicht auf die Eigenschaften der Menschen. _®r hat niemals den Staatsrat berufen; mit einem ober zwei Ministern, wie Covos, Granvella und zuletzt Arras, hat er alles er-lebigt. Er faßte die Entschlüsse, und sie führten biefelben aus. Oft hat er inbefsen, nachdem er ihre Meinung, welcher er sich dann anpaßte,

9. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. 9

1891 - Berlin : Mittler
— 9 — die österreichischen Lande als seinen Anteil hinnehmen. Von diesem neuen Boden seiner Wirksamkeit aus hatte er dann die Lande der ungarischen und böhmischen Krone gewonnen und so den jüngeren österreichischen Staat, in dem sich deutsche, slavische und magyarische Völker zusammenfanden, gegründet. Und weil in diesem Staat das deutsche Element die Vorherrschaft hatte, vermochte er endlich, das Kaisertum, als es der spanischen Linie seines Hauses entzogen ward, mit seinen Reichen zu verbinden. Ans so umfassenden Erwerbungen aber ergaben sich die gewaltigen Aufgaben, die fein und seiner Nachfolger Leben beherrschten: die österreichischen Regenten hatten die einander fremdartigen Erblande zu staatlicher Einheit zu führen; sie hatten die Erbschaft des österreichischen Hauses in Deutschland auf einen festen Grund zu stellen; in der auswärtigen Politik mußten sie zu der spanischen, zugleich befreundeten und rivalisierenden Linie ihres Hauses ein gedeihliches Verhältnis suchen. — Nur in bescheidenen Anfängen sind diese Aufgaben von Ferdinand gelöst. Das Merkwürdigste war, daß Ferdinand einen guten Teil alles dessen, was er bei seiner centralisierenden Regierung geschaffen hatte, durch die letztwillige Regelung seiner Nachfolge wieder aufhob. Er fand für die Gesamtheit seiner Lande kein Gesetz der Unteilbarkeit vor. Im österreichischen Hause lebte der Gedanke sort, daß das Recht der Herrschaft nicht so sehr ans dem unteilbaren Staate, als aus dem Fürstenhause und der Zugehörigkeit zu demselben hervorgehe. In diesem Sinn teilte er die Lande unter seine drei Söhne. Damit war der österreichische Staat in drei Teile ausgelöst, und eine zwar wichtige, aber ungenügende Bürgschaft der Einheit war es, wenn die jüngeren Söhne angewiesen wurden, iu schweren Angelegenheiten den Rat des ältesten Bruders einzuholen, vor allem ohne seinen Rat kein Bündnis, ohne seine Zustimmung keinen Krieg einzugehen, wenn ferner, bei Vererbung der abgeteilten Lande in männlicher Linie, für den Fall des Aussterbens der einen Linie das Erbrecht der anderen gesichert wurde. Bedeutungsvoll, aber auch mit den Mängeln der Schlaffheit und Halbheit behaftet, wie die Regierung Ferdinands in seinen Erblanden war, so war auch seine Haltung im Reich und in der auswärtigen Politik. Das neue Recht des Religionsfriedens war unter seiner Leitung dem Reiche geschenkt, und bei aller grundsätzlichen Abueiguug hielt er nunmehr daran fest, daß diefes Gesetz nicht in Frage gestellt werden dürfe, weder durch irgend eine Verpflichtung gegen den Papst, noch durch irgend eine Änderung zugunsten der Protestanten: nur durch versöhnliche Annäherung und endliche Vergleichung der getrennten Bekenntnisse hoffte er den Religionsfrieden zuletzt gegenstandslos zu machen. Bis dahin sollten gewaltsame Ausbrüche der kirchlichen Parteien fern bleiben. Denn eben in dem fchwer erschütterten Reich eine Epoche des Friedens herauszuführen, war der herrschende Gedanke seiner Reichsregierung. Er suchte ihn zu verwirklichen, indem er bei den mächtigeren Fürsten nicht so sehr die Autorität seiner Herrschaft als das freie, ans freundlichen

10. Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung - S. 15

1891 - Berlin : Mittler
— 15 — Renner." — Eine zur Zurückgezogenheit geneigte, friedfertige, anspruchlose Natur, in der aber durch eiu großes Vorhaben eine Entschlossenheit und Thatkraft geweckt war, die sich demselben vollkommen gewachsen zeigte. Hier zu Augsburg hatte nun Kurfürst Johann die Prüfung zu bestehen, ob diese Gesinnung wahres gediegenes Gold sei, oder auch mit Schlacken vermischt. Er fühlte eine natürliche reichsfürstliche Verehrung für deu Kaiser, und anfangs zweifelte er nicht, diese mit seiner religiösen Überzeugung ohne Schwierigkeit vereinigen zu können. Sehr bald aber sah man ein, daß das unmöglich sein werde, und um die Gefühle wenigstens zunächst von dein Haupte des Fürsten abzuwenden, kamen einige seiner Gelehrten auf den alten Gedanken zurück, daß er sich ihrer nicht annehmen, sie für sich selbst stehen lassen solle. Sie waren bereit, die Konfession bloß in ihrem eigenen Namen einzugeben. Der Kurfürst erwiderte ihnen: „Ich will meinen Christus auch mit bekennen." Es wäre sehr falsch, zu glauben, dem Kurfürsten habe politisch daran gelegen, dem Kaiser Opposition machen zu können. Es that ihm von Herzen leid, sich von seinem Kaiser und Herrn so trennen zu müssen: aber es konnte nun nicht anders sein. Endlich war der Moment gekommen, wo er, im Begriffe, abzureisen, an ihn herantrat, um sich von ihm zu beurlauben. „Oheim, Oheim", sagte der Kaiser, „das hätte ich mich von Ew. Lieb den nicht versehen." Der Kurfürst erwiderte nichts darauf: die Augen füllten sich ihm mit hellen Thränen: Worte vermochte er nicht zu finden. So verließ er den Palast und gleich darauf die Stadt. 7. Moritz von Sachsen. I. Zeitgenössisches Volkslied bei u. Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen. Bd. Iv. Leipzig 1869. S. 606. Mit Schwarz thu dich bekleiden, Oft kam er triumphierend O deutsche Nation! Mit Fahnen aus dem Krieg. Reu', klag' und hab’ groß Leiden, Da halfst du jubilieren, Jetzt ist dein Held davon. Denn dein Fried' war sein Sieg. Deins Reiches Schutz und Vater gut, Run sieh um's Grab die Fahnen an; Moritz, der Fürst von Sachsen, Weil er im Krieg geblieben, Der hat einen starken Mut. So trauert jedermann. Hätt' er noch sollen leben. Viel Freud' gewesen wär' Im ganzen Reich; merk eben! Run kommt mit Trauern her: Gen Freiberg in sein Vaterland Der Leib zur Ruh begraben. Die Seel' hat Gottes Hand.
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