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1. Die deutsche Urzeit - S. IV

1905 - Gotha : Thienemann
Iv Lamprecht führen. Jener sprach im 12. Buch von Dichtung und Wahrheit aus, daß die Beschaffenheit der Heere und der Gerichte die genaueste Einsicht in die Beschaffenheit irgendeines Reiches gebe, dieser hat die Wirtschaftsgeschichte als einen dritten Weg aufgedeckt. Demnach wird der Heeres-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte auch in Rücksicht auf den Staat besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein. So wird es nicht schwer werden, „die Zöglinge in die Kenntnis der geschichtlichen Entwickelung der Verhältnisse der einzelnen Stände, in das Verständnis der Verdienste des Herrscherhauses aus sozialpolitischem Gebiete, sowie in die Kenntnis der Verfassung und der öffentlichen Rechtsordnung einzuführen". Aber auch sonst werden die Beziehungen der Kultur zum Staat überall hervorgehoben, damit so die Kulturausgaben des Staates und die zu 'ihrer Verwirklichung geschaffenen Staatseinrichtungen in ihrem Werden und Sein allmählich verstanden und gewürdigt werden. Demnach wird die Kulturgeschichte nicht getrennt von der politischen Geschichte auftreten, sondern im innigsten Zusammenhange mit ihr; gerade dadurch werden nach und nach die Grundlagen jeder staatserhaltenden Gesinnung gebildet, die Achtung und Ehrfurcht vor dem Gewordenen und nun Bestehenden. 3. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, daß die Kriegsgeschichte als solche nicht, wie es bisher vielfach üblich war, den Löwenanteil empfängt. Doch wollen wir uns auch keiner Unterschätzung der Kriegsgeschichte schuldig machen; wir wollen nicht vergessen, daß vor allem im Kriege der erste Zweck jedes Staates, Macht zu sein und Macht zu haben, in die Erscheinung tritt, daß der Krieg der „Beweger des Menschengeschicks ist", daß in den großen Kriegen „um der Menschheit große Gegenstände gerungen wird", daß uns da der dramatische Gehalt des geschichtlichen Lebens offenbar wird, und daß der Knabe und Jüngling daran den lebendigsten Anteil nimmt. 4. Weiterhin soll bei der Auswahl des Stoffes der Grundsatz maßgebend sein, den Heinrich von Sybel bei der Begründung der Historischen Zeitschrift (Bd. I, Vorrede S. Ii) aussprach: „Wir wünschen vorzugsweise solche Stoffe oder solche Beziehungen in den Stoffen Zu behandeln, welche mit dem Leben der Gegenwart einen noch lebenden Zusammenhang haben." So werden viele Ereignisse, Zahlen und Namen als unnütz ausgeschieden werden können. Doch ergibt sich anderseits auch eine Erweiterung des Stoffes durch die Beachtung der Fortsetzung von Sybels Ausspruch: „Wenn es die höchste Aufgabe geschichtlicher Betrachtung ist, die Gesetzlichkeit und Einheit alles Lebens und

2. Die deutsche Urzeit - S. V

1905 - Gotha : Thienemann
Werdens zu erkennen, so wird sich eine solche Erkenntnis nicht deutlicher ausprägen lassen als durch den Nachweis, daß das Vergangene noch gegenwärtig ist und sortbestimmend in uns wirkt." Dieser Nachweis soll hauptsächlich auf drei Gebieten geführt werden, in der Sprache, in der Volkskunde und in der Staats-, Gesellschasts-und Gesetzeskunde-, und hiernach müssen sich Auswahl und Bearbeitung des Stoffes richten. a) Sprache. Als Jacob Grimm 1848 die „Geschichte der deutschen Sprache" veröffentlichte, schrieb er in der Vorrede, „daß er die Absicht habe, die Geschichte aller deutschen Völker tiefer, als bisher geschehen, aus dem Quell unserer Sprache zu tränken, es sei ihm versnchenswert erschienen, ob nicht der Geschichte unseres Volkes das Bett von der Sprache her stärker aufgeschüttelt werden könnte". Und in der Vorrede zum Deutschen Wörterbuche (1854) wies er nachdrücklich darauf hin, „daß die Sprache ein hehres Denkmal des Volkes sei, dessen Vergangenheit und Gegenwart sich in ihm verknüpsen". Rudolf Hild ebrand lehrte uns, „daß die Sprache eine Galerie von Bildern des alten Lebens, in ihrem Hauptbestandteil ein zeugnisgebender Niederschlag des alten Lebens ist". Aus Wortschatz und Wortform unserer gegenwärtigen Sprache vergangenes Leben zu erkennen, foll eine wichtige Aufgabe des deutschen und des Geschichtsunterrichts sein; so soll der Geschichtsunterricht auch den deutschen Unterricht unterstützen, gemäß der Forderung der neuen Lehrpläne, „daß sich im Seminar die sprachliche Belehruug auch auf die äußere und innere Entwickelung der Muttersprache sowohl hinsichtlich der Veränderung der Laute und Formen als des Wandels der Wortbedeutungen erstrecke". Es sei die Bitte an den Leser erlaubt, daß er den vorgelegten Teil besonders auch nach dieser Hinsicht durchsehe. b) Die Volkskunde soll die Reste vergangenen Lebens in Wirtschaft und Recht, Glauben und Brauch, die heute noch in Dorf und Stadt vorhanden sind, aufdecken und so den Schülern die Augen öffnen über Heimat, Volk und Leben. c) Staats-, Gesellschafts- und Gesetzesknnde wird von den neuen Lehrplänen als ein Hauptteil des Geschichtsunterrichts betrachtet. Wir geben dem Schüler diese Kenntnis auf geschichtlichem Wege, Rankes Wort befolgend, „daß es die Aufgabe der Historie sei, das Wesen des Staates aus der Reihe der früheren Begebenheiten darzustellen und dasselbe zum Verständnis zu bringen".

3. Die deutsche Urzeit - S. VI

1905 - Gotha : Thienemann
Vi Die Stoffe aus der Volkskunde und aus der Staats-, Gesellschafts- und Gesetzeskunde, die ich an die Geschichte anschließe, sind als Vorschläge anzusehen. Obwohl man allgemein überzeugt ist, daß der Geschichtsunterricht jene Kenntnisse vermitteln soll, fehlt es doch an Hilfsmitteln, die wirklich auf die Geschichte aufgebaut und aus ihr abgeleitet sind, fast gänzlich. Erst dann, wenn wir jeden Teil des Lehrstoffes der Geschichte in Rücksicht darauf geprüft und auch bearbeitet haben, für welche Teile aus der Volkskunde und aus der Staats-, Gesellschafts- und Gesetzeskunde er Ausgang und anschauliche Grundlage ist, können wir eine lehrplanmäßige Auswahl und Anordnung jener Belehrungen vornehmen. Ich erkläre also ausdrücklich, daß ich es tadelnwürde, wenn jemand alle die von mir gebrachten Stoffe aus jenen Gebieten auch behandeln wollte. b. Die Masse des Stoffes suche ich durch strenge Befolgung der Einsicht zu vermindern, daß nur Ereignisse mit typischem Charakter Geschichtskenntnis und Geschichtsverständnis geben. Wer den Verlauf der Schlacht von Aquä Sextiä kennt, kennt auch im großen den der Schlacht von Vercellä; wer Teilnehmer des ersten Kreuzzuges war, braucht nicht eingehenden Bericht über alle folgenden; wer ein Bild hat von der Wahl Rudolfs des Ersten, kann sich die Wahlen aller späteren Könige selber ausmalen; wer deutschen Hanseaten im Stahlhof von London zuschaut, wird ungefähr wissen, wie's im Kontor von Bergen zugeht. Nicht jedes Ereignis hat eine von allen andern Ereignissen desselben Zeitraums völlig verschiedene Erscheinungsform; in dem Singularen ist etwas Generelles, in dem Individuellen etwas Typisches. Dies bedenkend und beachtend, wird es gelingen, vielen Ballast über Bord zu werfen und leichter und rascher auf dem Strom der Jahrhunderte dahinzufahren. 6. Die Beachtung der in Nummer 4 und 5 ausgesprochenen Grundsätze führt ohne weiteres dazu, einer der wichtigsten Forderungen der neuen Lehrpläne nachzukommen, der, daß „an den geeignetenstellen die Geschichte der Heimatsprovinz zu behandeln sei". Wie unsere Vorfahren den Gang der deutschen Geschichte in ihrer engern Heimat miterlebt, das sollen unsere Schüler nacherleben. Den Urzustand des deutschen Bodens künden uns in Weimar die Orts- und Flurnamen von Weimar und Umgebung, nicht solche aus Hessen oder Franken. Den Schwaben interessiert der Kreuzzug Konrads des Dritten, den Thüringer der Friedrichs des Zweiten, an dem Landgraf Hermann und der Graf von Gleichen teilnahmen. Der Kölner Schüler besucht den Stahlhof in Loudou, der Lübecker das Kontor zu Bergen. Die Geschichte der deutschen Kolonisation des Ostens ist in ihren konkreten

4. Die deutsche Urzeit - S. VIII

1905 - Gotha : Thienemann
Viii so fein bemerkte, der Lehrer niemals in den Kern der Geschichte eindringen und einführen kann, der keinen politischen Sinn hat. Er bedenkt, daß alle großen geschichtlichen Ereignisse, wo Wille auf Wille stößt und sich ^at gegen 4,at richtet, dramatischen, daß alle Bilder vergangener Zustände epischen Charakter haben; und daraus folgert er, daß es dort das Mitfreuen, Mitleiden, Mitwollen und Mittun, hier das Sehen und Schauen des Ganzen, seiner Teile und ihres Zusammenhangs ist, was Verständnis gibt und Liebe bildet. Darum will er, wie in den großen Szenen der Dramen auch die geschichtlichen Helden auf ihrer Laufbahn vom Willen zur Tat und von Tat zu Tat begleiten, wie in den großen Bildern der Epen den Blick auf dem Vergangenen ruhen lassen und von Teilnahme und Liebe getrieben immer wieder dahin zurückkehren. Also mein Buch erzähle und schildere; es benutze die anschauliche Kraft der Quellen und die Meisterdarstellungen bedeutender Geschichtschreiber. Nur gewisse Stoffe sollen leitfadenmäßig dargestellt werden, die, die nur um des Zusammenhangs willen, als Grundlage für den Verlauf bedeutender Ereigniffe, der Vorfabel im Drama vergleichbar, gegeben werden müssen. Die Behandlung des Stoffes zeigen die kleingedruckten Teile des Buches. Die methodischen Betrachtungen, immer gegeben im Anschluß au bestimmte Fälle, wollen dem Lehrer zu einer methodischen Beherrschung des gesamten Geschichtsstosses behilflich sein, dem jüngeren Lehrer insbesondere in Theorie und Praxis eine Methodik des Geschichtsunterrichts darzubieten versuchen. Die praktischen Ausführungen der einzelnen Abschnitte wollen Beispiele der Stoffbek,andlnng fein. Der Grundgedanke der Stoffbehandlung ist in dem Satze gegeben: Wir stellen den Schüler in den Verlauf der Ereignisse als Mithandelnden und über den Verlauf der Ereignisse als Beobachtenden, Erforschenden und Urteilenden. Mitten in den Ereigniffen stehend, soll der Schüler mit den geschichtlichen Personen wollen, beraten, überlegen, handeln; er sei Armin, der sein Vaterland befreien, der um seines Volkes willen König sein will, und bilde sich so das politische Urteil. Uber den Ereignissen stehend, soll der Schüler zunächst beobachten lernen, was geschieht, in welchem Zusammenhang mit dem, was vorher, nachher und gleichzeitig ist; denn auch der Geschichtsunterricht muß, weil Geschichte eine Erfahrungswissenschaft ist, auf Erfahrung und Beobachtung aufgebaut jein. Wissenschaftliches Werkzeug der Beobachtung wie der Bildung überhaupt ist der Begriff, und darum muß der Unterricht auch den Schüler nach und nach mit den Grundbegriffen ausrüsten, mit

5. Die deutsche Urzeit - S. 2

1905 - Gotha : Thienemann
Meile, etwa 9 qkm, in Anspruch. Nun zog aber nicht jede Familie auf eigene Faust mit ihrem Vieh umher, sondern vereint mit den vom gleichen Ahnherrn abstammenden; mein weidete in Geschlechtern und Stämmen. Ein Stamm von 10 000 Seelen aber konnte ohne ein Gebiet von 200 bis 300 Geviertmeilen nicht bestehen. Daher hatte jeder Nomadenstamm seine fest begrenzten Weidegründe. Jedes Gebiet bildete den rechtsverjährten Besitz eines Stammes, innerhalb dessen gewisse Gruppen von Familien unter einem der Familienhäupter bestimmte Xeile innehatten und deren einzelne Strecken in fester, alterprobter, der Jahreszeit angepaßter Ordnung mit ihrem Vieh durchzogen. Die Grenzen dieser Weidegebiete waren zwar nur dem völlig kundigen Auge erkennbar, aber jedem Nachbar bekannt und deutlich, und er wußte, daß ein unbefugtes Übertreten mit der ganzen Strenge des Kriegsrechtes bedroht war. Zur Bekleidung wurden die Judogermanen frühzeitig durch die rauhe Natur des plötzlich mit Schneestürmen hereinbrechenden Winters genötigt. Es dienten dazu die Pelze der Herden- und Jagdtiere, durch Dornen oder spitze Knochen zusammengehalten, und auch schon Wollstoffe. Die Frauen spannen und flochten, fertigten Wildfchnr und woben rohe Gespinste oder stampften ausgerupfte Wolle der Schafe zu filzigem Loden. Auch die Ansänge der Töpferei waren bekannt, und es fehlte nicht an buntem Schmuck für Arm und Ohr. Das kunstreichste Geschäft der Männer aber war der Bau der Wagen, roher Fahrzeuge, bei denen sich das speichenlose Rad mitsamt der Achse drehte. 2. Auswanderung aus der Urheimat. Wie sollten sich aber die Nomaden ernähren, wenn sich ein Stamm infolge günstiger äußerer Verhältnisse verdoppelte oder verdreifachte? Da man nur vom Vieh lebte, so konnte der Zuwachs an Menschen nur durch Vermehrung der Herde erhalten werden. Und Vermehrung der Herden war nicht möglich ohne Vergrößerung der Weidegebiete. Eine Erinnerung an solche Zeit bewahrt die Bibel 1. Mos. 13, 6—11 in der Erzählung von Abraham und Lot: „Und das Land vermochte es nicht zu ertragen, daß sie beide beieinander wohnten. Und war immer Zank zwischen den Hirten über Abrahams Vieh und zwischen den Hirten über Lots Vieh. So wohnten auch zu der Zeit die Kanauiter und Pheresiter im Lande. Ta sprach Abraham zu Lot: Lieber, laß nicht Zank sein zwischen mir und dir, zwischen deinen und meinen Hirten; denn wir sind Gebrüder. Stehet dir nicht alles Land offen? Lieber, scheide dich von mir. . . Und Lot erwählte sich die ganze Gegend am Jordan und zog gegen Morgen." So trennte sich ein jüngerer Stamm vom älteren. Doch nicht immer ging es so friedlich zu. Die Nachbarstämme kämpften miteinander um die Weidegebiete, und gar oft verließ der von der Übermacht bedrängte Stamm seinen Sitz und überließ ihn dem mächtigeren Nachbar. War doch das Scheiden nicht so

6. Die deutsche Urzeit - S. 4

1905 - Gotha : Thienemann
— 4 — germatten zusammenfassen und zu denen wir Goten, Burgunder und andere rechnen, aber die Sprache verbindet diese nicht mit den westlich von ihnen wohnenden Westgermanen, sondern sie weist auf einen Zusammenhang mit Skandinavien, und da uns eine gotische Sage bei Jordanis ausdrücklich von einer Einwanderung der Goten aus Skandinavien berichtet, so nehmen wir jetzt, uns auch aus andere Momente stützend, an, daß die Goten wirklich aus Skandinavien gekommen sind. Ist aber das Gebiet westlich der Weichsel erst von Skandinavien aus besiedelt, so bildet dieses in der Tat mit Schleswig-Holstein das Hanptgebiet der germanischen Bevölkerung, und es sind diese Gegenden auch geographisch betrachtet wohl geeignet, eine längere ungestörte Entwickelung der Germanen zu verbürgen. Daß die Germanen auch in die südlich von Holstein gelegenen Teile der deutschen Tiefebene erst spater eingedrungen sein können, ist durchaus möglich, wenn auch, streng genommen, nicht zu beweisen. Ich suche also in Südschweden und Schleswig-Holstein die Urheimat der Germanen." — Vgl. Roderich von Erckert, Wanderungen und Siedelnngen der Germanischen Stamme in Mitteleuropa von den ältesten Zeiten bis auf Karl den Großen. Auf 12 Kartenblättern dargestellt. 1901. Karte Ii: Die indogermanischen Völker in Europa zu Ansaug des 6. Jahrhunderts vor Christo. 3. 9ioum&cnid)en her Westgermanen. Innerhalb der germanischen Völkerschaften wurde die Masse der freien Stammesgenossen in Gruppen von Hundert znsammengefaßt, das Hundert zu 10 Dutzenden oder 120 Genossen gedacht. Diese Hundertschaften erscheinen im Heere und in der Landteilung. Die Abgrenzung für 120 Familien beruht nach Meitzens Ansicht auf den Zuständen und Bedingungen des nomadischen Hirtenlebens. Alle Erscheinungen des Hirtendaseins hängen nicht so sehr von den Menschen als von den Besonderheiten der Viehwirtschaft ab. Das Vieh der Nomaden kann nicht vereinzelt in der Wildnis herumschweifen, Hütung ohne Hirten wird erst bei viel geordneteren Zuständen möglich. Es muß in Herden vereinigt und von zahlreichen, gegen Räuber und wilde Tiere bewaffneten Hirten auf den Weideplätzen bewacht werden. Diese Tag und Nacht erforderliche Bedeckung der nach Tausenden zählenden Herden eines Stammes mußte um so stärker sein, als das Vieh gleichwohl in kleineren Abteilungen anseinander zu halten ist. Denn für große Massen ist das Futter derselben Raststelle in kurzer Zeit unzureichend; auch ist die Weide je nach dem Boden, in Wald, Heide und Sumpf verschieden und nicht für alle Vieharten gleich geeignet. Es war also nötig, um den meist ohnehin spärlichen Futterbestand auszunutzen, das Vieh nach Gattung, Alter und Gebrauch in besondere Herden zu trennen. Melkvieh mußte näher dem jedesmaligen Aufenthaltsorte der Frauen und Kinder bleiben, Jungvieh konnte auf entferntere Plätze getrieben werden, von wo die Hirten die Ihrigen erst nach längerer Zeit wieder aufsuchten. Zudem mußte eine genügende

7. Die deutsche Urzeit - S. 5

1905 - Gotha : Thienemann
Anzahl von Männern das Lager der übrigen Familienmitglieder beschützen. Daraus ergab sich, daß die Natur der Verhältnisse von selbst eine gewisse durchschnittliche Zahl der Familienväter, welche sich zu einem Lagerverbande vereinigen und ihre Viehwirtschaft gemeinsam betreiben mußten, als nötig und zweckmäßig forderte. Genügten dazu die Verwandten nicht, so mußten entserntere Stammesgenossen herangezogen werden. War aber die Zahl der Verwandten zu groß oder wuchs sie zu stark an, so mußten sich die Hirteuscharen trennen. Jede Hundertschaft bedurfte eines Weidegebietes von durchschnittlich 3 Quadratmeilen, ungef. 165 qkm. Diese Zahl fand Meitzen durch folgende Überlegung. Der Verbrauch einer deutschen Hirtenfamilie an Nahrungsstoffen ist auf den Kopf jährlich etwa zu 200 kg Fleisch, 2400 1 Milch und 50 kg Getreide anzusetzen. Die Familie mit ihren Angehörigen, jung und alt, zu 8 Köpfen gerechnet, vermochte deshalb mit dem Ertrage von 30 hinreichend gut genährten Kühen auskömmlich zu leben. 120 Familien mußten also einen Viehstand besitzen, welcher 3600 Kühen gleichkam. Da eine Kuh, welche den hier vorausgesetzten Milch- und Fleischertrag gewähren soll, ein tägliches Futter von etwa 8 kg gutem und 5 kg geringerem Heu, im Jahre also 4745 kg Heu erfordert, so betrug das Bedürfnis von 3600 Kühen im Jahre 16000 000 kg Heu. Der Heuertrag des Hektars in Deutschland hat nun auch in früherer Zeit, Grasland aller Art, Ackerboden, Wiese, Wald, Heide und Bruch zusammengefaßt, durchschnittlich schwerlich mehr als 1000 kg Heuwert für den Weidegang dargeboten; es bedurfte also die Hundertschaft eines Weidegebietes von durchschnittlich 3 Quadratmeilen. Je nach der Bodenbeschaffenheit konnte dieselbe auf der Hälfte bestehen, in vielen Fällen aber mußte sie die doppelte und mehr als die doppelte Fläche zur Verfügung haben. Doch kann diese Berechnung des Hundertschaftsbedarfs nicht mehr sein als ein höchst unsicherer Überschlag. Das Wandern selbst müssen wir uns ähnlich denken, wie es von den Cimbern berichtet wird: Sie seien Ausgewanderte, aber sie seien nicht wie mit einem Stoße, noch in ununterbrochenem Zuge, sondern Jahr für Jahr in der geeigneten Jahreszeit vorwärts gerückt und hätten in langer Zeit das Festland in Kampf und Sieg durchzogen. 4. Wohnungen der Nomaden. Kunde geben uns die vorgeschichtlichen Funde, in unserm Fall die sogenannten Hausurnen, Gefäße aus der Bronzezeit, die als Nachbildungen gleichzeitiger Wohnungen angesehen werden. Eis und Schnee im Winter, Gewitter und Hagelschlag im Sommer zwangen den Menschen, sich einen Unterschlupf zu suchen. Das erste Obdach bot die Natur selbst dar. Im Berglande waren es Höhlen und Schluchten, im Hügel - und Flachlande war es das Laub-d a ch des Urwaldes, wo er Schutz und Sicherheit sand. Aber

8. Die deutsche Urzeit - S. 6

1905 - Gotha : Thienemann
— 6 — Höhlen und Wälder waren nicht überall, und wo sie waren, da bargen sich in ihrem Dunkel auch die Bestien der Wildnis, die denselben Platz, welchen der Mensch begehrte, für ihr Lager suchten. Wollte er nicht auf die Gefahr seines Lebens mit ihnen den Winkel teilen, so mochte er an eine Behausung denken, welche nicht an den Ort gebunden, sein unbestrittenes Besitztum und sicheres Teil war. In diesem Stücke nun ließ ihn die Natur im Stiche, und notgedrungen mußte er sich das schaffen, was sie ihm vorenthielt. So ging er ans Werk, sich selbst nach Wunsch und Bedürfnis die Wohnung zu bereiten. Wie? Das dem Menschen von der Natur gebotene Material war das Holz. Aber seine Werkzeuge, in der ältesten Zeit Steine, später Bronze, gestatteten ihm anfangs gar nicht, später nur mit großer Mühe, das Holz zu bearbeiten. Er mußte also das Material so nehmen, wie es ihm die Natur gab: Stämme und Zweige, die der Sturm herausgerissen und abgebrochen hatte, Borkenstücke, die Wurm und Wetter vom Stamme gelöst hatten. Doch das Nadelholz, damals wohl vorherrschend, ließ sich nur wenig biegen, es mußte mithin so gebraucht werden, wie es gewachsen war. Aber wie? Das lehrte die Natur selbst. Entwurzelte Tannen und Fichten, mit den Spitzen ineinander geschlagen, stürzen nicht, ein Stamm hält den andern, und der Raum darunter bietet Schutz gegen Wetter und Winde. Das mußte der Mensch nachmachen, Hölzer in die Erde stecken, sie nach oben zu einer Spitze neigen und miteinander verbinden. So entstand ein Kegel, dessen Mantel, mit Baumrinde und Rasen bedeckt, ein genügendes Schutzdach bot. Den Eingang durch eine Tür aus Weidengeflecht zu schließen, lernte man nach und nach. Und so mag die erste Wohnung unserer Vorfahren, die Urhütte, entstanden sein. Wir sin den sie heute noch als Wohnung der Köhler und Holzfäller in unsern Wäldern, so im Harz und Thüringer Walb. Wie lebten die Menschen in der Urhütte ? In der Mitte brannte das Herdfeuer, möglichst immer, denn schwer war es, neues Feuer zu entzünden. Aber die Mitte war der höchste Raum, die einzige Stelle, wo der Mensch aufrecht stehen konnte. Das Herdfeuer nahm sie ihm weg, und so war er auf den niedrigen Raum zwischen Herd und Hüttenwand beschränkt. Das war ein Übelstand, der gewiß bald genug schwer empfunden wurde und auf bessert Abstellung man frühzeitig bebacht gewesen sein wirb. Wertn die Hütte wohnlicher werden sollte, kam alles daraus an, den unmittelbar an die Innenwand der Hütte angrenzenden Raum zu erhöhen, wenn möglich um soviel, beiß ein Mensch, ohne dem Feuer nahe zu kommen, den Herb umtoanbellt konnte. Das war eine schwere Aufgabe. Über der Erde vermochte man's nicht, und so hob man die Erde in Manneshöhe aus und setzte die Hütte als Dach über die Grube. So entstand die Grubenhütte, wie sie uns die Hausurne von Polleben zeigt. Damit war

9. Die deutsche Urzeit - S. 7

1905 - Gotha : Thienemann
im Wohnungsbau ein bedeutender Fortschritt gemacht, der Bau war-gegliedert in Umfassungsgewände und Dach, eine der wichtigsten konstruktiven Einrichtungen war gewonnen. Bedürfnis und Erfahrung führten weiter. Wie die Tür, so lernten die Nomaden das Dach aus Flechtwerk machen. Es gelang ihnen, den Vorteil der Urhütte, das Wohnen zu ebener Erde, mit dem Vorzüge der Grubenhütte, der freien Bewegung im Wohuraum, miteinander zu vereinigen. Man ging daran, Wohnungen mit senkrechtem Umfassungsgewände über der Erde und gewölbtem Dache zu bauen, wohl so, daß eingerammte Pfähle und Flechtwerk verbunden die Wände bildeten und daß das Flechtwerk nach der Spitze fortgesetzt ward. Wir können diese neue Form des Hauses wohl ebenerdige Hütte nennen. Als Vergleich diene uns etwa das Gestell aus Weidengeflecht, das die Bauern über die Küchlein stellen. Das Wandern übte bedeutenden Einfluß auf das Wohnungswesen aus. Dem Nomaden ward es lästig, in jedem neuen Weidegelände den mühseligen Bau einer ebenerdigen Hütte vorzunehmen; er lernte nach und nach, das Haus zerlegen, es transportieren und am neuen Orte wieder ausbauen. So entstand das Nomaden zelt, wie es uns z. B. die Urne von Tochheim veranschaulicht. Alle diese Zelturnen gleichen weitbauchigen, henkellosen Deckelkrügen. Die Linien der Urne stellen uns wahrscheinlich die Zelthaut dar. Auch diese mußte abnehmbar, leicht transportabel sein und in wenigen Stunden wieder leicht zusammengesetzt werden können. Dazu eigneten sich Tierfelle und geflochtene Decken aus Binsen oder Stroh ganz vorzüglich. So ward das Hans beweglich, mobil, ein Möbel im eigentlichen Sinne des Wortes, oder Fcthtchctbe = faranti scaz, wie es unsere Altvordern nannten. Wenn die Hirten aber Winter um Winter am selben Ort saßen, so bauten sie wohl auch wieder wie ehemals Grubenhütten und ebenerdige Hütten, während sie bei den sommerlichen Weidegängen das Zelt benutzten. Je öfter sie aber in derselben Hütte wohnten, desto stärker entwickelte sich das Bedürfnis, diese immer wohnlicher zu gestalten, so vor allem den Raum in Boden- und Dachhöhe gleichmäßig weit auszudehnen. So entstanden die sogenannten Jurten, wie sie uns die Jurtenurnen darstellen. Die Errichtung eines senkrecht stehenden Gewändes auf kreisrunder Basis wird man sich so zu denken haben, daß Pfähle von gleicher Länge dicht nebeneinander oder in mäßigen Abständen voneinander eingerammt und daß die Zwischenräume durch Moos, Gras oder Lehm verdichtet wurden oder daß die ganze Palisadenwand einen Lehmüberzug erhielt. Das Dach stellte man wohl aus Flechtwerk her. Eine auffällige Eigentümlichkeit der Jurten im Gegensatz zu den Grubenhütten ist der Mangel eines Rauchloches. Ähnliche Jurten sahen die Römer noch gegen Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus, als sie (161—180) unter

10. Die deutsche Urzeit - S. 8

1905 - Gotha : Thienemann
- 8 — Kaiser Mark Aurel gegen die Markomannen an der Donau kämpften, und bildeten sie dann auf der noch heute auf der Piazza Colonna zu Rom stehenden Mark ns faule ab. So waren bereits in den Jahrhunderten vor der ersten westgermanischen Wanderung die drei wichtigsten Bestandteile des Hanfes herausgebildet, die Herdstelle, das Umfaffuugsgewände mit der Tür und das Dach mit dem Rauchloch. Es waren die Elemente der künftigen Entwickelung des Wohnhauses. Jedes Haus bildete nur einen Raum. Das Baumaterial war ausschließlich Holz, das Werkzeug iu ältester Zeit das Steinbeil, später das Bronze beil. Daß das Steinbeil besser arbeitet, als wir heutigen Menschen vermuten, hat man durch Versuche dargetau. Man vermochte auf Bornholm mit einer Feuersteinaxt in 9| Stunden ohne Am schärfen 26 Föhren von je 20 cm Durchmesser zu fällen. (Nach Stephani.) 5. Wirtschaftliche Grundbegriffe. Unsre Vorfahren wollten leben, en)ueiett, ihren Hunger stillen, ihren Durst löschen, ihren frierenden Setb erwärmen. Doch der Hunger tut weh, und der Durst brennt; den Menschen quält ein Verlangen, den durch Mangel hervorgerufenen Schmerz zu beseitigen. Der Mensch hat also ein schmerzhaftes G efühl des Mangels, verbunden mit dem Streben, den Mangel zu beseitigen. Wir nennen Gefühl und Streben zusammen ein Bedürfnis. Und da die Bedürfnisse des Hungers, des Durstes und der Kleidung befriedigt werden müssen, wenn der Mensch dasein oder existieren will, so heißen sie Daseins- oder Eristenz-bedürfnisse. Der Nomade stillte seinen Hunger mit ein wenig Gerste und mit dem Fleisch der Rinder, Schafe und Ziegen; er löschte seinen Durst mit ihrer Milch und deckte seinen frierenden Körper mit ihren Fellen. Gerste, Fleisch, Milch und Felle waren also die Mittel, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Mittel, die geeignet sind, unsre Bedürfnisse zu befriedigen, heißen Güter. Wollte der Nomade diese Güter für sich und die Seinen erlangen, so mußte er das Korn in die Erde streuen, die Herden zur guten Weide treiben und vor Raubtieren und Räubern beschützen. Er mußte feine Kräfte anstrengen. Die Anstrengung der Kräfte mit dem Zweck, die zur Befriedigung uufrer Bedürfnisse nötigen Güter zu gewinnen, nennen wir Arbeit. Unsre Vorfahren weideten nicht einzeln, sondern gemeinsam, in Hundert-schäften. Jede Hundertschaft bildete eine Weidegenossenschaft. Alle in der Hundertschaft vorhandenen Arbeitskräfte wurden vereinigt, um die für die Erhaltung der gesamten Hundertschaft erforderlichen Güter zu gewinnen. Jede Weidegenossenschaft war also eine Arbeitsgenossenschaft oder Arbeitsgemeinschaft. Und doch war die Arbeit der Männer nicht völlig gleich. Das Bieh mußte nach Alter, Gattung und Gebrauch in kleinere Herden getrennt und in die Weidegebiete zerstreut werden; mit den Tieren zerstreuten sich die Hirten. Die erforderliche Arbeit mußte demnach räumlich geteilt werden, obwohl sie der Art nach gleich war. Wer aber bestimmte, welche Männer das fern dem Lager weidende Jungvieh, welche das nahe grasende Melkvieh hüten sollten? Wer übernahm die Aufsicht darüber, ob alle Hirten
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