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Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Vom Familienrecht
163
und mindestens 18 Jahre älter als das anzunehmende Kind fein;* 12
auch darf er keine ehelichen Abkömmlinge haben.
Der Annahmevertrag muß vor Gericht oder vor einem Notar
(in Bayern nur vor einem Notar) abgeschlossen werden und bedarf
gerichtlicher Bestätigung. Durch ihn erhält das angenommene Kind
die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden (ins-
besondere den Familiennamen und das Erbrecht). Dagegen wird durch
die Kindesannahme zwischen dem Kinde und den Verwandten des
Adoptivvaters kein Verwandtschastsverhältnis begründet; auch hat
der Adoptivvater selbst gegenüber dem Adoptivkinde kein Erbrecht.
ui Die Vormundschaft.
1. Die Vormundschaft über Minderjährige.
Fiir Minderjährige, die nicht unter elterlicher Gewalt 479
stehen oder deren Eltern in keiner Beziehung zur Vertretung des
Kindes berechtigt sind, wird vom Vormundschastsgericht (d. h. vom
Amtsgericht) ein Vormund bestellt, welcher für die Person des
Mündels und für dessen Vermögensverwaltung zu sorgen und in
Rechtsangelegenheiten als sein gesetzlicher Vertreter zu
handeln hat.
Als Vormund wird derjenige bestellt, den die Eltern etwa letzt- 480
willig als solchen bezeichnet haben; in zweiter Linie sind zur Füh-
rung der Vormundschaft die Großväter des Mündels berufen. Sind
sie nicht mehr am Leben, so wird der Vormund vom Gericht (insbe-
sondere aus der Zahl der Verwandten und Verschwägerten des Mün-
dels) ausgewählt. Vor dem Großvater eines unehelichen Kindes darf
seine Mutter als Vormund bestellt werden.
Die Führung der Vormundschaft ist ein Ehrenamt. 481
Die Uebernahme ist eine staatsbürgerliche Pflicht; sie darf nur aus
Gründen, welche im Gesetz besonders bestimmt sind, abgelehnt
werden.^
Der Vormund wird vom Vormundschaftsgericht zu treuer und
gewissenhafter Führung seines Amts eidesstattlich ver-
pflichtet. Es liegt ihm zunächst die Aufgabe ob, das vorhandene
12 Von diesem Erfordernisse kann jedoch unter Umständen Befreiung
bewilligt werden.
12 Insbesondere darf die Uebernahme einer Vormundschaft ablehnen,
wer bereits 60 Jahre alt ist, ferner wer selbst mehr als 4 minderjährige
Kinder hat, wer durch Krankheit oder Gebrechlichkeit an der Führung
verhindert ist, und wer bereits mehr als eine Vormundschaft oder Pfleg-
schaft führt. Frauen sind stets zur Ablehnung berechtigt.
Ii*
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
164
Das bürgerliche Recht
482
Vermögen des Mündels zu verzeichnen und das Verzeichnis dem Ge-
richt einzureichen. Bei Verwaltung des Vermögens untersteht der
Vormund der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts, dem er auch in be-
bestimmten Zwischenräumen jeweils schriftlich über die Verwaltung
Rechnung abzulegen hat. Die Kapitalien des Mündels sind sicher
anzulegen, und zwar, soweit Wertpapiere und Sparkassen in Be-
tracht kommen, nur in solchen Wertpapieren und bei solchen Spar-
kassen, welche von der Behörde als m ü n d e l s i ch e r14 bezeichnet sind.
Wichtigere Verfügungen (z. B. die Veräußerung oder Belastung von
Grundstücken, den Abschluß von Miet- oder Pachtverträgen, die Auf-
nahme von Darlehen für den Mündel, die Eingehung von Bürg-
schaften usw.) darf der Vormund nur mit Genehmigung des Gerichts
vornehmen.
In der Ueberwachung der Tätigkeit des Vormundes wird das
Vormundschaftsgericht unterstützt durch den im Falle eines Bedürf-
nisses von ihm zu ernennenden Gegenvormund 15, sowie durch
den G e in e i n d e w a i s e n r a t. Letzterer ist auch sonst zur Unter-
stützung des Vormundschaftsgerichts in allen vormundschaftlichen An-
gelegenheiten des Gemeindebezirks berufen.
Der G e m e i n d e w a i s e n r a t besteht in Bayern in Gemein-
den mit städtischer Verfassung sowie in sonstigen Gemeinden mit mehr
als fünftausend Einwohnern aus einer Mehrzahl von Personen
(einem Kollegium), nämlich dem Bürgermeister als Vorsitzenden und
einer Anzahl von Waisenräten. In den übrigen Genieinden haben
die Aufgaben des Gemeindewaisenrates einzelne Personen, die Wai-
senräte, zu erfüllen. In größeren derartigen Gemeinden können auch
mehrere Waisenräte ausgestellt werden, doch handeln sie immer nur
als Einzelpersonen; jedem wird ein bestinnnter, örtlich begrenzter
Bezirk zugeteilt. Die Waisenräte werden gewählt, in den Gemeinden
niit städtischer Verfassung von den in einen Wahlkörper vereinigten
Magistratsmitgliedern und Gemeindebevollmächtigten, in den übrigen
Gemeinden von der Gemeindeverwaltung.
Zur Unterstützung des Gemeindewaisenrats können auch W a i -
senpslegerinnen aufgestellt werden. Sie werden vom Ge-
" In Bayern sind insbesondere nachstehende Wertpapiere
für mündelsicher erklärt: Die Pfandbriefe der Bayerischen
Hypotheken- und Wechselbank, der Süddeutschen Bodenkreditbank, der Baye-
rischen Vereinsbank, der Bayerischen Handelsbank und der Vereinsbank m
Nürnberg, weiter die Pfandbriefe und die Kommunalobligationen der Baye-
rischen Landwirtschaftsbank und der Pfälzischen Hypothekenbank in Ludwigs-
hasen a. Rh., endlich die Schuldverschreibungen bayerischer Gemeinden.
15 Ein Gegenvormund ist besonders dann zu bestellen, wenn mit der
Vormundschaft eine nicht unerhebliche Vermögensverwaltung verbunden ist.
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TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Vom Familienrecht
165
meindewaisenrat, in Gemeinden, in denen der Gemeindewaisenrat
nicht als Kolleginm organisiert ist, aber vom Bürgermeister aufge-
stellt?«
Auf Grund letztwilliger Verfügung der Eltern des Mündels oder 48z
in geeigneten Fällen auch auf den Antrag von Verwandten wird end-
lich für eine Vormundschaft vom Amtsgericht auch ein Familien-
rat eingesetzt: er besteht aus dem Vormundschaftsrichter als dein
Vorsitzenden und aus Verwandten oder Verschwägerten des Mündels
und tritt an die Stelle des Vormundschaftsgerichts, ist also insbeson-
dere zuständig zur Ernennung, Ueberwachung und Entlassung des
Vormundes und zur Genehmigung von Rechtsgeschäften desselben.
2. Die Vormundschaft über Volljährige und die Pflegschaften.
Volljährige stehen unter Vormundschaft nur dann, wenn 484
sie wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht oder Ver-
schwendung entmündigt sind (s. Nr. 347): für sie kommen als Vor-
münder in erster Reihe die Eltern und der Ehegatte in Betracht.
Während des Entmündigungsverfahrens (s. Nr. 622) werden sie er-
forderlichenfalls einstweilen unter vorläufige Vormund-
schaft gestellt.
Für solche Geschäfte, bei welchen ein Minderjähriger von 485
seinen Eltern oder seinem Vormunde nicht vertreten werden kann,
wird ihm zur Vertretung seiner Interessen ein besonderer Pfle-
ger bestellt. So z. B. für eine Erbschaftsverhandlung, bei welcher
der Vater selbst in der Weise beteiligt ist, daß seine Interessen denen
des Kindes zuwiderlaufen, oder für die Verwaltung eines Ver-
mächtnisses, das dem Kinde mit der Bestimmung zugewendet
wurde, daß dem Vater oder Vormunde die Verwaltung nicht zu-
stehen solle.
Für einen Volljährigen kann ferner (jedoch in der Regel 486
nur mit seiner Einwilligung) ein Pfleger ernannt werden, wenn
er infolge körperlicher Gebrechen (z. B. wegen Taubheit oder Blind-
heit) seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Ein solcher 10
10 In Bayern sind die Rechte und Pflichten des Vormunds auch den
Verwaltungskommissionen einiger städtischer Waisen-
häuser eingeräumt. Desgleichen kann bei Minderjährigen, die unter
Aufsicht eines Gemeindebeamten in einer Familie oder irr einer Anstalt
erzogen werden •— bei unehelichen Kindern auch dann, wenn sie unter Auf-
sicht der Gemeindebeamten in der mütterlichen Familie erzogen werden -
der G e m e i nd e b e a m te in erster Linie vom Vormundschaftsgerichte als
Vormund bestellt werden, also vor den Personen, die zunächst das Recht
hätten, Vormund zu werden. Desgleichen können in solchen Fällen den
Gemeindebeamten durch Gemeindestatut die Rechte eines Vormunds über-
tragen werden. Hier bedarf es also nicht einmal der Bestellung durch das
Vormundschaftsgericht.
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
196
Das Zivilprozeßverfahren
Wird ferner eine Klage vor einem sachlich oder örtlich unzu-
ständigen Gericht erhoben und der Beklagte unterläßt es, die Unzu-
ständigkeit geltend zu machen, so gilt sein Schweigen als Zustim-
mung. Das Gericht wird daher als aus Grund stillschweigender Ver-
einbarung zuständig betrachtet.
4. Ausschließung und Ablehnung der Richter.
582 Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes selbstver-
ständlich in den Fällen ausgeschlossen, in denen er selbst Par-
tei ist oder eine Partei vertritt oder mit einer solchen nahe verwandt
oder verschwägert oder am Ausgange des Rechtsstreits beteiligt ist;
ebenso, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger ver-
nommen worden ist oder in einer früheren Instanz als Richter bei
der Entscheidung mitgewirkt hat. Abgesehen aber von diesen Fällen
kann jede Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit
dann ablehnen, wenn irgend ein Grund vorliegt, welcher geeignet
ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen,
z. B. wenn er mit einer der Parteien verfeindet oder nahe befreun-
det ist.
ui. Die Prozeßparteieri.
1. Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit. Streitgenossenschaft.
58z Partei (d. h. Kläger oder Beklagter) kann in einem Zivilprozeß
jedermann sein, der rechtsfähig ist (s. Nr. 338), also auch Kinder
jeden Alters sowie Entmündigte. Minderjährige und Entmündigte
können aber in der Regel ihre Prozefse weder selbst führen noch mit
der Prozeßsührung selbst einen Vertreter beauftragen; vielmehr muß
für sie im Rechtsstreit ihr gesetzlicher Vertreter (s. Nr. 472 und 479)
handeln. Sie sind mithin zwar rechtsfähig und parteifähig,
aber nicht p r 0 z e ß s ä h i g?
584 In einem Rechtsstreit können auch mehrere Personen gemein-
schaftlich gegen einen Dritten klagen oder zusammen von einem Drit-
ten verklagt werden, wenn zwischen ihren Streitsachen ein bestimm-
ter Zusammenhang besteht. Z. B. ist es zulässig, daß mehrere Grund- 8
8 Minderjährige sind übrigens nicht in allen Fällen prozeß-
unfähig. Es gilt nämlich der Grundsatz, daß jedermann insoweit seine
Prozesse selbst führen kann, als er sich auch durch Verträge selbst verpflich-
ten kann. Nun können aber minderjährige Personen in gewissen Fallen, wie
bei Nr. 346 gezeigt, selbständig Verträge abschließen und daher auch die aus
ihnen entspringenden Prozesse selbst führen. Das gleiche gilt für die nicht
wegen Geisteskrankheit Entmündigten (s. Nr. 347).
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Vom Erbrecht
167
Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erb- 489
lassers und deren Abkömmlinge (also die Geschwister, Neffen und
Nichten usw.) des Erblassers. Hinterläßt ein kinderlos gestorbener
Erblasser seine beiden Eltern, so fällt sein Nachlaß an diese je zur
Hälfte. Lebt der Vater oder die Mutter nicht mehr, so treten an die
Stelle des verstorbenen Elternteils dessen Abkömmlinge, d. h. zunächst
die Geschwister des Erblassers. (Hieraus ergibt sich, daß vollbürtige
Geschwister (s. Nr. 468), falls beide Eltern bereits gestorben sind,
mehr erben wie halbbürtige; denn sie sind sowohl im Vater- wie im
Mutterstamm als Erben berufen, während halbbürtige Geschwister
nur entweder im Mutter- oder im Vaterstamm erben.) Ist eines der
Geschwister bereits gestorben, so erben dessen Kinder oder Kindes-
kinder zusammen dessen Erbteil?
Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des 490
Erblassers und deren Abkömmlinge. Hier fällt der Nachlaß an die
vier Großeltern zu gleichen Teilen. Der Anteil, der einen bereits ge-
storbenen Großelternteil treffen würde, wenn er noch am Leben wäre,
fällt an dessen Kinder (d. h. an die Oheime und Tanten des Erb-
lassers) oder deren Abkömmlinge (die Geschwister, Geschwisterkinder
usw. der Eltern des Erblassers)?
Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern
des Erblassers und deren Abkömmlinge. Hier wie in jeder der fer-
neren Ordnungen sind (anders als in den früheren Ordnungen) je-
weils die dem Grade nach nächsten Verwandten (s. Nr. 469) zur Erb-
folge berufen, mehrere gleich nahe zu gleichen Teilen.
2. Erbfolge des Ehegatten.
Der Witwer oder die Witwe einer verstorbenen Person ist 491
neben deren Blutsverwandten als Erbe berufen. Es
erbt4 nämlich der überlebende Ehegatte neben Abkömmlin- *
' Sind also z. B. noch der Vater, 2 Geschwister und 3 Kinder eines ver-
storbenen Bruders des Erblassers am Leben, die Mutter aber gestorben,
so erbt der Vater die Hälfte, jedes der 2 Geschwister ein Sechstel und
jedes der Kinder des verstorbenen Bruders den dritten Teil eines Sechstels,
d. h. ein Achtzehntel des Nachlasses.
3 Sind Abkömmlinge eines bereits gestorbenen Großelternteils nicht
vorhanden, so fällt ihr Anteil dem anderen Teil dieses Großelternpaares
oder dessen Abkömmlingen zu; lebt auch dieser andere Teil nicht mehr,
noch auch Abkömmlinge von ihm, so erben die andern Großeltern oder
deren Abkömmlinge allein.
* Das eigene Vermögen des überlebenden Ehegatten und der Anteil,
der diesem an dem ehelichen Gesamtgut zusteht, gehören selbstverständlich
nicht zum Nachlasse des Erblassers. Hat z. B. der unter Hinterlassung von
Kindern gestorbene Erblasser mit seiner Ehefrau in Errungenschaftsgemein-
schaft (s. Nr. 462) gelebt und ist bei seinem Tode neben dem eigenen Ver-
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
198
Das Zivilprozeßverfahren
587 3. Die Prozeßkosten und das Armenrecht.
Die im Rechtsstreit endgültig unterliegende Partei hat in der
Regel alle Kosten zu tragen, also nicht nur die eigenen, son-
dern auch die dem Gegner erwachsenen Kosten, sowie die Gerichts-
kosten. Wenn dagegen jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so
werden die Kosten auf beide Parteien angemessen verteilt. Die von
einer Partei der anderen zu erstattenden Prozeßkosten werden nach
Beendigung des Verfahrens auf Antrag vom Gericht in einem be-
sonderen Beschlusse festgesetzt und können auf Grund dieses sog.
K o st e n s e st s e tz u n g s b e s ch l u s s e s zwangsweise beigetrieben
werden. Bei den Amtsgerichten kann die Festsetzung sofort im Urteil
erfolgen.
588 Die Höhe der Gerichtskosten ist durch das Reichs -Gerichts-
ko st engesetz geregelt. Abgesehen von den Auslagen (Zeugen-
gebühren, Schreibgebühren usw.) kommen Gerichtsgebühren zur Er-
hebung, welche nach dem Wert des Streitgegenstandes abgestuft
sind/o imb zwar wird jeweils eine besondere Gerichtsgebühr erhoben
für die gesamten miindlichen Verhandlungen, für die Beweisauf-
nahmen und für die Entscheidung.
589 Personen, welche nicht imstande sind, die Prozeßkosten aufzu-
bringen, dürfen deshalb doch in einem geordneten Staate nicht des
Rechtsschutzes entbehren. Es wird ihnen daher, vorausgesetzt, daß ihre
Prozeßführung nicht mutwillig oder aussichtlos erscheint, auf Vor-
lage eines (in der Regel von dein Armenpflegschaftsrat auszustellen-
den) Unvermögenszengnisses fiir den Prozeß das A r m e n r e ch t be-
willigt. Damit werden sie einstweilen vom Bezahlen der Gerichts-
kosten befreit, und es wird ihnen zugleich ein Gerichtsvollzieher (für
die Zustellungen und Vollstreckungen) und, soweit nötig, ein Rechts-
anwalt völlig unentgeltlich beigeordnet.
iv. Das Verfahren bis zum Urteil.
1. Das Verfahren vor den Landgerichten.
590 Im landgerichtlichen Verfahren muß die Klageschrift von
einem beim Gericht zugelassenen Rechtsanwalt bei diesem eingereicht
werden. Sie muß (abgesehen von der selbstverständlichen Bezeich-
nung der Parteien und des Gerichts) die Tatsachen, auf welche sich der 10
10 Bei einem Prozesse, der sich um einen großen Geldwert dreht, sind
daher die Gebühren hoch, mag die Sache einfach oder verwickelt sein. Bei
kleinen Streitwerten dagegen sind die Gebühren stets nieder, wenn die
Sache auch noch so schwierig ist.
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Das Verfahren bis zum Urteil
199
Klaganspruch stützt, ferner einen bestimmten Klagantrag, sowie die
Erklärung enthalten, daß der Kläger den Beklagten vor das Prozeß-
gericht zirr mündlichen Verhandlung lade und ihn auffordere, einen
beim Gericht zugelassenen Rechtsanwalt für sich zu bestellen. Der
Vorsitzende des Gerichts setzt auf die Klageschrift die Termins-
b e st i m m u n g , d. h. den Vermerk, wann die Verhandlung statt-
finden soll. Es ist sodann Sache des Klägers oder seines Vertreters,
dem Beklagten ein Exemplar der Klageschrift mit der Terminsbestim-
mnng zustellen gu lassen.11
Erscheint im Verhandlungstermin der Beklagte trotz ordnungs- 591
mäßiger und rechtzeitiger Zustellung der Klage nicht, so gelten die
Tatsachen, welche der Kläger in der Klageschrift behauptet hat, als zu-
gestanden; rechtfertigen sie den Klagantrag, so wird auf Antrag des
Klägers gegen den Beklagten ein Verfäumnisurteil erlassen.
Bleibt dagegen der Kläger im Termine aus, so wird die Klage auf
Antrag des Beklagten durch Verfäumnisurteil abgewiesen. Gegen
diese Versäumnisurteile kann der Verurteilte binnen zweier Wochen
nach der Zustellung den Einspruch einlegen, welcher einer beson-
deren Begründung nicht bedarf, und dessen Einlegung zur Folge hat,
daß nunmehr der Prozeß weiter verhandelt wird, als wenn das Ur-
teil nicht ergangen wäre. Das Urteil bleibt aber zunächst bestehen
und kann, wenn es für vorläufig vollstreckbar erklärt ist (vorbehaltlich
des künftigen Rückersatzes) einstweilen vollstreckt werden.
Erscheinen in einem Verhandlungsterinin beide Streitteile nicht, 592
so ruht das Verfahren, bis eine Partei es durch Ladung des
Gegners aufs neue in Lauf setzt. Wenn beide Parteien oder ihre
Vertreter erscheinen, aber Vertagung des Termins beantragen,
so muß das Gericht diesem Antrag stattgeben.^
Erscheinen beide Teile, so verliest zunächst der klägerische Ver- 59z
treter den Klagantrag und der Gegner den Gegenantrag, worauf der
ganze Prozeßstoff von den Vertretern in freier Rede und Gegenrede
vorgetragen wird und gleichzeitig für die bestrittenen Behauptungen * 12
u Ist der Aufenthalt einer Partei unbekannt, so kann das Gericht auf
Antrag des Gegners bewilligen, daß die im Reichtsstreite notwendig wer-
denden Zustellungen an sie öffentlich, d. h. durch Anschlag an die Gerichts-
tafel und (bei Ladungen) durch Einrückung in Zeitungen erfolgen dürfen.
Diese öffentlichen Zust ellungen werden vom Gerichtsschreiber be-
sorgt und haben die gleiche Wirkung, wie wenn das zuzustellende Schriftstück
der betreffenden Partei selbst übergeben worden wäre.
12 Von diesen Vertagungen auf Antrag der Parteien rührt die oft
beklagte lange Dauer mancher Prozesse hauptsächlich her. Terminsver-
tagungen finden sehr selten von Amts wegen, sondern meistens auf Antrag
der Parteien statt, weil die Vertreter von ihren Parteien noch keine genü-
genden Informationen erhalten haben oder anderweit beschäftigt sind.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Vom Erbrecht
169
Testamente bezeichneten Ereignisses (meistens mit deni Tod des
Vorerben) die noch vorhandene Erbschaft erhält. In solchen Fällen ist
der Vorerbe verpflichtet, die Erbschaft dem Nacherben unversehrt zu
erhalten; es steht ihm also im wesentlichen nur die Verwaltung der
Erbschaft und der Genuß ihrer Einkünfte zu. Seine Ver-
sügungsmacht über die Erbschaftsgrundstücke wird in diesem Falle
durch einen entsprechenden Grundbucheintrag zugunsten des Nach-
erben beschränkt?
Der Erblasser kann ferner im Testament ein Vermächtnis 495
anordnen, d. h. einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen
Vermögensvorteil zuwenden. Mit deni Tode des Erblassers erwirbt
der Vermächtnisnehmer noch nicht ohne weiteres den Gegen-
stand des Vermächtnisses, sondern nur den Anspruch gegen den mit
dem Vermächtnis beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmer auf
Leistung des gemachten Gegenstandes.
Erlaubt ist weiter, daß der Erblasser im Testament einem Erben 496
oder einem Vermächtnisnehmer eine sog. Auflage macht, d. h. die
Verpflichtung zu einer bestimmten Leistung (z. B. zur Unterhaltung
seines Grabes) auferlegt, ohne einem andern ein Recht auf die Lei-
stung zuzuwenden.
Bestellt der Erblasser im Testament zugleich einen T e st a - 497
m e n t s v 0 l l st r e ck e r , so hat dieser regelmäßig nicht nur die
Ausführung der letztwilligen Verfügungen (z. B. die Auszahlung der
Vermächtnisse) zu besorgen, sondern auch die Auseinandersetzung
(Teilung) des Nachlasses unter den Erben zu bewirken und, bis dies
geschehen ist, den Nachlaß zu verwalten. Der Erblasser kann aber auch
(z. B. weil er dem Erben die Fähigkeit, das Vermögen beisammen zu
halten, nicht zutraut) dem Testamentsvollstrecker über die Vollziehung
des Testaments hinaus die fernere selbständige Verwaltung des Nach-
lasses übertragen.
2. Die Fähigkeit zur Testamentserrichtung.
Minderjährige können ein Testament (aber kein eigen- 498
händiges Testament, s. Nr. 499) ohne Zustimmung ihres gesetzlichen
Vertreters errichten, sobald sie das 16. Lebensjahr vollendet haben.
° Der Erblasser kann aber dem Vorerben auch die unbeschränkte Ver-
fügung über den Nachlaß einräumen, indem er den Nach erben nur aus
den 1l e b e r r e st, d. h. auf dasjenige einseht, was von der Erbschaft beim
Tode des V 0 r e r b e n noch übrig sein wird.
Die Nacherbeinsetzung wird z. B. gewählt, wenn ein kinderloser Erb-
lasser seine Frau als Erbin einsehen, aber auch verhindern will, daß das
Vermögen nach ihrem Tod an deren Verwandte, anstatt an seine eigenen
Verwandten falle, oder wenn ein Erblasser seine Enkel vor der Gefahr
sichern will, daß sein Sohn die Erbschaft leichtsinnig verbrauche.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
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Vom Erbrecht
171
Nottestament (auch Dorftestament genannt) errichten. Auf
gleiche Weise oder vor drei Zeugen kann ein Testament errichtet
werden von Personen, die sich an einem dtirch eine Krank-
heitsepidemie, Ueberfchwemmnng oder dergleichen abgesperrten Orte
aufhalten (sog. A b f p e r r u n g s t e st a m e n t). Ferner kann auf
einer Seereife an Bord eines deutschen Schiffes vor drei Zeugen ein
sog. Seetestament errichtet werden. Alle diese Testamente haben
nur Gültigkeit, wenn der Erblasser stirbt, ehe drei Monate vom Weg-
fall der Hindernngsgründe ab verflossen find. Besondere Vorschriften
bestehen endlich für die T e st a m e n t e der im Felde befindlichen
M i l i t ä r p e r s o n e n und von Angehörigen der Marine.
4. Aufhebung eines Testaments.
Da ein Testament den letzten Willen des Erblassers darstellen 502
soll, kann es von ihm bis zu seinem Tode jederzeit widerrufen wer-
den. Dieser Widerruf kann entweder in einem anderen Testa-
mente ausdrücklich erfolgen oder stillschweigend durch Zu-
rücknahme des öffentlich errichteten Testaments aus der amtlichen
Verwahrung oder durch absichtliche Vernichtung des eigenhändigen
Testaments oder endlich durch Errichtung eines mit dem Inhalte des
früheren Testaments sachlich nicht vereinbaren neuen Testaments.
5. Ablieferung und Eröffnung der Testamente.
Die Nachlaßgerichte, d. h. die Amtsgerichte, erhalten durch die 50z
Standesämter Kenntnis von den Todesfällen. Sie haben dann dafür
zu sorgen, daß die Testamente, die der Verstorbene etwa hinterließ,
eröffnet, d. h. daß ihr Inhalt zur Kenntnis der Beteiligten gebracht
wird. Sie haben die Eröffnung in Bayern in der Regel selbst vor-
zunehmen; befindet sich jedoch das Testament verschlossen in der amt-
lichen Verwahrung eines bayerischen Notars und hat dieser seinen
Amtssitz an einem anderen Ort als das Nachlaßgericht, so hat der
Notar die Eröffnung vorzunehmen.
Wer ein Testament in Besitz hat, ist verpflichtet, es unverzüglich,
nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erhalten hat, an
das Nachlaßgericht abzuliefern. Besteht Verdacht, daß jemand ein
Testament verheimlicht, so kann er von dem Gericht zur Leistung des
Offenbarungseides angehalten werden.
6. Erbverträge und Erbverzichte. Gemeinschaftliche Testamente.
Ein Erblasser kann auch über seine künftige Beerbung mit einem 504
andern einen Vertrag (Erbvertrag) schließen, durch welchen er den
anderen Teil oder einen Dritten als Erben einsetzt oder Vermächt-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
172
Das bürgerliche Recht
nisse usw. anordnet. Solche Erbverträge" müssen, um gültig
zu sein, gerichtlich oder notariell und unter Beobachtung der für-
ordentliche öffentliche Testamente vorgeschriebenen Formen abgeschlos-
sen werden. Sie können nicht, wie sonstige letztwillige Verfügungen,
einseitig, d. h. ohne Zustimmung des anderen Vertragsteils, wider-
rufen werden.
505 Ehegatten sind befugt, in einer und derselben Urkunde ein
gemeinschaftliches Testament zu errichten. Solche Testa-
mente können in der Regel von einem Teil einseitig nur widerrufen
werden durch eine dem anderen Ehegatten gegenüber in öffentlicher
Urkunde abzugebende Erklärung; nach dem Tode des anderen Ehe-
gatten ist regelmäßig der Widerruf ausgeschlossen. Insofern weisen
sie also eine gewisse Aehnlichkeit mit den Erbverträgen auf.
506 Zulässig ist endlich auch ein Erbverzichtsvertrag, d. h.
ein zwischen dem Erblasser und einem zukünftigen Erben ge-
schlossener Vertrag, durch welchen der Erbe ans sein Erbrecht, und
damit auch auf sein Pflichtteilsrecht (s. Nr. 607), verzichtet.
in. Pflichtteil und Erbunwürdigkeit.
507 Der Grundsatz, daß jeder Erblasser durch letztwillige Verfügun-
gen oder durch Erbverträge die Ansprüche der gesetzlichen Erben auf
den Nachlaß nach Belieben ausschließen oder beschränken kann, erleidet
eine Ausnahme zugunsten der nächsten Angehörigen des Erblassers,
nämlich zugunsten seiner Abkömmlinge, seiner Eltern und
seines Ehegatten. Diese Angehörigen können nämlich verlangen,
daß sie aus der Erbschaft wenigstens den sog. Pflichtteil erhalten.
Dieser Pflichtteil beläuft sich aus die H ü l f t e i h r e s g e s e tz l i ch e n
Erbteils, d. h. er besteht in der Hälfte des Betrages, den die
Pflichtteilsberechtigten als gesetzliche Erben bekommen hätten, wenn
der Erblasser nicht anderweit über seinen Nachlaß verfügt hätte?"
° Erbverträge werden besonders häufig zwischen Ehegatten
oder Verlobten in derselben Urkunde mit einem Ehevertrage (s. Nr. 461)
abgeschlossen, wobei sich beide Teile für den Todesfall Zuwendungen ver-
sprechen. Vielfach werden auch Erbverträge mit Verpflegungsverträgen
verbunden in der Weise, daß der eine Teil den andern in lebenslängliche
Verpflegung übernimmt, wogegen der letztere zugunsten des ersteren von
Todes wegen verfügt.
10 Hinterläßt z. B. ein Erblasser seine Witwe und 2 Kinder, so be-
trägt der Pflichtteil der Witwe ein Achtel des Nachlasses, der Pflichtteil
jedes Kindes dagegen drei Sechzehntel des Nachlasses; denn bei der gesetz-
lichen Erbfolge hatte die Witwe ein Viertel und jedes der Kinder die
Hälfte der übrigen drei Viertel, also jedes drei Achtel des Nachlasses er-
halten.
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