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Regionen (OPAC): Baden
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
16
Staatsrecht des Reichs
Kämpfe nicht, weil allen Einheitsplänen das Streben der Einzel-
staaten nach ungeschmälerter Aufrechterhaltung der neu erworbenen
4' Souveränität entgegen trat. Es bildete sich der Deutsche Bund
(von 1815 bis 1866), eine völkerrechtliche Vereinigung ohne starke
Zentralgewalt, dessen Organisation ihn von vornherein zur Ohnmacht
verurteilte. Eine wenigstens wirtschaftliche Einigung Deutschlands
42 brachte seit 1833 der D e u t s ch e Z 0 l l v e r e i n (s. Nr. 1345), dem
die meisten deutschen Staaten (jedoch nicht Oesterreich) angehörten.
Der nach der Revolution des Jahres 1848 unternommene Versuch
einer Neugründung des Reichs blieb erfolglos, da der von der deut-
schen Nationalversammlung in Frankfurt a. M. zum erblichen Kaiser
erwählte König von Preußen die Annahme der deutschen Kaiser-
würde ablehnte. Durch den Krieg von 1866 wurde endlich zwischen
Preußen und Oesterreich die Frage der künftigen Vorherrschaft
in Deutschland zugunsten Preußens entschieden und damit der Weg
für einen politisch engeren Zusammenschluß der übrigen deutschen
Staaten frei gemacht. Das durch Einverleibung eroberter Länder
mächtig erstarkte Preußen vereinigte sich zunächst mit den übrigen
nördlich des Mains gelegenen 21 norddeutschen Staaten zu dem
43 Norddeutschen Bund, mit dem die süddeutschen Staaten
einen Zollvereinigungsvertrag, sowie Schutz- und Trutzbiindnisse ab-
schlössen. So traf die französische Kriegserklärung im Jahre 1870
ein Volk, bereit, gemeinsam für seine Freiheit und Ehre zu kämpfen;
und auf Frankreichs Schlachtfeldern erwuchs diesem Volke, durch
Blut und Eisen geeint, das lang ersehnte neue Deutsche Reich.
Die deutsche Kaiserkrone wurde von den vereinten deutschen Fürsten
und freien Städten dem siegreichen König Wilhelm von Preußen
angetragen und von diesem angenommen. Der 18. Januar 1871, an
dem im Spiegelsaale des Schlosses zu Versailles die feierliche Prokla-
mation der Herstellung der Kaiserwürde stattfand, gilt als der Tag
der Wiedergeburt des Deutschen Reiches?
B. Die rechtliche Natur -es Reichs.
44 1. Rechtlich betrachtet ist das Deutsche Reich der Rechtsnachfolger
des Norddeutschen Bundes geworden dadurch, daß die vier süddeut-
° In der Proklamation erklärte König Wilhelm, daß er die kaiserliche
Würde übernehme, um in deutscher Treue die Rechte des Reiches und sei-
ner Glieder zu schützen, Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutsch-
lands zu stützen und die Kraft des Volkes zu stärken. Den Trägern der
Kaiserkrone aber (so schließt die Proklamation) „wolle Gott verleihen, alle-
zeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht in kriegerischen Eroberun-
gen, sondern in den Werken des Friedens, auf dem Gebiete nationaler
Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung".
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Oesterreich Frankfurt_a._M. Oesterreich Deutschland Frankreichs Versailles
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
18
Das Staatsrecht des Reichs
C. Die 'ilufflstbeii des Neichs.
48 1. Im Deutschen Reiche wird die Staatsgewalt teils vom Reiche,
teils von den Bundesstaaten ausgeübt. Beide haben sich in die Er-
füllung der staatlichen Ausgaben geteilt, ilnd zwar hat diese Teilung
in der Weise stattgefunden, daß diejenigen Gebiete der Gesetzgebung,
auf welchen eine einheitliche Regelung notwendig erschien, dem Reiche
zugewiesen wurden, während den Einzelstaaten große und wichtige
Aufgaben belassen worden sind, hinsichtlich deren eine einheitliche Re-
gelung wegen der in den einzelnen Staaten bestehenden Verschieden-
heiten der Verhältnisse nicht zweckmäßig wäre.
49 So mußte vor allem im Jutereise der Sicherheit und des An-
sehens des Reichs das gesamte Militärwesen und die Kriegsmarine,
sowie die Regelung der Beziehungen zum Auslande, nämlich das
Gesandtschafts- und Konsulatswesen und der Hauptsache nach die
Vertragsschließung nüt fremden Staaten dem Reiche überlassen
werden. Ferner verlangten die Bedürfnisse des Verkehrs gebieterisch
ein einheitliches Maß-, Münz- und Gewichtssystem, einheitliche
Grundsätze für den Handels- und Gewerbebetrieb, eine gemeinsame
Regelung des Bank-, des Post- und Telegraphenwesens, einen gleich-
heitlichen Schutz des geistigen Eigentums durch die Patent- und Ur-
heberrechtsgesetzgebung und einheitliche Grundsätze für das Eisen-
bahnwesen und die Seeschiffahrt. Die Viehseuchen konnten nur durch
gemeinsame Maßregeln eingeschränkt, die Schädigungen der mensch-
lichen Gesundheit nur durch eine einheitliche Gesetzgebung wirksam
bekämpft werden. Desgleichen waren die Vorschriften über die Presse,
über das Auswanderungswesen und über die Arbeiterversicherung im
ganzen Reiche gleichmäßig zu gestalten. Das Rechtsgefühl und die
Rechtssicherheit drängten ferner zur Schäftung einer einheitlichen
Gesetzgebung über das allgemeine bürgerliche Recht, das Handels-
und das Wechselrecht, das Strafrecht und das zivil- und strafgericht-
liche Verfahren.
Alle diese Gebiete mußten daher der Gesetzgebung des Reichs
grundsätzlich überwiesen werden. Endlich mußte dem Reiche, um
es finanziell unabhängig zu stellen, das Besteuerungsrecht gegeben
werden. Auch bedurfte die einheitliche Zollgesetzgebung, welche be-
reits vor Errichtung des Reichs im deutschen Zollverein bestanden
hatte, des weiteren Ausbaues.
50 2. Damit ist aber die Zuständigkeit des Reichs nicht völlig er-
schöpft und für alle Zeiten festgelegt, vielmehr ist das Reich nach der
Verfassung befugt, seine Zuständigkeit auch auf Gebiete auszudehnen,
welche bis dahin der Landesgesetzgebung überlassen wurden. Es hat
auch von dieser Befugnis, in welcher das Nebergewicht der Staats-
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Vi
für die übrigen deutschen Staaten mit einer Anzahl hierzu besonders
berufener Persönlichkeiten zu vereinigen; denn die Besonderheiten
der Gesetzgebung, der Verwaltungseinrichtungen usw. der Bundes-
staaten sind, wenngleich das reichsgesetzlich oder wirtschaftlich Gemein-
same überwiegt, doch so bedeutend, daß eine Darstellung, die den
Boden der Wirklichkeit nicht verlieren will, das öffentliche Leben
schildern muß, wie es sich in dem betreffenden Einzelstaate gestal-
tet hat.
Die vorliegende Darstellung umfaßt in den Grundzügen unser
Reichs- und Landesstaatsrecht, das bürgerliche Recht nebst Prozeß,
das Strafrecht und das Strafverfahren, die Organisation und das
Verfahren der gesamten Staatsverwaltung und endlich die theoretische
und praktische Volkswirtschaftslehre. Bei der Mannigfaltigkeit dieses
Stosses darf der Umfang der Arbeit nicht befremden; wäre es doch
schlimm mit unserem öffentlichen Leben bestellt, wenn es sich aus-
reichend aus einigen wenigen Seiten schildern ließe. Bei einem Ver-
suche, das Ganze noch knapper zu fassen, hätte sich die Gefahr einer
trockenen, unverdaulichen Aneinanderreihung von Begriffsbestimmun-
gen kaum vermeiden lassen. Nichts aber wäre schlimmer, als wenn
aus diesen Gebieten ein bloßes Wortwissen ohne wirkliches Verständ-
nis platzgreisen würde. Eindringlich möchte der Verfasser bei dieser
Gelegenheit auch vor der etwaigen Auffassung warnen, als solle das
Buch der Hauptsache nach Memorierstoss bieten. Um ein richtiges
Ersassen des Wesens der einzelnen Rechtsinstitute, Staatseinrich-
tungen usw. zu ermöglichen, mußte die Schilderung notgedrungen
aus manche Einzelheiten eingehen, welche zusammen ein lebendiges,
bleibendes Bild des Ganzen geben sollen, ohne doch deshalb einzeln
im Gedächtnisse hasten zu müssen.
Für die Art der Darstellung war der Wunsch maßgebend, daß
das Buch ebensowohl dem gebildeten Erwachsenen als Wegweiser in
das öffentliche Leben der Gegenwart dienen, als zum Unterricht in
den höheren Klassen der Gymnasien, Realgymnasien, Realschulen und
der diesen gleichstehenden Lehranstalten" (auch in der Hand der
* Die Herausgabe eines kürzeren Abrisses der Staats- und Rechts-
kunde zum Gebrauch der Schüler an Fortbildungsschulen ist in Aussicht
genommen.
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TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Vii
Schüler) sowie in den Lehrerseminaren verwendbar sein möge. Die
Vereinigung beider Zwecke erschien deshalb möglich, weil einerseits
der behandelte Stofs auch dem gebildeten Erwachsenen bei uns bis
jetzt zumeist noch so unbekannt ist, daß auch ihm gegenüber eine
möglichst einfache, jeweils auf die Grundbegriffe zurückgehende Dar-
stellung unerläßlich war, und weil anderseits das durch die Tätigkeit
des Lehrers unterstützte Verständnis unserer gereifteren Jugend dem-
jenigen der Erwachsenen kaum nachstehen wird.
Bei einer Arbeit wie der vorliegenden wäre der Rat erfahrener
Schulmänner nur ungern entbehrt worden. Ich bin daher für die
wertvolle Unterstützung, welche ich dabei seitens der Herren O der-
sch u 1 r a t Rebmann und Professor Dr. Weckesser
hier fand, diesen sehr zu Dank verpflichtet, dem ich auch an dieser
Stelle Ausdruck geben möchte.
Karlsruhe, im November 1907
Der Verfasser
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Vorwort Zur Zweiten Nnflage
Den besten Beweis dafür, wie sehr die Bürgerkunde dem Bedürf-
nis der Zeit und des Publikums entgegengekomrnen ist, bildet wohl
die Tatfache, daß innerhalb von wenig Wochen ein Neudruck erforder-
lich wurde. Ihr verdienstvoller Schöpfer durfte diesen Erfolg leider
nicht mehr erleben; das schwere Leiden, trotz dessen er mit bewunde-
rungswürdiger Energie das Werk vollendete, hat seiner Schaffens-
kraft allzufrüh ein Ziel gesetzt. Diesem Neudruck folgt nunmehr die
zweite Auflage, die insbesondere auch die bis zum Herbst 1908 einge-
tretenen Aenderungen in der Gesetzgebung berücksichtigt.
Mit Dank darf hervorgehoben werden, daß die Großh. Behörden,
insbesondere auch die Ministerien, die Bürgerkunde wohlwollend auf-
genommen haben. Daß sie auch mit Interesse gelesen worden ist, zei-
gen dankenswerte Anregungen aus dem Leserkreise. Möge ihr diese
gute Aufnahme auch für die Zukunft erhalten bleiben!
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Der Kaiser
23
Königswürde untrennbar verbunden derart, daß der jeweilige König
von Preußen stets zugleich Deutscher Kaiser ist. Für den Fall einer
Verhinderung des Königs von Preußen an der Ausübung der Re-
gierung ist dessen versassungsmätziger Vertreter von selbst auch zur
Vertretung des Kaisers im Reiche berufen. Da ferner die preußische
Königswürde im preußischen Königshause der Hohenzollern erblich 19
ist, so ist auch das deutsche Kaisertum eine erbliche Würde.
Nach der Reichsversassung steht dem Kaiser „das Präsidium des 61
Bundes" zu, während die oberste Reichsgewalt bei der Gesamtheit der
verbündeten Regierungen, dem Bundesrate, ruht. Gleichwohl ist der
Kaiser doch weit mehr als der bloße Präsident dieser Regierungen:
vielmehr stehen ihm eine Reihe schwerwiegender Befugnisse zu. welche
Sicherheit dafür bieten, daß die kaiserliche Macht nie mehr gn einem
bloßen Schattenbild herabsinken kann, wie es im ehemaligen Deutschen
Reiche geschah.
Zunächst vertritt der Kaiser allein das Reich nach außen; in sei- 62
ner Hand also liegt die ganze äußere Politik; er ist es, der im Namen
des Reichs Krieg erklärt20 und Frieden schließt, Bündnisse und Ver>
19 Zur Thronfolge sind in Preußen nur berufen die sog.
Agnaten, d. h. solche Familienmitglieder, deren Verwandtschaft
mit dem letzten Herrscher ausschließlich durch Männer vermittelt
worden ist; nicht erbfolgeberechtigt sind also diejenigen, deren Ver-
wandtschaft durch eine Frau vermittelt wurde, die sogenannten K 0 g -
naten (z. B. die Söhne einer Tochter des letzten Herrschers).
Es herrscht ferner in Preußen wie in allen deutschen Staaten die
sog. Linealerb folge: Die zunächst zur Erbfolge berufene Linie wird
gebildet aus den Söhnen des letzten Herrschers und deren Nachkommen; erst
wenn erbberechtigte Mitglieder dieser Linie überhaupt nicht vorhanden
sind, geht die Erbfolge aus den jüngeren Bruder des letzten Herrschers oder
auf dessen Abkömmlinge über usw.
Innerhalb einer Linie gilt das Recht der Er st gebürt (sog.
Primogenitur). Endlich sind Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen
(sog. sali sch es Gesetz, Nr. 13).
Zur Kriegserklärung bedarf der Kaiser jedoch der Zustim-
mung des Bundesrats dann, wenn sie nicht durch einen Angriff auf das
Reichsgebiet verursacht ist.
Der Kaiser kann ferner jeden Teil des Reichsgebiets (abge-
sehen von Bayerns nicht nur im Kriege, sondern, wenn die öffentliche
Sicherheit bedroht ist (z. B. bei einem Aufruhr oder einer Revolution), auch
im Frieden in Kriegszustand oder Belagerungszustand
erklären. Die Erklärung soll mit Trommelschlag oder Trompetenschall ver-
kündet und durch Anschlag oder durch öffentliche Blätter bekannt gegeben
werden. Sie hat zur Folge, daß das Militär unter den Kriegsgesetzen steht,
und daß gewisse gemeingefährliche Verbrechen überhaupt strenger bestraft
werden. Ferner können die zum Schutze der persönlichen Freiheit und des
Eigentums gegebenen Gesetze für die Dauer des Zustandes aufgehoben und
besondere Kriegsgerichte zur Aburteilung gewisser Vergehen eingesetzt
werden.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T191: [Karl Sohn König Tochter Haus Kaiser Ludwig Herzog Tod Johann]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Der Bundesrat.
25
G. Der Bundesrat.
1. Seine Rechtsstellung und Zusammensetzung.
Soweit die Reichsgewalt nicht dem Kaiser übertragen ist, steht 66
sie den „verbündeten Regierungen" zu. Das Organ aber, durch
welches die Regierungen diese Gewalt ausüben, ist der Bundes-
rat, d. h. die Versammlung von Vertretern aller
Regierungen der deutschen Bundes staate n. Die
Bundesratsbeschlüsse stellen also den Willen der verbündeten deutschen
Regierungen dar.^ Der Bundesrat ist demnach kein Organ der Volks-
vertretung; man darf ihn nicht etwa mit einem sog. Herrenhause oder
einer ersten Kammer vergleichen; vielmehr verhält er sich zu dem
Volksvertretungskörper des Reichstags ähnlich wie in den Einzel-
staaten die durch die Ministerien vertretene Landesregierung zu den
Landtagen?^
Da die deutschen Bundesstaaten an Größe und Bedeutung sehr 67
ungleich sind, können sie im Bundesrat nicht alle gleiches Stimmrecht
haben; es werden daher die Stimmen der kleinsten Staaten im Bun-
desrat nur einfach, die Stimmen der größeren Staaten dagegen
mehrfach gerechnet, und zwar fallen von den 58 Stimmen, welche
der Bundesrat zählt, auf Preußen 17, auf Bayern 6, auf Sachsen
und Württemberg je 4, auf Baden und Hessen je 3, auf Mecklenburg-
Schwerin und Braunschweig je 2, auf alle anderen Staaten endlich
je eine Stimme.^
Jeder Bundesstaat kann soviele Vertreter („B u n d e s r a t s - 68 24 * 26
24 Im Bundesrate üben die Landesherren diejenigen Souveränitäts-
rechte gemeinsam aus, auf deren alleinige und selbständige Ausübung sie
zugunsten des Reichs mit dessen Gründung Verzicht geleistet haben.
26 Dagegen hat allerdings die Einrichtung und Gestaltung des Bundes-
rats, in welchen regelmäßig von den Regierungen nur Persönlichkeiten ent-
sandt werden, die mit dem Staats- und Rechtsleben gründlich vertraut sind,
die Schaffung eines weiteren Volksvertretungskörpers (Senat oder Herren-
haus) neben dem Reichstage entbehrlich gemacht.
2° Die Stimme des F ü r st e n t u m s W a l d e ck , das durch Staats-
vertrag ganz in preußische Verwaltung übergegangen ist, wird auch von
Preußen geführt, so daß dieses tatsächlich im Bundesrat 18 S t i m m e n
hat. Die R eichslande Elsaß-Lothringen sind im Bundesrat
nicht vertreten; doch kann der Statthalter zur Vertretung der Landesinter-
essen Kommissare mit beratender, nicht beschließender Stimme in den
Bundesrat entsenden.
Bei der Verteilung der Stimmen im Bundesrat mußten die kleinen
Staaten verhältnismäßig günstiger gestellt werden, als die großen. Bei
einer Verteilung nach der Einwohnerzahl hätte Preußen mit seinen 37,3
Millionen Einwohnern erheblich mehr als die Hälfte aller Stimmen zu be-
ansprucheil, womit den Stimmen der übrigen Staaten jede Bedeutung ge-
nommen wäre.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Der Bundesrat
27
f cf) r i f t) im Namen des Kaisers durch den Reichskanzler dem Reichs-
tag; vorgelegt und dort durch Mitglieder des Bundesrats oder durch
besondere Kommissäre vertreten. Uebrigens hat jedes Mitglied des
Bundesrats das Recht im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst
auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regie-
rung zu vertreten, und zwar auch dann, wenn diese Ansichten nicht
die Zustimmung der Mehrheit des Bundesrats gefunden haben.
b. Der Bnndesrat hat aber weiter auch für die A u s f ü h r u n g 7'
der Reich sgesetze Sorge zu tragen; ihm liegt also die sog.
Exekutive (s. Nr. 11) ob, soweit sie nicht dem Kaiser ausdrücklich über-
tragen ist. Hiernach hat in erster Reihe der Bundesrat die Aus-
führungs- und die Vollzugsverordnungen zu den Reichsgesetzen zu
erlassen und die zur Ausführung erforderlichen Dienststellen und
Einrichtungen zu schaffen. Er hat auch die Verwendung der Reichs-
einnahmen zu kontrollieren, den Wirtschaftsplan aufzustellen, bei
Aufnahme von Anleihen mitzuwirken u. dgl.
c. Endlich übt der Bundesrat auch eine Gerichtsbarkeit 72
ans: Er bat Streitigkeiten nicht privatrechtlicher Natur29
z wi f ch e n verschiedenen Bund esstaaten auf Anrufen
eines Teils zu erledigen. Sodann ist er berufen, Verfass ungs-
st r e i t i g k e i t e n , welche in einem Bundesstaat zwischen Volksver-
tretung und Regierung entstehen, im Falle des Fehlens einer zur
Entscheidung zuständigen Landesbehörde gütlich auszugleichen oder,
wenn das nicht gelingt, im Wege der Reichsgesetzgebung zu erledigen.
Endlich hat der Bundesrat, falls ein Bundesstaat seinen Pflichten
gegen das Reich nicht nachkommen sollte, die zwangsweise Erfüllung
derselben (die sog. Exekution) zu beschließen.
3. Die Verhandlungen des Bundesrats.
Der Bundesrat hat seinen S i tz in Berlin. Er wird einberufen 73
durch den Kaiser. Die Berufung muß stets erfolgen, wenn der Reichs-
tag versammelt ist und ferner dann, wenn mindestens ein Drittel
aller Stimmen es verlangt?" Den Vorsitz führt der Reichskanz-
ler oder dessen Stellvertreter; im Falle einer Verhinderung Preu-
ßens geht der Vorsitz an Bayern über. Die Verhandlungen
sind nicht öffentlich; sie sind durch eine Geschäftsordnung ge-
regelt.
Zur Vorbereitung der Beschlußfassung, sowie zur selbständigen 74 * *
Privatrechtliche Streitigkeiten zwischen den
Bundes st aaten werden von den ordentlichen Gerichten entschieden.
's Tatsächlich hat der Umfang der Geschäfte dahin geführt, daß seit 1883
der Bundesrat ständig versammelt gewesen ist; nur des Sommers unter-
bricht er seine Geschäfte, jedoch ohne sich aufzulösen.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
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Inhalt: Zeit: Neuzeit
28
Das Staatsrecht des Reichs
Erledigung gewisser Angelegenheiten sind beim Bundesrat aus dessen
Mitte eine Anzahl dauernder Ausschüsse gebildet, in denen je-
weils außer Preußen mindestens vier Bundesstaaten vertreten sind.
So besteht ein Ausschuß für das Landheer und die
Fe st ungen, ferner solche für Zoll- und Steuerwefen,
für Handel und Verkehr, für Justizwesen usw. Ein
besonderer Ausschuß für die auswärtigen Angelegen-
heiten, in welchem Bayern, Sachsen und Württemberg einen stän-
digen Sitz haben, soll Mitteilungen über die auswärtigen Beziehun-
gen des Reichs von der Reichsregierung entgegen nehmen und die
Ansichten der Regierungen hierüber austauschen.
75 Die Beschlußfassung im Bundesrat erfolgt nach
einfacher Stimmenmehrheit der awvesenden Bei Stim-
mengleichheit geben die preußischen Stimmen den Ausschlag. Diele
Regel erleidet jedoch folgende Ausnahmen:
a. Jeder Vorschlag einer Aenderung der Reichsverfassung
gilt als abgelehnt, wenn 14 Stimmen dagegen sind. Verfassungs-
bestimmungen, durch welche sog. Reservatrechte einzelner Staaten
festgesetzt worden sind, können überdies nur mit Zustimmung der
berechtigten Staaten geändert werden (s. Nr. 45).
76 b. Ferner steht Preußen das sog. Veto (d. h. Verbietungs-
recht) zu hinsichtlich aller Veränderungen in Angelegenheiten des
Militärwesens, der Kriegsmarine, gewisser indirekter Reichssteuern
und des gesamten Zollwesens. In diesen Angelegenheiten kann also
Preußen durch seinen Widerspruch jede Veränderung der bestehenden
Gesetze, Verordnungen und Einrichtungen verhindern. Damit sind
die wichtigsten Grundlagen des Reichs seinem Schutze anvertraut.
c. Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche
infolge von Reservatrechten einzelner Staaten nicht dem ganzen
Reiche gemeinschaftlich ist, werden nur die Stimmen der durch die
Sache berührten Bundesstaaten gezählt.^
44. Der Reichstag.
1. Seine Bedeutung und Zuständigkeit.
77 Während der Bundesrat, wie wir oben sahen, die verbündeten
deutschen Regierungen vertritt, besteht der Reichstag aus den g e - 31 32
31 Nicht vertretene oder nicht instruierte Stimmen werden nicht ge-
zählt. Durch diese Bestimmung sollen Verschleppungen der Beratungen, wie
sie beim ehemaligen Bundestag häufig vorkamen, vermieden werden.
32 So sind z. B. in Angelegenheiten der Neichs-Biersteuer die süd-
deutschen Staaten nicht stimmberechtigt, weil sie von dieser Steuer ausge-
nommen sind.
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TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
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Inhalt: Zeit: Neuzeit
30
Das Staatsrecht des Reichs
es ist ferner ein gleiches, weil jedermann, hoch oder niedrig, arm
oder reich, nur eine Stimme hat, und es ist ein direktes, weil
der Abgeordnete unmittelbar (nicht durch Wahlmänner, s. Nr. 25)
gewählt wird. Nicht berechtigt zu wählen sind Personen,
welche unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehen (z. B. wegen
Geisteskrankheit, Trunksucht oder Verschwendung), oder welche sich
im Konkurse befinden oder öffentliche Armenunterstützung beziehen
oder im letzten Jahre bezogen haben oder endlich solche, denen
durch die Strafgerichte die bürgerlichen Ehrenrechte (s. Nr. 228) ent-
zogen sind. Um von der Armee jedes politische Parteigetriebe fern-
zuhalten, ist ferner bestimmt, daß die zum aktiven Heere gehörigen
Militärpersonen (Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften) nicht
wählen dürfen; Militärbeamte gehören hierzu nicht.
Das fog. p a f s i v e W a h l r e ch t, d. h. die Fähigkeit als Reichs-
tagsabgeordneter gewählt zu werden, steht jedem zu, welcher nach
obigem aktiv wahlberechtigt ist, jedoch mit der Erweiterung, daß auch
aktive Militärpersonen gewählt werden können. Der zu Wühlende
mutz aber seit mindestens einem Jahre die deutsche Reichsangehörig-
keit besitzen.
Die Ausübung des aktiven Wahlrechts ist vom Gesetz dadurch
geschützt, daß die gewaltsame Verhinderung desselben mit strenger
gerichtlicher Strafe bedroht ist. Anderseits wird auch der verwerf-
liche Stimmenschacher (der Kauf und Verkauf einer Wahlstimme)
bestraft.
3. Die Wahlkreise.
Zum Zwecke der Reichstagswahlen ist das ganze Reich 34 in 397
Wahlkreise eingeteilt. Bei dieser Einteilung, welche der Hauptsache
nach aus dem Jahre 1870 stammt, wurde davon ausgegangen, daß
auch in den kleinsten Bundesstaaten mindestens ein Abgeordneter
gewählt werden sollte, und daß im übrigen auf durchschnittlich 100 000
Einwohner ein Abgeordneter zu kommen habe. Inzwischen hat sich
aber die Bevölkerung des Reichs, besonders in den größeren Städten,
sehr stark vermehrt, die bisherige Wahlkreiseinteilung ist jedoch ge-
blieben, was zur Folge hat, daß in den ländlichen Wahlkreisen jede
einzelne Wahlstimme weit schwerer wiegt, als in denen der größeren
Städte.3^ 33
" Einschließlich der Reichslande Elsaß-Lothringen; denn auch diese
wählen zum Reichstag. Von den 397 Abgeordneten entfallen allein aus
Preußen 236, auf Bayern 48, auf wachsen 23, aus Württemberg 17, auf
Elsaß-Lothringen 15, auf Baden 14.
Die deutschen Schutzgebiete wählen nicht zum Reichstag.
33 So zählt z. B. Berlin zurzeit über 2 Millionen Einwoyner, wählt
aber nur 6 Rcichstagsabgeordnete.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Ortsnamen: Elsaß-Lothringen Bayern Württemberg Elsaß-Lothringen Baden Berlin