Dritter Teil.
Staatslehre.
Allgemeines über staatliche Einrichtungen.
Der Staat ist die rechtliche Zusammenfassung der Ein-
wohner eines bestimmten Gebiets unter einem einheitlichen leitenden
Willen. Diese ordnende, befehlende Macht nennt man Staats-
gewalt. Die Zusammenfassung unter die Staatsgewalt ist not-
wendig, da bei der Verschiedenartigkeit der Neigungen, Fähigkeiten
und Bedürfnisse einer größeren Gemeinschaft eine ordnende, befeh-
lende Macht vorhanden sein muß zum Schutz vor Uebergriffen
und zur Erledigung gemeinschaftlicher Angelegenheiten. Die Rechte
und Pflichten der Bevölkerung gegenüber dem Staate regelt die
Staatsverfassung. Die Einwohner werden bei Hervorhebung
der ihnen zustehenden Rechte Staatsbürger, bei Hervorhebung
der Pflichten Untertanen genannt. Die staatliche Tätigkeit
äußert sich auf dem Gebiete der Gesetzgebung, der Verwaltung
und der Rechtsprechung.
Träger und Inhaber der Staatsgewalt ist entweder ein
Einzelner (Alleinherrschaft, Monarchie) oder eine Mehrheit
von Personen (Freistaat, Republik). Man unterscheidet die
absolute Monarchie (z. V. Rußland) und die konstitutionelle
Monarchie (z. B. Preußen), je nachdem die Machtbefugnisse des
Herrschers unbeschränkt oder durch Mitwirkung des Volkes oder
Vertreter desselben beschränkt sind. Diese Beschränkung ist vor
allem auf dem Gebiete der Gesetzgebung gegeben. Staaten-
verbindungen sind Bundesstaat und Staatenbund. Bei der
Bildung eines Bundesstaats entsteht ein selbständiger neuer Staat,
dem gegenüber die Einwohner unmittelbare Rechte und Pflichten
übernehmen; z. B. in Deutschland Angehörigkeit zum Reich und
dem betr. Bundesstaat, sowie Wehrpflicht. Es entsteht ein doppeltes
Staatsbürger- und Untertanenverhältnis. Der Staatenbund hin-
gegen verpflichtet nur die Oberhäupter der angehörigen Einzel-
staaten zu gemeinsamem Vorgehen; sein Zweck pflegt vorwiegend
in der Abwehr feindlicher Angriffe zu liegen.
Jösting, Betriebs-, Staats- u. Wirtschaftslehre.
1
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
2
Staatslehre.
Das Staatsoberhaupt ist Träger der gesamten Staats-
gewalt, doch ist ein Teil derselben, die Rechtsprechung und die
Verwaltung zur Durchführung der Gesetze anderen Personen, den
Staatsbeamten, übertragen. Die oberste Verwaltung bildet,
so weit sie nicht dem Oberhaupt vorbehalten ist, das Ministerium,
im Deutschen Reiche die Reichsverwaltung. Die unterste Ver-
waltung liegt in der Gemeinde. Zwischenstufen sind z. B. Pro-
vinzen, Regierungsbezirke und kreise. Die Gemeinden bilden
den kleinsten Teil des Staatsorganismus und haben deshalb auch
bestimmte Rechte, namentlich in Bezug auf ihre Verwaltung und
Verfassung. Die nächst höhere Stufe bildet im Königreich Preußen
der Kreis, die darauffolgende höhere Instanz die Regierung und
die nun folgende die Provinz.
Die Verhältnisse und Beziehungen der Regierung zu den
Untertanen und die der letzteren zu einander werden, soweit sie
für die Gesamtheit von Interesse sind, durch das öffentliche Recht
geregelt. In diesem sind die Aufgaben und die Form der Ver-
waltung niedergelegt. Die Rechtsverhältnisse der einzelnen Menschen
zu einander ordnet das Privat- oder bürgerliche Recht.
Das Strafrecht gewährleistet im Interesse der Gesamtheit den
persönlichen Schutz. Die Rechtsvorschriften heißen Gesetze, die-
jenigen Rechtsvorschriften, welche ohne Mitwirkung der Volks-
vertretung erlassen werden, Verordnungen. Polizeiverordnungen
bedürfen jedoch meistens der Zustimmung der Vertretung der
Bezirkseingesessenen. Durch Verfügungen wird dem Einzelnen
mitgeteilt, wie er seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen hat.
Die Aufgaben des Staates erstrecken sich namentlich
auf den Schutz nach außen und den Schutz nach innen,
also auf Sicherheit der Person und des Eigentums, sowie auf
Förderung der Wohlfahrt und Bildung. Zum Schutze
gegen das Ausland dienen namentlich Heer und Flotte, für
die sich im Ausland aufhaltenden Staatsangehörigen die Gefand-
schaften und Konsuln. Der Schutz im Innern wird durch
Gerichte und Polizei ausgeübt, z. B. durch bestimmte Zah-
lungsmittel, Aichung der Maße und Gewichte und Anlage von
Grundbüchern. Die Gesundheit der Staatsbürger wird durch
Kontrolle der Nahrungsmittel sowie Gesetze behufs Bekämpfung
gemeingefährlicher Krankheiten, behufs Herstellung guter Woh-
nungen u. dergl. m. ausgeübt. Die Wohlfahrtspflege zeigt sich
erstens in der unmittelbaren Förderung der Arbeit und Produk-
tion, z. B. durch Schaffung von Verkehrseinrichtungen, Einführung
von Schutzzöllen gegen das Ausland und Abschluß von Handels-
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Staatliche Einrichtungen.
3
vertragen, und sodann in der sozialen Gesetzgebung, z. B. der
Arbeiterversicherung und Gewerbeordnung. Die Bildung wird
durch Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen und gemein-
nütziger Vereine, sowie Gründung und Unterhaltung von Bildungs-
anstalten (Universitäten, Hochschulen, Gymnasien, Volksschulen,
Kirchen u. dergl. m.) gefördert.
Der Staat kann seine Aufgaben aber nicht erfüllen ohne
Mitwirkung und bestimmte Verpflichtungen der Unter-
tanen. Deshalb ist zum Schutz gegen außen und nach innen die
allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Auch müssen die Untertanen
zu den Staatlasten beitragen, denn Heer und Flotte, der Bau von
Straßen und Kanälen, die Errichtung öffentlicher Gebäude, die
Beamtengehälter und andere Aufgaben erfordern große Kosten.
Diese Abgaben nennt man im allgemeinen Steuern. Es wird
zwischen direkten und indirekten Steuern unterschieden, je nach-
dem sich die Steuer an die Einkommensgewinnung, wie an den
Ertrag aus einem gewerblichen Unternehmen, knüpft, wie die
Einkommensteuer, oder an die Einkommensverwendung, wie die
Fahrkartensteuer. Neben diesen beiden Arten bestehen noch die
Uebergangssteuern, z. B. die Erbschafts- und die Umsatzsteuer.
Außerdem fließen dem Staate unter anderem auch die Einnahmen
aus den Zöllen zu, doch sollen sie nicht zu diesem Zweck, sondern
lediglich zum Schutz der heimischen Produktion eingeführt werden.
Je größere Aufwendungen der Staat macht zur Förderung des
Wohles und der Bildung seiner Untertanen, um so mehr müssen
die Bürger auch zu den Staatslasten beitragen und um so größeren
Nutzen haben sie von den Aufwendungen. Die erste Pflicht sämt-
licher Staatsbürger aber ist, der Obrigkeit Gehorsam und Ver-
trauen entgegenzubringen.
Wenn dem Staatsbürger das Recht gegeben ist, an der
Gesetzgebung und Verwaltung mitzuarbeiten, dann hat er auch die
Pflicht, dabei mitzuwirken. Deshalb erscheint es zunächst unbedingt
geboten, daß der Staatsbürger mit den staatlichen Einrichtungen
und den wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen einigermaßen bekannt
ist. Er wird dann auch ein um so besserer und nützlicherer
Staatsbürger sein und gegen die Gesetze um so weniger verstoßen.
Die Segnungen der Kultur kann sich der Einzelne unmög-
lich verschaffen, vielmehr ist nur die Vereinigung einer größeren
Zahl von Menschen imstande, durch gemeinsames Tun und Han-
deln und zeitweise gegenseitige Unterstützung die Aufgaben zu er-
füllen, welche die stetigwachsende Kultur an den Staat stellt.
Jeder Bürger muß im Verhältnis seiner Leistungsfähigkeit und
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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4
Staatslehre.
Bildung zur Erfüllung dieser Aufgaben beitragen und auch zur
Mitarbeit am Staats- und Gemeindeleben bereit fein. Er soll
Nächstenliebe betätigen, den Wert jedes Berufsstandes würdigen,
den Wert jeder Arbeit schätzen, mag sie äußerlich auch noch so
gering erscheinen, und das Wohl des Ganzen jederzeit seinem Ich
voranstellen. Dann wird sich auch ein um so gedeihlicheres öffent-
liches Leben entwickeln.
A. Das Deutsche Reich.
Das Deutsche Reich umfaßt rund 540000 qkm und zählt
zur Zeit über 62,5 Millionen Einwohner. Bis zum Jahre 1806
bestand das alte im Mittelalter entstandene Deutsche Reich, welches
sich auf die meisten Gebietsteile des jetzigen Deutschen Reichs und
außer diesen vor allem auch auf Oesterreich, dessen Herrscher-
Deutscher Kaiser war, erstreckte. Die Oberhoheit des damaligen
Kaisers war im Laufe der Jahrhunderte jedoch fast ganz verloren
gegangen; ferner hatte sich eine große Zahl kleiner und kleinster
selbständiger Staaten gebildet. Sie betrug gegen Ende des 18.
Jahrhunderts etwa 300. Die Folge war Deutschlands Ohnmacht
gegenüber Napoleon I. Auch der im Anschluß an die Freiheits-
kriege im Jahre 1816 gebildete Deutsche Bund, ein Staatenbund,
war von nur lockerem Gefüge. In dessen Zentralorgan, dem
Bundestag in Frankfurt a. M., führte Oesterreich den Vorsitz.
Immerhin bedeutete die Aufhebung der Kleinstaaterei schon einen
Fortschritt.
Die Ereignisse des Jahres 1866 veranlaßten Oesterreich,
seine großdeutschen Bestrebungen fallen zu lassen, und Preußen
übernahm, unter Ausschluß von Oesterreich, die Bildung des
Norddeutschen Bundes. In diesem erkennen wir die Grundlagen
unseres jetzigen, fest in sich geschlossenen Deutschen Reiches. Letzteres
entstand während des Krieges 1870/71 durch Anschluß der süd-
deutschen Staaten an den Norddeutschen Bund, dessen Verfassung
diese Aufnahme schon vorgesehen hatte. Besiegelt wurde die Grün-
dung des Deutschen Reiches durch die am 18. Januar 1871 zu
Versailles erfolgende Proklamation des Königs von Preußen zum
Deutschen Kaiser.
Zum Deutschen Reich gehören 26 Einzelstaaten, nämlich
die vier Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg;
die sechs Großherzogtümer Baden, Hessen, Oldenburg, Mecklenburg-
Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Sachsen-Weimar; die fünf
Herzogtümer Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg,
Sachsen-Coburg-Gotha und Anhalt; die sieben Fürstentümer
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A. Das Deutsche Reich.
5
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck,
Reutz ä. L., Reutz j. L., Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold;
die drei freien Städte Lübeck, Bremen und Hamburg und das
Reichsland Elsatz-Lothringen.
Reichsverfassung und Reichsverwaltung.
Das Deutsche Reich ist ein ewiger Bund zum Schutze des
Bundesgebiets und des innerhalb desselben gültigen Rechts, sowie
zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes. Die Einzelstaaten
haben einen Teil ihrer Rechte dem Reiche übertragen, so daß jeder
Angehörige eines dem Bunde ungehörigen Staates zugleich Unter-
tan des Deutschen Reichs ist (Bundesstaat).
Nach der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April
1871 wird die Reichsgesetzgebung durch den Bundesrat,
d. h. die Vertretung der deutschen Landesfürsten, und den Reichs-
tag, d. h. die Volksvertretung, gemeinschaftlich ausgeübt. Die
Vertreter im Reichstag werden auf Grund des allgemeinen, gleichen,
geheimen und direkten Wahlrechts gewählt. Die aktive und passive
Wahlberechtigung beginnt mit Vollendung des 25. Lebensjahres.
Die Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Vertretungen
ist zu einem Reichsgesetz erforderlich und ausreichend. Der Reichs-
gesetzgebung unterliegen vor allem das gesamte bürgerliche Recht,
das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, das Militärwesen
des Reichs und die Reichsmarine (Bewilligung der erforderlichen
Stärke), die Zoll- und Handelsgesetzgebung, die Ordnung des
Matz-, Münz- und Gewichtssystems (die Prägung der Münzen ist
den Einzelstaaten überlassen), das Post- und Telegraphenwesen, die
Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimats- und Niederlassungs-
verhältnisse, das Staatsbürgerrecht und den Gewerbebetrieb, ein-
schlietzlich des Versicherungswesens. Die Durchführung der Gesetze,
der Verwaltung und der Rechtsprechung ist hingegen den Einzel-
staaten überlassen.
Der Kaiser beruft den Bundesrat und den Reichstag, er
verkündet die Reichsgesetze, vertritt das Reich nach autzen, schließt
Verträge und Bündnisse mit anderen Staaten ab, erklärt den Krieg
und schließt den Frieden im Namen des Reiches, führt den Ober-
befehl über Heer und Flotte und ernennt die Reichsbeamten.
Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Mitglieder
des Bundes, also der Einzelstaaten, und zählt 58 Stimmen. Da-
von entfallen auf Preußen 17, auf Bayern 6, auf Sachsen und
Württemberg je 4, auf Baden und Hessen je 3, auf Mecklenburg-
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6
Staatslehre.
Schwerin und Braunschweig je 2 und auf die anderen Staaten
je 1 Stimme. Der Bundesrat beschließt über Vorlagen, welche
dem Reichstage gemacht werden sollen und bestätigt oder verwirft
die aus dem Reichstage hervorgegangenen Anträge. Ferner be-
schließt er die zur Ausführung der Reichsgesetze nötigen allgemeinen
Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen.
Der Reichstag besteht aus 397 Vertretern, welche vom
Volke gewählt werden. Der Reichstag hat das Recht, Gesetze
vorzuschlagen und Bittgesuche, welche an ihn gerichtet wurden, dem
Bundesrate oder Reichskanzler zu übermitteln. Auch beschließt er
über die vom Bundesrate vorberatenen Gesetze.
Die Verwaltung des Reichs geschieht durch verschiedene
Behörden. An der Spitze der gesamten Reichsverwaltung steht
der Reichskanzler. Er wird vom Kaiser ernannt, führt den
Vorsitz im Bundesrate, verwaltet die Reichsangelegenheiten, über-
wacht die Ausführung der Reichsgesetze und ist verantwortlich für
vom Kaiser getroffene Verordnungen und Verfügungen.
Für die Verwaltung der einzelnen Zweige dienen
Reichsämter, an deren Spitze Staatssekretäre stehen. Die
Reichsämter sind:
1. Das Auswärtige Amt. Es hat die Beziehungen mit aus-
wärtigen Staaten zu leiten. Ferner unterstehen ihm die Ge-
sandten und Konsuln.
2. Das Reichsamt des Innern. Dazu gehören das Kaiser-
liche statistische Amt, das Gesundheits-Amt, das Reichsversiche-
rungs-Amt, das Patent-Amt, das Bundesamt für Heimatwesen
und andere Aemter.
3. Das Reichs-Marineamt, die oberste Verwaltungsbehörde
der Kriegsflotte.
4. Das Reichs-Justizamt. Es beaufsichtigt die Rechtspflege.
5. Das Reichs-Schatzamt. Es verwaltet die Reichsfinanzen.
6. Das Reichs-Eisenbahnamt. Es führt die Oberaufsicht
über die Eisenbahnen der Einzelstaaten.
7. Das Reichs-Postamt für Post-, Telegraphen- und Fern-
sprechwesen, abgesehen von Bayern und Württemberg.
8. Das Reichs-Kolonialamt.
Zur Verwaltung der Militärangelegenheiten bedient sich das
Reich des preußischen Kriegsministeriums.
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A. Das Deutsche Reich.
7
Jeder Staatsangehörige eines deutschen Bundesstaates ist
Reich sän geh origer. Er ist in jedem Bundesstaat berechtigt
zu festem Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zur Bekleidung öffent-
licher Aemter, zum Erwerb von Grundstücken u. dergl. m. wie
jeder Einheimische.
Lei st ungen des Reichs.
Die Leistungen des Reichs beziehen sich zunächst auf den
Schutz gegen äußere Feinde. Deshalb unterhält das Reich
Heer, Flotte und Festungen. Alsdann übt das Reich auch den
Rechtsschutz im Innern aus. Das Privatrecht ist durch das
Bürgerliche Gesetzbuch in ganz Deutschland einheitlich geregelt. Der
Schutz der Gesundheit der Untertanen wird ausgeübt durch
das Reichs-Gesundheitsamt; das Gesetz, betr. den Verkehr mit
Nahrungs- und Genußmitteln; das Gesetz, betr. Bekämpfung gemein-
gefährlicher Krankheiten; das Gesetz, betr. Schlachtvieh und Fleisch-
beschau; das Gesetz, betr. Abwehr und Unterdrückung von Vieh-
seuchen, und das Jmpfgesetz.
Die Förderung der Wohlfahrt geschieht durch Er-
hebung von Schutzzöllen, Abschluß von Handelsverträgen, Erwer-
bung von Schutzgebieten, Unterstützung wissenschaftlicher Unter-
nehmungen, Ausbau des Verkehrswesens, gleiche Ordnung für
Maße, Gewichte, Münzen und Zeit und die Arbeiterschutzgesetz-
gebung.
Leistungen an das Reich.
Das Reich verlangt von den Untertanen:
1. Militärische Leistungen, z. B. die allgemeine Wehrpflicht
und im Frieden die Gewährung von Naturalien, Quartier,
Vorspann u. s. w. bei militärischen Uebungen.
2. Steuern, jedoch nur indirekte, z. B. die Verbrauchssteuer
auf Branntwein, Bier, Zucker, Tabak, Zigaretten, Schaumwein
und Salz.
Außerdem gibt es als Verkehrssteuern die Börsensteuer und
verschiedene Stempelsteuern, z. B. auf Wechsel, Spielkarten,
Erhschaften, Aktien, Frachturkunden und Eisenbahnfahrkarten.
3. Weiter hat das Reich Einnahmen durch Erhebung von Ein-
fuhrzöllen. Die Zölle auf die wichtigsten landwirtschaft-
lichen Erzeugnisse betragen nach dem Tarif vom 27. Febr. 1905:
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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B. Das Königreich Preußen.
9
348 740 qkm und die Einwohnerzahl 38,5 Millionen. Die
Gesetzgebung wird durch den Aönig und die beiden
Häuser des Landtags (Herrenhaus und Abgeordnetenhaus)
ausgeübt. Zu den Gesetzen müssen beide ihre Zustimmung er-
teilen. Das Herrenhaus setzt sich zusammen aus den Häuptern
derjenigen Familien, welche früher selbständige Fürsten waren oder
eine ähnliche hervorragende Stellung erlangt hatten, aus Vertretern
der Grafenverbände der Provinzen und des alten und befestigten
Grundbesitzes, der Universitäten und der großen Städte, sowie
einer größeren Zahl von Personen, welche der König wegen her-
vorragender Leistungen aus besonderem Vertrauen beruft. Die
Mitglieder des Abgeordnetenhauses sind Gewählte des
Volkes. Urwähler in seiner Gemeinde ist jeder selbständige (ver-
fügungsfähige) Preuße nach Vollendung des 24. Lebensjahres,
der sich im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, keine
öffentliche Armenunterstützung erhält und in der Gemeinde seit
6 Monaten Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Für Militärpersonen
ruht das aktive Wahlrecht. Wählbar ist jeder Preuße, der das
30. Lebensjahr vollendet hat, im Vollbesitz der bürgerlichen Ehren-
rechte ist und ein Jahr dem preußischen Staatsverbande angehört.
Die Urwahl erfolgt nach der Dreiklassenordnung, die ein Gleich-
gewicht der Wohlhabenden, des Mittelstandes und der Unbemittelten
herstellen soll. Die Urwähler wählen Wahlmänner und
die Wahlmänner eines Bezirkes den Abgeordneten. Die Ab-
gabe der Stimme geschieht durch öffentliche Nennung des Namens.
Zu jedem Gesetze ist die Uebereinstimmung zwischen dem
Könige und den beiden Häusern des Landtages erforderlich. Die
Gesetze treten erst in Kraft, nachdem der König sie genehmigt hat.
Die Rechtsprechung erfolgt durch Gerichte, doch steht dem
Könige das Recht der Begnadigung zu.
Die Gesetze werden durch die Staatsverwaltung aus-
geführt. Oberste Staatsbehörde ist das Staats-Ministerium,
die Gesamtheit der Minister.
Die einzelnen Ministerien sind:
1. Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, zugleich
Auswärtiges Amt des Deutschen Reichs. Deshalb ist der
preußische Ministerpräsident in der Praxis auch deutscher Reichs-
kanzler.
2. Das Kriegsministerium.
3. Das Justizministerium.
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TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
10
Staatslehre.
4. Das Finanzministerium.
5. Das Ministerium des Innern.
6. Das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten (Kultusministerium).
7. Das Ministerium für Handel und Gewerbe.
8. Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
9. Das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Leistungen des Staates.
Der Staat gewährt den Schutz der Person und des Eigen-
tums durch die Rechtspflege und Einrichtung der Polizei. Außer-
dem läßt sich der Staat die Kulturpflege (Kirchen- und Schulwesen,
Universitäten, Kunst und Wissenschaft) und die Wirtschaftspflege
(Handel, Gewerbe, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Bergbau,
einschließlich Kapitalpflege z. B. bei Sparkassen und durch Beauf-
sichtigung der Aktiengesellschaften u. s. w.) angelegen sein.
Einnahmen des Staates und Lei st ungen
an den Staat.
Die Haupteinnahmen des preußischen Staates ergeben
die Ueberschüsse aus den Eisenbahnen; ferner kommen vor-
wiegend in Betracht die Einkünfte aus Domänen, staatlichen Forsten
und Bergwerken.
Da der Staat zum Zwecke der allgemeinen Verwaltung und
zur Befriedigung eben genannter Bedürfnisse seiner Bewohner er-
hebliche Aufwendungen macht und die eben genannten Einnahmen
nicht ausreichen, so verlangt der Staat Steuern. Solche Steuern
sind die Einkommen- und die Ergünzungssteuer, ferner Stempel-
und Erbschaftssteuer.
Die S t e m p e l st e u e r n werden durch Kauf der Stempel-
marken bezahlt, die Erbschaftssteuer und die indirekten Steuern,
welch letztere größtenteils an das Reich abgeführt werden, durch
die Oberzolldirektionen erhoben. Die Einkommen- und die Ergän-
zungssteuer erheben die Gemeinden, und diese führen sie durch die
Kreiskassen und Regierungshauptkassen der Generalstaatskasse zu.
Durch die Einkommensteuer soll das Einkommen der
Personen, welches 900 M., das Eristenzminimum, übersteigt, be-
troffen werden. Der Steuerfuß (Prozentsatz) steigt mit der Höhe
des Einkommens.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
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B. Das Königreich Preußen.
11
Bei einem Einkommen
von 900 M. ist der Steuersatz 0,66 %, die Steuer 6 Mark
1600 1,06 „ „ 16 „
2400 1,50 „ „ 36 „
6000 „ 2,36 „ „ 118 „
10000 „ „ 3.00 „ „ 300 „
100000 „ 4,00 „ „ 4000 „
100000 bis 104000 „ 4,60 „ „ 4600 »
Bei Einkommen von mehr als 104000 M. steigt die Steuer
in Stufen von je 4000 M. um 4,5 °/o oder 180 M.
Die Berechnung des Einkommens erfolgt nach dem Ergebnis
des letzten Kalenderjahres, bei kaufmännischen, gewerblichen und
landwirtschaftlichen Betrieben jedoch, falls ordnungsmätzige Buch-
führungen vorliegen, nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre.
Das Gesetz bezeichnet das etwaige Nichtvorhandensein von Buch-
führungen geradezu als einen Mangel, und nur aus Gründen,
welche in der Natur des Einkommens selbst liegen, darf die Ent-
bindung von der ziffermätzigen Angabe des Einkommens bean-
sprucht werden, nicht aber deshalb, weil der Steuerpflichtige die
zur Erfüllung der Steuererklärungspflicht erforderlichen Aufzeich-
nungen über seine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben unterlätzt.
Gewährt ein Steuerpflichtiger, dessen Einkommen den Betrag
von 6500 M. nicht übersteigt, Bindern oder anderen Familien-
angehörigen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt, so
werden die Steuersätze ermäßigt um
eine Stufe bei Vorhandensein von 2 derartig. Familienangehörigen
zwei Stufen „ „ 3 oder 4 „
drei „ „ „ 6 „ 6 „
Bei Einkommen von mehr als 6500 bis 9500 M. wird
der Steuersatz ermäßigt um eine Stufe, wenn 3, und um 2 Stufen,
wenn 4 oder 5 derartige Familienangehörige vorhanden sind. Für
je zwei weitere derselben tritt eine Ermäßigung um eine weitere
Stufe ein.
Jeder bereits mit einem Einkommen von mehr als 3000
M. Veranlagte ist zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet,
der noch nicht so hoch Veranlagte jedoch dann, so bald eine be-
sondere^ Aufforderung dazu an ihn ergeht. Derjenige, welcher
wissentlich falsche Angaben macht, wird mit dem 4 bis 10 fachen
Betrage der Verkürzung bestraft, wenn eine Verkürzung des Staates
stattgefunden hat, andernfalls mit dem 4 bis 10 fachen Betrage
der Jahressteuer, um welche der Staat benachteiligt werden sollte,
mindestens aber mit einer Geldstrafe von 100 M. belegt.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]