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1. Bd. 2 - S. 7

1903 - Langensalza : Greßler
7 ihm horsten. Der majestätische Berg heißt sonderbarerweise der Kratz- berg, wie man sagte, seiner nackten zerrissenen Oberfläche wegen. Wahrscheinlicher aber ist man auf diesen Namen deswegen verfallen, weil das hinter ihm liegende Bad diese Krankheit heilt oder vielmehr ihre Insekten tötet. Piätigorsk ist eine mit großartiger Anlage neu erstandene Stadt, deren villenähnliche Häuser zerstreut auf niederen Hügeln nach Norden liegen, mit der Aussicht auf eine unbegrenzte Ebene im Vordergrunde. Noch fehlt der schattengebende Baumwuchs um die schönen Häuser; man war früher, um das Land gegen die Bergbewohner zu be- haupten, genötigt gewesen, die Wälder zu zerstören; die neu angelegte Pflanzung aber gedeiht nur schwer und langsam. Doch sieht man schon hie und da Parkanlagen, die sich vor den großartigen Gebäuden von einem ebenen Platze aus nach einer terassenförmigen Anhöhe hinauf erstrecken. Auf einem geräumigen Platze befindet sich das palastartige Haus den Statthalters. Hohe, mit Blumen besetzte Stufen führen zu dem Gebäude empor, in defsen weiten Räumen Wohnungen für Kurgäste eingerichtet sind. Freilich sind diese Zimmer nicht so wohnlich wie in Wiesbaden, Homburg oder Baden-Baden; denn im südlichen Rußland herrscht schon die asiatische Gewohnheit: dem Reisenden nur die vier kahlen Wände mit Tisch und Bank und zum Überfluß eine leere Bettstelle zu bieten. Alles Nötige, was zur Bequemlichkeit dient, mit Einschluß einer großen Menge Insektenpulver, muß jeder mit sich führen. In den Steppen darf selbst eine Vorratskammer von Speisen und Getränken nicht sehlen, wenn man nicht auf sein Begehren immer dieselbe Antwort hören will: „Es ist nichts da!" Nur die Post- Häuser an den Hauptstraßen können ebenfalls mit Tee, Schwarzbrot und heißem Wasser aufwarten. Als der nächste Morgen dämmerte, wurden die Bäder in dem etwas entfernt liegenden Badehause besucht. Auf dem Wege dahin bot sich uns ein weiter Fernblick. Tief im Südwesten lag ein nebelhafter weißer Streifen, der sich nach und nach erhellte und bald im Purpur- lichte strahlte. Es war das weithin gestreckte Joch des Kaukasus, welches, als die Sonne höher stieg, aus dem glühenden Alpenrote in den weißen blendenden Schnee zurücktrat, unter dem die blaue duftige Dämmerung der Steppe lag. Deutlich erkannte man den riesigen Eberus. Dort oben, unter der Schneegrenze, sagt ein russischer General, wohnt der wildeste Volksstamm der Kaukasier. Die Quellen von Piätigorsk enthalten Schwefel und Alkalien ungefähr in der Mischung wie Aachen, doch in stärkeren Verbindungen, und sind so heiß, daß sie an manchen Stellen kochend und sehr reichlich aus dem Berge zu Tage kommen. Kranke, welche hier naturgerechte Heilung finden, sind vorzüglich die an Rheumatis- mus, Gicht, Skrofeln und Ausschlag Leidenden. Der Aufenthalt kostet

2. Bd. 2 - S. 10

1903 - Langensalza : Greßler
10 interessante Aussicht. Überall begegnen dem Auge die Kuppeln der Kirchen, der Moscheeeu, der Bäder, der Minarette. Den blendenden Schein der weißen Kalkfelsen mildert das Grüne der Rebe, welche sich daran emporrankt; die sorgfältigste Benutzung von jedem Fuß breit Bodens in der Stadt selbst, die ganz in die vom Flußtal gebildete Schlucht eingekeilt ist und allen Krümmungen des Bettes der Kura folgt, die Verschiedenheit der Größe und des Bau- stils in den Häusern, der Gegensatz der großen öffentlichen Bauten mit den höhlen- und hüttenartigen Behausungen der Eingeborenen — all dies zusammen macht einen unbeschreiblichen wechselvollen Eindruck, welcher natürlich noch durch die fremdartigen morgenländischen Volks- trachten gesteigert wird. Tiflis ist eine vergleichsweise neue Stadt, obschon seine Gründung vielleicht in die Zeiten der Römerherrschast zur Kaiserzeit zurückgreift. Unter den ewigen Kriegszügen der morgenländischen Eroberer vom 13. bis zum Anfange des 18. Jahrhunderts ist es unzählige Male zerstört, verheert, wieder aufgebaut und abermals wieder niedergebrannt und entvölkert worden. Vor ungefähr 50 Jahren erstand Tiflis wieder aus seinen Trümmern; nach und nach erweiterte und verschönerte es sich und wurde das, was es heute ist: eine rasch emporblühende, wohl- habende Stadt voll Handel und Gewerbe und guter Unterrichts-Anstalten für jedes Bedürfnis und Glaubensbekenntnis. Der Handel ist meist in den Händen der Armenier und Juden; die Handwerker sind teils Ein- heimische, teils Russen oder eingewanderte Deutsche. Morgenland und Abendland finden hier ihre Ansprüche und ihren Geschmack befriedigt. Namentlich aber find es Gerbereien und verschiedene Manufakturen, welche in der Gewerbtätigkeit von Tiflis überwiegen und hauptsächlich den tiefer gelegenen Stadtteilen am Kura ihr äußeres aufprägen, ja sich schon dem Geruchssinn bemerklich machen. Lebensmittel und gewöhnliche Lebensbedürfnisse sind hier nicht teuer, sondern nur die Luxusartikel. Wein, Fleisch, Getreide, Geflügel, Obst, find sogar spottbillig. Trotzdem leben selbst die kleinen Beamten nicht in Tiflis, weil das Klima ungesund ist. Die eng gebaute Stadt in ihrer Schlucht ist im Sommer unerträglich heiß, voll Moskitos, Ge- stank, Ungeziefer, erstickendem Staub. Wer uur irgend kann, der meidet in der heißen Jahreszeit die Stadt und geht aufs Land, entweder in die kleinen Bäder in der Nähe und auf dem Wege nach Piätigorsk, oder auf irgend ein Landgut in den Vorbergen des Kaukasus oder Ararat, wo man eine reine Luft hat. Aber auch in anderer Hinsicht ist Tiflis eine höchst interessante Stadt, wenn man nämlich hier sein Standquartier nimmt, um nach allen Seiten hin Ausflüge in die benachbarten Gebirge zu machen und die Bergbewohner, so weit sie noch nicht ausgewandert sind, in ihren heimischen Dörfern oder Auls hoch in den Jochen oder aus den Hochebenen der riesigen Gebirgszüge zu besuchen. Dies ist jetzt weit

3. Bd. 2 - S. 12

1903 - Langensalza : Greßler
12 Winters trotzen und Maschinen treiben und die Petersbnrger^Treib- Häuser, die Erdbeeren und Kirschen frisch vom Baume im Januar liefern, im großartigsten Maßstabe anlegen. An Platz fehlt's ohnehin nicht in Sibirien. Und was für ein Sommer! Zwar bloß einer von 128 bis 150 Tagen jährlich und oft auf einer 190 Meter dicken Eisdecke, auf welcher der Bodeu oben bloß 1—2 Meter auftaut, aber auf dieser Eisdecke ein schneller, tropischer Sommer, der eine vierzig- bis fünfzigfache Feldfrucht empor in Blüte und Frucht treibt und un- absehbare s^den des Winters in berauschende Reseda-Auen ver- wandelt. Das Merkwürdigste ist, daß in Sibirien die heiße und kalte Zone sich vielfach begegnen, miteinander freundschaftlich vereinigen. Der Tiger zieht in die Wälder, in welchen der nordische Bär sein Winterschläfchen macht, und bei Nertschinsk wächst der Pfirsich- bäum wild mit süßen Früchten neben der nordischen, weißen Birke. In den Regionen des Baikal-Sees bekämpfen sich einander die einheimischen und tropischen Tiere und Pflanzen. Dieses Ineinandergreifen klimatischer Gegensätze wird durch die Be- schasfenheit des Bodens und der raschen, kräftigen Sommerfonne erklärt. Zwischen der dauernden inneren und der wechselnden oberen Erdwärme zieht sich eine dicke Eismauer hin, bei I a k u t s k, der kältesten bewohnten Gegend, 200 Meter dick, die im Sommer 1 Meter dick auftaut, aber Weizen, Roggen, Kohl, Kartoffeln u. f. w. treibt und reift. Mnter der Eisdecke friert's nie und unter ihr hervor drängen sich warme Quellen, die bei 23 0 Kälte (Reaumur) in der Luft noch 3 0 Wärme behalten und sich unten um Wurzeln und Stämme der Pflanzen lagern, da sie nicht wieder durch die untere feste Eisdecke eindringen können. In dem Tale des schwarzen Jakutflusses kam unser Reisende in eine tiefe, ganz mit Schnee gefüllte Kluft, aus welcher hohe Pappeln mit ihren grünbelaubten Kronen hervorragten, obgleich die Stämme 8 Meter tief im Schnee und Eis staken. Nur dicht um ihre Stämme, 25zenti- meter breit, war der Schnee ausgetaut, so daß sie im Wasser standen. Oft fah er herrliche Blumen, bescheidene weiße Schneeglöckchen, frisch und freudig mit buntem Sommerputz durch Schneedecken hervorgucken. Sie haben Eile; denn der Sommer kommt ebenso rasch, wie er ver- schwindet. Es klingt fabelhaft, wie schnell! Atkinson geriet einmal mit seinem Wagen in einen Wald, wo er fünf Wochen vorher nur eine glatte, kahle, frostgebundene Schneedecke gefunden. Der Wald bestand ans Fenchel, der während der fünf Wochen 3,25 Meter hoch aus der Eisdecke, jetzt ein tropisches Sommerleben, hervorgeschossen war. Manch- mal wuchsen ihm Pflanzen, während er Landschaften zeichnete, über die ursprünglichen Umrisse hinaus. — So schnell kommt der Sommer, so schnell treibt er, so schnell wird er aber auch vom Winter weggetrieben. Manchmal legt man sich an einem schönen Sommerabende unter einem schattigen Baum schlafen (Gasthöfe gibt's häufig auf ein paar Hundert Meilen umher ebensowenig, als menschliche Wohnungen) und erwacht

4. Bd. 2 - S. 15

1903 - Langensalza : Greßler
15 mehrere kostbare Teppiche und standen mehrere Kisten voller Reichtum. Meine Kosaken legten sich quer vor die Tür schlafen (wie jedesmal). Auf der andern Seite der Kisten schlief der alte Häuptling mit Familie." Das ist vornehmes Leben. Gemeine Sibirier kommen oft Jahre lang unter kein anderes Dach, als welches sie sich jeden Abend auf- bauen. Auch graben sie sich oft bloß in den Schnee, und schlafen dar- unter besser aus, wie wir unter echten Eiderdunen mit Wärmflasche. b. Die Cungulen. Die Tnngusen sind ein nomadischer Volksstamm von chinesischer Abkunft, welcher größtenteils von der Jagd lebt und die unabsehbaren Einöden Sibiriens durchzieht. Durch Bildung und kriegerischen Mut nehmen sie unter den nomadischen Stämmen Sibiriens einen hervorragenden Rang ein. Sie stammen von einer chinesischen Heeres- abteilung ab, die der Kaiser von China aussandte gegen die Russen, um diese aus Sibirien zu vertreiben. Der Anführer dieser Heeres- abteilung sah aber die Vergeblichkeit eines solchen Unternehmens ein und zog es vor, um nicht seinen Kopf zu verlieren, falls er- unver- richteter Sache nach Peking zurückkäme, mit seinen Mannschaften zu den Russen überzugehen und ein Vasall (Lehnsmann) Peters des Großen zu werden. Dieser Schar wurden nun Wohnsitze in Sibirien angewiesen; Weiber und Kinder folgten ihr nach. Aus dieser kleinen Horde, welche damals etwa 500 Köpfe betrug, ist nun ein Volksstamm geworden, welcher jetzt über 11500 Seelen zählt und von einem Häuptling und einer Behörde von fünf russischen Beamten oder Richtern regiert wird. Die Tungusen ziehen, in Familien und kleinen Stämmen zerstreut, beinahe in ganz Sibirien umher, halten sich aber am liebsten in der Nähe der chinesischen Grenze auf. Sie wohnen unter Zelten aus Renntierfellen, die mittelst Stricken aus Därmen über ein hölzernes Gerüst gespannt sind. Vor dem Eingange des Zeltes steckt das blanke Schwert des Hausvaters in der Erde; mitten im Zelt brennt Tag und Nacht aus einem Herd aus rohen Feldsteinen ein Feuer. Mit Möbeln schleppen sich die Tungusen nicht: Renntierfelle vertreten ihnen die Stelle von Teppich, Stuhl und Tisch. Das Renntier ist ein Haus- tier, dessen Zucht sie große Aufmerksamkeit schenken, weil es ihnen, wie den Lappen, beinahe alle Lebensbedürniffe liefert. Ein Teil dieser Tungusen ist zwar seßhaft geworden und hat das Christentum und damit auch russische Tracht und Lebensweise an- genommen; aber die Mehrzahl ist der alten Tracht und Sitte treu geblieben. — Alljährlich im Monat Juni versammeln sich die einzelnen Stämme der Tungusen am Zusammenfluß der S y n n e mit dem Jenisei zu einer Art Jahrmarkt, wo sie ihre Beute an Pelzwerk und andere Erzeugnisse verhandeln und vertauschen und ihre Kopfsteuer

5. Bd. 2 - S. 19

1903 - Langensalza : Greßler
19 möglich machen; denn Pferde wären da nicht zu brauchen, noch weniger anderes Zugvieh; wo sollte auch Futter für solche Tiere herkommen? Kamtschatka wäre eine traurige Einöde, von den Menschen geflohen; aber Gott hat ihnen den Hund geschenkt und mit ihm das ganze Land, das durch ihn bewohnbar wird. — Das gewöhnliche Futter der Hunde sind verschimmelte, getrocknete Fische, welche der Mensch nicht mehr ge- nießen kann, da sie bloß ans Gräten und Knochen bestehen, und von denen fast immer den Hunden der Rachen blutet. Sehr oft aber müssen sie selbst den Fischer machen. Mit vieler Schlauheit und Gewandtheit wissen sie die Fische zu erhaschen, und haben sie eine hinreichende Menge gefangen, so fressen sie, gleich den Bären, bloß die Köpfe. - Wird der Hnnger zu groß, so steigen sie als entschlossene Diebe auf den Lei- tern keck in die Vorratskammern ihres Herrn und zerfressen alles, was von Leder ist. Man verdenke ihnen das nicht; denn wer arbeitet, soll auch essen. Wenn er dann noch obendrein Schläge bekommt und zu einer Arbeit gezwungen wird, die ihm von der Natur nicht bestimmt ist, so dars man sich nicht wundern, wenn er auch seine. Natur ver- leugnet, mißtrauisch und tückisch gegen den Menschen wird, den er bloß als seinen Quälgeist betrachtet. Sehr interessant ist es, zu sehen, wie es die Menschen ansangen, um aus deu Hunden Zugpferde zu bilden. Man wirft die jungen Hunde, so bald sie ziehen können, unbarmherzig in eine dunkle Erdhöhle, wo sie so lange eingesperrt bleiben, bis man sie zu einem Versuche für tüchtig genug hält. Man spannt sie alsdann mit andern schon ein- geübten Hunden vor einen Schlitten, den sie aus Leibeskräften vor- wärts ziehen, weil sie von dem ungewohnten Lichte und der Menge unbekannter Gegenstände, die sie auf einmal erblicken, wie geblendet werden. Nach diesem kurzen Versuche müssen sie wieder in ihren dunklen Kerker zurück, und von nun an wird dieses Verfahren so lange wiederholt, bis sie zum Zuge geschickt und gelehrig genug sind, den Zuruf ihres Führers zu verstehen. Sie werden mittels eines Hals- bandes angespannt, das aus zwei Streifen Renntier- oder Robbenfell besteht, welche sowohl den Hals umschließen, als auch die Brust hinab zwischen den Vorderfüßen durchgehen, und sich oben auf den Schultern wieder vereinigen, wo ein sehr starker Riemen angeknüpft ist, dessen anderes Ende an den Schlitten befestigt wird. Nur durch List und Überraschung gelingt es, die Hunde anzuspannen. Während der Zu- rüstuug heben sie die Köpse in die Höhe und lassen ein klägliches Ge- heul hören, und sie haben auch recht, ein Trauerlied anzustimmen, denn nun beginnt die Sklaverei Doch sobald man abfährt, ist auch die Ruhe wieder hergestellt. Dann aber scheinen sie sich untereinander in Tücken zu überbieten, um die Geduld ihres Führers zu ermüden oder ihn in Gefahr zu bringen. Kommen sie an eine gefährliche Stelle, so verdoppeln sie ihre Schnelligkeit, und will man nicht in einen Ab- grund oder in einen Fluß gestürzt werden, so ist man nicht selten 2*

6. Bd. 2 - S. 21

1903 - Langensalza : Greßler
21 Walroßhaut, die Strümpfe von Därmen, der Hut von Flechtwerk aus Bast, Gras oder Rinden. Höchst dürftig ist die Pflanzendecke der alentischen Inseln. Man findet nur einige Moose, Flechten, harte Gräser und verkrüppelte Bäume; daher sind die Bewohner vorzugsweise nur auf tierische Nahrung angewiesen. Das Tierleben dieser Inseln ist mannigfaltiger als das Pflanzenleben. Land- und Eisbären, farbige Füchse, Biber, Fischottern, Seeottern, Wölse, verschiedene Robbenarten, Walrosse u. s.w., sowie eine große Mannigfaltigkeit von Fischen, liefern neben zahllosen Meeresvögeln den Bewohnern Pelzwerk und Nahrung. Das Ein- sammeln der Vogeleier gewährt allein schon einen wichtigen Beitrag zu dem häuslichen Bedarf an Proviant. Der harte Boden der aleu- tischen Inseln enthält, soweit man bis jetzt ermittelt, keinerlei nutzbare Metallerze, dagegen Onix und Sardonix, aus dem die Urbewohner einst ihre Beile, Messer, Lanzen- und Pfeilspitzen anfertigten; denn sie waren ein kunstfertiges Volk und weit reinlicher, als man die Wilden gewöhnlich unter diesen hohen Breiten trifft. Jede Familie hatte ihre eigene Höhle oder Jurte, ihre eigenen Boote, ihre eigenen Hunde — das einzige Haustier, das sie besaßen. Übrigens waren sie eine körper- lich sehr verkommene Rasse, wie alle Völkerstämme, die auf solchen In- seln leben und sich in einer sehr beschränkten Gemeinde untereinander verheiraten; beinahe alle waren buckelig, verwachsen, krummbeinig, schielend, hatten einen schwerfälligen watschelnden Gang, abgeplattete Nasen und kleine unstäte Augen. Jetzt werden diese Inseln und ihre Bewohner schnell russisiziert; denn seitdem dieses Mischvolk die wenigen Behaglichkeiten des gebildeten Lebens kennen gelernt hat. findet auch russische Sprache, Sitte, Religion nebst dem Branntwein, verschiedenen Krankheiten und Lastern unter dieser dünnen armen Bevölkerung rasch Eingang. Noch einige Jahrzehnte und jede Spur von dem Treiben der Urbewohner wird verwischt sein. 9. Die Jakuten.* Die Jakuten sind tatarischen Ursprungs. Ihre Haut ist lichtkupser- färben, ihre Statur niedrig, und ihre Gesichtszüge haben mehr Regel- mäßiges und Angenehmes als die der Tungufen; auch sind die Jakuten gastfreier, gutmütiger und ordentlicher, allein dagegen weniger ehrlich und freiheitsliebend. Ihre knechtische Fügsamkeit und Charakterschwäche stellen sich gewissermaßen dem verächtlichen Kamtschadalen nahe; je mehr man einen Jakuten prügelt, desto tätiger wird er; wogegen der Tun- guse, an dem man sich vergreift, nicht das Geringste mehr leistet Die Jakuten sind sehr anstellig und haben viele Anlagen zur Mechanik; sie bereiten sich ihre Messer, Flinten, Kessel und andern eisernen Geräte * D. Cochranes Fntzreise durch Rußland und die sibirische Tataret, Wien, «nton ?traus.

7. Bd. 2 - S. 24

1903 - Langensalza : Greßler
24 Während die Nase breit und platt ist, und in den weiten, tiefen Augen- höhlen kleine, schiefgestellte Augen blinzeln. Der Bart fehlt von Natur ganz, der Kopf wird künstlich geschoren, und nur hinter jedem Ohr bleibt ein langer zusammengedrehter Zopf hangen. Diese Gestalten, sowohl Männer als Weiber, dars man sich fast nicht anders denken, als auf mageren, raschen Pserden und in steter Bewegung. 11. Chinefifches lieben und chinefifche Kultur. Wenn man chinesisches Leben und chinesische Kultur und deren Gegensätze zu europäischem Wesen kennen lernen will, so mache man eine Runde durch das europäische und chinesische Shanghai. — Das europäische Shanghai liegt nördlich von der, wie alle chinesischen Städte mit einer Mauer umschlossenen Chinesenstadt, am Shanghai- flnsse auf den einzelnen hier vertretenen Staaten überlassenen Gründen. Kanäle und Flußarme trennen hier wieder das Gebiet der französischen, der englischen und nordamerikanischen Niederlassungen. Die Wohnungen der übrigen europäischen Mächte liegen zwischen diesen zerstreut. Statt- liche palastähnliche Gebäude, mit Gärten und Mauern umgeben, er- innerten mich an Madras. Wie ein chinesisches Siegel aber, der Europäerstadt aufgedrückt, liegt zwischen diesen Gebäuden am Strande das chinesische Zollhaus. Das Flußufer ist den Tag über der Tummel- platz von Tausenden geschäftiger chinesischer Lastträger, welche an einer über die Achsel gelegten Bambusstange die schwersten Lasten in schnellem Laufe hin- und herschleppen, dazu taktmäßig höchst unangenehme fast stöhnende ächzende Laute ausstoßen. Abends ist das Flußuser der be- liebteste Spaziergaug der europäischen Gesellschaft. Den vollsten Gegensatz zu den luftigen, prächtigen Quartieren der Europäer, zu den breiten, reinlich gehaltenen Straßen, die recht- winkelig die Wohnhäuser durchschneiden, bildet die Chinesenstadt. Schon vor den Toren beginnen die schmutzigen niederen Baracken, so eng aufeinander gebaut, daß man in den schmalen Gäßchen durch die Volksmenge, die hier fortwährend uuterwegs ist, sich förmlich hin- durchwinden muß. Vor dem Tore, vor der Stadtmauer angelangt, wird man von dem Chinesen, den man sich als Wegweiser mitgenommen hat, —- denn ohne solchen wage man sich das erste Mal ja nicht in das Labyrinth einer chinesischen Stadt — auf kleine geflochtene Körbe aufmerksam gemacht, welche oben an den Zinnen der Mauern in langer Reihe aufgehängt sind; sie enthalten zum warnenden Exempel für das Volk die abgeschlagenen Köpfe von Rebellen. In dem Torturm liegt ein kleines Wachhaus mit einem wenig militärisch aussehenden Wach- Posten. Wie Ameisen aus ihrem Bau in langen Zügen dicht gedrängt aus- und einwandern, emsig und geschäftig, so strömen hier durch die engen Tore die Menschen aus und ein. Endlich, von dem einwärts ziehenden Strome mitgerissen, befindet man sich in der Stadt. Aus

8. Bd. 2 - S. 27

1903 - Langensalza : Greßler
27 ebensowenig als den Töchtern des himmlischen Reiches, besonders in den höheren Klassen, Schönheit und gute Erziehung. Die Literatur Chinas ist eine großartige, vergeblich wird man aber Werke von tieferem wissenschaftlichen Werte suchen oder Dichter, wie die Dichter Indiens, wohl aber kann man ein Verzeichnis von 20000 Bänden finden, Roman und Komödienschreiber, soviel man will. Die Chinesen haben riesige und teure Bauwerke aufgeführt, aber keines von allen wird einen Eindruck auf uns machen, wie ihn der Anblick einer ägyptischen Pyramide oder eines Hindu-Tempels hinterläßt. Alles ist trockener Verstand; Phantasie, Gemüt, Idee fehlen, wo im Menschen- leben uns nicht ein frischer Hauch der Begeisterung anweht, da gehen wir vorüber wie vor einer öden Heide, und wo die Gestaltung des Lebens nach den ewigen Jdeeen der Tugend, des Rechts, der Kunst und der Wissenschaft fehlt, da erscheint der Mensch nur als die „Spott- geburt", nicht als das Ebenbild Gottes. Zum Schluß möge hier noch eine Schilderung eines chinesischen Mittagsmales bei einem Statthalter Platz finden. „Unser Berichterstatter wurde im Mai 1900 mit seinen Begleitern, einem Dolmetscher und zwei gebildeten Chinesen, nach dem chinesischen Ceremoniell (Höflichkeitsbrauch) im Palast des chinesischen Würden- trägers empfangen, angemeldet, und dann folgte in dem Empfangssaal, der auch als Speisezimmer diente, die große „chinesische Begrüßung". Auf der einen Seite stand der Wirt, aus der auderu die drei chinesi- schen Gäste. Alle vier warsen sich auf die Kniee, dann streckten sie sich lang auf den Boden, neigten und hoben den Kopf abwechselnd drei oder vier Mal, als wollten sie den Boden umarmen. Nachdem auch wir unsere Grüße nach europäischem Brauch ausgetauscht hatten, setzte man sich, und das Essen begann. Zuerst brachte man acht bis zehn Gerichte, die in einer Art von großen Schalen und auf kleinen tellerartigen Gefäßen aufbewahrt waren. Diese Gerichte wurden in die Mitte des Tisches gestellt, wo sie während der ganzen Mahlzeit blieben. Es waren Zwischengerichte: ganze Krebse, Sellerie, Pistazien, geräucherter Schinken, ein Fisch, der in kleine Stücke zerschnitten war, Kohl, Radieschen, Magen von gekochten Hühnern, Erdnüsse, Wasser- melonen. Zwischen den eigentlichen Gerichten, die nun folgten, schöpfte jeder Gast von Zeit zu Zeit mit seinen beiden dünnen hölzernen Stecken*), die den Chinesen Löffel und Gabel ersetzen, aus einer dieser Schüsseln, so viel er wollte. Das eigentliche Diner bestand aus Gerichten, die man eins nach dem andern in den frei gebliebenen Raum mitten unter die Zwischengerichte setzte. Die Speisen waren in großen runden Gesäßen und wurden gewöhnlich mit der Bouillon gemischt. Jeder schöpfte nun nach Belieben mit den hölzernen Stecken auf die kleine Schüffel, die vor ihn gestellt war. Die Getränke wurden in *) Sie haben Ähnlichkeit mit kleinen Porzellanlöffeln.

9. Bd. 2 - S. 30

1903 - Langensalza : Greßler
30 widmen, auf eine Anstellung im Staatsdienst rechnen darf. Um Lehrer zu werden, braucht einer nicht notwendig ein Examen gemacht zu haben, noch bedarf es einer obrigkeitlichen Beglaubigung zur Über- nähme einer Lehrerstelle. Wenn nur die Eltern jemandem so viel Zu- trauen schenken, daß sie ihm ihre Kinder zum Unterricht übergeben, so steht keinem Chinesen ein Hindernis im Wege, Lehrer zu werden. Die Anzahl der Schüler, welche ein chinesischer Lehrer übernimmt, beläuft sich im Durchschnitt auf zwanzig bis dreißig. Er bekommt ent- weder seine Kost von den Eltern der Schüler und ein Gehalt von 100 bis 200 Gulden, oder er beköstigt sich selbst und empfängt dafür eine angemessene Vergütung. Seine Anstellung währt nur ein Jahr; er kann nach Verlauf dieser Zeit entlassen oder wieder aufs neue gewählt werden. - Eigentliche Schulhäuser, nur für diesen Zweck erbaut und Gemeingut eines Ortes, sind nicht gewöhnlich in China. Reiche Familien haben zuweilen ein Lokal, welches das Bücherzimmer genannt wird, das dann für den Zweck dient, oder ein Lehrer ist selbst im Besitz eines zu einer Schule tauglichen Hauses und nimmt dann die Schüler bei sich auf. Am häufigsten kommt es aber vor, daß die Schulen in die Tempel und Ahnenhallen verlegt werden. Diese sind nämlich sehr geräumig und stehen unbenutzt da, wenn nicht gerade ein Fest gefeiert wird, was des Jahres acht- bis zehnmal vorkommt. Ist der Lehrer nicht aus dem Orte selbst, so wird ihm in diesen Gebäuden ein kleines Zimmer eingerichtet, wo er schlafen, und wenn ihm die Kost in die Schule geschickt wird, auch essen kann. Die Einrichtung der Schule ist sehr einfach. Der Lehrer bekommt einen Tisch und einen Lehnsessel für sich; jeder Schüler hat selbst einen «Schreibtisch und einen Stuhl mitzubringen. Die Bücher hat ein jeder selbst anzuschaffen, sowie Papier, Tusche und Pinsel zum Schreiben. Der Eintritt in die Schule ist mit einer feierlichen Ceremonie be- gleitet. In jedem Schullokal ist ein Altar angebracht, der dem Eon- fucius, der der Gott der Wissenschaften genannt wird, geheiligt ist. Hier bringt der Lehrer zuerst ein Opfer und bittet um die geistige Gegenwart dieser vergötterten Persönlichkeit, damit unter ihrem segens- reichen Einflüsse die Schule gedeihe und berühmte Männer daraus hervorgehen. Dann folgen die Schüler mit der Darbringung ihrer Ehrfurchtsbezeugung, welche im Verbrennen von Weihrauch und in Verbeugungen vor dem Altar besteht, indem sie sich durch diese Cere- monie unter den besonderen Schutz der hier vertretenen Götter stellen wollen. Bei dieser Gelegenheit bekommen die Knaben neue Namen. Die Namensveränderung kommt noch mehreremale vor, z. B. wenn einer zum erstenmal einen Grad erlangt, oder wenn einer sich ver- heiratet. Jeden Tag, wenn die Schüler zur Schule kommen, ver- neigen sie sich gegen den Altar wie gegen den Lehrer und nehmen dann ihre Plätze ein. Dem Lehrer liegt überhaupt nicht bloß der Unterricht, sondern auch die Erziehung seiner Schüler ob. Er muß

10. Bd. 2 - S. 1

1903 - Langensalza : Greßler
i. Bilder aus Wen. 1. Überblick dieles Erdteils.* Asien liegt uns gegen Osten. Seine Größe beträgt 814000 Qua- dratmeilen, worauf 844 Millionen Menschen leben, welche meistens Mohammedaner und Heiden sind. Asien ist die Geburtsstätte der Menschheit, die Wiege der Völker, der Ursitz aller Gesittung. Die ganze alte Geschichte hat in Asien ihren Angelpunkt, von Asien aus sind die Völker vorgedrungen über Nordafrika und Europa und haben die Bildung nach Westen getragen bis nach Amerika; wie die Kultur des letzteren eine Tochter ist der europäischen, so ist Europa eine Tochter von Asien. Ehe man noch wußte, daß Europa als Anhängsel des großen asiatischen Festlandes vorhanden sei, vielleicht ehe noch ein Hirt oder Jäger über die Wolga und den Ural hinausgedrungen waren, blüheten hier schon Weltreiche, herrschten mächtige Könige in prächtigen Palästen und großen Städten über Millionen von Untertanen, forschten schon Weise in den Geheim- nissen der Sterne, ließen schon Priester zur Ehre der Götter über und unter der Erde Tempelhallen bauen, kämpften schon Völker mit Völkern auf Leben und Tod. Aber diese frühe und glänzende Bildung ist aus einem Punkte stehen geblieben. Schon 400 Jahre vor Christo, als die mächtigen Perserkönige das kleine Griechenvolk mit dem Gewicht ihrer Heere zertrümmern wollten, zeigte sich's, daß asiatischer Glanz in seiner Hohlheit und Nichtigkeit zerrann vor europäischer Kraft. Der schönste, begabteste, kraftvollste Menschenstamm, der kaukasische, ist wohl in Asien geboren, aber erst in Europa zur Eutwickelung seiner Kraft ge- langt. Und das Christentum, das ein neues Leben in die versunkene Menschheit brachte, ist wohl auf asiatischem Boden entsprossen; aber das junge Pflänzchen mußte von Asien nach Europa getragen werden, um hier zum großen, schattigen Baum, mit Blüten und Früchten reich geschmückt, emporzuwachsen. Der Bildungsstrom, der von Europa jetzt nach allen Gegenden der Erde sich ergießt, wendet sich aber auch nach Osten zu seinem Quelllande zurück, und es scheinen vier große Nationen, die Engländer, die Franzosen, die Deutschen und die Russen, von Gott dazu ausersehen, ' Grubes Bilder und Scsnen aus Asien. Geogr. Bilder. Ii.' 17te Aufl. j
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