Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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Vaterländischen Archiv für das Königreich Hannover" von Ernst Spangenberg, 1824, I. Band, S. 107—113. Danach muß man es als erwiesen annehmen, daß ein Abenteurer dieses Namens zu damaliger Zeit in den Wäldern bei Ledenburg gehaust hat, und bei einem Angriff auf die Schelenburg, die damals noch den Namen „Burg Schledehausen" führte*), umgekommen ist. Ob aber dieser Jan Östrik identisch ist mit dem unglücklichen Johann Parricida? Daß schon von alters her diese Vermutung bestanden hat, beweist der uralte, leider verloren gegangene Gedenkstein, der, wie mir von durchaus glaubwürdigen Augenzeugen versichert worden ist, die Inschrift „Johann Parricida" trug. An der Stelle, wo der alte Stein stand und wo auch der jetzige errichtet ist, fand man die Reste eines menschlichen Skeletts, die man für die Überreste des unglücklichen Schwabenherzogs Hielt. Vielleicht hat er gerade tiefe, vom Schauplatz seines Vebrechens weit entfernte öde Gegend von Westfalen ausgesucht, um unerkannt zu bleiben. Einige Autoren behaupten ja von ihm, entgegen der Annahme, daß er in Pisa gestorben sei, daß er sich in Begleitung einer Frau in den Wäldern umhergetrieben habe und dort verschollen sei (f. Müller, Geschichte der Schweiz, Band Ii. S. 19). Und der alte Historiker Thomas von Hasselbach behauptet: „In ailva feminam quandam securn habuit et ex ea filium Lathonium genuit.“
Ich habe mich der Mühe unterzogen, alles auf die Parri-cidasage bezügliche vorhandene Material zu sammeln, und ich sage an dieser Stelle allen, die mir dabei behülslich gewesen sind, meinen verbindlichsten Dank. In der nachfolgenden Erzählung lehne ich mich eng an die Lokalfage an; doch brachte es die
*) Erst im Jahre 1396, als eine Erbtochter von Schledehausen einen Herrn von Schele Heiratete, erhielt die Burg den Namen Schelenburg.
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
— Vii —
Form der Darstellung mit sich, daß ich bisweilen, wo Geschichte und Sage versagten, meiner Phantasie einen weiten Spielraum lassen mußte. Ich bemerke übrigens, daß schon vor mir von dem früher viel gelesenen Novellisten P. W. G. Blumenhagen die Ledenburger Parricidasage novellistisch unter dem Titel „Jahn der Büßende" behandelt worden ist. Auch von ihm habe ich einzelnes mit in meine Darstellung der Geschichte hinübergenommen, z. B. die Person der Mechtildis, wenn ich sie auch wesentlich anders gezeichnet habe wie Blumenhagen es getan hat. Die Schelenburger Chronik, die mir, soweit sie die Parricidasage betrifft, von dem Freiherrn B. von Schele handschriftlich mitgeteilt worden ist, weiß jedoch von einer Schwester bezw. Nichte des Burgherrn von Schledehausen nichts.
Sollte meine Erzählung dazu beitragen, sür die Ledenburger Parricidasage auch in weiteren Kreisen Interesse zu erwecken, so würde dieses der schönste Lohn meiner Bemühungen sein.
Benutzt sind von mir folgende Quellen:
1. Spangenberg, Neues Vaterländisches Archiv für das Königreich Hannover, 1824.
2. Justus Möser, sämtliche Werke, Band 6—8.
3. Friderici und Stüve, Geschichte der Stadt Osnabrück.
4. E. Müller, Geschichte der Stadt Osnabrück.
5. Stüve, Geschichte des Hochstifts Osnabrück bis 1623.
6. Melifsantes, Schauplatz denkwürdiger Geschichten, Frankfurt u. Leipzig, 1715.
7. Blumenhagen, Jahn der Büßende.
8. Handschriftliche Mitteilungen aus den Chroniken von Schelenburg und Ledenburg.
Oelsburg in Braunschweig, im Oktober 1905.
Der (Verfasser.
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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Rudolf und Friedrich zu hohen Würden gelangten — jener als König von Böhmen, dieser als Herzog von Österreich — da ließ auch ihm der Ehrgeiz keine Ruhe, und auf Anraten seines Lehrers trat er keck vor den König und verlangte von ihm sein Erbe. Aber höhnisch wies Albrecht den Jüngling zurück. „Wie kannst Du Land und Leute regieren", sagte er ihm, „da Du noch nicht einmal gelernt hast. Dich selber in Zucht zu nehmen und Dich selber zu beherrschen? Einem Knaben übergibt man nicht die Regierung eines Landes; wenn Du ein Mann geworden bist, so komme wieder, alsdann will ich sehen, ob Deinem Verlangen gewillfahrt werden kann." Durch solche Worte fühlte sich Johann tief gekränkt, und in der Seele des Jünglings tauchte wohl damals zum ersten Male der finstere Plan auf, sich au dem Oheim zu rächen, sobald sich dazu eine passende Gelegenheit biete.
Der Zwiespalt zwischen dem Könige und dem jungen Herzog konnte nicht lange ein Geheimnis bleiben, denn bei Hofe werden die Augen geschärft. Es gab unter den Fürsten und Großen des Reiches, auch in der nächsten Umgebung des Königs, viele, die um einer oder der andern Ursache willen an Albrechts Regierung etwas zu tadeln fanden, und diese unzufriedenen Elemente schlossen sich, als der Zwist offenkundig geworden war, an den jungen Schwabenherzog an, um ihn noch mehr zu verbittern. So entstand unter den Augen des Königs am Hofe zu Wien eine Verbindung, deren Mittelpunkt Johann war und zu deren Mitgliedern selbst geistliche Würdenträger zählten, wie z. B. der Erzbischof Peter Aichspalter von Mainz und der Bischof von Straßburg; denn die geistlichen Herren hatten es gar bald erfahren, daß König Albrecht durchaus nicht ein so willfähriges Werkzeug der Kirche war, als sie anfangs geglaubt hatten. Nichts Geringeres scheint diese Verbindung im Sinne gehabt zu haben, als zu gelegener Zeit Albrecht zu stürzen und an seiner Stelle den jugendlichen Johann auf den Thron zu erheben. Es ist zweifelhaft, ob der König um diesen hochverräterischen Plan wußte; sollte es aber der Fall
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
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auch nur das Geringste von dem Anschlage verraten würde.
Aber so gut auch das Geheimnis gehütet wurde, so fehlte wenig, daß die ganze Verschwörung aus Tageslicht gekommen wäre. Von Gewissensbissen gefoltert, beichtete einer der Verschworenen einem Priester den Anschlag auf das Leben des Königs, und nicht achtend des Beichtsiegels teilte der Priester dem Könige mit, in welcher Gefahr er schwebe, ohne jedoch die Namen der Verschworenen zu nennen. Aber in unbegreiflicher Verblendung verlachte Albrecht die ihm gewordene Warnung. „Das ist eine knabenhafte Drohung meines heißblütigen Herrn Neffen", sagte er leichthin. „Man tut gut, dergleichen Reden nicht ernst zu nehmen und ihnen keine allzugroße Bedeutung beizulegen. Nur ein neuer Beweis ist mir dieses Überschäumen, daß Johann zu allem eher taugt, als dazu, Land und Leute zu regieren. Wir werden Sorge tragen, daß er so bald noch nicht mit dergleichen Dingen sich zu beschweren braucht." Und so wurde denn in der Tat Johann andauernd die Herausgabe seines Erbes vorenthalten, und nach wie vor schaltete und waltete der König im Schwabenlande wie auf seinem eigenen Grund und Boden.
Mittlerweile war der Frühling des Jahres 1308 herbeigekommen, aber Johann hatte in der Erreichung seines Zieles keine Fortschritte gemacht. Da griff bei ihm mehr und mehr die Überzeugung Raum, daß der eigenwillige König ihn endgültig von der Herrschaft ausschließen, Schwaben an Österreich bringen und ihn im günstigsten Falle mit einem andern, minder wertvollen Lehen entschädigen wolle. Und so reifte in der Seele des übel beratenen Jünglings der Entschluß, blutige Vergeltung zu üben an dem Könige, dem Räuber seines rechtmäßigen Erbes, zur unseligen Tat.
Der König hatte das Osterfest in Baden im heutigen Kanton Aargau gefeiert, wo schon seine Vorfahren die Burg „Stein zu Baden" erbaut hatten. Jetzt find von dieser Feste nur noch Trümmer vorhanden, denn die
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
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hier eintraf, sind seine Genossen. Aus der Schweiz sollen sie stammen; ein anderer sagt, sie seien aus Burgund oder aus Lothringen. Der Ritter muß wohl etwas auf dem Kerbholz haben, daß er seine Heimat verlassen hat und obdachlos umherzieht im Lande; denn ohne Grund pflegt einer das nicht zu tun. Das Schlimmste ist, daß der Ludwig Post und seine Brüder einen Narren an dem Mann gefressen haben, und wenn wir uns feindlich gegen ihn stellen, so haben wir die ganze ritterliche Sippschaft am Halse. Wenn das nicht wäre, so würde ich einfach raten, die Burg zu überrumpeln und alle Insassen derselben in den Burggraben zu werfen. Nun aber heißt's vorsichtig handeln. Auf Schritt und Tritt müssen wir den Jan Östrik, so heißt der Neuling, und seine Genossen beobachten; vielleicht gelingt es uns so, einmal zu erfahren, aus welcher Ursache er landesflüchtig ist, und wissen wir das, so gibt's ja vielleicht ein Mittel ihm an den Kragen zu kommen. Und seht, deshalb habe ich Euch heute abend hierherberufen, um mit Euch zu überlegen, was jetzt zu tun sei."
Der Müller schwieg und ließ seine Augen im Kreise umherschweifen, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten; da nahm ein alter Bauer das Wort und sagte: „Warten wir es erst doch einmal ab, wie der Ritter sich zu uns stellt. Vielleicht ist es ihm ja auch darum zu tun, in Frieden mit seiner Nachbarschaft zu leben, und dann wäre es ja zu überlegen, ob wir nicht lieber mit ihm zusammen arbeiten, als daß wir uns feindlich gegen ihn verhalten. Ist er selber ein Unglücklicher, der das Licht zu scheuen hat, so wird er kein Bedenken haben, sich uns anzuschließen; und ist er ein Mann, der sich darauf versteht, eine Bande anzuführen und Zucht und Ordnung in ihr aufrecht zu erhalten, so könnte er uns eigentlich nur willkommen sein. Denn ich will es Dir nur sagen, Müller, daran fehlt es uns. Wenn wir besser zusammenhielten, wenn wir besser nach einem Plane arbeiteten, so könnten wir viel mehr ausrichten. Aber wir zersplittern unsere Kräfte. Als wir, durch die bittere Not
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
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gezwungen, vor einigen Jahren uns zusammentaten, um den reichen Kaufmann abzufangen, der von Braunschweig mit seinem vollbeladenen Wagen nach Osnabrück fuhr, da wählten wir Dich zum Hauptmann, ^er Handstreich aelang, der Mann wurde abgefangen und auf Deinen Rat kalt gemacht, obgleich ich und viele andere rieten, ihn laufen zu lassen; und seitdem ist uns mit dem Essen der Hunger nach mehr gekommen. Der eine raubt htn, der andere dort; der treibt den Schledehänsern ein paar Hammel von der Weide, jener schneidet den Bissendorfern die vollen Roggenähren von den Garben und steckt sie in den Sack, aber zu einem größeren Unternehmen sind wir nicht wieder gekommen. Uns fehlt die Einigkeit, Müller; uns fehlt ein Mann, der mit strenger Zucht uns rnsammenhält. Wenn der Jan Ostrik dieser Mann wäre — ich wäre der erste, der ihn willkommen hieße!"
„Recht hast Du, Jochen," nahm ein zweiter Bauer das Wort. „Einem Ritter gehorchen unsere Burschen auch lieber, als einem von Ihresgleichen. Und ich glaube, ein Ritter verfährt auch gerechter bei dem Verteilen der Beute. Als wir den Kaufmann aufhoben, da war nnfer Anteil am Raube nicht so groß, wie ich es erwartet hatte. Einige Ballen Zeug, einige Rollen Leder, etwas Talg, Fett und dergleichen, das war alles. Andere Sachen, hieß es wären nicht auf dem Wagen gewesen. Und doch möchte ich drauf schwören, daß ich noch viele andere Dinge gesehen habe, als ich einen Blick unter das Planlaken warf. Und sollte der Kaufmann gar kein bares Geld bei sich gehabt haben? Das ist beiseite geschafft worden, während wir ihn und seine im Gefecht gefallenen Knechte begruben, das laffe ich mir nicht ausreden. Du bliebest ja damals als Wache bei dem Wagen zurück, Müller; vielleicht kannst Du uns Auskunft geben, wo die Sachen geblieben sind!"
Der Müller warf dem Sprecher einen vernichtenden Blick zu, und feine Stimme zitterte vor verhaltenem Grimm, als er erwiderte: „Du willst damit doch wohl nicht sagen, daß ich einen Teil des Gewinnes für mich
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
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helfen, riß einen Dolch ans der Scheide und stach den König in den Hals, daß die Schlagader durchschnitten wnrde und das Blut hervorspritzte, und gleichzeitig versetzte ihm Palm einen wuchtigen Schlag über den Kopf. Röchelnd sank Albrecht vom Pferde, mit seinen brechenden Augen noch einen Blick auf Johann werfend, der den vom Blute des Ermordeten rauchenden Dolch noch in der Hand hielt. Ein armes Bauernweib, das am Wege auf einem Steinhaufen saß, fing den Sterbenden auf, und in ihrem Schoß hauchte der König seinen letzten Seufzer aus. Der fassungslos dabeistehende und vor Schreck starre Bischof von Straßburg konnte nichts tun, als dem Toten die Augen zudrücken. Die Mörder aber, zu denen sich nun auch Konrad von Tegernfeld gesellte, gaben ihren Pferden die Sporen und warfen sich in das feste Bergschloß Alt-Falkenstein, um dort die Folgen ihrer blutigen Tat abzuwarten.
Mit Entsetzen hatten Prinz Leopold und seine Begleiter vom andern User aus den blutigen Vorgang angesehen, ohne helfen zu können, denn die wilde Renß trennte sie von dem Schauplatz des Mordes. Wehklagend eilte der Sohn am User aus und ab; untätig mußte er zusehen, wie sein Vater unter dem Mordstahl der Verschwörer verblutete, und er konnte nichts tun, um das grause Verbrechen zu verhindern. Als endlich der Fährmann, dem die Hände erstarrt waren vor Entsetzen, den Prinzen und seine Begleiter herüberholte, waren die Mörder weit und der König lag mit Blut überströmt starr und tot im Schoße der weinenden Bettlerin. Fassungslos stand der junge Leopold an der Leiche seines Vaters. Der Prinz wußte recht wohl, daß dieser Mann, der hier von dem Dolch des eigenen Neffen verblutete, oft hart, eigenwillig und rücksichtslos gewesen war; aber es war doch sein Vater, der hier vor ihm lag, und angesichts des Todes mußte jede Anklage verstummen. Er sank neben dem Gemordeten in die Kniee und bedeckte die erstarrenden Hände mit Küssen und Tränen kindlicher Liebe, und die Herren seiner Umgebung standen dabei und wagten nicht
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
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sich heute an Acht und Bann?" lachte er; „wie mancher Ritter wird für vogelfrei erklärt und ist nicht schlechter als einer, der an des Königs Tafel sitzt. Daraus pfeife ich und wundere mich nur, Muller, daß Du plötzlich so vorsichtig bist. Gerade ein solcher Führer muß uus willkommen sein; denn ist er ausgestoßen von seinen Standesgenossen, so wird er's desto lieber mit uns halten Ich glaube, der Jan Östrik ist unser Mann, und ich schlage vor, wir senden morgen schon zu ihm und lassen ihn auffordern, unser Hauptmann zu werden. Wer mit mir eines Sinnes ist, der hebe die Hand auf!" Und alle hoben sie die Hände empor bis ans den Müller, der mit zornfunkelnden Augen auf feine bisherigen Genossen sah, die sich nun von ihm lossagten. „So ist's recht," höhnte er; „so werde ich ohne Weiteres beiseite geschoben und zum alten Eisen geworfen. Meinetwegen, ich kann's nicht hindern. Aber Ihr werdet meiner noch gedenken, wenn Euch die Ritter und die Pfaffen über den Hals kommen, um den Vogel zu fangen, den Ihr zu Eurem Führer wählt. Dann werde ich mich freuen, wenn ich nichts mehr mit Euch gemein habe!" Er stand auf und schritt fluchend und ohne Abschiedsgruß dem Ausgange zu, und war bald in der Finsternis zwischen den Trümmern verschwunden.
Als die Schritte des Müllers in der Ferne verklungen waren, sagte Jan Östrik leise zu seinen beiden Begleitern: „Was sollen wir jetzt tun? Sollen wir uns auch davonschleichen und abwarten, ob wirklich morgen eine Botschaft kommt, oder foll ich jetzt unter sie treten, ihnen sagen, daß ich alles gehört habe, und mich zu ihrem Führer anbieten? Wenn ich nicht abermals mich ans die Irrfahrt begeben will, so bleibt mir kaum eine andere Wahl." Und ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er auf, und, das gezückte Schwert in der Hand, trat er unter die verdutzt auffahrenden Bauern. Im ersten Augenblick wollten diese, einen plötzlichen Überfall vermutend, sich zur Wehr setzen oder entfliehen, und erst als Jan Östrik ihnen sagte, daß er nicht in feindlicher Absicht komme, beruhigten sie sich, und einige von ihnen erkannten den Ritter, von
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
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Konfession (WdK): offen für alle
Beziehung gestanden hatte zu den Verschwörern. Über tausend völlig unschuldige Menschen wurden getötet,^ und mit teuflischer Lust weidete sich das schreckliche Weib an den unglücklichen Opfern ihrer Wut.
Johann und seine Mitverschworenen mußten bald gewahr werden, daß ihre rasche Tat ihnen keinerlei Vorteil gebracht, ja daß dadurch die Sache des unglücklichen Herzogs völlig verloren war. Mit ungeahnter Schnelligkeit verbreitete sich die Kunde von dem Königsmord im ganzen Reiche, überall Abscheu und Entsetzen hervorrufend. Ja selbst diejenigen, die früher auf Johanns Seite gestanden und die Ländergier des toten Königs scharf verurteilt hatten, verdammten rückhaltlos den elenden, feigen Meuchelmord und wandten sich entschieden ab von dem Mörder. Durch den Erzbischof Peter Aichfpalter von Mainz, der vorläufig zum Reichsverweser ernannt war, wurde eine Fürstenversammlung berufen; und obgleich der Erzbischof selbst zu Albrechts Feinden und Johanns Anhängern gehört hatte, so war er jetzt doch der Erste, der die Reichsacht gegen den Königsmörder beantragte, der fortan mit dem Namen „Parricida," d. H. der „Vatermörder" belegt wurde. Papst Clemens V., der damals zu Avignon residierte, fügte dieser Acht des Reiches den Bann der Kirche hinzu, und so war Johann Parricida nebst seinen Genossen nicht nur ausgestoßen aus dem Frieden des Reiches, sondern auch aus dem Schoße der Kirche. Als die Geächteten und Gebannten in ihrem Versteck diese Kunde erhielten, faßten sie den Entschluß, sich zu trennen und einzeln zu versuchen, der Rache zu entrinnen. Es gelang allen bis auf einen, Rudolf von Wart. Von Gewissensbissen gefoltert, begab sich dieser nach Avignon zum Papst, um von ihm Absolution für seine schwere Sünde zu erflehen. Er wurde gefangen genommen und au Leopold ausgeliefert, und das Gericht verurteilte ihn zum Tode durch das Rad. In grausigster Weise wurde dieses schreckliche Urteil vollzogen. Mit zermalmten Gliedern wurde er, noch lebend, auf das Rad geflochten und dieses an der Stelle des Hochgerichtes ans
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Als die Bewegung sich gelegt hatte, sagte Jan Östrik zu seinen neuen Genossen: „Ihr habt, wie ich ans Euren Reden vernommen habe, den Müller in Verdacht, Euch bestohlen zu haben. Euer Verdacht scheint mir nicht unbegründet, und es soll eine meiner ersten Aufgaben sem, den Dieb zu entlarven. Ich _ glaube aber, daß hier m den Trümmern dieser Burg die Stelle zu suchen ist, wo er sein mit Unrecht erworbenes Gut verborgen hält. Laßt uns deshalb diesen Ort nicht verlassen, ehe wir darüber uns Gewißheit verschafft haben. Jeden Winkel der Burg wollen wir durchsuchen; vielleicht finden wir eine verborgene Mauernische oder eine Ip'ohle, die uns Aufschluß darüber gibt, wieviel im Laufe der Jahre der Müller sich zusammengescharrt hat, was er von Rechts wegen mit Euch hätte teilen müssen. Frisch ans Werk; ehe der Morgen graut, muß ein jeder von Euch wieder in seinem Hause sein!"
Dieser Aufforderung wurde alsbald Folge geleistet, und alle Winkel und Nischen der Burg wurden eifrig durchforscht. Aber so viel sie auch suchten, sie fanden nichts Verdächtiges, nichts, das auf ein geheimes Versteck hätte schließen lassen. Schon hatten die meisten das Suchen aufgegeben, und nur noch Kunz und ein junger Bauer beleuchteten mit einer Fackel einen Steinhaufen, der in einem Winkel des ehemaligen Burghofes lag. Der Steinhaufen schien nichts Auffallendes an sich zu haben; aber dem scharfen Auge des getreuen Kunz entging es nicht, daß bei einigen Steinen die mit Moos bewachsene Seite nach unten lag. Er machte seinen Begleiter barauf aufmerksam. „Die Steine sinb kürzlich erst so hingelegt worben, wie sie jetzt liegen," sagte er; „benn sonst müßte ja die moosige Seite nach oben liegen. Jebenfalls wirb es geraten sein, nachzuforschen, weshalb das geschehen ist; beshalb ans Werk, wir wollen untersuchen, was unter bcn Steinen liegt!" Mit Hilse einiger Leute, bte noch herzugetreten waren, würden die Steine entfernt, und nachdem bieses geschehen war, entbeckten sie eine große viereckige Steinplatte, und neben berselben lag ein Brech-
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