I. Aus dem Schatze unserer schönen
Literatur.
1. Deutschland über alles!
Gottfried Kinkel.
Nach Watther von der Vogelweide.
I. Manches Land hab' ich gesehen,
Manches Volk hab' ich geschaut;
Übles müsse mir geschehen,
Wollt' ich's nicht bekennen laut:
Nie hat mir gefallen
Fremder Lande Brauch;
Frei drum sag' ich's auch:
Deutscher Brauch geht über
allen!
2. Von der Elbe bis zum Rhein,
Von dem Rhein bis Ungarland
Mag's der Völker erstes sein,
Die ich in der Welt erkannt.
Kraft und reine Minne,
Treue rmverzagt,
Mut, der alles wagt,
Deutschland hält sie stets im
Sinne.
3. Deutschland, du sollst mächtig sein
Über jedes Volk der Welt,
Wie dein Eichenlaub im Hain
Über alle Wipfel schwellt.
Mag in wildem Schwmrken
Volk um Volk vergeh'n,
Du bleibst feste steh'n;
Deutschlands Stärke wird nicht wanken!
Breidenstein, Mittelschullesebuch Iv. tzessen-Nassau.
1
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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die sich unter der Dorflinde um den Sänger versammelt hatte.
Eng aneinander gedrängt, horchten sie alle, was der fahrende Mann
zu singen und zu sagen wußte von Kriegsgesang und Fehde, von
lieben und leiden Mären, die sich zugetragen draußen in der weiten
Welt, auch von lustsamen Geschichten, Schwänken und Schelmen-
stücklein, von kurzweiligem Mummenschanz und Turnieren. Dann
aber lockte die Fiedel zum Reigen, daß die Freude noch lange durch
die Nacht hinklang. Und wer hatte all das Glück ins stille, weltferne
Dörflein gebracht? „Eya," riefen sie durch die Täler und Höhen,
„wer anders als unser viellieber Herr Walther von der Vogelweiden !"
Nicht mit reichen Gaben bedacht, doch mit der Liebe aller
beschenkt, trabte der Spielmann in einen neuen Morgen hinein.
Niedriger wurden die himmelanstrebenden Felswände; liebliches
Grün überzog die sanften Gehänge, und in ihren Tälern lachten
stille grüne oder blaue Wasser. Da mußte der Schimmel oft still-
stehen, damit der Sänger all die Wunderpracht der Heimat erfasse.
Gen Abend pochten Roß und Reiter müde an der Pforte Hohen-
schwangaus.
Längst hatte des Wächters Horn vom weitausschauenden Berg-
fried den Gast gemeldet. An der Brustwehr des Burggrabens stand
die neugierige Jugend, des Ballspielens und Haschens vergessend.
Im Pförtnerstübchen wollte just der große Kunz den Humpen zum
Munde führen. Wie aber das helle Tandaradei am Tore erklang,
da hass ihm jäh den Trunk verschlagen. „Seht ihr recht, ihr alten
Augen! Tandaradei! Juchhei, da reitet Deutschlands Getreuester
ein." Und „Tandaradei! Herr Walther von der Vogelweiden !" klang’s
und jauchzte es fort aus aller Mund durch Höfe und Hallen. Nun
eilten sie herbei aus Saal und Kemenate, aus den Rüstkammern
und Ställen, aus Küchen und Gesindestuben. Allen voran Herr
Heinrich, der Burggraf. Rasselnd war die Zugbrücke niedergegangen.
Im Torweg umfing der Graf den abgesprungenen Sänger mit Gruß
und Kuß. „Gesegnet seist du, holde Abendstunde, die du mir den
Herzbruder, meinem Hause den Sänger gebracht!" Nun sank Herr
Walther ins Knie, die Burggräfin zu begrüßen. Weit hinaus und hinab
in den grünen Schwangau klang des Sängers Saitenspiel; begeistert
sang er das Lob der deutschen Frau. Bewegt beugte sich die Gräfin
zu dem Spielmann und schmückte sein Haupt mit einem Kranze
von Rosen Haupt und Schultern von Rosen umwallt, zog Herr
l*
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Extrahierte Personennamen: Walther Kunz Walther Heinrich Heinrich Walther
Walther in die Burg. „Nun laßt alle Arbeit ruh'n, Kinder," gebot
Graf Heinrichs frohe Stimme. „Jägerbursche, steckt einen Wild-
frischling an den Spieß! Schenk und Kellermeister, rollt ein Faß
dort unter die Linden vom allerbesten Roten, den die Südsonne
an den Leiten von Terlan und St. Magdalenen gezeitigt! Holet Eure
Harfe, ehrwürdiger Burgkaplan, und ihr, meine sangeskundigen
Töchter, bringet eure Lauten, Deutschlands liebsten Singemeister
zu seinen Weisen zu begleiten!"
Bald saßen sie alle unter der Linde, und Herr Walther begann
zu singen von den Blumen, die aus dem Grase dringen, vom frischen
Klee und der laubenden Linde, von der lichten, tauigen Rose, vom
Sange der heimgekehrten Nachtigall, von hochgemuten Helden und
ihrem kühnen Streiten. Reicher Beifall lohnte den Sänger; denn
manche Brust war weit geworden in Mut und Stolz, manches Auge
feucht. Verstand es ja gerade Walther wie kein andrer deutscher
Dichter durch seinen herzinnigen Volkston die Zuhörer zu jubelnder
Begeisterung mit fortzureißen.
Und wie im Mühlengrund, unter der Dorflinde und im Burghof,
so war auch der fahrende Sängersmann in der stolzen Kaiserpfalz
ein liebwerter Gast. So durchzog der gefeierte Sänger lange Jahre
Deutschlands Gaue. Endlich fand er die Ruhe seines Lebensabends
in der sonnigen Frankenstadt Würzburg. Da haben sie auch den
Sängergreis im stillen Kreuzgang des Neumünsters begraben.
Sechs Jahrhunderte schon ist der liederreiche Mund verstummt;
doch im Herzen des deutschen Volkes lebt ewig fort der Name
seines deutschen Sängers.
3. Lohengrin.
Arthur Seidl.
Es war einmal — weit, weit draußen im großen Weltmeer —
ein sonniger Berg. Schneeweiße große Schwäne umkreisten ihn langsam
und still. Auf seinen Felsen stand eine strahlend schöne Burg erbaut,
mit geräumigen Hallen, hohen Säulen und mächtigen Kuppeln, die
bis in den Azur des Himmels hineinragten, während die goldnen Zinnen
der Burg im Sonnenlicht hell erglänzten. Nur reine Menschen von gutem
Gewissen konnten den Weg durch all die wilden Klüfte zur Burg hinan
finden — bösen Leuten blieb er verschlossen; sie verirrten sich und
fielen dann in die Abgründe und Schluchten hinab, wo sie elend und
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zerschlagen verkommen mutzten. Auch durfte keinem Tiere hier ein Leid
geschehen, noch der heilige Friede in Wald und Hain gemordet werden.
Der Berg selbst hietz Montsalvat, die Burg aber war Gralsburg genannt;
denn sie bewahrte den heiligen Gral als Heiligtum — jene köstliche
Schale von Smaragd, darinnen Joseph von Arimathia das Blut des
Heilands, das vom kreuze flotz, dereinst aufgefangen hatte. Alljährlich
einmal flog eine weitze Taube aus dem Himmel herab, senkte sich durch
die hohe Kuppellichtung des Tempels auf das heilige Gefätz, das hell-
leuchtend erglühte, und legte eine Oblate, die sie im Schnabel getragen,
in seinen Kelch. Daran stärkten sich dann die Menschen, die, dem Grals-
dienst erkoren, zur Feier hier versammelt waren, das ganze Jahr hindurch,
so datz sie nichts andres mehr zu essen und zu trinken brauchten, um
Kraft zur Ausführung ihrer guten Werke zu finden.
Ein milder Fürst, Parzival mit Namen, waltete hier, und seine
Mannen waren lauter edle Ritter in weitzen Mänteln und mit strahlend
silberner Rüstung angetan. Zuweilen, wenn ein Hilferuf von fernher
zur Gralsburg drang, wurde einer von ihnen über die Meerflut nach
jenem fremden Lande hin entsandt, um die bösen Menschen zu bekämpfen,
unschuldigen Frauen und verlassenen Kindern beizustehen und ein Volk
mit gutem Beispiel zum Guten zu führen. Solange sie dabei selbst
rein und lauter blieben, konnte ihnen kein Feind etwas anhaben, da
waren sie gegen alle Wunden gefeit. Nur durften sie nicht gefragt
werden, woher sie kämen und wer sie seien; denn dann mutzten sie
wieder von hinnen ziehen nach ihrem seligen Gralreich zurück und mutzten
die Menschen ihrem Schicksal überlassen, ohne ihnen helfen zu können.
Nun war im Lande Brabant der Herzog gestorben. Er hatte einen
unerwachsenen Knaben, Gottfried, und eine schöne, junge Tochter, Elsa,
die beide auch ihr Mütterlein schon verloren hatten, als Erben hinter-
lassen. Jedoch eine wilde, gar böse Here lebte im Lande, Frau Ortrud,
die Gemahlin des Grafen Telramund, der die nächste Anwartschaft
auf den Herzogsthron hatte. Frau Ortrud war ein gar herrschsüchtig
Weib und wollte nicht, datz der Knabe Gottfried dereinst über das
Brabanterland regieren sollte. Also verzauberte sie eines Tages den
kleinen Prinzen in einen Schwan, so datz er daoonschwamm und den
Blicken der Seinen ganz entschwand. Und darauf klagte Ortrud die
unschuldige Elsa vor allem Volke an, datz sie ihr Brüderchen auf die
Seite geschafft, ja sogar gemordet habe, um selber die Herzogin im
Lande spielen zu können.
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Extrahierte Personennamen: Joseph_von_Arimathia Gottfried Elsa Gottfried Elsa
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Als König Heinrich, dem diese Kunde zu Ohren gekommen, im
Reiche Brabant anlangte, um Gericht zu halten und zu erfahren, was
an der Sache wahr wäre, da versammelte er das ganze Volk im Freien
unter einer alten, starken Eiche am Ufer jenes Stromes, der breit
durch das Land fließt. Er ließ auch die trauernde Elsa mit ihren
Frauen herbeirufen, und Graf Telramund trat auf und brachte die
schlimme Anklage gegen Elsa vor, die seine arglistige Frau ihm selbst
zugeraunt hatte. Der König, der gar bald merkte, daß die sanfte
Elsa solch schwere Untat nicht begangen haben könnte, fragte sie mild:
„Sag', Elsa, was hast du mir wohl zu vertrauen?" und er drang
in sie. ihr einen Ritter zu nennen, der im Kampfe mit dem Grasen
Telramund für ihr Recht einstehen und ihre Unschuld bezeugen würde.
Da kniete die unglückliche Maid nieder und rief unter heißen Tränen:
„Hilf, Himmel, es ist eine schwere Verleumdung, was man da von
mir aussagt! O, ich gäbe so viel darum, wenn ich selbst nur wüßte,
was für ein Unglück meinein armen Brüderchen zugestoßen, um das
ich so viele Tage und Nächte nun schon geweint habe! Der liebe
Gott mag mir in meiner Not beistehen, und ich vertraue auch ganz
auf ihn; denn er hat mir auf mein heißes Flehen im Traume einen
tapferen Ritter gezeigt, der mein Beschützer und Streiter sein soll, auf
daß meine Tugend offenbar werde!" „Gut denn," meinte der gerecht
denkende König, befahl die Anordnung des Kampfes und reichte Elsa
gütig die Hand, sie zum Sitze an seiner Seite hinanzuführen,- denn er
glaubte ihrem tiefen Schmerze.
Nun trat der Herold mit seinen vier Fanfarenbläsern vor, um
den Ruf nach dem unbekannten Ritter ertönen zu lassen, der sein gutes
Schwert für die bedrängte Fürstin ziehen und ihre Reinheit wider ihre
Verleumder schirmen wollte. Immer, wenn die Trompeter ihre Signal-
rufe nach den vier Himmelsrichtungen hinausgeblasen hatten, rief der
Herold, seinen goldnen Stab dreimal am Boden ausstoßend, mit
erhobener und weithin vernehmbarer Stimme: „Wer hier zu streiten
kam für Elsa von Brabant, der trete vor — der trete vor!" Schon
zweimal war dieser Ruf erklungen, ohne daß sich jemand aus der um-
stehenden Menge meldete, noch einer irgendwie Miene machte, der Jung-
frau beizuspringen. Schon war Elsa mit ihren Frauen, alle inbrünstig
betend, auf die Knie niedergesunken; schon blickten der Graf Telramund
und seine schlimme Frau voll hämischen Triumphes im Kreise umher;
schon gaben auch die Umstehenden, ja der edle König selbst, der Elsa
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Elsa Elsa Elsa Elsa Elsa Elsa_von_Brabant Elsa
doch so gern geholfen hätte, ihre Sache verloren. Allein der laute,
deutliche Ruf war durch die klare Luft auch nach der fernen, fernen
Gralsburg gedrungen. Und da — beim dritten Male, als alle Hoffnung
schon gesunken war und das Volk bereits anfing, dumpf zu murren:
„In diesem Schweigen richtet Gott — Elsa ist am Ende doch die
Schuldige!" — da rief es plötzlich in den hintersten Reihen: ,,Ein
Wunder, ein unbegreiflich hohes Wunder! Seht nur auf den Fluß
hinaus!" Sofort blickte alles dorthin. Und siehe da, auf dem Strome,
noch in weiter Ferne, aber näher und näher kommend, gewahrte man
— von einem Schwan an einem goldnen Kettchen mit dem Schnabel
gezogen — einen prächtigen Kahn, in dem stand aufrecht ein statt-
licher, schöner Ritter in Silberrüstung mit einem strahlenden Helm auf
dem blonden Lockenhaupt. Immer mehr näherte er sich in langsamer,
feierlicher Fahrt dem Ufer, wo die Lenke dicht schon standen und sein
Landen erstaunt erwarteten. Und als er jetzt, nachdem er angelegt, aus
dem Nachen stieg, streichelte er den Hals seines braven Tieres, gab
ihm Jucker in seinen roten Schnabel und liebkoste es, indem er es
innig ansang: „Leb' wohl, mein lieber, guter Schwan! Kehr' du nun
wieder durch die Wasserflut zu unsrer glücklichen Heimat zurück und
grüß' mir den Vater und die lieben Brüder alle! Ich will derweilen
hier bleiben und meine hohe Pflicht als Streiter für Recht und Ehre
erfüllen zum Heile der fälschlich angeklagten Jungfrau."
„Denn wisset" — damit wandte er sich an die umstehende Menge,
während der Schwan folgsam schon die Heimfahrt antrat — „frei
von aller Schuld ist Elsa von Brabant; des zum Zeugen bin ich
von Gott hierher gesandt." Alles atmete freudig erleichtert auf, da der
hehre Ritter nun in den Kreis vor den König trat, vor diesem ehrerbietig
sich verneigte und die Landeseinwohner stolz begrüßte. Bevor er sich
hierauf aber zum Kampfe rüstete, wandte er sich noch an Elsa, die
er sogleich erkannte, ob er sie auch vorher niemals gesehen: „So sprich,
Elsa, willst du dich meinem Schutze anvertrauen? Und wenn ich im
Kampfe für dich siege, willst du alsdann, daß ich dein Gatte sein und
heißen soll?" Elsa sank jetzt, von Wonne schier überwältigt, zu
seinen Füßen hin: „Mein Held, mein Retter du, dir geb' ich alles,
was ich bin!" Doch noch ein strenges Gebot richtete er an iie: „Elsa,
nie darfst du mich befragen nach Namen, Herkunft oder Heimat; du
mußt an mich als Gottgesandten glauben, soll nichts uns wieder von-
einander scheiden!" Das gelobte ihm denn Elsa heilig und teuer zwei-
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aber seinen Namen vorerst nicht sagen durfte und in edler Demut auch
nicht Herzog sich nennen wollte, so befahl er dem Herold, dem Lande
zu künden, daß man ihn als den „Schützer von Brabant" fortan begrüßen
solle.
Inzwischen, und zwar schon in der finsteren Nacht vordem, hatte
die trotzige Ortrud ihrem Gemahl, der durch den König vom Hofe
verbannt und des Landes verwiesen worden war, bittere Vorwürfe
darüber gemacht, wie er sich durch einen schnöden Zaubrer so rasch
habe betören lassen können und ihre weibliche Ehre so schlecht gewahrt
habe. Aller Zauber würde von dem fremden Manne sofort gewichen
sein, wenn ihm nur erst das kleinste Glied seiner Hand entrissen worden
wäre. Graf Telramund, der sich vor seinem eignen Weibe der Nieder-
lage schämte, verschwor sich darauf bei Stein und Bein, noch blutige
Rache an seinem Besieger zu nehmen. Er wolle seiner schon noch Herr
werden! Ortrud aber, die Ränkevolle, kauerte sich unter dem Palast
an die Stufen zu Elsas Gemächern hin, zum heuchlerischen Zeichen
ihrer tiefen Trauer in einen dunkeln Mantel gehüllt, und gebärdete
sich so, als ob ihr der Schmerz über ihr Mißgeschick gar sehr zu Herzen
ginge. Elsa, die dumpfe Klagelaute zu ihrer Altane hinauftönen hörte,
als sie nächtlicherweile ins Freie hinaustrat, ließ ihre Dienerinnen rasch
nachforschen, woher sie kämen. Diese meldeten ihr, daß die Gattin
Telramunds dort unten, in Tränen aufgelöst, vor Kummer sich beinahe
verzehre. Elsa, die ein zu gutes Herz besaß und der schlimmen Frau
ihr Unrecht längst wieder verziehen hatte, erbarmte sich ihres wilden
Leides. Arglos lud sie Frau Ortrud ein, zu ihr heraufzukommen und
bei ihr sich auszuweinen; denn sie wollte ihren Schmerz durch sanfte
Zusprache lindern. Das aber war es gerade, was die tückische Ortrud
beabsichtig! hatte — sie wollte in das Haus aufgenommen sein und mit
allerlei Ränken auf Elsas reine Seele schlimmen Einfluß ausüben. Kaum
war sie drinnen, da begann sie auch schon leise und vorsichtig, wie
eine wahre Herzensfreundin, der jungen Frau aufzuliegen, wie sie es
nur fertig gebracht habe, einen Unbekannten zum Gemahl zu nehmen,
nach dessen Namen sie doch niemals fragen dürfe. — Was das wohl für
eine Liebe sein müsse, die nicht einmal den eignen Mann zärtlich beim
Namen nennen könne — und was dergleichen Einflüsterungen mehr waren.
Die arme Elsa war zu schwach in ihrem Herzen, um das lange ruhig
mit anhören zu können. Bald begann sie darüber nachzugrübeln. Dumpfe
Zweifel bedrängten sie, und als sie mit ihrem Gatten in einer herrlichen
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Mondnacht einmal auf dem Ruhebett am Fenster traulich zusammensaß,
da konnte sie der Versuchung nicht mehr widerstehen, die verbotene
Frage an ihn zu stellen. ,,O bitte, bitte, liebster Mann," bat sie,
„ich vergehe ja vor Sorge und Neugierde, zu wissen, wer du bist
und wie du heißest. Sage mir doch jetzt endlich deinen Namen, damit
ich dich liebkosend auch anrufen kann und nicht glauben soll, daß dich
der Schwan eines Tages mir wieder entführen wird."
Kaum aber waren ihrem Munde diese törichten Worte entfahren,
da tat sich plötzlich die Tür ihres Gemaches auf, und herein stürzte
zusammen mit vier andern unheimlichen Gesellen der Graf Telramund,
vermummt in einen schwarzen Mantel, mit dem Schwerte frech auf
den „Schützer von Brabant" losziehend. Mit einem einzigen raschen
Schlage, sicher und fest, streckte Elsas Gatte seinen Angreifer tot zu
Boden, so daß die übrigen vier Verschworenen, entsetzt ob solcher Kraft,
rasch wieder von dannen flohen. Mit wehmütiger Miene wandte sich
der Gatte, nachdem dies alles geschehen war, an sein zerknirschtes Weib,
das zuerst mit höchster Angst dem Angriff zugesehen hatte und danach
den Blick nicht mehr zu seinem Gemahl aufzuschlagen wagte, weil es
nun gern reumütig alles wieder ungeschehen gemacht haben würde. Doch
nun war es damit viel zu spät! Seine Hand weich auf ihr hellblondes
Lockenhaupt legend und ihr lange ins Auge blickend, sprach er schmerz-
ersüllt zu ihr: „Ach, Elsa, mein geliebtes Weib, warum hast du mir
das angetan? Welch unseliger Fluch hat dich nun getrieben, also grausam
unser junges Glück zu zerstören?" Und er rief ihren Frauen, damit
sie sie ankleiden sollten, um sie vor den König zu geleiten, in dessen
Gegenwart er sie dann wiedersehen und ihr alles offenbaren wollte.
Am andern Morgen waren an derselben Stelle wie bei der Ankunft
des Schwanennachens der König, sein Gefolge, alles Brabanter Volk
und Gesinde wieder vollzählig versammelt; denn eine Kunde war ins
Land gedrungen, daß der Feind mit kriegerischer Macht den Grenzen
nahe, das Reich anzugreifen und zu verheeren. Da gab es denn gar
viel zu beraten, was geschehen solle, um diesen Einbruch zur rechten
Zeit abzuwehren. Auch Elsa war in der Stille herbeigeführt worden,
und Frau Ortrud, die sich mit herangeschlichen, hielt sich verborgen im
Hintergrund. Nur Graf Telramund fehlte dieses Mal, statt seiner stand
eine schwarz verhängte Totenbahre vor dem König.
Als zuletzt der fremde Ritter erschien, begrüßte er in edlem Anstand
zuerst den König und bekannte hierauf ruhig und gefaßt: „Ich habe
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heute nacht den Grasen Telramund erschlagen, der mir nach dem Leben
trachtete. Aus Notwehr tat ich's, sagt, ob Ihr mich der Schuld frei-
sprecht?^ — „Ihr habt recht daran getan," bestätigte der König. „Nun
aber mutz ich Euch die schmerzlichste Kunde berichten," fuhr der junge
Ritter fort, „Elsa, mein liebes Gemahl, hat ihr Versprechen nicht gehalten.
So kann ich also auch nicht mehr euer Schützer bleiben, ihr Edlen
von Brabant; nach unserm strengen Gebot müssen wir von Gott ent-
sandten Ritter, gefragt, wer wir seien, sogleich von dannen ziehen. Denn
wisset, jetzt darf ich's euch ja sagen, was ihr nach einem Jahre sonst
erfahren hättet: vom heiligen Eral bin ich aus einem hehren Reich
geschickt, da, wo mein Vater Parzival, an Würden reich und Ehren
stark, regiert; und ich, sein Sohn, bin Lohengrin genannt! Seht dort,
schon sendet nach mir Säumigem der Gral. Der Schwan kommt mit
dem Nachen schon den Flutz daher geschwommen und will heimwärts
zieh'n." Grotz war nun die Bestürzung bei allen, die das hörten, und
Elsa, die Ärmste, fiel über dem jähen Schrecken in eine tiefe Ohnmacht.
Nur Ortrud stand schadenfroh; sie wollte über ihren eignen Sieg nun
triumphieren. Als dies der hehre Lohengrin gewahrte, jammerte ihn
sein Weib, das er so allein hier zurücklassen nutzte, und fast noch mehr
das Volk der Vrabanter, das nun ohne Führer in den Krieg ausziehen
sollte. Rasch entschlossen, kniete er am Ufer nieder in inbrünstigem Gebet,
auf datz der heilige Gral selber durch die blauen Fluten den Kahn heim-
ziehen, dafür den jungen, von Ortrud ehemals in den Schwan ver-
zauberten Herzog Gottfried, Elsas Bruder, entzaubern und ihr wieder
lebend als Stütze zurückgeben möge. Und als er so betete, siehe! da
senkte sich in blendend hellem Lichtschein die weitze Taube langsam über
seinem Haupte vom Himmel herab. Nun löste er freudig das goldne
Kettchen des Nachens vom Schwane los, band das flatternde Täubchen
daran und fuhr, von ihm jetzt gezogen, mit einem traurigen Abschieds-
blick auf die noch immer ohnmächtige Elsa ganz leise davon. Der Schwan
aber war ins Wasser untergetaucht, und aus seinem Gefieder entstieg
nun der junge Herzog Gottfried, den die Brabanter so lange vermitzt
hatten und als ihren angestammten Herrn jetzt alle jubelnd begrützten.
Als der schon Verlorengeglaubte darauf zu frohem Wiedersehen auf
seine Schwester zueilte, die eben wieder die Augen öffnete, und sie milde
zu trösten suchte, da fiel Frau Ortrud vor Entsetzen über das Fehlschlagen
und Offenbarwerden ihrer Antat entseelt zu Boden.
Bald zog nun Gottfried als Herzog an der Spitze seines Heeres
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Extrahierte Personennamen: Gott Elsa Gottfried Elsa Gottfried Gottfried
3. Ihr Edleren, ach, es bewachst
Eure Male schon ernstes Moos!
O, wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sahe sich röten den Tag, schimmern die Nacht.
14. Der gerettete Jüngling.
Johann Gottfried von Herder.
Eine schöne Menschenseele finden
Ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist,
Sie erhalten, und der schönst' und schwerste,
Sie, die schon verloren war, zu retten.
Sankt Johannes, aus dem öden Patmos
Wiederkehrend, war, was er gewesen,
Seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen
Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen
Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte
Vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen
Sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling," sprach er zu dem Bischof,
„Nimm in deine Hut! Mit deiner Treue
Stehst du mir für ihn! Hierüber zeuge
Mir und dir vor Christo die Gemeine!"
Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich,
Unterwies ihn, sah die schönsten Früchte
In ihm blühn, und weil er ihm vertraute,
Liest er nach von seiner strengen Aufsicht.
Und die Freiheit war ein Netz des Jünglings;
Angelockt von süsten Schmeicheleien,
Ward er müstig, kostete die Wollust,
Dann den Reiz des fröhlichen Betruges,
Dann der Herrschaft Reiz: er sammelt' um sich
Seine Spielgesellen, und mit ihnen
Zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber.
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Extrahierte Personennamen: Johann_Gottfried_von_Herder Johann Johannes Christo