Mathematische Geographie
und
Kartographie.
Ergänzungsheft
zur Ausgabe A des Lehrbuchs der Erdkunde.
Mit einem Titelbilde und 32 Abbildungen im Text.
Von
Heinrich Kerp,
Königl. Kreisschulinspektor zu Kreuzburg O/S.
1. und 2. Auflage.
âtîdna!«53 Schuibughinfttìtut
Georg-Eckert-! nstfturt
Hl Internationale Schu-'ju£nfaj9
Trier 1911 Braunschweij
Verlag der Fr. Lintz sehen Buchhandlung
Friedr. Val. Lintz.
Inventarisiert unter
lsbl-Sb.in
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium]]
TM Hauptwörter (200): [T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
2
Mathematische Geographie.
wir Himmelskugel oder Himmelssphäre (v. griech. sphâira =
Kugel) (Abb. 3.)
Xpunktle Der Punkt, der sich senkrecht über uns, über unserm Scheitel
h. Linien, befindet, wird Scheitelpunkt oder das Zenit, der Punkt, der
sich senkrecht unter uns befindet, Fußpunkt oder der Nadir
genannt. Die gerade und senkrechte Linie, durch welche Zenit
und Nadir verbunden werden, heißt Scheitellinie oder Vertikal-
linie (v. lat. vertex = Scheitel); sie wird auch, da sie durch
unsern Standpunkt geht, Stand lini e genannt.
Huninieiskreise. über die Horizontfläche können wir uns Linien, am Himmels-
gewölbe Kreise gezogen denken. Unter den geraden Erdlinien,
die über die Horizontfläche laufen, haben die, welche sich recht-
winklig schneiden, für uns einen besondern Wert ; denn mit ihrer
Hülfe können wir Länge und Breite von Erdräumen messen.
Wir könnten diese Linien des-
halb Längen- und Breiten-
linien nennen. Unter den Him-
melskreisen sind ebenfalls zwei
Arten am wichtigsten. Die
Kreise, die durch Zenit und Nadir
gehen, durchschneiden den Hori-
zont rechtwinklig. Da sie die
Scheitel- oder Vertikallinie
(Standlinie) als Durchmesser
haben, werden sie Scheite 1-
oder Vertikalkreise (Abb. 3)
genannt. Sie sind sfets größte
Kreise, d. h. sie umspannen die
ganze Himmelskugel, in ihrer
größten Weite, und ihr Mittel-
punkt fällt mit dem Mittelpunkte
der Himmelskugel zusammen.
Von besonderer Bedeutung sind zweitens die Himmelskreise, die
parallel zum Horizonte sind. Da sie den Höhenabstand von der
Horizontfläche angeben, werden sie Höhenkreise (Abb. 3) ge-
nannt. Nur der die Verlängerung der Horizontfläche bildende
Höhenkreis (in Null-Höhe) ist ein größter Kreis (wobei aber der
Unterschied zwischen scheinbarem und wahrem Horizont außer acht
bleibt), alle übrigen werden auf den Zenit und den Nadir zu
immer kleiner. Der Mittelpunkt von allen Höhenkreisen liegt in
der Scheitel- oder Vertikallinie (Standlinie). (Abb. 3.)
2. Die scheinbare Bewegung der Himmelsgestirne und
der Himmelskugel; die Himmelsgegenden.
§ Wir sehen täglich die Sonne morgens am Horizont aufgehen,
Himmeis- mittags kulminieren (v. lat. culmen = Gipfel), d. h. den höchsten
gewöibes. Stand am Himmel erreichen, und abends am Horizonte wieder
Zentf
Afad/r
Abb. 3. Vertikal- und Höhenkreise.
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung]]
10
Mathematische Geographie.
äquator weicht dieselbe nach N und S ab, und zwar beträgt die
Neigung 23^2°. Man spricht deshalb von der Schiefe der
Ekliptik. Der von der Linie der Ekliptik durchschnittene Kreis
von Sternbildern wird Tierkreis genannt. Er setzt sich aus
folgenden Sterngruppen zusammen:
Y « n 0 Q
Widder Stier Zwillinge Krebs Löwe Jungfrau
— ** % «• X
Wage Skorpion ""¿¿Schütze Steinbock Wassermann Fische
Da die Sternbilder eine verschiedene Länge haben, ist die Ekliptik
in zwölf gleiche Teile von je 30°, in die 12 Himmelszeichen
eingeteilt worden, die mit den Sternbildern gleiche Namen haben,
aber räumlich mit ihnen nicht vollständig übereinstimmen. Als
Anfang der jährlichen Sonnenbahn wird das Zeichen des Widders
angenommen. Er war einst der Frühlingspunkt. Dieser ver-
schiebt sich aber jährlich etwas nach W, in 72 Jahren um Io,
in 2160 Jahren also um 30° oder ein Sternbild, so daß die Sonne
jetzt am 21. März im Sternbild der Fische steht.
5. Die Jahreszeiten.
Die Sonne spendet der Erde die Wärme. Sie erwärmt
S °- die Erde aber nicht gleichmäßig während des Jahres. Von dem
Ejnahreszekener Stande der Sonne am Himmel und von der täglichen Dauer des
Sonnenscheins hängt der Grad der Erwärmung ab. Wenn die
Sonne höher steigt und ihre Strahlen senkrechter und länger die
Erde treffen, wird es wärmer; wenn das Umgekehrte der Fall
ist, wird es kälter. Die Sonne bewirkt also den Wechsel einer
warmen und einer kalten Jahreszeit, von Sommer und Winter.
Den Ubergang zwischen beiden nennen wir noch besonders Herbst
„ , und Frühling.
Dauer der
Jahreszeiten. Den Frühling rechnet man vom 21. März, der Frühlings-
Tagundnachtgleiche oder dem Frühlings-Äquinoktium, bis zum 21.
Juni, also der Sommer-Sonnenwende oder dem Sommer-Solstitium,
der Sommer dauert dann bis zur Herbst-Tagundnachtgleiche oder
dem Herbst-Äquinoktium, dem 23. September, der Herbst bis zur
Winter-Sonnenwende oder dem Winter-Solstitium, dem 21. Dezember,
der Winter bis zum 21. März.
Ii.
Erde und Himmel
nach den Ergebnissen des menschlichen Denkens.
1. Die wirkliche Gestalt der Erde.
§ 6. Die Erde hielt man früher, dem Augenscheine gemäß, für
Anünnahmeürderc e^ne Scheibe. Allerlei Beobachtungen sprechen aber gegen
Kugelgestalt. diese Annahme. Von der Küste aus und auf dem Meere sieht
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
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TM Hauptwörter (200): [T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Erde und Himmel nach den Ergebnissen des menschlichen Denkens.' 11
man von Schiffen, die sich nähern, zuerst die Masten bezw. den
Rauch, und allmählich erst taucht auch der Rumpf aus dem Wasser
heraus. Reist man eine große Strecke südwärts, so schaut man
am südlichen Horizont neue Sterne, und am nördlichen sind andere
nicht mehr sichtbar, und reist man nach O oder W, so sieht man
bekannte Sterne früher bezw. später aufgehen Alle diese Er-
scheinungen sind unmöglich, wenn die Erde wirklich, wie sie uns
erscheint, eine Scheibe wäre, sie erklären sich aber von selbst,
wenn wir annehmen, daß ihre Oberfläche kugelartig gewölbt ist.
Schon Aristoteles (f 322 v. Chr.) hatte die Kugelgestalt der Erde
erkannt. Er folgerte sie besonders aus der Tatsache, daß bei einer
Mondfinsternis der Erdschatten auf der Mondscheibe stets kreis-
förmig erscheint. Später haben die Weltumsegelungen, von
welchen die erste 1519—1522 durch den kühnen portugiesischen
Seefahrer Magellan erfolgte, den Erfahrungsbeweis erbracht,
daß die Erde eine kugelförmige Gestalt hat.
Abb. 10. (Nach Wagner.)
Jeder sich schnell drehende Körper muß sich, wenn er nicht Das Qeoid'
völlig starr ist, infolge der Wirkung der Fliehkraft in der Mitte
ausbauschen. Auch die Erde muß eine Ausbauschung am Äquator
und demgemäß eine Abplattung an den Polen zeigen. Sie kann
nur ein kugelähnlicher Körper, ein Sphäroid (v. gr. sphaira = Kugel)
sein. Durch Pendelbeobachtungen und Gradmessungen ist die Ab-
weichung der Erdgestalt von der regelmäßigen Kugelgestalt bestätigt
worden. Die halbe Äquatorachse oder halbe große Achse wurde
zu 6 377,397 km, die halbe Erdachse oder halbe kleine Achse zu
6356,079 km berechnet. Der Unterschied, die Polabplattung,
beträgt also nur 21,318 km oder 1:299. Durch die Untersuchungen
wurde aber ferner nachgewiesen, daß die Erde auch kein Sphäroid
bilde, sondern daß sich ihre Oberfläche aus ineinander übergehenden,
verschieden stark gekrümmten Flächen zusammensetzt. Man wählte
für einen solchen allseitig verschieden gekrümmten Körper den Namen
Geo'id. (Abb. 10) Die verschiedene Krümmung betrachtet man als
das Ergebnis ungleicher Anziehung durch die innern Erdmassen.
Die Beobachtung, daß in den Äquatorgegenden das Pendel p°iabpiattung.
langsamer als in den nördlichen Gegenden schwingt, machte zuerst
der Franzose Jean Richer (risché) bei einer Reise nach Cayenne
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien]]
12
Mathematische Geographie.
(5° N). Diese Beobachtung bewies zunächst nur, daß am Äquator
die Schwerkraft geringer sei. Erst der Engländer Newton (njût'n,
1643—1727) und der Holländer Huyghens (heuschens, 1629—1695)
zogen aus ihr den Schluß, daß die Erdkugel am Äquator etwas
ausgebauscht, an den Polen aber abgeplattet sei.
Z erit
2. Der wahre Horizont.
§ 7. Aus der kugelförmigen Gestalt der Erde geht hervor, daß
Die Horizonte, die Horizontfläche keine wagerechte Ebene, wie es scheint, sondern
eine flach gewölbte Fläche bildet. Denkt mau sich durch unsern
Standort eine Tangentialebene gelegt
und diese bis zu den fernsten Himmels-
weiten verlängert, so nennt man diese
Ebene zum Unterschied vom natür-
lichen Horizont unsern astrono-
mischen oder scheinbaren Hori-
zont. Den richtigen, unveränderlichen
Horizont des Ortes erhält man aber
erst, wenn man parallel zum astro-
nomischen oder scheinbaren Horizont
eine Ebene durch den Mittelpunkt der
Erde legt. Diese Ebene ist der wahre
Abb u Horizont des Ortes. Er ist vom
scheinbarer u. wahrer Horizont, natürlichen und vom scheinbaren Hori-
zonte stets um die Länge des Erdhalb-
messers entfernt. Nur durch den wahren Horizont wird die Himmels-
kugel wirklich halbiert.
Berechnung Die Erkenntnis des wahren Horizonts öffnet uns die Einsicht, wie die
. ^er Aussichtsweite von Bergen berechnet werden kann is. Abb. 12). S ist
esic swei e' unser Nordpunkt, C der Mittelpunkt der Erde, h der Endpunkt des Erdhalb-
messers, und bei D liegt der 90° betragende Tan-
gentenwickel. Mit Hülfe des pytagoräischen
Lehrsatzes wird die Gesichtsweite S D wie folgt
berechnet :
Sd2 = Sc2 — Dc2
= (r + h)2 — r2
= r + 2rh + h2 — r 2
— 2 r h + h 2 ; also
Si) = Yh (2r + h).
Da der Durchmesser der Erde (2r) seh- groß
im Vergleich zu den höchsten Bergen auf der Erde
ist, so darf man unter der Wurzel, ohne daß der
Fehler auffällig würde, 2 r statt 2 r + h setzen. Die
Formel heißt dann : S D = ]/"2 r • h. Der Durch-
Ahh i9 r r-h h messer der Erde beträgt 12 755 km, die Höhe z. B.
Gesichtsweite!0 ^ der Schneekoppe im Riesengebirge (des höchsten
Punktes von Preußen) 1600 m oder 1,6 km, die
Aussichtsweite von diesem Berge also ] 12 755 x 1,6 = 142,4 km, d. h. man
würde, wenn keine Einflüsse die Sehweite herabsetzten, bis Oppeln in Schlesien,
bis hinter Prag in Böhmen und bis Dresden in Sachsen sehen können.
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Erde und Himmel nach den Ergebnissen des menschlichen Denkens. 13
3. Die verschiedenen Sphären.
Die Erdenbewohner schauen den Himmel, dessen Gestirne und § 8.
ihren scheinbaren Lauf nicht in der gleichen Weise. Die Lage Die^drei
des Himmels zur Horizontfläche ist, weil die Erdoberfläche p aren
kugelförmig gekrümmt ist, verschieden. Man unterscheidet drei
Sphären, d. h. Ansichten der Himmelskugel, die gerade
oder senkrechte, parallele und schiefe Sphäre:
1. Die gerade oder senkrechte Sphäre (sphaera recta) gilt
für die Bewohner des Erdäquators. Für sie fällt der wahre
Horizont mit der Himmels-
achse zusammen, der Himmels-
äquator geht durch Zenit und
Nadir, steht also senkrecht
zum Horizont, und ebenso müssen
die übrigen Parallelkreise die
senkrechte Lage haben. Durch
den wahren Horizont werden alle
Parallelkreise halbiert, alle
Himmelsgestirne gehen senk-
recht auf und senkrecht unter,
ihr Tageslauf dauert zwölf
Stunden, und ebenso lang bleiben
sie unter dem Horizont. Dies
gilt auch von der Sonne, so daß
also jeder Tag und jede Nacht 12 Stunden dauert.
2. Die parallele Sphäre (sphaera parallela) würde für Pol-
bewohner gelten Der Weltpol steht im Zenit, der wahre
Horizont fällt mit dem Erd- und dem Himmelsäquator zu-
sammen. alle Gestirne laufen
parallel zum Horizonte, nur in
verschiedener Höhe über diesem,
es findet also kein Aufgang und
kein Untergang der Gestirne
statt, und nur die Hälfte des
Himmels ist sichtbar, am Nordpol
die nördliche, am Südpol die
südliche. Tag und Nacht dauern
je ein halbes Jahr; denn die
Sonne umkreist am 21 März(bezw.
23. September) den Horizont,
steigt in einer Spirale täglich
etwas höher bis zu 23v20, um
dann ebenso wieder tiefer zu
sinken, bis sie am 23. September (bezw. 21. März) wieder den
Horizont umkreist und dann verschwindet.
3. Die schiefe Sphäre (sphaera obliqua) gilt für alle übrigen
Erdenbewohner, also auch für unsere Erdgegenden. Himmels-
Abb. 14. Parallele Sphäre.
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Erde und Himmel Dach den Ergebnissen des menschlichen Denkens. 15
5. Die wirklichen Bewegungen der Erde,
a) Die Drehung der Erde um sich selbst oder die Rotation.
Die Drehung des Himmelsgewölbes ist nur eine schein- <§ 10.
bare. Nicht das Himmelsgewölbe mit den Gestirnen dreht sich, Täuschungen.'
sondern die Erde mit uns. Die Täuschung ist die nämliche, wie
die, welche wir erleben, wenn sich ein Eisenbahnzug mit uns in
Bewegung setzt, oder wenn Wolken unter dem Monde herziehen;
wir glauben dann, die Gegenstände, die wir durch das Wagen-
fenster sehen, wären in Bewegung gekommen, oder der Mond
bewege sich schnell zwischen den Wolken fort. Die Sonne müßte,
wenn sie sich wirklich um die Erde bewegte, täglich, also in 24
Stunden, eine Strecke von 934 Millionen km (= der Erdbahn)
durcheilen, also in 1 Sek. einen Weg von 24x60x60 = 1^800 km
(= 3 X die Strecke vom Nordkap im Norden Norwegens bis
zur Nordküste Afrikas) zurüklegen. Auch beim Vergleichen der
Größe der Erde mit der Sonne, die 1300 000 X, so groß als unser
Planet ist, müssen in uns Zweifel an dieser Tatsache aufsteigen.
Wir müssen dann von selbst zu dem Gedanken kommen, daß die
kleine Erde sich bewegt und nicht die große Sonne. Zuerst hat
Nikolaus Kopernikus (1473—1543) den Nachweis geführt, daß
die Bewegungen der Sonne und der übrigen Gestirne nur
scheinbar wären, daß in Wirklichkeit die Erde sich bewege;
doch waren auch schon im Altertum solche Gedanken aufgetaucht.
Der tägliche Umschwung von Sonne, Mond und Sternen und ^Drehung
die Entstehung von Tag und Nacht erklärt sich auf die einfachste der Erde.
Weise, wenn wir annehmen, daß die Erde sich täglich einmal
um sich selbst, d. h. um ihre Achse dreht. Der unmittel-
bare Beweis hierfür ergibt sich aus dem Fallversuche Ben-
zenbergs, den dieser zuerst vom Michaelisturm in Hamburg
herab ausführte. Läßt man von einem Turm einen Stein herab-
fallen, so muß dieser, da er von einem Punkte kommt, der einen
größeren Abstand vom Mittelpunkte der Erde und daher eine
größere Umdrehungsgeschwindigkeit oder Schwungkraft hat, beim
Fallen etwas nach 0 von der senkrechten Richtung abgelenkt
werden, was tatsächlich der Fall ist. (Berechne, wie schnell sich
ein Punkt des Äquators in einer Stunde, Minute, Sekunde bewegt,
wieviel also die Schwungkraft am Äquator beträgt!)
Daß die Erde sich von W nach 0 um sich selbst dreht,
wird ferner durch den Foucault'schen (spr. fuko) Pendelver-
such bewiesen. Dieser beruht auf dem Beharrungsgesetze,
nach welchem ein Pendel in der nämlichen in ihrer Lage verharren-
den Ebene weiter schwingt. Könnte man am Pol ein Pendel
aufhängen, so würde sich zeigen, daß sich die Schwingungsebene
nach einigen Stunden etwas und nach 24 Stunden um einen ganzen
Kreis gedreht hat. Dies kann aber, da sie nach dem Beharrungs-
gesetze ihre Lage nicht ändern kann, nur dadurch hervorgerufen
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht]]
TM Hauptwörter (200): [T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone]]
16
Mathematische Geographie.
worden sein, daß die Erde sich gedreht hat, was aber nicht
zu erkennen ist. (An einem über einer Kompaßscheibe aufge-
hängten Pendel, die man in Drehung setzt, während das Pendel
weiter schwingt, läßt sich der Vorgang, die scheinbare Abweichung
der in Wirklichkeit in ihrer Lage verharrenden Schwingungsebene
zeigen). Am Äquator ist eine Änderung der Lage der Schwingungs-
ebene nicht zu erkennen, weil dort ja die Schwingungsebene bei
der Drehung der Erde mit rund geführt wird. An allen zwischen
Äquator und Pol gelegenen Punkten muß sich aber eine Verände-
rung der Lage ergeben, wie es der Foucault'sc h e Versuch auch
wirklich gezeigt hat. Dieser Versuch wurde zuerst in Paris,
im Jahre 1851 unter der Kuppel des Pantheon, öffentlich vorge-
führt und dann später oftmals, so auch im Cölner Dom, wieder-
holt. Die Umdrehung der Erde um sich selbst kann ferner aus
der Richtung der Passatwinde, die auf der nördlichen Halb-
kugel nach Sw, auf der südlichen nach Nw abgelenkt werden,
gefolgert werden.
b) Der Umlauf der Erde um die Sonne oder die Revolution.
§11. An der Sonne beobachten wir nicht nur einen täglichen
Beweise für Schwung um die Erde, welche Bewegung durch die Rotation der
dder^nleut Erde ihre Erklärung gefunden hat, sondern sie durchläuft auch im
Laufe eines Jahres eine Spirale am Himmel, indem sie sich in
der Ekliptik fortbewegt. Auch dieser Vorgang kann ebenso,
wie er durch eine wirkliche Bewegung der Sonne erklärt werden
könnte, auch auf ein Kreisen der Erde um die Sonne zurück-
geführt werden. Da die Masse der Sonne 322 800 mal soviel beträgt
als die Erdmasse, ist die letzte Annahme doch die natürlichere;
sie entspricht zugleich einer allgemein zwischen allen Körpern
wirkenden Kraft, nämlich der Schwerkraft (Gravitationskraft),
die im Verhältnis der Körpermasse wirkt, aber mit dem
Quadrat der Entfernung abnimmt. Als Galilei i. J. 1610
zum erstenmal durch das Fernrohr die Jupitermonde um den
Planeten kreisen sah, stand es für ihn fest, daß die Erde sich
ebenso um die Sonne bewege. Sicher bewiesen wird dies durch
die Jahresparallaxe d er Fixsterne. Wenn ein Körper sich
im Weltenraume fortbewegt, um ein Zentrum herum, so muß er
zu andern Körpern im Laufe des Jahres eine andere Stellung ein-
nehmen, d. h. die Stellung dieser Körper am Himmel muß sich etwas
verschieben. Seit dem Jahre 1832 hat sich mit vervollkommneten
Instrumenten tatsächlich bei mehreren Fixsternen eine Jahres-
parallaxe, wenn auch sehr unbedeutende feststellen lassen,
ein Beweis der Jahresbewegung der Erde.
Parallaxe. in Zeichn. 15 sei Ebe1 die Bahn der p]rde, und S sei ein Fixstern.
Dieser steht von E gesehen in F, von E 1 aus gesehen aber in F 1, d. h. er muß,
wenn die Erde die Bahn Ebe1 durchläuft, am Himmel den Weg Fb'f1
durchlaufen. Die Hälfte des Winkels S, also Winkel y, sowie die Haltte
des E r db ah n dur eh m e s s e r s E E1, also H E, bezeichnet man als Jahres-
parallaxe.
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian]]
TM Hauptwörter (200): [T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
18
Mathematische Geographie.
Erdachse übrig. Man spricht daher von der Schiefe der
Ekliptik.
Nerduac!seer Wenn wir die höchsten Sonnenstände am 21. März, 21. Juni,
23. September und 21. Dezember messen und vergleichen, so ergibt
sich, daß die Sonne am 21. Juni 231/2<) höher kulminiert als am
21. März und 23. September, am 21. Dezember aber 231/2<> tiefer.
Diese Abweichungen entstehen dadurch, daß die Erdachse um
66v20 zur Ebene der Erdbahn geneigt ist. Während unseres
Sommers ist die nördliche, während unseres Winters die südliche
Erdkugelhälfte zur Sonne geneigt. Dies ist die wirkliche Ur-
sache des Wechsels der Jahreszeiten. (Abb. 17.)
6. Das Netz der Erde,
a) Meridian- und Parallelkreise.
§ 12. Damit ein Orientieren, ein Zurechtfinden auf der Erdober-
orientierungs- fläche ermöglicht wird, denkt man sich über dieselbe Richtungs-
hnien. iinjen gezogen und zwar zwei Arten, nord südliche, die durch
die beiden Pole der Erdkugel laufen, und westöstliche, die die
andern unter rechtem Winkel schneiden und überall gleichen Ab-
stand von den Polen haben. Die westöstliche Richtungslinie, die
sich genau in der Mitte zwischen beiden Polen befindet, wird
Äquator (d. Ii. Gleicher) genannt.
Meridiane. nordsüdlichen, zu den Polen hinlaufenden Richtungs-
linien sind Verlängerungen der jeweiligen Mittagslinie des
heimatlichen Horizontkreises. Unter dieser verstehen wir die
Richtungslinie, in welche zur Mittagszeit (hierbei ist die Ortszeit,
nicht die mitteleuropäische Zeit zu rechnen) die dann ihren höchsten
Stand am Himmel erreichende Sonne ihren kürzesten Schatten
wirft. Wie alle Punkte, die auf der Mittagslinie des Heimat-
ortes liegen, zu gleicher Zeit Mittag haben — d. h. man sieht
dort die Sonne in der nämlichen Gegend am Himmel den höchsten
Stand erreichen und den Schatten nach der nämlichen Richtung
werfen —, so haben auch alle Puokte zu gleicher Zeit Mittag,
die auf den beiden Verlängerungen der Mittagslinie nach den
Polen hin liegen. Dabei ist es gleichgültig, wie weit die Punkte
von uns entfernt sind; es kommt vielmehr nur darauf an, daß
sie genau nördlich oder südlich von unserm Heimatorte liegen.
Weil alle auf der nämlichen Nurdsüdlinie gelegenen Orte zu gleicher
Zeit Mittag haben, nennt man die nordsüdlichen Richtungslinien
Mittagskreise oder Meridiane, entsprechend den Himmels-
meridianen. Richtiger sagt man Mittags-Halbkreise; denn nur
die Orte, die auf der der Sonne zugekehrten Erdseite liegen,
haben Mittag, die auf der abgekehrten Seite, auf der Verlängerung
des nämlichen Halbkreises gelegenen Orte dagegen Mitternacht.
Paraiieikreise. westöstlichen Ri c h t ungs 1 i n i e n sind Verlängerungen
der Morgen- und Abendlinien des jeweiligen heimatlichen Hori-
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
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Erde und Himmel nach den Ergebnissen des menschlichen Denkens. 19
zontes. An zwei Tagen des Jahres geht die Sonne genau im Ost
paukte auf und im Westpunkte unter, nämlich am 21. März und
am 23. September. An diesen beiden Tagen fallen die langen
Schatten, die die aufgehende Sonne wirft, genau nach W, die
langen Schatten, die die untergehende Sonne wirft, genau nach 0.
Während die Meridiankreise sich
nach den Polen hin einander
nähern, sind die westöstlichen
Richtungslinien, weil sie gleichen
Abstand von den Polen behalten,
unter sich parallel. Sie werden
deshalb Parallelkreise genannt.
Da für alle Orte, die zunetz der Erde-
gleicher Zeit Mittag, bezw. Mitter-
nacht haben, ein Meridiankreis
und für alle Orte, die gleichen
Abstand von den Polen haben, ein
Parallelkreis gezogen werden kann,
sind von beiden Arten unzählige
Richtungslinien möglich. Man be-
gnügt sich aber mit einer ge-
ringeren Zahl, die zusammen das
geographische Netz der Erde bilden. Dasselbe setzt sich
aus 180 Meridiankreisen oder 360 Meridian-Halbkreisen und aus
180 Parallelkreisen zusammen.
Abb. 16. Das Netz der Erde.
Aus Kerp, Erdkundl. Raumvorstellungen,
D. Reimer, Berlin.
b) Längen- und Breitengrade.
§13.
Gradfeld.
Da jeder Parallelkreis von jedem Meridian und umgekehrt
jeder Meridian von jedem Parallelkreise 2x, im ganzen also 360x
geschnitten wird, ist jede Linie des geographischen Netzes der
Erde in 360 Bogenstücke geteilt. Die einzelnen Bogenstücke eines
Kreises werden Grade genannt. Je 4 Bogenstücke oder Bogen-
grade und zwar je 2 eines Meridian- und je 2 eines Parallelkreises
bilden eine Masche des Gradnetzes und umschließen ein Gradfeld.
Die einzelnen Gradfelder haben die Form eines Trapezes, da die
Parallelkreise, also auch ihre Bogenstücke oder Grade nach den
Polen hin immer kleiner werden.
Mit Hülfe der Bogengrade eines Parallelkreises können west- ßsngräde.
östliche Strecken, mit Hülfe der Bogengrade eines Meridiankreises
nordsüdliche Strecken gemessen werden. Es ist in der erdkund-
lichen Wissenschaft Brauch geworden, die westöstlichen Entfer-
nungen auf der Erdoberfläche als Länge, die nordsüdlichen als
Breite zu bezeichnen1) Diesem Brauche entsprechend, muß man
die Bogengrade der Parallelkreise als Längengrade, die der
Meridiankreise als Breitengrade bezeichnen. Ein Längengrad
') Dieser Brauch kam im Altertum auf. Die damals bekannten Länder
der Erde gruppierten sich um das Mittelländische Meer. Dieses hat aber
seine größte Erstreckung von 0 nach W, die kleinere von S nach N.
2*
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni]]