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28. Januar an in Versailles geführten Verhandlungen, also rund 30 Tage
in Abzug bringt, so hat der Krieg 180 Tage gewährt.
In diesen 180 Tagen haben die deutschen Heere 156 mehr oder-
minder bedeutende Gefechte bestanden, 17 größere Schlachten ge-
schlagen, 26 feste Plätze genommen, 11 669 Offiziere und 363,326
Mann Gefangene gemacht, 6720 Geschütze und 120 Adler oder
Fahnen erbeutet.
Es kommen somit beinahe aus jeden Tag des Krieges ein Gefecht,
auf jeden nennten Tag eine Schlacht, auf jeden sechsten Tag eine ein-
genommene Festung, ferner auf jeden Tag an Kriegsgefangenen 65 Offi-
ziere und 2070 Mann, an Geschützen 38 Stück, an Fahnen oder Adlern
ein Stück auf je zwei oder drei Tage.
Solche Erfolge sind nicht durch die unvergleichliche Tüchtigkeit und
Größe unserer Feldherren und durch die Tapferkeit und Ausdauer unserer
Truppen allein zu erklären; sie sind ein Geschenk des gnädigen Gottes,
der aller Völker Schicksale in Seiner allmächtigen Hand hat und sie lenkt
nach Seinem Wohlgefallen. Er hatte es eine Zeit lang unserm reich-
begabten Nachbar zugelassen, uns zu erniedrigen, jetzt hat Er Gericht geübt,
ihn in den Staub gelegt und uns zu Ehren gebracht.
Der dritte März 1871, der Friedensschluß mit Frankreich, war im
ganzen neuen deutschen Reiche ein hoher Fest- und Freudentag. Und
wie alle anderen großen Tage dieses glorreichen Krieges fand er seinen
lebendigen Nachhall auf dem ganzen Erdboden, so weit Deutsche ihn bewohnen.
Tags darauf, am 4. Mürz, vormittags 11 Uhr verkündigten 707 Ka-
nonenschüsse aus den sieben Forts von Metz ihrer Garnison und ihren
Einwohnern, daß die alte Reichsstadt dem deutschen Reiche wieder ein-
verleibt sei.
I)) Geographie und Naturgeschichte.
271. Deutschland.
Deutschland ist das goldene Mittelland Europas. Als solches ist
es zuerst durch seine Lage bezeichnet. Denn ziehen wir eine Linie von
Jekaterinburg bis Lissabon, die an 5094 üur lang ist, so durchschneidet
der mittlere Teil dieser Linie gerade die Mitte von Deutschland, und
ziehen wir vom Nordkap nach Sizilien ebenfalls eine gerade Linie, so
trifft diese in ihrem mittleren Drittel auf Deutschland. Von der West-
küste Irlands bis zur Krim eine gerade Linie gezogen, zeigt uns Deutsch-
land wieder so ziemlich in der Mitte. So ist denn Deutschland der
mittlere Hauptkörper Europas, von welchem sich seine Glieder nach allen
Seiten hinaus erstrecken. Gegenüber dem nach Süden gelegenen Italien
mit seinen heißen Sommern rühmen wir die größere Frische unserer
Wälder und Quellen, und den Bewohnern der nördlichen Länder gegen-
über erscheinen wir uns als Südländer.
In Deutschland finden sich alle Naturformen beisammen. Wir
haben hier die Hochflüchenbildung Spaniens und die sarmatische Tief-
ebene; wir haben hier den eigentümlichen Wechsel zwischen Bergland und
Ebene der britischen Inseln und die Hochgebirgsformen Skandinaviens.
Sehr große Ströme, wie Osteuropa, hat allerdings Deutschland nicht,
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone]]
Extrahierte Ortsnamen: Versailles Gottes Frankreich Deutschland Deutschland Europas Jekaterinburg Lissabon Deutschland Sizilien Deutschland Irlands Deutschland Europas Italien Deutschland Spaniens Skandinaviens Osteuropa Deutschland
349
aber es hat größere, als jedes andere Land Europas, und erfreut sich
einer gleichmäßigeren Wasserverteilung nach fast allen Gegenden. Und
was die Schönheit unserer Flußlandschasten anlangt, so steht unser Vater-
land selbst weit über Frankreich. Die Seine kann weder an Wasser-
reichtum, noch an Schönheit der Gegenden mit der Elbe verglichen werden;
denn ihre User bieten nirgends solche Landschaften, wie die Elbe bei
Dresden. Ebenso können sich auch die sonst schönen Usergegenden der
Rhone bei Lyon nicht mit den Schönheiten des österreichischen Donau-
thals und denen des Rheinstroms messen, dessen prachtvolle Ufer mit
ihren Rebenhügeln, Bergen, Städten und Burgruinen von den Reisenden
aller Nationen gepriesen werden.
Auch in klimatischer Beziehung nimmt Deutschland eine Mittel-
stellung ein. Fast gleich weit vom Pol und Äquator entfernt, liegt es
unter einem gemäßigten Himmelsstriche, und ist eben so sehr vor nor-
discher Armut, welche den Geist abstumpft, wie vor südlicher Fülle ge-
schützt, welche auf die Thatkraft erschlaffend, aus die Sinnlichkeit über-
reizend wirkt. Die deutschen Fluren erglänzen nicht in dem blendenden
Sonnenstrahle und der sengenden Luft der südlichen Tropenwelt, sie
dämmern aber auch nicht in dem fahlen Lichte und der Erstarrung der
nördlichen Gegenden. Über Deutschlands Gauen lacht zwar kein stets
blauer Himmel, keine ewig blitzende Sonne, wie in Spanien und Italien;
aber sie sind auch nicht verschleiert von dem nebeligen Gran Englands,
gegen dessen dicke Nebel sich die deutschen nur wie zart gewebte Schleier
gegen Sackleinwand ausnehmen, und sind nicht ausgetrocknet vom schnei-
denden Luftzüge des massenhaften und ebenen Ostens.
Deutschland bringt alles hervor, was der Mensch zur Erhaltung
und Entwicklung des Geistes bedarf, ohne ihn zu verweichlichen, zu ver-
härten, zu verderben. Der Boden ist zu jeder Art von Anbau geeignet.
Ünterhalb des ewigen Schnees der Alpen dehnen sich die herrlichsten
Weiden aus. Den kahlen Felswänden entlang ziehen sich üppige Thäler
hin, und neben Moor und Heide, welche nur von der bleichen Binse und
der Brombeerstaude bewachsen sind und menschlichem Fleiße nichts ge-
währen, als die magere Frucht des Buchweizens oder des Hafers, erfreuen
das Auge die kräftigsten Fluren mit den schönsten Saatfeldern und den
herrlichsten Erzeugnissen des Gartenbaues. In Deutschland prangen
Fruchtbäume in unermeßlicher Menge und in jeder Art, vom sauern
Holzapfel bis zur lieblichen Pfirsiche. Dabei ist unser Vaterland wald-
reicher, als die drei Südländer Europas, wo der Wanderer nur zu oft
über nackte Höhen und baumlose Landschaften zu klagen Ursache hat.
Unsere Wälder prangen noch hoch auf den Bergen des Landes mit herr-
schen Eichen und Buchen, die nirgends schöner sind, als in Mecklenburg,
Holstein und auf Riigen; die höheren Berge sind von Tannen- und
Fichtenwäldern bedeckt, und von Linden, Ulmen, wilden Kastanien, Eschen,
Äkazien und Pappeln werden selbst im nördlichen Flachlande die Kirch-
höfe, Dorsplätze und Straßen verschönert. Indem die Eiche auf steilen
Gipfeln ihr Haupt zu den Wolken emporhebt, blickt sie über Abhänge
und Hügel hinweg, welche köstlichen Wein erzeugen. Während der Mensch
von keinem reißenden Tiere geschreckt, von keinem giftigen Gewürm be-
droht, von keinem häßlichen Ungeziefer gequält wird, gewährt das Land
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer]]
TM Hauptwörter (200): [T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Ortsnamen: Europas Frankreich Dresden Lyon Rheinstroms Deutschland Deutschlands Spanien Italien Englands Deutschland Heide Deutschland Europas Holstein
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merkwürdig gesteigerte Verbindung unterhaltend, sehr förderlich zum Be-
reisen der Vorstädte und Umgegend außerhalb der Linien, und ganz an-
ständig, eigentlich zwei, drei Kutschen an einander bildend, so recht im
Sinne der Gemächlichkeit des Wieners; ferner die zahllosen Omnibusse
nach allen Richtungen der Eisenbahnen; endlich die Flut von Güter-
wagen, Einspännern, Schubkarren u. s. w. Im Mittelpunkte der Stadt, bei
der Burg, auf dem Stephansplatze, an den Thoren ist das Getöse wirklich be-
täubend und man gefährdet jeden Augenblick das Leben. Ein beständiges
Rennen, Fahren, Reiten, Gaffen, Tanzen, Schäkern, Trinken, Essen.
Das lustigste Volk ist es wenigstens, das Wiener Volk. Man darf,
um sich davon zu überzeugen, nur auf die Tanzmusik horchen, die wie
mit Flügeln um jede Ecke, ans jedem Winkel saust. Als einen andern
Gruß, in Farbentönen, müssen wir die vielen Blumensträuße nennen,
welche, eine freundliche Sitte, vor allen Kirchen, an allen Thüren und
Thoren, in jedem Durchgänge zum Kaufe geboten werden.
Den Wiener nicht als gutmütig, als herzenshöflich zu preisen, wäre
Undank von jedem, der mit diesem Volke verkehrt hat, dem man eine
wärmere Gemütsfärbnng nicht absprechen kann. Man betrachte nur
die Geduld und Gefälligkeit der Leute, wenn der Fremde sie auf der
Straße befragt. Nur zuweilen gerät man in ein grobes Donnerwetter,
das einschlügt. Meistens lautet die Antwort: „I bitt, gnädger Herr,"
oder „gnädi Frau, gehens da hin." — Ältere Frauen sagen sogar ganz
mütterlich: „Herzle, da gehens recht" u. s. w. — Nicht selten bieten sie
sich zur Begleitung auf eine Strecke an, bis man sich weiter gefunden.
Ja, es kann dir geschehen, daß, wenn du auf der Straße niesest, dir ein
Vorübergehender „zur Gesundheit" wünscht.
Wenn man sich bei solcher Traulichkeit hier leicht heimisch fühlen
dürfte, so drängen sich doch fremde Bestandteile genug zusammen, uns zu
erinnern, daß wir uns außer in einer deutschen auch noch in einer euro-
päischen Hauptstadt befinden. Alle Sprachen, besonders die südlichen,
klingen in Wien durch einander, Zeugnis gebend, daß uns ein mächtiger
Mittelpunkt aufgenommen. Man hört im dortigen öffentlichen Leben fast
eben so oft andere Sprachen, als die eigenen, vaterländischen Laute. Nicht
leicht bietet ein Ort Stoff zu so mannigfachen Nationalstndien.
Der rechte Schauplatz des Wiener Volkslebens war vormals der
Prater und ist es teilweise noch heute. Seit die Eisenbahnen den
Wiener hinaus ins Gebirge führen, wo er seinen Sonntag verlebt, ist
die vormalige Herrlichkeit des Praterlebens sehr in Abnahme gekommen.
Dennoch wandert aber auch heute noch manch stattlicher Bürger hinaus
zum Prater, sei es, daß er den Schatten der Eichen und Nußbäume sucht,
wo noch vor einigen Jahren im Zirkus Kunstreiter ihre Geschicklichkeit
zeigten, oder daß er die Freidenau jenseit des Lusthauses besucht, um das
Pferderennen mit anzusehen, oder hinter den Kaffeehäusern tiefer in den
Prater hinein nach dem „Wurstlprater" schleicht, wohin der Wiener noch
vor wenigen Jahren gern am Sonntag wanderte. Vielleicht besucht er
auch die Tanzplütze, wo das Volk sich tummelt, daß der Schweiß in dicken
Tropfen rinnt, oder er hört den Harfenisten zu, oder erheitert sich am
Klange der Drehorgeln, an dem Jodeln der Alpensänger, oder an den
spaßigen Einfällen der gutgelaunten Volksmenge.
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411
Wie Rom ist Konstantinopel ans sieben Hügeln erbaut, deren Ab-
grenzung man deutlich erkennen kann. Sie bilden ein unregelmäßiges
Dreieck; aber nur die eine Spitze desselben ist uns sichtbar: das sogenannte
neue Serail mit seinen bunt verzierten Gebäuden, Palästen und Kiosks.
Zwischen denselben sieht man Wälder von Orangen, große Platanen und
schlanke Cypressen, welche die farbigsten Schatten über diese ungeheure
Wohnung der Sultane werfen. Hinter dem neuen Serail erblickt man
bunte Häusermassen, die den Wellenlinien der Hügel folgen. Dort tritt
eine Gruppe von Cypressen und anderen Bäumen über sie hinaus; hier
unterbricht ein einsam stehendes, halbverfallenes Manerwerk die fast nur
durch ihre Färbung verschiedenen Dächer der Häuserreihen. Was aber
der Stadt einen so wunderbar, ja feenartigen Reiz verleiht und dem über-
Konstantinopel.
raschten Beschauer den lauten Frendenruf entlockt, sind die zierlichen
Minarets und die Haufen glänzender Kuppeln auf Moscheen und Grab-
mälern, die allenthalben emporragen. Man kann sie kaum zählen, und
während das Auge gesättigt über die Mehrzahl derselben hinschweift, bleibt
es bewundernd an einigen hangen, die durch Größe und schöne Bauart
hervorglänzen, und deren Namen in empfänglichen Herzen tausend Bilder
und Gedanken wecken.
^ Wer denkt nicht beim Anblick jener prachtvollen Kirche, der Aja
Sophia, die mit ihrer schönen Kuppel und den vier Minarets beinahe
im Mittelpunkte der Stadt liegt, an ihren Erbauer, den Prnnkliebenden
Justinian, der in ihr ein Werk herstellen wollte, welches den Glanz des
salomonischen Tempels verdunkeln sollte! Es gelang ihm. Doch als
der stolze Bau vollendet war, und der Kaiser mit den Worten: „Salomon,
ich besiegte dich!" an den Altar eilte, ahnte er wohl nicht, daß einst der
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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Extrahierte Personennamen: Sophia
Extrahierte Ortsnamen: Rom Konstantinopel Konstantinopel
380
angethan mit dem Pallium, mit dem Heiligtum, unterm prächtigen Him-
melsdache, umgeben von Chorknaben, welche Weihrauchgefäße und silberne
Glöcklein schwingen oder Kreuze und Fähnlein tragen, von den betenden
Domherren und der anderen Geistlichkeit des Erzstiftes zu Sankt Stephan;
eine Ehrenwache, die grüne Reiser auf den Tschakos trägt, zu beiden
Seiten; — ihr seht die Leutpriester aller Pfarren der Stadt und der
Vorstädte mit Fahnen und Gemeinden, die sämtlichen geistlichen Orden und
frommen Brüderschaften mit Fahnen und blumengeschmückten Kruzifixen,
die Zünfte und Handwerke mit ihren Standarten, die langen Reihen der
Waisenkinder, paarweise geordnet in saubern Festkleidern, die armen
Pfründner, die Sängerknaben der Konvikte, die Mädchen der verschiedenen
Pfarrgemeinden, schneeweiß gekleidet, mit Blumenkörbchen, deren bunte
Fülle sie dem Fürsten der Liebe, dessen Fest heute gefeiert wird, zu Ehren
rings ausstreuen; eine Truppenabteilung beschließt den Zug, der zwischen
Spalieren von Linien- und Bürgermilitär dahin wallt. An jedem von
den vier Altären wird Halt gemacht, und der Erzbischof liest, von den
Priestern und Leviten bedient, das Evangelium, und Böllergeknall mahnt
nah und fern an die Verkündigung der frohen Botschaft, an die Erlösung
der Menschheit und der Natur. Nach dem Hochamte im Sankt Stephans-
dome ist die Feier, die etwa sechs Stunden gedauert, zu Ende. Am
Sonntage nach dem Fronleichnams-Donnerstage wiederholt jede Pfarre
in den Vorstädten das Fest im kleinen.
288. Hinauf zum Großglockner.
Eben schlug es auf dem Turme in Heiligenblut, den: höchsten Dorfe
in Deutschland, Nachmittag 4 Uhr, als ich mich mit meinen drei Führern
auf den Weg machte. Nach etwa fünfstündigem Marsche erreichten wir
die Ochsenhütte, ein kleines Obdach, 1790 Meter über dem Meere, wo-
selbst wir einige Stunden der Ruhe pflegten. Bald nach Mitternacht
setzten wir beim Scheine der Laterne unseren Weg fort. An der unteren
Grenze der Gletscher angekommen, schritten wir bedächtig über sie vor-
wärts; wir mußten mehrere Eisspalten vermittelst darüber gelegter Leitern
passieren. Ich machte mir das Vergnügen, mich über eine Spalte auf
die Leiter hinzulegen und langsam eine brennende Laterne in den Abgrund
hinabzusenken; der Anblick, der mir zu teil wurde, ist nicht mit Worten
zu beschreiben: das klare, durchsichtige Eis schimmerte in allen Farben
des Regenbogens, die sich in der untersten Tiefe des Kristallpalastes in
dunkles Blau auflösten, während das Flämmchen der Laterne in dem
zauberischen Halbdunkel wie ein Irrlicht auf- und niederhüpfte und
tausendfachen Wiederschein aus den durchsichtigen Wänden der unter-
irdischen Gemächer lockte. Allmählich brach der Tag an, die Sonne
wurde in wachsender Schönheit immer herrlicher. Während wir einen
Augenblick still standen, die großartige Aussicht zu genießen, hörten wir
die Kirchenglocken in Heiligenblut, welche die Dorfbewohner zum Morgen-
gebete riefen; auch wir knieten nieder zum Gebete. Nach mehreren
Stunden teils des Marsches, teils der Ruhe, teils des angestrengten
Steigens erreichten wir den eigentlichen Anfang des Eiskegels. Starr
und kalt erhebt er sich bis zu einer Höhe von 750 Metern, und zwar so
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Stephan
Extrahierte Ortsnamen: Heiligenblut Deutschland Heiligenblut
413
recht freundlich ein. Am Hinterteil der Schalwppe steckt die Flagge, und
unter derselben sitzt aus einem mit der Landesfarbe eingefaßten, blauen
Tuch der Offizier, der sie befehligt, in seinen Händen zwei Schnüre, mit
denen er das Steuerruder leitet. Ergötzlich ist das An- und Abfahren
dieser Kriegsschaluppen. Die Matrosen sitzen auf ihren Bänken, die
Ruderstange gerade in die Höhe gestreckt, den Augenblick erwartend, wo
der Offizier einsteigt. Dann pfeift der Bootsmann, die Matrosen stoßen
von: Schiffe ab, und in einem Augenblick schlagen lantschallend alle Ruder
zugleich ins Wasser.
Der prächtige Hafen ist ungefähr in der Mitte seiner Länge durch
die schöne neue Brücke gesperrt, welche im Jahre 1835 gebaut wurde.
Sie ist sechshundert sieben und dreißig Schritt lang und fünf und zwanzig
breit. Sie wird durch einen Wald der schönsten und längsten Mastbäume
getragen, die aufrecht stehend eingesenkt find, und führt von Konstantinopel
nach dem andern Ufer des Hafens, wo sich die Vorstädte Pera, Galata
und Top-Chana erheben. — Ganz zur Rechten ist das Bild begrenzt von
der alten Feste Rumili Hissiari, deren Wälle und Türme keck am Ge-
stade des Bosporus hinaufklettern und mit ihrem grauen Gemäuer eine
dunkle Einfassung des glänzenden Panoramas bilden. Links ist der
Rahmen zerfließender und großartiger; fast zu den Füßen des neuen
Serails beginnt dort das Meer von Marmara, dessen blaue Fluten in
der Ferne mit der Bläue des Himmels verschwimmen.
Das Ganze ist ein Gemälde von zauberhafter Herrlichkeit, und ich
fühlte die Wahrheit der Worte Hammers, wenn er sagt, Stambul ist die
Herrin zweier Erdteile und zweier Meere, die geborene Beherrscherin
Asiens und Europas, an beider Grenze auf sieben Bergen thronend.
Von drei Seiten slutenumgürtet, schaut sie von den sieben Gipfeln ihres
Thrones gegen Mittag auf die Propontis und den Ausfluß derselben,
den fischreichen Hellespontus, gegen Osten auf den schlangengewundenen
Bosporus und den als stürmisch übelberüchtigten Pontus hin.
304. Pariser Straßcnindustrie.
Paris zeigt niemals das nackte, mit offenen Schwüren bedeckte Elend,
welches einem sonst wohl entgegentritt. Das hat seinen natürlichen Grund.
Wenn der Pariser unglücklich ist, braucht er nur einen Schritt zu machen,
um in eine bessere Lage zu kommen. Jede Jahreszeit bietet ihm neue
Mittel zum Unterhalt, jeder Tag schafft ihm neue Hilfsquellen. Daher
ist auch das Pariser Elend stets mit einer trügerischen Wohlhabenheit
überfirnißt; es hat sehr oft keine Strümpfe an, aber es trägt immer
blankgewichste Stiefel.
Mit dem zwanzigsten Jahre wird der Pariser Straßenjunge ver-
nünftig, und da er einsieht, daß sein bisheriger Lebenswandel notwendig
ein Ende nehmen muß, so steckt er sich in die Soldatenuniform und
sammelt Lorbeeren für 5 Centimes Tagelohn. Im Fall er Gönner hat,
wird er „Verbrechenhündler."
Da er als „Mord- und Totschlags-Verkäufer" gewohnt ist, den
ganzen Tag auf der Straße zuzubringen, hat er die Gewohnheit verloren,
für häusliches Unterkommen zu sorgen. Wenn es die Jahreszeit gestattet,
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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Extrahierte Personennamen: Rumili_Hissiari
Extrahierte Ortsnamen: Konstantinopel Galata Stambul Asiens Europas Paris
414
streckt er sich der Länge nach auf den Quais, auf den Brücken, unter
den Schuppen der Markthallen oder sonstwo nieder; im entgegengesetzten
Fall spricht er von Zeit zu Zeit bei einem Kameraden ein oder schläft
für einen Sou in den öffentlichen Schlafsälen. Der Verbrechenhändler
genießt unter seinen Bekannten einiges Ansehen. Im allgemeinen ist er
ein ganz unschuldiger, tugendsamer Mensch, obschon er sein Leben in einer
Atmosphäre von Schändlichkeiten und Verbrechen zubringt, morgens von
einem Selbstmorde frühstückt und mittags von einem Raubmorde seine
Zeche bezahlt.
Weil aber die Stelle eines Verbrechenhändlers nicht so leicht zu
haben ist, so schafft sich der Pariser eine Leiter, einen Pinsel und eine
Leimhütte an, um sich als öffentlicher Anleimer aufzuthun. Als solcher
teilt er dem Publikum jeden Morgen den Theaterzettel mit, und wenn
das Geschäft beendet ist, trägt er Anzeigen herum.
Eine bemerkenswerte Gestalt der Straßenindustrie ist der Anbrenner,
ein wahrer Brander, welcher gegen die Käufer auf ruhiger See aus-
geschickt wird. Seine Amtsverrichtungen beschränken sich einfach darauf,
vor einem Ausstande sich das Ansehen zu geben, als ob er die aus-
gelegte Ware genau untersuchte. Wenn ein Käufer sich nähert, läßt er
geschickter Weise einige lobpreisende Worte fallen, bezahlt den verlangten
Preis, ohne gu feilschen, und stellt sich hocherfreut, einen so glücklichen
Kauf gethan zu haben. Unter den Straßengewerbsleuten, welche sich mit
Vorbedacht, Gewalt, Hinterlist, kurz mit allen Anzeichen deutlich aus-
gesprochener Gaunerei auf das Publikum stürzen, heben wir besonders einen
hervor, welcher den Käufer und Zuschauer im eigentlichsten Sinne des
Worts beim Kragen nimmt; wir meinen den Fleckenreiniger, welcher an-
geblich Fett- und andere Flecken aus den Kleidern macht. Dieser Ehren-
mann hält sich gewöhnlich auf den Boulevards oder Quais auf. Um
die öffentliche Aufmerksamkeit zu fesseln und um seinen Ausstand herum
die größtmögliche Anzahl von Fracks zu versammeln, lockt er die Vor-
übergehenden in der Regel durch das Schauspiel einiger Schlangen und
Vögel herbei. Sobald der Kreis sich gebildet hat, durchfliegt der Flecken-
reiniger mit einem Adlerblick die Reihen der Umstehenden, und indem er
gerades Wegs auf das ehrlichste und gutmütigste Gesicht zuschreitet, faßt
er mit der einen Hand den Kragen des Fracks und läßt mit der andern
den weißlichen Schaum seiner Seife auf den ganz saubern Umschlag
tröpfeln. Während der auf diesen raschen, unvermuteten Überfall nicht
gefaßte Patient sich einer imerbetenen Wohlthat, die sich in Strömen über
seine Kleider ergießt, zu erwehren sucht, hält der Fleckenreiniger den sich
sträubenden Frack fest und rühmt die gefällige Umwandlung, welche der
Frack unter feiner Hand erhalten hat.
Ein würdiges Gegenstück zu dem Fleckenreiniger ist der Stiefelputzer;
dieser packt uns im Vorübergehen unversehens beim Fuß, zieht ihn aus
seinen Wichskasten und bürstet lustig darauf los. Wenn er mit der Arbeit
halb fertig ist, fordert er seinen Lohn, und im Fall wir ihn verweigern,
läßt er uns mit einem blanken und einem schmutzigen Stiefel abziehen.
Der dritte im Bunde des Fleckenreinigers und Stiefelputzers ist der
Zahnanszieher, welcher die Zähne unter Pauken- und Trompetenschall
ausreißt, auch Heilmittel gegen Zahnweh und Hühneraugen verkauft.
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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383
Pfluge, hinter jedem Fenster hört man es jodeln und pfeifen. Ihre Be-
schäftigungen find Seidenzucht, Seidenweberei, Mais- oder Reisbau, Alpen-
wirtschaft, Weinbau im Duden, Getreidebau im Unterinnthale; andere
treiben Baumwollen- und Teppichweberei, andere reisen mit Handschuhen,
Messern, Hosenträgern u. s. w. in der Welt umher; in einem Waldthale
beschäftigt man sich mit der Zucht von Kanarienvögeln.
In seinen Belustigungen ist der Tiroler ein derber Bursche. Kegel
schiebt er nur mit gewaltigen Kugeln, die er mit Leichtigkeit handhabt;
dabei ist er Meister im Hosenrecken und Hackeln, wobei einer den anderen
am Mittelfinger faßt und an sich zu ziehen sucht, so wie im Scheiben-
schießen. Im Unterinnthale und im Zillerthale sind die Rodler oder
Raufer zu Hanse. Mit einem gellenden Schrei, den er ins Gebirge
sendet, fordert der Nobler seine unbekannten Gegner aus, welche den
Schrei erwiedern und den Herausforderer aufsuchen. Bald stehen die
kräftigen Männer einander gegenüber, den Stoßring von Eisen und
Silber mit dem großen Knopfe um die Faust geschlungen; Zuschauer
haben sich eingefunden, welche die Rolle der Kampfrichter spielen. Jetzt
beginnt der Kampf, Schlag folgt aus Schlag, es dröhnt, als müßten
Arme und Brust zerschmettert sein, aber die gewandten Fechter wissen
den Schlag zu schwächen, aufzufangen. Erst nach langer Anstrengung
und vielem Blutverluste erklärt sich der eine für besiegt, woraus ihm der
Sieger die Feder vom Hute nimmt. Wer drei Federn am Hute trügt,
erklärt damit, daß er es mit jedem Gegner aufnimmt.
Eine anziehende Erscheinung ist der tanzende Tiroler. Jauchzend,
stampfend und klatschend dreht und kreiselt er sich mit künstlerischer
Fertigkeit um seine Tänzerin. Seine dichterische Anlage offenbart er
durch Goßlreime, Trutzliedle und Märchenerfindung, seinen Kunstsinn
durch Ausschmückung des Hauses mit künstlichem Schnitzwerk und buntem
Anstrich. Seine Tracht ist nach den Orten verschieden, aber allenthalben
malerisch. Der Jnnthaler trägt dunkle kurze Lederhosen und Strümpfe,
welche das Knie bloß lassen; ein breiter Gürtel umfaßt seine Taille,
breite Hosenträger kreuzen sich über dem roten Brustlätze, und zur kurzen
Jacke paßt der große, runde, mit breiten Bändern geschmückte Hut. Auch
die Tracht der Frauen ist verschieden, aber ebenfalls schön. Die Unter -
innthalerin schmückt ihr frisches Gesicht mit einem hohen, spitzen Hute
und legt über dem kurzen Faltenrocke einen stattlichen Lätzen. Die Ober-
innthalerin dagegen trägt einen grünen Filz- oder gelben Strohhut, ein
grünes Leibchen, weiße Hemdärmel, und dem schwarzen Stutzen fügt sie
ein zierlich geknüpftes schwarzes Halstuch bei, wozu blaue oder rote
Strümpfe grell abstechen. — Solche Gestalten inmitten der Riesenhäupter
der Alpen, prächtiger Thäler, Wasserfälle und Schneefelder, lieblicher
Dörfer und Städtchen, stattlicher Klöster und Burgen machen auf das
Auge des Wanderers einen höchst wohlthuenden Eindruck.
290. Frau Hitt.
1. Wo schroff die Straße und schwindlig jäh 2. Ein nacktes Kindlein lag ihr im Arm
Hernieder leitet zum Inn, Und schlummert' in süßer Ruh',
Dort saß auf der mächtigen Bergeshöh' Die zärtliche Mutter hüllt' es warm
Am Weg eine Bettlerin. Und wiegt' es und seufzte dazu:
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der Vorderbeine als Rapier einen Strohhalm, mit dem er seinem Gegner
an den Rüssel fuhr. Der Strohhalm ward an das Vorderbein an-
geleimt, und die Duellanten, die sich gern ihrer Waffen entledigt hätten,
machten zum Ergötzen aller Schaulustigen die possierlichsten Bewegungen
und fanden leicht Käufer. Die Ausbeutung der Maikäfer durch den
Menschen ernährt vielleicht einen Monat hindurch zahlreiche Familien.
Und doch haben diese und ähnliche Erwerbszweige, so sonderbar und
eigentümlich sie auch sind, nichts, was mit dem Anstande und der Sitte
im Kampfe stünde. Wie tausendfältig sind erst die Gewerbe, durch welche
das Laster in geheimen und verborgenen Schlupfwinkeln sich ernährt!
305. Die Docks in London.
Die Docks sind kiinstliche Wasserbecken, in denen die Schiffe ankern
und die von Warenhäusern, fünf bis sieben Stock hoch, eingefaßt sind.
Vier befinden sich auf dein linken, drei auf dem rechten Ufer der Themse.
Die ersteren allein haben einen Flächenraum von 450 englischen Ackern,
fassen 1200 Schiffe und haben für 10 Millionen sechsmalhunderttausend
Zentner Güter Lagerplatz.
Treten wir eine Wanderung durch eines dieser Docks an; wir
wählen dazu die London-Docks, die Jahr aus Jahr ein die belebtesten sind.
Das Thor steht für jeden offen. Fuhrwerke, Karren und Menschen
strömen ab und zu. Wir befinden uns in einer breiten, schlecht ge-
pflasterten Straße, die rechts von einer Reihe hoher Warenhäuser, links
von einer schlecht überworfeuen Mauer, an der ein paar hundert zwei-
räderige Karren angelehnt stehen, begrenzt ist. Wir haben durch die
Güte eines Kaufmannes eine allgemeine Einlaßkarte, die uns alle Thüren
und Thore öffnet. Da steht gleich rechts über einer Magazinthüre die
Inschrift: Elfenbeinhaus. Der Mann, der uns zur Begleitung mit-
gegeben ist, führt uns durch weite Räume, in denen wir aus Massen von
Elefantenzähnen, Rhinozeroshörnern, Sägefischwaffen und Schildkrötplatten
stoßen. Aus der Straße, in welcher das Elfenbeinhaus mit noch anderen
Magazinen steht, kommen wir aus einen ungeheuern, offenen Raum, der
im Süden durch das größte Wasserbecken ab- und ringsherum von
Warenhäusern eingeschlossen ist. So weit das Auge reichen kann, liegt
Faß an Faß gerecht. Zwischen denselben laufen schmale Wege kreuz und
quer, auf denen sich Menschen, Pferde, Karren aller Art wirr durch ein-
ander treiben. Zur Linken, wo wir gerade stehen, sieht alles merkwürdig
blau gefärbt aus. Ein nach drei Seiten freistehendes, wohl fünf Stock-
werke hohes Gebäude zeigt uns ein tiefblau gefärbtes Eiugangsthor. Die
Fensterrahmen sind blau, die Wände der inneren Gänge, die Treppen und
Geländer sind blau, und — sonderbar — auch die Arbeiter, die aus-
und eingehen, sind blau in ihrer Kleidung, in ihrer Gesichtsfarbe bis ins
Weiß des Auges hinein. Auf die Gefahr, selbst blau gefärbt zu werden,
treten wir ins Thor; es führt zu den Judigolagern, den größten und
reichsten der Welt. Wohl ist die kostbare Ware in tausend und aber
tausend Kisten sorgfältig verpackt, die meisten von ihnen noch fest ver-
schlossen, wie sie von den bengalischen Lieferanten zur weiten Seereise
hergerichtet wurden; aber der Jndigostaub ist sein, wie kein anderer; er
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zwängt sich durch die Spalten und Poren seiner Verpackung an die freie
Luft hinaus. Zudem werden hier den Tag über Hunderte von Kisten
geöffnet, um den Kauflustigen als Muster für ganze Partien zu gelten;
so ist denn natürlich, daß der feine Staub sich nach allen Richtungen hin
zerstreut, alle Gegenstände in der Umgegend tiefblau überzieht und dem
Eindringling ein unverfängliches Kennzeichen mit auf den Heimweg giebt,
daß er sich zu Hause wie ein lebendiges blaues Wunder im Spiegel be-
schauen mag.
Die Docks von London.
Bon großem Interesse sind weiter die Thee Warenlager in den
Docks. Neugierig schauen wir auf die Millionen kleiner, schmutzig brauner
Kästchen, die inwendig mit Metallpapier überzogen sind, um die Blätter
vor der Seefeuchtigkeit zu schützen, und die auch auf der Außenseite zum
großen Teile ebenfalls mit Papier überklebt sind, auf welchem die Sorte
der Ware, ihr Erzeugungsort und die Firma, von der sie abgeschickt
wurde, in chinesischer Schrift verzeichnet steht. Hier reiht sich Saal an
Saal vom Erdgeschoß bis in das fünfte Stockwerk hinauf; hier bewegen
wir uns zwischen hölzernen, bunt bemalten Scheidewänden, die aber nur
aus über einander getürmten Theekisten bestehen. Es ist eine kleine
Stadt mit unzähligen verschlungenen Gassen, die hier und da in einen
kleinen, offenen Platz ausmünden. Leicht verirrt man sich in diesen
Theekisten-Gassen, denn die Räume sind menschenleer. Nur hier und da
sieht man einen Agenten oder Makler einsam durch die engen Straßen
wandeln. Er weiß, was er sucht, und wo er es zu finden hat. Er
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