1897 -
Leipzig [u.a.]
: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Zh Vii. Die Karpathen lande r.
ermüdendes Einerlei, hier eine wechselvolle, von lieblicher Anmut bis zu kühner Wildheit auf-
steigende Mannigfaltigkeit, pflanzenwuchs und Tierwelt weisen hier wie dort neben großen:
Reichtum die größte Verschiedenheit auf. Durchwandern wir zunächst die Gebirgsumwallung
Ungarns.
Die Gebirgsumwallung.
Pom Durchbruch der Donau bei preßburg bis zur letzten und größten Stromschnelle
derselben zwischen Bazias und (Drsowa, dem Eisernen Thore (S. ^9), wird die ungarische
Tiefebene in einem großen Bogen von den Karpathen umschlossen, der natürlichen Grenz-
mauer zwischen Ungarn und Siebenbürgen einerseits und Mähren, Österreichisch-Schlesien,
Galizien und Rumänien anderseits. Im Gegensatze zur deutschen Mittelgebirgsschwelle bilden
die Karpathen eine durchaus geschlossene Erhebung, deren einzelne Teile als Kleine Kar-
pathen, Weißes Gebirge, Baskiden, Tatra, Liptauer Gebirge, Ungarisches Erzgebirge, Kar-
pathisches Waldgebirge oder eigentliche Karpathen, Transilvanische Alpen, Banater Gebirge
und Siebenbürgisches Erzgebirge bezeichnet werden (5. —^9)*
Es ist merkwürdig, wie viele Züge dieses Hochgebirge mit den Alpen gemein hat. Gleich
den Alpen sind die Karpathen ein Faltengebirge, das steil nach Süden und sanft nach Norden
abfällt. Die Länge der Alpen bemißt man am äußeren Saume auf J500, die der Karpathen
auf \200 km. Beide Erhebungen unischließen tiefe Einbruchsbecken, die Alpen das des po, die
Karpathen das der Donau. Auch die Karpathen haben eine Zentralzone aus Granit und
Gneis, die in der Hohen Tatra zur höchsten Erhebung aufsteigt, und an diese legen sich im
Süden und Norden jüngere Ablagerungen einstiger Meere an. Diese Thatsachen finden ihre
Erklärung darin, daß die Karpathen eben die Fortsetzung der Alpen sind. An die Sandstein-
zone, das Flyschgebiet der Alpen, schließt sich bei Wien sofort die der Karpathen an nur mit
dem Unterschiede, daß sie sich hier zu einer Breite von \00—\20 km ausdehnt. Daher er-
scheinen die Karpathen von Norden als eine Folge langer, einförmiger, waldreicher Sandstein-
wellen, deren sanfte Formen aufs lebhafteste an die Flyschberge zu beiden Seiten der bayeri-
schen Vorlandseen, besonders des Tegernsees, erinnern. Der Faltenbau der Karpathen bedingt
auch einen ähnlichen Zickzacklauf der Flußthäler mit ihrem Wechsel von eintönigen Längs-
und engen, malerischen (Zzuerthälern, wie dies so schön der Dunajec (S. ein Nebenfluß der
Weichsel, der unterhalb Krakau mündet, zeigt.
Den kristallinischen Kern der Karpathen bildet die L)ohe Tatra, ein mächtiger Granit-
stock mit einem von Westen nach Osten ziehenden Hauptkamm, auf dem sich die steilen Gipfel-
Pyramiden der Gerlsdorfer und Lommitzer Spitze mit 2663, bezw. 263^ m (S. ](J7) erheben.
Gegen Süden fällt dieser Gebirgsstock in einer einzigen Flucht zu dem Thalbecken der Land-
schaften Liptau und Zips ab und gewährt deshalb von hier aus den großartigsten Anblick.
Schon bei \500 in Meereshöhe endet der Wald; dann folgt einekrummholzregion, Alpenmatten
fehlen nahezu gänzlich. Den höchsten Teil des Tatragebirges erfüllen schroffe Felswände,
kahle Schutthalden und vereinzelte Schneeflecke; Gletscher fehlen. Die Thäler der Tatra
haben eine auffallende Ähnlichkeit mit jenen der Zentralalpen. Sie bilden nämlich an ihren
oberen Enden gewaltige Felszirkusse mit steilen, 300—600 m hohen Wänden, an deren Fuß in-
mitten von kahlem Fels und ödem Schutt kleine grüne oder schwärzliche Seen liegen, vom
Volke „Meeraugen" genannt (S. U8). Pom unteren Ende des Thalzirkus senkt sich der Boden
in mehreren Stufen abwärts, über die die Gewässer in Kaskaden herabstürzen, um endlich
durch einen schluchtartigen Kanal das Vorland zu erreichen.
Die Kalkzone der Karpathen neigt zu Höhlenbildungen wie die der Alpen, ja die be-
rühmten Tropfsteinhöhlen von2lggtelek(S. J[20) westlich von Kaschau sind die größten in Europa
(6 km) und übertreffen noch die von Adelsberg (^,1 km) und planina (5,7 km).
Der Reichtum der Karpathen liegt in ihren ungeheuren Waldrevieren, in denen stellen-
weise noch Bären und Wölfe Hausen, und in ihren Metallschätzen; Weidewirtschaft und Vieh-
zucht treten zurück. Daher ist das Gebirge arm an Siedelungen. Reich gesegnet aber ist der
Saum der Karpathen im Norden und Süden. Hier reift der berühmte Tokayer, der nach der
Meinung der Ungarn sein Feuer aus der Sonne und dem vulkanischen Boden zugleich empfängt;
dort dehnen sich die weiten Ackerländer Galiziens aus, an dessen Ostrand die Festung Krakau
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Die Karpathen. Die ungarische Niederung.
55
(5. J2j) liegt, mit 95,000 Einwohnern, die einstige polnische Hauptstadt und spätere Krönungs-
stadt an der Weichsel. Mit ihren geschichtlichen Erinnerungen und als Sitz einer alten hoch-
schule ist sie heute noch einer der Hauptmittelpunkte polnischen Lebens und Strebens. Die nahe
gelegenen Anschlußpunkte an die österreichischen, preußischen und russischen Eisenbahnen machen
sie zu einer bedeutenden Verkehrsstadt.
Die ungarische Niederung ist ein großes Senkungsfeld, in dessen weitem Raum in der
Tertiärzeit ein Meer flutete, das von den zuströmenden Flüssen ausgefüllt und allmählich in
einzelne Becken zerlegt wurde, platten- und Neusiedler See sind die Reste dieser ehemaligen
großen Wasserfläche. Die endlose Niederung, ehedem der freien Meide dienend (Pußta, S. \20)
und das unbestrittene Gebiet der berittenen Wirten mit ihren halbwilden Rinderherden, ist
heute zum weitaus größten Teile dem 2lcferbau gewonnen; sie ist nach Südrußland die größte
Kornkammer Europas. Die wunderbar fruchtreichen Felder desalfölds, wie die Niederung
genannt wird, tragen Weizen und Roggen, Hafer und Gerste, Mais, Gemüse, Tabak in
üppiger Fülle. Obst und Wein gedeihen in seltener Pracht, hochbeinige Rinder, langhörnig
und meistens weißhaarig, schlanke, feurige Pferde, krausborstige Schweine, feiste Hammel und
muntere Ziegen weiden auf den grünen Triften zu Tausenden. Wahrhaft verschwenderisch
hat hier die Natur ihre Gaben ausgestreut. Aber neben die Fülle legte sie auch die Dürftigkeit.
Weite Strecken bieten nichts als Heide und Moor, keinen Halm, kein Gras. Wie ausgestorben
erscheint die Landschaft, hier und da noch ein Ziehbrunnen mit weit in die Luft ragendem
Hebel und in einsamer Ode eine halbverfallene Tsarda (s. Abbildung). Eine träge, bleierne
Ruhe umfängt den Wanderer. Da auf einmal wechselt das Bild. In breitem Bett, von Schilf
und Röhricht umwuchert, wälzen Theiß und Donau ihre raschen Fluten durch diese Ebene,
dem Fischfang und der Jagd auf Wasservögel einen weiten, zu jeder Jahreszeit ergiebigen
Raum bietend.
Am Eingangsthor der unabsehbaren Ebene, wo die Ausläufer der Alpen und der Aar-
pathen sich berühren, liegt die Hauptstadt Ungarns, Budapest (S. \2\). Seit der selbständigen
Stellung des Königreiches hat es einen mächtigen Aufschwung genommen und zählt nun über
eine halbe Million Einwohner. Auf dem rechten, bergigen Donauufer liegt das vorwie-
gend deutsche Ofen (Buda), die Festungsstadt, mit der Königsburg. Mehrere Brücken ver-
binden Ofen mit der Flachstadt Pest, die bereits auf dem Boden der Pußta steht. Glanz-
volle'paläste schmücken den Donaukai, freundliche Anlagen umsäumen die Straße, die von
einer wogenden Menge in den buntesten Trachten belebt wird. Überaus günstig ist in der
That die geographische Lage der Stadt zu beiden Seiten des mächtigen Stromes und am
2lusgangspunkte der wichtigsten Straßen und Eisenbahnlinien des Königreiches.
2lls der französische König Ludwig Xiv., von ruhelosem Ehrgeiz und frevler Ländergier
getrieben, die natürlichen Grenzen seines Landes im Osten, die Vogesen, überschritt, um dauernd
am linken Rheinufer Fuß zu fassen, da legte er den Grund zu einer der beklagenswertesten
Erscheinungen der neueren Geschichte, zu dem schier unversöhnlichen Hader zwischen Deutsch-
land und Frankreich. Die Länder zu beiden Seiten des Rheinstromes und die sie umschließenden
Gebirge bilden ein einheitliches, geschlossenes Naturgauze, das vollständig zur physischen Ge-
samtheit Deutschlands gehört, und dessen Bevölkerung nach Abstammung und Gesittuna, nach
Sprache, Geschichte und Kultur ties eingedrückt den germanischen Stempel träqt.
2. Die ungarische Niederung.
Viii.
Nordfrankreich.
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36 Viii. Frankreich.
Der wunderbare Parallelismus, der die rechte und linke Rheinseite und die Zwillings-
gebirge Schwarzwald und vogesen auszeichnet, endigt indessen nicht auf der Rammlinie dieser
Erhebungen; er setzt sich vielmehr noch weiterhin, wenn auch nicht in dieser Vollendung nach
Westen und Osten, durch Nordfrankreich und Süddeutschland fort.
Auf dem großen Heerwege nach Straßburg und Parts, den die deutschen Truppen im
Jahre \870 in unvergleichlichem Stegeszuge beschritten, schaut demnach der Wanderer Land-
schaftsbilder, die ihn oft an seine heimatlichen Gaue zwischen Schwarzwald und Böhmerwald
gemahnen, und deren Bevölkerung in Bezug auf wirtschaftliche Thätigkeit, Lebens- und Siede-
lungsweise eine größere Verwandtschaft mit den östlichen Nachbarn hat, als man infolge der
starken politischen Gegensätze gemeinhin anzunehmen geneigt ist. Auch das nordfranzösische
und schwäbisch-fränkische Becken sind Zwillingsgebilde der Natur, wie ihre Randgebirge
Vogesen und Schwarzwald. Aus den schattendunkeln Revieren der Buntsandsteinhöhen des
Schwarzwaldes betritt man diesseits des Rheins zunächst die sonnigen, reichgesegneten Acker-
baulande der Muschelkalkplatte Unterschwabens und Unterfrankens, dann die streckenweise
minder ergiebigen Keuperebenen Mittelfrankens und (Dberschwabens und erreicht endlich in
scharfem Anstiege die Hochfläche des Jura. jedesmal wird der Übergang von emem Gebiete
zum anderen durch eine mehr oder minder deutliche Bodenerhebung gekennzeichnet: das Aeuper-
land durch die Frankenhöhe und den Steigerwald, der Iura durch feinen scharfen Absturz gegen
Nordwesten. Ganz Ähnliches wiederholt sich jenseits des Rheins. Dort steigt man nach Über-
windung der wald- und schluchtenreichen Buntsandscholle der Vogesen in die Muschelkalk- und
Keuperplatte Lothringens hinab, auf der wie in Schwaben und Franken ein meist ergiebiger
Weizenboden dem 21ckerbau die günstigsten Bedingungen darbietet. Die breiten und sonnigen,
tief in das plateau eingeschnittenen Thäler, besonders das köstliche Moselthal, sind reich an
allen Schätzen, die die (Lrde zu bieten vermag, an Getreide, Wein und Wald, und gleichen
in ihrer Natur und Höhenlage vielfach den: unteren Neckar- und Mainthal (Metz \70 m,
Würzburg J83 m, Stuttgart 250 m).
Bei Nancy und Metz (S. 90) erheben sich dann J00—\50 m über das Vorland die wald-
gekrönten, breitfcheiteligen und wasserarmen Höhen des französischen Iura, durch die sich
die drei östlichen Hauptflüsse Frankreichs, Mosel, Maas und Marne, in freundlichen Thälern
den Weg nach Norden gebahnt haben. Hier überraschen den deutschen Wanderer Landschafts-
szenen wie an der Altmühl bei Eichstätt, und es ist charakteristisch, daß der französische Iura
wie der deutsche wertvolle Lisenlager einschließt, die die berühmte lothringische (Eisenindustrie
zwischen Nancy und Rietz hervorgerufen haben. Aus solch verwandten Naturbedingungen
diesseits und jenseits dervogesen folgt mit Notwendigkeit eine gewisse Ähnlichkeit der Siedelungs-
und Wirtschaftsverhältnisse. Der Grundbesitz der kulturell hochstehenden Bevölkerung beider
Gebiete ist zerstückt, der Bauernstand erscheint im Lichte behäbiger Wohlhabenheit, in den
Städten blüht Handel und Industrie.
Die schroff ansteigenden Iurahöhen Lothringens bilden zugleich natürliche Festungen
gegen einen von Osten andringenden Feind und tragen deshalb eine ununterbrochene Kette
von Fortifikationen, die von der Moselschlinge bei Toul zur Maas herüberziehen. Dieser Ort
wurde in den letzten Jahrzehnten zu einem Bollwerk ersten Ranges umgeschaffen. Ihm ent-
spricht der geographischen Lage nach die deutsche Festung Ulm. Mit diesem etwa 30 km breiten
Kalkplateau endet im wesentlichen der eigenartige parallelismns des nordfranzösischen und
süddeutschen Beckens.
Über die dürftigen Ackerböden der staubigen und fast baumlosen Champagne, auf
deren sonnigen Kreidehügeln freilich die kostbarste Traube reift (S. \22), geht es nun dem
Mittelpunkte Nordfrankreichs, dem Becken von paris (S. \22), zu. Natur und Kunst haben
sich hier vereinigt, um eine Gartenlandschaft zu schaffen, deren Zauber sich kein Beschauer zu
entziehen vermag. Den Untergrund des meist außerordentlich fruchtbaren Bodens bilden wag-
recht liegende Schichten tertiärer Meeres- und Flußablagerungen von etwa 200 m Höhe, in
die sich die Seine mit ihren Zuflüssen \00—J50 m tief in einem breiten, malerischen und ge-
drängt besiedelten Thale eingegraben hat. Im Mittelpunkte dieses fruchtbaren, wechselvollen
Landes vereinigen sich die von allen Seiten herbeiströmenden Flüsse des Seinegebietes, denen die
Straßen von Deutschland und Belgien her folgen. Hier, wo alle Verkehrswege Nordfrankreichs
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58 Viii. Frankreich.
aber an Wein liefern. Vom zentralen Plateau bis zu den Pyrenäen wiederholen sich im gan-
zen dieselben Schichtenfolgen wie von Straßburg nach Paris: Buntsand, Muschelkalk, Kreide;
den weitaus größten Raum aber nehmen die jüngeren, tertiären Meeresablagerungen ein,
wie um Paris. Recht ungünstig ist auch hier die Beschaffenheit der Rüste, von der Mündung
der Loire bis zur Gironde reicht die französische Marschenküste mit den vorgelagerten Dünen-
inseln, das Seitenstück der deutschen Nordseeküste. Auch hier sitzt die Bevölkerung nicht dorf-
weise zusammen, sondern der Einzelne wohnt in der Mitte seiner Ländereien, die durch Gräben
und Decken von denen der Nachbarn geschieden sind. Einige tiefere Meereskanäle gestatten eine
Annäherung zur Küste, die sich insolge des ergiebigen Binnenlandes eines lebhaften Verkehrs
erfreut, ^ier liegt die Stadt La Nochelle (S. J25). Von der Gironde südwärts ist die Küste
flach, sandig und hafenarm, ein fast geschlossener Dünenwall wie auf den deutschen Nehrungen.
Es ist die öde ^eidelandschaft der Landes in der Gascogne (S. \25).
Zwischen das Seine-, Rhone- und Garonnebecken schiebt sich als breite, trennende Schranke
das französische Zentralplateau, eines der ausgedehntesten Rumpfgebirge (Europas,
das ungefähr den sechsten Teil von ganz Frankreich einnimmt. (Es ist ein Granit- und Gneis-
stock, der nach Osten schroff zur Rhoneebene, nach Westen aber sanft absällt und von tiefen und
breiten Thalfurchen durchzogen wird. In seinem östlichen Teile, den Tevennen, umschließt er
bei Etienne und Alais Kohlenselder, deren Ausdehnung sich allerdings nicht mit den englischen
und deutschen messen kann, die aber gleichwohl für Frankreich und insbesondere für dessen
nahegelegene zweite Handels- und Fabrikstadt, Lyon, von der größten Bedeutung sind. Im
übrigen bilden die Flöhen des Zentralplateaus durch ihre Unwirtlichkeit den schärfsten Gegen-
satz zu den anderen, so reich gesegneten Teilen Frankreichs. Bergweiden, Aeiden, Sümpfe und
Wälder bedecken das Land, in dem die beträchtliche Erhebung und infolge davon die Rauheit
des Klimas feinere Kulturen nicht aufkommen lassen. Nur die Thäler haben höhere Frucht-
barkeit. Die unzulänglichen Bodenerträgnisse zwingen die Bewohner zur Auswanderung.
Aber was die Natur jenen abgelegenen Landschaften auf der einen Seite versagt, suchte sie
ihnen auf der anderen zu ersetzen. Die Wunder des Zentralplateaus sind seine Thermen
und Domvulkane (S. \26). Nirgends aus dem europäischen Festlande trifft man eine solche
Menge von Vulkanen in allen Formen des Ausbaues und in den verschiedensten Größen wie
hier, Vulkanberge mit und ohne Krater, mannshohe und hunderte von Metern hohe Kegel,
Kraterseen, Trachyte, Basalte, phonolythe (Klingsteine), kurz alle Erscheinungen des Vulkan-
Phänomens. Unmittelbar über dem fruchtbaren Becken von Tlermont, am Allier, erhebt sich
die berühmteste Gruppe dieser Berge. Sie besteht aus den sogenannten Dombergen, einer
Doppelreihe von etwa ^0 Kratern, worunter der puy de Dome auf ^65 m, der Mont Dore
sogar auf \886 m ansteigt, beide mächtige Anziehungspunkte für Bergwanderer und Natur-
freunde. Unter den zahlreichen und belebten Bädern des Gebietes ist Vichy, nördlich von
Tlermont, am berühmtesten geworden.
Gegen Osten fällt das französische Zentralplateau mit einem steilen Bruchrande unver-
mittelt zur Saöne-Rhonesenke ab, einer ^80 km langen Lintiesung zwischen Iura und Alpen
einerseits und den französischen Gebirgen anderseits. Ursprünglich von einem langgestreckten
Binnenmeer erfüllt, das über die schweizerische, bayerische, ober- und niederösterreichische
Hochebene sich ausbreitete, wurde das Gebiet später von den Anschwemmungen der Flüsse
überdeckt, die fruchtbare Ebenen in dieser langen Furche ausschütteten. Durch die historisch so
bedeutsame Senke von Belsort (S. \27), die sogenannte Burgundische Pforte, zwischen Iura
und Vogesen, dringt noch heute der Verkehr aus dem Deutschen Reiche über Besan^on (S. \27)
ins Rhonethal. Durch dieses Thor rückten im Winter ^370/7^ die deutschen Truppen unter
General v. Werder trotz einer doppelten und dreifachen feindlichen Übermacht bis hart vor die
Thore Lyons. Belfort, eine Festung ersten Ranges, das „Trutz-Straßburg" der Franzosen, be-
herrscht nunmehr den Eingang des Thales.
Vom nordfranzösischen Becken führen die (Auellthäler der Seinezuflüsse Marne, Aube und
£}onne in das schöne, sonnige Burgund, das in der Glanzzeit mittelalterlicher Kaiserherrlichkeit
zum Reiche gehörte, wie die Niederlande und die Schweiz, und dessen Bevölkerung noch heute
mehr an die benachbarten Schweizer und Süddeutschen erinnert als an die gallischen Brüder.
Dank seiner geschützten Lage und seines fruchtbaren Bodens erfreut sich Burgund ähnlicher
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^0 Ix. Die Pyrenäen Halbinsel.
de pau herabstieg, wird die Bildung jener merkwürdigen Thalzirkusse zugetrieben, mit
denen die oberen Enden der Pyrenäenthäler gewöhnlich abschließen. Der größte derselben ist
der berühmte Zirkus von Gavarnie (5. J3jq atn Ursprünge der Gave de pau. L^art neben dem
Montperdu, dessen Flanken in den Zirkus von Gavarnie abstürzen, führt die Rolandsbresche
('2800 m), der großartigste und zugleich wildeste aller Pyrenäenpässe, nach Spanien. Auch die
übrigen Linsenkungen der Zentralpyrenäen gehen nicht unter 2500 m herab, so daß die Eisen-
bahnen das Gebirge an seinem östlichen und westlichen Ende umziehen. Vom Tol de la Lerche
(J600 m) an, einem der bequemsten Übergänge im östlichen Gebirgsteile, verbreitern und ver-
flachen sich die Pyrenäen mehr und mehr. Der (Lol de perthus, die alte Straße von Perpignan
nach Katalonien, hat nur 250 m L^öhe (5. J30). In den mineralreichen Bergen von Katalo-
nien treten sie an das Mittelmeer heran, wo sie vortreffliche Häfen bilden, und hier liegen
Spaniens betriebsamste Bergstädte, hier ist Barcelona (5. \52), die bedeutendste See- und
Handelsstadt des Landes mit 273,000 Einwohnern.
Ix. Die Wrenamhalbinsel.
Über die öde, steppenartige Tafelfläche des Ebrobeckens, in welche die reiche Gartenland-
schaft der eigentlichen Flußniederung eingesenkt ist, führt die Bahn zur zentralen Hoch-
fläche Spaniens empor, die ähnlich dem französischen Zentralplateau den Kern des Landes
darstellt. In ihrer Westhälfte ist sie ein altes, abgetragenes Tafelland mit Randgebirgen,
im Osten lehnen sich schier endlose Flächen jüngerer, meist wagrecht gelagerter Gesteine an.
Wo das granitische Massiv der alten Gebirgsscholle im Norden und Nordwesten der Halb-
msel an das Atlantische Meer herantritt, entsteht eine buchten- und hafenreiche Steilküste
(s. Abb. Porto, 5. J[32), die die Gestadeformen der Bretagne wiederholt, von da aus durchzieht
das alte, niedrige Bergland in einem großen Bogen die Provinzen Galicien, Leon, Estrema-
dura und den größten Teil Portugals, um endlich in der Sierra Morena auszulaufen. Ein
mächtiger Seitenast, nahezu die ganze Halbinsel durchquerend, löst sich davon in der Mitte
der Halbinsel unter dem Namen Kastilisches Scheidegebirge ab.
Wer von den nördlichen Randhöhen zum zentralen Plateau herabsteigt, sieht sich in einer
flachen, völlig baumlosen Ebene, deren Boden aus Buntsandstein, Kalk, Gips und Mergel zu-
sammengesetzt und nicht selten salzhaltig ist. In den Körper dieses Plateaus haben die Flüsse
steilwandige, cm 200m tiefe Thäler eingerissen (S. \33), deren Wasserreichtum der trockenen Hoch-
fläche aber nicht nutzbar gemacht werden kann. So zeigt denn das wasserarme spanische Tafel-
land nur Landschastsbilder von ermüdender Einförmigkeit. Um die kahlen, erdfahlen Ortschaften
breiten sich teils endlose Felder mit Weizen und Roggen, teils öde, unfruchtbare Schottersteppen
aus, die jeden Versuch des Anbaues zurückweisen. Dies sind dann die Weideplätze der Merino-
Herden. In solcher Umgebung erhebt sich Madrid (S. J33) am Südabhange der Sierra Gua-
darrama. Vorzüglich der Lage im Mittelpunkte des Landes und seiner Bedeutung als Re-
sidenzstadt verdankt Madrid sein Emporkommen. <£s zählt heute bereits ^70,000 Einwohner
und bekundet sich durch seine prächtigen Straßen und Paläste, seine zahlreichen Plätze und
Parkanlagen als eine wesentlich moderne Großstadt. Geschichtlich ungleich merkwürdiger ist das
etwas südlich von Madrid gelegene, altertümliche T o l e d o (S. J3^) in beherrschender Lage
am Hochufer des Tajo, der Sitz des Primas von Spanien und die geistliche Hauptstadt des
Landes. Auf schwer zugänglichem Felsen gelegen, bildet es eine natürliche Festung, die zuerst den
Römern als starker Waffenplatz, später den westgotischen, maurischen und kastilischen Fürsten
als Residenz diente. In Altkastilien ist neben Valladolid, der einstigen Hauptstadt des König-
reiches Altkastilien, das altertümliche Burgos nennenswert, dessen zweitürmige Kathedrale
als einer der schönsten Dome der Welt gilt. Sie ist das Werk deutscher Baumeister (S. J3^).
Einen Ersatz für die Unwirtbarkeit des Bodens und die Ungunst des Klimas hat die
Natur dem zentralen Plateau in den höchst mannigfaltigen und reichen Mineralschätzen seiner
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8 I. Die Alpen.
den flüssigen Erdkern umgibt, diesem Seitendruck nicht zu widerstehen vermögen, so müssen
sie allmählich zusammengeschoben und gefaltet werden wie die Oberfläche eines zusammen-
schrumpfenden Apsels. Diese Falten sind die Gebirge der Erde. In der That entsprechen den
großen Erhebungsmassen unseres Planeten ebenso viele große Senkungsfelder: den Alpen die
Po-Ebene und das Adriatische Meer, den Karpathen die große ungarische Tiefebene, den Apen-
ninen das Tyrrhenische Meer. Da, wo die Erdrinde die furchtbarsten Zerreißungen erfahren,
Wunden der Erdhülle könnte man sie im figürlichen Sinne nennen, an der Innenseite der großen
Gebirgsbogen, sind häufig vulkanische Gesteine emporgequollen, so im Inneren des Alpenbogens
die Porphyrmassen bei Bozen, die jungen vulkanischen Aufschüttungen der Euganeen zwischen
der Etsch und der Rüste der Adrm, ferner am Südrande der Karpathen bei Schemnitz und
Tremnitz, in Siebenbürgen und am Saume des Tyrrhenischen Meeres längs der italienischen
und sizilischen Rüste.
Das große Faltensystem der Alpen besteht nun, wie ein Blick auf eine geologische Karte
lehrt, aus einem zentralen, gefalteten Gneis- und Glimmerschieferzuge, dem sich auf der Außen-
feite stark zerknitterte, auf der der adriatischen Senke zugekehrten Innenseite aber vielfach
ungefaltete Schichtgesteine jüngeren Alters angliedern. Man bezeichnet sie als nördliche
und südliche Nebenzone, häufiger aber, wenn auch nicht ganz zutreffend, als nördliche und
südliche Kalkalpen.
2. Die Schweizer Älxen.
In die Zone der Zentralalpen und zwar in die Region der gewaltigsten Hochgipfel der
ganzen Alpenwelt, in die Walliser Berglandschaften, versetzen uns die ersten Darstellungen un-
seres Bilderwerkes, von der Höhe des Furkapaffes schweift der erstaunte Blick hinüber zu jenen
Bergriesen, die sich südwestlich vom Gotthard bis zum Genfer See hinziehen. Wie von mär-
chenhafter Pracht schimmern sie herüber, die blanken Firnteppiche und langgezogenen Eis-
ströme, stumm bewundert, wenn die Gipsel der weißen Felsengrate im Morgenrot wie in Blut
getaucht leuchten, oder wenn sie, vom Mondlicht magisch umflossen, in das dunkle Blau des
Nachthimmels aufstarren. Dort, wo der lange Zug der Westalpen aus der nördlichen Rich-
tung in die östliche umbiegt, wo die Landschaft Savoyen an piemont grenzt, erhebt sich der
Schneedom des Montblanc (S. 57), des „weißen Berges", wie er mit Recht genannt wird,
noch 3300 m über das freundliche Thal der Arve bei Thamonnix (\000 rn). Dank der ge-
waltigen Auftürmung und der breiten Einlagerung dieses Massivs vereinigen sich hier alle
Bedingungen zu einer wahrhast großartigen Gletscherentwickelung. Nicht weniger als 20
Gletscher erster (S. 58) und ^0 Gletscher zweiter Ordnung bekleiden seine hochgelegenen Mul-
den und Berglehnen und steigen teilweise sast bis zu den Getreidefeldern im Thale der Arve
Q\00 m) herab.
Pon Thamounix am Fuße des Montblanc führen zwei Wege ins Rhonethal bei Mar-
tigny(S.53), der eine über die mattenreiche Einsenknng destol debalme mit dem entzückendsten
Rundblick auf die ganze Montblanc-Kette, der andere durch die finstere Thalschlucht der Tete-
Noire. Das obst- und weinreiche Unterwallis aufwärts wandernd, erreichen wir visp, und
wieder öffnet sich gegen Süden ein Thor, um eine neue Wunderwelt, fast noch großartiger
als jene von Thamounix, dem überraschten Auge zu erschließen. Eine zweistündige Eisenbahn-
sahrt längs der visp bringt uns nach Zermatt. Kein anderer Punkt der weiten Alpen versetzt
uns so sehr in das Herz des Hochgebirges wie Zermatt, kein Gipfel gewährt ein so umfassen-
des Bild alpiner Gletscherwelt wie der Gorner Grat. Aus unmittelbarer Nähe starrt der Blick
auf die unabsehbaren Schnee- und Eiskämme des Monte Nosa (^638 rn) und seiner Nachbarn,
in deren Mitte man gleichsam steht, und deren Eisströme zu unseren Füßen sich sammeln, un:
im Gorner Gletscher zu Thal zu ziehen. Nicht weniger als j(5 Gletscher erster und \20 Glet-
scher zweiter Ordnung zählt man in diesem, ganz in blendenden Eismassen begrabenen Ge-
birgsstocke. Gebührt nun unter den zahlreichen Hochgipfeln des Bergkranzes, der die Zer-
matter Mulde umgürtet, dem Monte Rosa mit seiner zehnzackigen Gipfelkrone der Ruhm über-
ragender Höhe, der schönste Berg dieses Reviers, ja wohl der Alpen überhaupt, ist doch das
Matt er Horn, ^82 rn (5. 59). Fast anderthalb tausend Meter schwingt sich der Felsenobelisk
mit scharf ausgeprägten Kanten und etwas überhängender Spitze, nackt und schwarz, über
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X. Italien.
X. Italien.
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Goldorangen glühn?"
So fragt der Dichter, erfüllt von verzehrender Sehnsucht nach den sonnigen Gefildenitaliens.
Und er leiht mit dieser Frage einer Idee Ausdruck, die Jahrhunderte hindurch ganze Völker-
schaften in Bewegung setzte, ja den Gang der Weltgeschichte beherrschte. Der Zug nach dem
Süden war es, der die kriegerischen Kelten unter Brennus bis vor die Thore Roms und die
Cnnbern und Teutonen in die Fruchtebene des po führte; er durchdrang in der Völkerwande-
rung die Gerzen der Germanen, die in hellen Kaufen ins römische Reich einbrachen und den
letzten Schattenkaiser vom Throne stießen; er führte die Kaiser des heiligen römischen Reiches
deutscher Nation von Otto dem Großen bis Ronradin nach der „ewigen Stadt". Und bis
herab zur Gegenwart ist Italien das Land deutscher Sehnsucht geblieben, wenn auch in durch-
aus anderem Sinne als ehedem. Nach Tausenden zählen die Deutschen, die alljährlich die
vielgepriesenen Lande jenseits der Alpen aufsuchen, teils um die Zauber italienischer Natur zu
genießen, teils um den Geist in die unvergleichlichen Meisterwerke italienischer Kunst oder in
die große Vergangenheit des Volkes zu versenken.
Drei Weltverkehrsstraßen, die den Kontinent fast in seiner ganzen Breite durchschneiden,
führen ans den nordalpinen Gebieten nach dem Süden: die Gotthardlinie vom Rhein zum
Thvrrhenischen Meer, die Brennerlinie von den zentralen Teilen Deutschlands zur langgestreck-
ten Halbinsel, die Semmering-pontafellinie vom Oder-, March- und Donaugebiet zur Adria.
Mailand und Genua, die lange Reihe der Großstädte auf der Halbinsel selbst und Venedig
bezeichnen Hauptpunkte dieser „ewigen Naturstraßen", die sich in derj)o-Ebene (S. ^0), dem
„Garten Italiens", vereinigen.
Reichtum der Bewässerung, Fruchtbarkeit des Bodens, Gunst des Klimas und sorgfältiger
Anbau erzeugen hier eine Ergiebigkeit, wie sie wenig andere Stellen der Lrde aufweisen
können. Sechsmal im Jahre werden die Wiesen gemäht. Außer Weizen wird Mais und
Reis in Menge gebaut, daneben gedeihen alle Gemüse und edleren Gbstarten. Maulbeerbäume
umsäumen die Äcker und ermöglichen die Seidenraupenzucht und Seidenindustrie, namentlich
in der lombardischen Hauptstadt. Kastanien, Feigen und Mandeln erzeugt das Land in Menge,
die Olive aber, das Leitgewächs der Mittelmeerflora, dann Zitronen und Orangen kommen
nur an besonders geschützten Stellen der norditalienischen Seen fort. Im Osten der Ebene,
umspült von den Fluten der blauen Adria, erhebt sich das palastreiche Venedig (S. ^0), einst
die Beherrscherin der Meere und die reichste Stadt Europas, jetzt still, aber noch immer merk-
würdig durch seine Anlage auf etwa \00 Inseln, durch seine Kanäle (der 3-förmig gekrümmte
Tanale grande), Airchen (Markuskirche), Paläste (Dogenpalast) und Kunstsammlungen.
Das Becken des jdo, eine alte ausgefüllte Bucht des Adriatischen Meeres, wird im Süden
von: Apennin umgrenzt, der, unmittelbar an die Westalpen anschließend und deren Fort-
setzung bildend, steil zum Tyrrhenischen Meere abbricht.
Die Riviera (S. —^3), das Meeresgestade schlechtweg, nennt man den von -k^och-
gebirgen und lieblichen Thalbuchten gebildeten Küstensaum, in dessen Mittelpunkt Genua
liegt. Line ununterbrochene Kette herrlicher Landschaftsbilder, wie sie kaum ein anderer Teil
Europas aufweisen kann, entzückt hier das Auge des Wanderers. Auf der einen Seite dehnt
sich unabsehbar das tiefblaue Mittelmeer hin, auf der anderen steigt unvermittelt das Gebirge
aus den Fluten, in wunderbare Klippen und Riffe zerbrochen (S. ^3). Kein noch so schmales
Vorland trennt es vom Meere, unmittelbar ragen die Säulen und Wände des Hochgebirges
über dem klaren Spiegel des Meeres auf. Den Winter kennen diese Gestade kaum; mächtige
Bergwälle schützen sie vor rauhen Winden, vom Meere her weht südliche Luft. Da bekommt
denn das Pflanzenleben einen fast tropischen Charakter. Die Weinrebe wird seltener, dafür
bedeckt der Boden sich mit Oliven- (S. \ <\2), Orangen- und Zitronenhainen; Rosen- und Tulpen-
bäume blühen mitten im Winter im Freien, Geranien- und Erdbeerbäume wachsen fast wild,
Theerofen und heliotrop verbreiten milden Duft, und hunderte von Arten blühender Gebüsche,
der Blumen ungezählte Menge heben sich in leuchtenden Farben ab vom grünen Rasen oder
kahlen Fels. Lorbeer und Myrte gelten fast schon als Unkraut. Selbst Süditalien und Sizilien
1897 -
Leipzig [u.a.]
: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
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Italien. ^5
zeigen nicht diese Pracht der Pflanzenwelt wie die Riviera. Jeder der zahlreichen Orte, die
hier dicht nebeneinander liegen, bildet ein freundliches Paradies, in dem sich's gut wohnen läßt
für den, der dem nordischen Winter entrinnen will. L?art an der französischen Grenze liegen
Bordighera (5. J^O und San Nemo, weiterhin folgt Genua (S. ^3) an einer tiefen Einbuch-
lung des Meeres, nächst Marseille die belebteste Hafenstadt im Mittelmeer mit 2^5,000 Ein-
wohnern, dann Carrara (5. mit seinen weltberühmten Marmorbrüchen und endlich Spezia
mit dem Hauptkriegshafen des Königreiches.
von dieser Stadt an wendet sich die Hauptkette des Apennin gegen die Gstküste, erreicht
in dem schwer zugänglichen Hochlande der Abruzzen mit dem Gran Sasso (S. seine
höchste Erhebung und zieht dann in schroff aussteigenden Massiven mit breitscheiteligen Hoch-
flächen durch Süditalien, um jenseits des Meeres iru Atlas seine Fortsetzung zu finden. Der
Apennin ist ein jugendliches Faltengebirge wie die Alpen, zu deren Hebungssystem er gehört.
Schiefer, Mergel und Sandsteine (Flysch) setzen einen großen Teil des Gebirges zusammen.
Selten zeigt der Apennin die reizvolle Formenfülle der Alpen, deren saftige Matten fast gänz-
lich fehlen. Die Berge sind infolge der Entwaldung meist kahl und schuttüberdeckt, von fahler,
einförmiger Färbung, die Flüsse sind wilde Gebirgsströme mit breiten Geröllbetten, im Winter
wild überschäumend, im Sommer wasserarm.
Mit dem Kriegshafen von Spezia verläßt man die hafenreiche Steilküste des Ligurischen
Meeres. Flach und eintönig zieht nun die Rüste Toscanas und Latiums hin, sumpfig und
ungesund, ein Werk der aufschüttenden Thätigkeit des Meeres und der Flüsse. Sechs Stunden
vom Meere aber erhebt sich in Latium zu beiden Seiten des Tiber die Siebenhügelstadt, das
„ewige Rom", unvergleichlich durch seine Geschichte, unerreicht durch seine Kunstschätze und
sein Kunstleben. Die Stadt, die in der alten Kaiserzeit über eine Million Einwohner hatte
und während des Exils der Päpste in Avignon (im Jahrhundert) aus 20,000 zusammen-
schrumpfte, zählt heute wieder 4.50,000 Einwohner. Am rechten Tiberufer breitet sich der
päpstliche Stadtteil mit dem Vatikan, der Peterskirche (S. ^6) und der Engelsburg (S. \^5)
aus. Letztere war ursprünglich das Grabmal Kaiser Hadrians, wurde aber im Laufe der Zeit
in eine Festung umgewandelt. In geringer Entfernung von der Tiberinsel liegen die Stätten
des altklassischen Roms: der kapitolinische Hügel, 4ß m hoch, mit dem Tempel des Jupiter,
der Burg, der Richtstätte und dem Tarpejischen Felsen, von dem in alter Zeit die Verbrecher
hinabgestürzt wurden; der palatin (59 m) mit der kaiserlichen Residenz und zahlreichen anderen
Palästen; zwischen beiden dann das Forum (^ m), der Mittelpunkt des politischen, gewerb-
lichen und kaufmännischen Lebens der alten Zeit. Noch heute ist es übersäet mit den Trümmern
alter Tempel, Kaufhallen (Basiliken, S. ^6), Triumphbögen (S. ^7) und Ehrensäulen. Südlich
davon standen die luxuriösen Thermen des Kaisers Taracalla (S. J^7), nordwestlich das Pan-
theon (S. J[^7), das allen Gottheiten insgesamt geweiht war.
vor den Thoren Roms dehnt sich meilenweit die öde Fläche der Tampagna (S. ^3)
hin, nur unterbrochen von niedrigen Tuffhügeln. Der von Natur fruchtbare und wasserreiche
Boden, den im Altertum Gärten und Villen bedeckten, trägt heute insolge der Vernachlässigung
und der ungünstigen Besitzverhältnisse nur dürftige Weideländereien, und stehende Gewässer
verpesten seine Lust. Uni so verlockender winken da den Römern in der heißen Jahreszeit
die bewaldeten Höhen der seenreichen Albanerberge im Süden und das Sabinergebirge
im Westen mit den vielgepriesenen Wasserfällen bei Tivoli (S. ^3).
von der Tibermündung bis zur vulkanischen Insel Ischia ist die Küste zumeist noch flach
und reizlos. Dann aber weitet sie sich zum Golfe von Neapel aus, dessen märchenhaft schöne
Gestade die kegelförmige Masse des Vesuv (J268 m) beherrscht (S. ^9). In der Mitte des
Rundbildes steigt Neapel an dem felsigen Rücken der Berge hinan, und am Fuße des Vesuv
erglänzen die unzähligen perlen der Städtereihe, die sich um den Golf schlingt: portici, das
verschüttete Herculanum, Torre del Greco, Tastellamare und endlich auf steiler Höbe Sorrent
(S. Z50) mit seinen Zitronen- und Grangenwäldern.
Auch die Küstenstrecken Siziliens, an denen wohlbewässerte, gartenähnlich bebaute
Ländereien von altersher sich finden, reifen alle Produkte der Mittelmeerzone: Oliven, Weizen,
Wein, Südfrüchte, ja selbst Baumwolle und Zuckerrohr; im Inneren dagegen, wo es an künst-
licher Bewässerung fehlt, liegen weite Strecken unangebaut oder werden nur als Weide benutzt.
1897 -
Leipzig [u.a.]
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Die Schweizer Alpen. \ \
zieren die Gärten, lauter Gewächse, denen wir erst wieder jenseits der lombardischen Tiefebene,
an der Riviera, begegnen. Lediglich der außerordentlich geschützten und tiefen Lage des See-
beckens muß der scharfe Kontrast dieser Flora mit jener am Nordfuße der Alpen zugefchrie-
den werden. Neben ihren hohen landschaftlichen Vorzügen hat die Thalfurche des Tomersees
auch noch eine große Bedeutung als Verkehrsstraße, wenngleich sie in dieser Richtung hinter
der Gotthard- und Brennerlinie zurückstehen muß. Zwei Thäler gehen vom Nordende des
Tomersees aus: das der Adda zum Stusser Joch, das der Maira zum Maloja und weiterhin
ins Engadin, das vielgerühmte und vielbesuchte schweizerische Hochthal am Nordsuße der
gletscherreichen Bernina.
Das seenreiche Engadin (S. 67) erreicht in seiner außerordentlichen Höhenlage nahezu die
Spitzen unserer Voralpen (St. Moriz i(7^7 m, Wendelstein \8^9 m)- ^lcht oberhalb der (^.hal-
sohle hört der Baumwuchs auf, und um die weißen Däuser und Landgüter wächst die Flora
der Alpenmatten, ja fast ebenen Fußes gelangt man zu den Gletschern des Berninagebietes,
dem Roseg- und Morteratschferner. Aber wer hier nur dürftige Hirtenwohnungen und Senn-
Hütten vermutet, wie in den gleichen Höhenlagen der Kalkalxen, erstaunt nicht wenig, längs
des Inns ein J8 Stunden langes und etwa V2 Stunde breites Hauptthal zu finden mit 28 Grt-
schaften und einer Bevölkerung von ^2,000 Seelen. j?ontresina und St. Zitoriz sind heute in
der schönen Jahreszeit ebenso belebt wie Interlaken, sie sind Mittelpunkte eines wunderbar
mannigfaltigen Reiselebens.
Line zehnstündige jdostfahrt, überaus reich an Naturgenüssen, bringt den Touristen von
jdontresina über den Berninapaß (253^ m, S. 65) in das weinreiche veltlin. In vielfachen
Schlingen und durch einige Galerien geht es abwärts nach j?oschiavo. Mehr und mehr nimmt
das Thal einen milderen Tharakter an; Kastanienbäume treten auf, und bald gesellen sich zu
diesen au den sanfteren hängen auch Weinreben. Wir überschreiten die italienische Grenze
und kommen nach Tirano an der Mündung der poschiavina in die Adda (^50 m).
Fast scheint es dem Wanderer, als könne die Kraft der Natur sich nicht erschöpfen. Wie
herrliches das Auge auf der Fahrt über den Berninapaß geschaut, noch Großartigeres harrt
dessen, der über das Stilffer Joch (S. 66) nach Tirol zieht, hart hinter Bormio äudert sich
der Tharakter des Addathales fast plötzlich. Die südliche Vegetation verschwindet, das Thal
schließt sich in schauervoller Enge, und während zur Rechten jähe Felswände aufstarren,
schäumt und braust mit donnerartigem Getöse die junge Adda dahin. Wie ein Eingang in
die Unterwelt, finster und drohend, so zieht die Addaschlucht, eine der großartigsten der ganzen
Alpen, stundenlang hin, bis endlich die stolzen Firndome des Grtler und Monte Tristallo
am östlichen Horizonte auftauchen. Bis zur Grenze des ewigen Schnees führt der kühne
Straßenbau empor, der auf der Ferdinandshöhe 2757 m erreicht und in seiner senkrechten Er-
Hebung über den Meeresspiegel von keiner fahrbaren Paßstraße in Europa übertroffeu wird.
Drei Länder, Italien, Ästerreich und die Schweiz, und drei Sprachen, italienisch, deutsch und
romanisch, grenzen hier aneinander, und außerordentlich lebhaft ist deshalb der Verkehr in der
Reisezeit. Aber nur vom Mai bis Oktober besteht hier eine regelmäßige ^ostverbindung zwischen
Tirol und Italien, im übrigen Teil des Jahres behindern die großen Schneemassen den Wagen-
verkehr. In zahllosen Kehren senkt sich die Fahrstraße von der j)aßhöhe herab in das breite
Etschthal bei Glurus, wo sich die Wege teilen. Gegen Osten zieht die Straße den Fluß eut-
lang über Meran nach Bozen, gegen Westen durch die Innschlucht des Finstermünzpasses
nach Landeck. Wir sind im Bereiche der Ostalpen.
In der Schweiz erreicht das Gletscherphänomen (S. 66) dank der höhe der Berge
und der reichen Niederschläge seine großartigste und mannigfaltigste Ausbildung in den Alpen.
Aber wie gewaltig uns auch seine Entwicklung erscheinen mag, die heutigen Gletscher sind
nur noch schwache Überreste jener riesenhaften Eisströme, die sich einst durch die breiten Thäler
der Rhone, Aar, Reuß, Limmat und des Rheins über das ganze Alpenvorland ergossen und
bis zum Schwarzwald und Iura reichten. Von ihrem Dasein in der sogenannten Eiszeit zeugen
nicht bloß die Schuttwälle, Moränen, die die alpinen Vorlandseen einfassen, sondern auch die
durch den furchtbaren Druck der Eismassen abgerundeten und abgeschliffenen Gipfel und
Gehänge der Berge (S. 67) und die nun trocken gelegten Gletschermühlen, unter denen der
vielbesuchte Gletschergarten in Luzern (S. 67) am berühmtesten geworden ist.
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Die Balkanhalbinsel.
der Isker, und durch dessen schluchtartiges Thal führt jetzt die Bahn von Belgrad über Sofia
nach Konstantinopel.
An den Nordfuß des Balkan lehnt sich die bulgarische Kreidetafel, eine steppenartige Hoch-
fläche, die mit einem Steilrande von J00—200 m zur Donau abbricht. Am linken Flußufer da-
gegen breitet sich die lößbedeckte walachische Niederung, die Kornkammer der Balkanhalbinsel,
aus, in deren mitte Bukarest (220,000 Einwohner, 5. die Landeshauptstadt, liegt.
Die Mitte der Balkanhalbinsel, also das weite Gebiet zwischen den jungen Faltengebirgen
im Norden und Westen, erfüllt — ähnlich wie in Spanien und Frankreich — ein altes Massen-
gebirge aus Granit und Gneis, dessen einzelne Glieder, das Rhodopegebirge, der Rilo Dagh,
das Vitoschgebirge bei Sofia (S. und der Schar Dagh, durch tiefe Einsenkungen vonein-
ander geschieden sind. In der dreizackigen Halbinsel Thalkidike tritt dieses Urgebirge weit in das
Ägäischemeer vor. Auf dem östlichsten dieser Zacken, dem Berge Athos (S. \58), hat sich eine
Mönchsrepublik mit 5— 6000 Bewohnern erhalten.
Am östlichen, verflachten Ende dieses Massivs, wo am Bosporus (S. J55j zwei Erdteile
und zwei Meere sich berühren, also an einer der denkbar günstigsten Stellen Europas, er-
hebt sich, vom Meere ansteigend, in orientalischer Fracht und herrlicher Umgebung Kon-
stantinopel (S. J56). Die Stadt zerfällt eigentlich in drei durch Meeresarme geschiedene
Städte. Im Norden des „Goldenen L^orns" liegen Galata und jdera mit den Niederlassungen
der Europäer, jenseits des Bosporus auf der kleinasiatischen Seite ist Skutari mit etwa 80,000
Einwohnern, und zwischen den beiden Wasserstraßen breitet sich die eigentliche Stadt aus.
In derselben fallen besonders die Paläste und Gärten des Serail, der früheren kaiserlichen
Residenz auf dem östlichsten Vorsprunge der Halbinsel, daran südlich anstoßend die Sophien-
kirche, jetzt Moschee, und die ^ohe Pforte, der Sitz der Ministerien, nächst der Brücke über das
Goldene Horn, auf. Die Einwohnerzahl der Stadt beläuft sich auf etwa 900,000.
Die außerordentliche Mannigfaltigkeit der Oberflächengestaltung, die den Hauptkörper
der Balkanhalbinsel auszeichnet und sich getreu in der heutigen politischen Gestaltung des Lan-
des widerspiegelt, setzt sich unvermindert gegen Süden durch ganz Griechenland fort. Auch
hier tritt der Gegensatz zwischen der Ost- und Westhälfte scharf hervor. Epirus ist noch echt
dinarisches Land, rauh und wenig zugänglich, und von Thessalien durch den Hindus, ein wildes
Kalkgebirge, geschieden. In der thessalischen Anschwemmungsebene dagegen, einem Einbruchs-
decken mit malerischen Randgebirgen (Ossa, Olymp, Felsenbildungen bei Kastraki, S. J(57),
reisen bereits alle Produkte der Mittelmeerregion, Mais, Baumwolle, Oliven 2c.
Der historisch denkwürdige Engpaß von Thermopylä (S. J58) leitet von Nordgriechen-
land nach Mittelgriechenland und seinen vom Genius der Geschichte geweihten Stätten hinüber.
Wie im Altertum, so ist auch in der Gegenwart Athen (S. ^59) der geistige Mittelpunkt des
Griechentums. Unter türkischer Herrschaft war es zu einem bedeutungslosen Orte mit 20,000
Einwohnern herabgesunken, heute zählt es deren bereits wieder 1(20,000 und ist teilweise über
den Raum hinausgewachsen, den Alt-Athen bedeckte. Moderne Straßen sind zwischen die
vielfach gut erhaltenen Überreste der Glanzzeit eingebaut, von denen die großartigsten den
südlich über der Stadt gelegenen Akropolishügel schmücken. All die klassischen Tempel dort
oben überstrahlt an Schönheit und Größe der Parthenon (S. J59), ein Säulenbau, der der
jungfräulichen Göttin Athene geweiht war.
Von Athen führt der Weg über Eleusis und Megara nach Korinth und in den Aelo-
ponnes. Zur Linken hat man das wogende, blaue Meer und die schön geschwungenen Berge
von Salamis und Ägina und sodann, je mehr man sich dem Isthmus nähert, die malerische Küste
des östlichen Argolis. Zur Rechten schweift der Blick über den belebten Golf von Korinth, dessen
Eingang die Stadt j)atras (34,000 Einwohner, S. \60), der wichtigste Ort der Halbinsel
und neben Athen der einzige festländische Handels- und Stapelplatz Griechenlands, beherrscht.
Gegen Westen verflacht sich die Küste mehr und mehr, sie wird sumpfig und ungesund, und
endlich erreicht man aus der Anschwemmungsebene des Alpheios die Ruinen der alten Fest-
stadt Olympia. Steile Afade führen von hier zum Inneren der Halbinsel, zum Hirtenlande
Arkadien, empor, das die wüsten Kalkketten des dinarischen Systems säst ganz erfüllen, Hier
sammelt der Eurotas seine silberklaren Gewässer und zieht dann in einem breiten, von Herr-
lichem Pflanzenwuchse strotzenden Thal durch die sonnige Landschaft Lakonien dem Meere