lio Iii. Ztr. Das Mittelalter. Von 768 — 1517.
und Halberstadt, die Stephanskirche in Wien, die St.
Sebatduskirche in Nürnberg, die Elisabetbkirche in Mar-
burg, gehören zu den ausserordentlichen Gebäuden; und
so könnten ihrer noch viele in den deutschen Städten ge-
nannt werden. — Um nun die großen Kirchen auch im
Innern würdig auszuschmücken, mußten die Maler und
Bildhauer, die Holzschneider und Glasmaler
helfen, und daher blühten diese Künste auf das herrlichste.
Die Werke aus jenen Zeiten, die mit Unrecht von man-
chem barbarisch genannt worden sind, dienen noch immer
als Muster für uns.
Auch die Dichtkunst und die Musik wurden nicht
versäumt. Sie dienten, sowohl die kirchlichen Feste, als
die der geistlichen und weltlichen Fürsten und der reichen
Bürger in den Städten, zu verherrlichen. Da war kein
Gast so willkommen, als der Sänger, welcher die Hel-
denthaten der Vorfahren, den Ruhm der Geschlechter, die
Schönheiten der Natur, die Erhabenheit des Schöpfers,
oder irgend ein schönes menschliches Gefühl zum Klang
der Harfe besang.
Die Dichtkunst war so hoch geehrt , daß Kaiser und
Könige, Herzöge, Grafen und Ritter, sie übten und ei-
nen hohen Ruhm darin fanden, wenn ihre Lieder von ei-
nem Ende des deutschen Landes bis zum andern gesungen
wurden.
Die ernstern Wissenschaften, die Erforschung der Re-
ligion, der Geschichte, der Philosophie, die Naturkunde
und Mathematik, waren vorzüglich das Eigenthum der
Geistlichkeit. Diese hatte dazu durch ihren Stand
selbst den ersten Beruf, und besonders boten die stillen
Mauern der Klöster fast den einzigen schicklichen Platz da-
zu dar. Das Leben der Ritter, selbst das der Bürger in
den Städten, war zu unruhig und kriegerisch; es gehört
Fleiß, Geduld, Ruhe und eine lange Zeit dazu, um sich
eine gründliche Kenntniß der Wissenschaften zu erwerben.
Auch hatte man damahls die Buchdruckertunst noch nicht,
wodurch nützliche Bücher so leicht vervielfältigt und ver-
breitet werden können. Damahls mußte ein Buch so oft-
mahl abgeschrieben werden, als man es haben wollte; und
welch außerordentlich mühsame Arbeit war das! Wer hät-
te Zeit und Geduld dazu gehabt, wenn es nicht die Mön-
che in den Klöstern gethan hätten! Ohne sie wären die
wichtigsten Bücher über unsere Geschichte, und so viele
andere nützliche Werke, gänzlich verloren gegangen.- Uud
wenn wir die künstliche und mühsame Schrift, zum Theil
mjt schön ausgemalten Buchstaben und mit Bildern am
»
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T105: [Stadt Dom Jahrhundert Zeit Bau Kirche Rhein Baukunst Deutschland Mainz], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester]]
Extrahierte Ortsnamen: Halberstadt Wien Nürnberg Mar-
Schilderung des Mittelalters.____________1u
Rande des Pergaments auf jeder Seite, betrachten, so
müssen wir über den außerordentlichen Fleiß aufs höchste
erstaunen. >
Aber dennoch mußten die Bücher damahls so selten
und kostbar seyn, daß nur sehr wenige Menschen zu dem
Besitze eines Buches gelangen konnten, lind hiermit kom-
men wir auch auf eine der schlimmen Seiten jenes Zeit-
alters, die wir über seinen Vorzügen nicht verschweigen
dürfen; das ist nemlich der Mangel an gutem Un-
terricht für die Jugend wie für die Erwachsenen. Es
gab nur sehr wenige S ch u la n st a l t c n bei den Klö-
stern und in den Städten, und diese waren noch dazu nicht
sehr zweckmäßig eingerichtet. Die Mehrzahl des Volkes,
besonders auf dem Laude, wuchs in Unwissenheit heran
und steckte daher tief- in Dummheit und Aberglauben be-
graben. Und wenn einer in späterem Alter auch gern noch
etwas lernen wollte, so fehlte ihm das erste Hülfsmittel
dazu, nemlich gute Bücher. Daher kam es, daß in jener
Zeit so viele natürliche Erscheinungen Angst und Schrecken
unter den Menschen verbreiteten. Da erschien kein Ko-
met, keine Mond - und Sonncnfinsterniß, kein Nordlicht,
ohne ganze Lander in Bestürzung zu setzen, weil man fest
glaubte, die Welt werde nun untergehen, oder doch ir-
gend ein großes Unglück, Pest, Hungersnoth, Krieg und
Erdbeben entstehen. Und weil die Menschen die natürli-
chen Gesetze so wenig kannten, so gebrauchten sie auch nicht
die rechten Mittel gegen die Uebel, die wirklich eintraten.
Verderbliche Seuchen haben in den ältern Zeiten fast Jahr
um Jahr in irgend einem Lande gewüthet und so fürchter-
liche Verheerungen angerichtet, daß es nichts Traurigeres
geben kann, als die Beschreibungen davon zu lesen; und
ein Mißwachs, wie wir ihn vor einigen Jahren gehabt
haben, hätte damahls, weil man noch so wenig Gegenan-
stalten im Großen hatte, vielen Tausenden von Menschen
das Leben gekostet. — Darum ist die Wohlthat nicht genug
zu preisen, wenn der Mensch in seiner Jugend in den
Kenntnissen unterrichtet wird, wodurch er sich und andern
nützlich werden, und wenn er zugleich Gott und die Welt
von einer Seite kennen lernt, daß er sich seines Lebens
freuen kann! — Kein Stand war, wie wir eben erwähnt
haben, damahls so versäumt, als
3. Der Bauernstand. — Dieser war der eigentlich-
gedrückte Stand. Außer, daß er in Unwissenheit und Aber-
glauben niederlag , wurde er auch in der Knechtschaft er-
halten. Denn als freie Grundbesitzer hatten sich nur sehr
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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112 Iw. Ztr. Das Mittelalter. Vou 768 — 15-17. _______
wenige von ihnen zu erhalten vermögt; die meisten waren
einem benachbarten Edelmann oder Stifte dienstbar gewor-
den , waren an den Boden,. den sie bauten, mit Weib und
Kindern gebunden, und mußten den Ertrag ihres sauern
Schweißes größtenthcils ihren Herren überlassen. Dann
fehlt aber dem Menschen der Muth, ans freier Lust flei-
ßig zu seyn, wenn er nicht für seine Nachkommen arbeiten
kann. Dazu waren sie wehrlos, denn man hielt keinen
Unfreien würdig, die Waffen zu führen. —- Doch fingen
die Landbauer seit den Krenzzügen an, sich nach und nach
einigermaßen ans diesem Zustande emporzuarbeiten. Der
Papst hatte befohlen, daß jedem Knechte, der das Kreuz
nehmen und nach dem heiligen Grabe ziehen wollte, die
Freiheit gegeben werden müßte. Dadurch erwarben Tau-
sende ihre Freiheit. Vou den vielen Rittern, die eben-
falls nach dem gelobten Lande zogen, kamen die mei-
sten nicht wieder, uttd in der langen Ungewißheit, ob sie
todt, und wer bei manchem der Erbe sey, machten sich
wieder viele der Leibeigenen frei. Hauptsächlich aber be-
nutzten sie die Streitigkeiten zwischen dem Adel und den
Städten, suchten bei einer benachbarten Stadt, die mit
ihrem Herrn im Kriege war, Schutz, zahlten ihr ein Schutz-
geld, und wurden dafür als Ausbürger angenommen. Wenn
die Adtichen auf diese Weise nicht alle ihre Unterthanen in
der Nähe der Städte verlieren wollten, so mußten sie ih-
nen lieber selbst die Freiheit für eine Summe Geldes oder
für bestimmte und lecchtere Dienste verkaufen. So haben
die freien Bürger der Städte auch sehr bedeutend gehol-
fen, daß nach und nach wieder ein Stand freier Bauern
in Deutschland aufgekommen ist. Es ist damit aber lang-
sam gegangen.
In den schlimmsten Zeiten des Fanstrechts drückte die
allgemeine Unsicherheit, die das Hauptübel dersel-
den war, vorzüglich den Landmann. Er war keinen Tag
sicher, daß nicht die benachbarten Edelleute auf seinen Fel-
dern ihre Fehde ausfochtcn, mit den Hufen ihrer Pferde
seine Saaten zerstampften und vielleicht gar in dem allge-
meinen Tumult seine Hütte über seinem Kopfe ansteckten.
Wie glücklich können wir uns fühlen, daß die öffentliche
Sicherheit so viel besser geworden ist, daß wir die Land-
straßen bereisen und' am Abend uns ruhig zum Schlafe in
unserm Hanse niederlegen können. Der, welchem Unrecht
geschehen ist, kann sein Recht finden und auch der Vor-
nehmste und Mächtigste muß dem Spruch der Gerichte ge§
horchen. Damahls galten die Gerichte gar wenig, cs sen
denn, daß einmahl ein recht kräftiger Kaiser ihnen durch
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Schilderung des Mittelalters. 11z
starke Strafbcispiele wieder auf einige Zeit Ansehen gab.
Sonst wurde das Wort des Richters nicht gehört, und
ein jeder that, wozu er die Macht in Händen hatte.
4. Die Vehmgerichte.— Unter diesen Umstän-
den bildeten sich in Westphalen die sogenannten heimlichcu-
odcr Vehmgerichte, und breiteten sich von da auch in au-
dere Gegenden aus. In Dortmund war der Hauptstnhl
dieser Gerichte. Sie standen unmittelbar unter dem Kai-
ser und richteten in seinem Namen über alle schwere Ver-
brechen. Um ihren Sprüchen mehr Schreckhaftes zu ge-
den, wurden diese Gerichte heimlich, in stiller Nacht und
in entlegener Gegend, in Wäldern und Felsenhöhlen, oder
in unterirdischen Gewölben, gehalten. Wenn jemand da-
hin geladen werden sollte, so'mußten die Bannbothen oder
Gerichtsdiener den Ladungsbrief, der mit 7 Siegeln des
Vehmgerichteö versehen war, bei Nachtzeit an die Woh-
nung deö Angeklagten oder an das nächste Heiligenbild an-
schlagen, und zum Zeichen, basi sie dagewesen, drcispäh-
ne von den Pfosten des Hauses oder von dem nächsten
Baume schneiden. Ost schlugen sie auch drcimahl an das
Thor des Hauses, und cs war ein fürchterlicher Klang
in den Ohren der Bewohner, der so durch die Nacht scholl;
denn nur wegen schwerer Verbrechen wurde man vor die
Vchme geladen. — Wollte sich der Geladene stellen, so
mußte er um Mitternacht ans dem nächsten Kreuzwege bei
seiner Wohnung erscheinen, und dann wurde er mit ver-
bundenen Augen an die geheime Stelle des Gerichts, und
so auch wieder weggeführt, wenn er unschuldig befunden
war. Wurde er als schuldig erkannt, so war meistens
die Todesstrafe sein Loos; bisweilen auch Landesverwei-
sung, und cm gelindesten Falle Geldstrafe. Kam der An-
geklagte aber auf dreimahlige Ladung gar nicht vor Ge-
richt , so hatte er dadurch selbst seine Schuld anerkannt,
und wenn er noch so weit stoh, so ereilte ihn der Dolch
der Fronbothen doch früh oder spät. Denn es waren ih-
rer viele, und sie hatten ihre geheimen Kundschafter über-
all ; ein feierlicher Eld hielt sie gebunden, daß sie ihr Ge,
heimniß weder Vater noch Mutter, weder Bruder noch
Frcuttd, entdecken dursten. Unter einander erkannten sie
sich an geheimen Zeichen.
Eine lange Zeit hielt die Furcht vor diesen Gerichten
manchen von dösen Thaten zurück. Nachher aber artete
das Gericht selbst aus; schlechte Menschen drängten sich
hinein und übten, unter dem Deckmantel desselben, die
grausamsten Handlungen gegen unschuldige Menschen aus.
Es verbreitete sich ein allgemeiner Hast gegen die Vchmge,
Kühle. d. G. f. Dolkàschutsn. &
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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114 M. Ztr. Das Mittelalter. Von 768 — 1517.
richte; Fürsten, Ritter und Städte schlossen Bündnisse ge-
gen dieselben, und endlich wurden sie durch den ewigen
Landfrieden des Kaisers Marimilian I. im I. 1495 gänz-
lich aufgehoben und die öffentlichen Gerichte wieder in
ihre Ehre eingesetzt.
5. Die Städtebündnissc.— Sebr merkwürdig sind
noch aus der Zeit des Mittelalters die Bündnisse mehrerer
Städte zu gemeinschaftlichem Schutz und Vortheil. So errich-
teten gerade in der Zeit des Interregnums 70 Städte am
Rhein und in der Umgegend den rheinischen Bund,
und später andere in Schwaben den schwäbischen
Städtebund, der nicht weniger zahlreich war. Da die
kaiserliche Majestät den feindlichen Absichten der Fürsten
gegen die Städte nicht mehr Einhalt thun konnte, mußten
diese wohl durch Bereinigung ihrer Kräfte sich selbst zu
schützen suchen.
Der größte Bund unter allen war aber der Hansen
bnnd. Er entstand ursprünglich aus einem Bündnisse
zwischen Hamburg und Lübeck im I. 1241, um gemein-
schaftlich die Landstraße zwischen der Trave und Elbe vor
Räuberei zu beschützen. Bald kamen noch mehrere Städte
dazu, und nach 50 Jahren zählte der Bund schon 60 Städ-
te vom Niederrhem bis nach Preußen und Liefland, spä-
terhin gegen 100. Der Handel war das Hauptgeschäft
dieses Bundes, und derselbe wurde bald der ausgcbreitet-
stc in der Welt. Sie hatten ihre Waaren-Niederlagen zu
Rovgorod in Rußland, zu Bergen in Norwegen, zu Brüg-
ge in Flandern und zu London. Keiner hatte solche Flot-
ten aus dem Meere, wie die Hansa; jedermann bewarb
sich um ihre Freundschaft; ja, ihre Flotten und Heere ha-
den die Hauptstädte Lissabon und Kopenhagen erobert und
das Königreich Dänemark für Geld feil geboten. Wo sie
an einem Kriege Theil nahmen, da gaben sie den Ans-
schlag. Die Stadt Lübeck war das Haupt des ganzen
Bundes, und übrigens nahmen sehr viele Städte, beson-
ders im nördlichen Deutschland, daran Theil, unter an-
dern : Hamburg, Bremen, Stade, Kiel, Wismar, Rostock,
Stralsund, Stettin, Stargard, Magdeburg, Braunschwcig,
Hildesheim, Hannover, Lüneburg, Osnabrück, Münster,
Eoeofetd, Soest, Dortmund- Köln, und mehrere andere.
Dieser Bund hat ein paar Jahrhunderte hindurch im
größten Glanze bestanden und ist erst späterhin, als durch
die Entdeckung Amerika's und des Seeweges nach Ostin-
dien der Handel eine ganz andere Richtung nahm, nach
und nach gesunken und endlich ganz zerfallen.
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Extrahierte Ortsnamen: Rhein Schwaben Hamburg Niederrhem Norwegen Flandern London Lissabon Kopenhagen Deutschland Hamburg Bremen Stade Kiel Wismar Rostock Stralsund Stettin Stargard Magdeburg Hildesheim Hannover Lüneburg Eoeofetd Soest Ostin-
115
Kaiser auö verschiedenen Häusern.
127o - 1437*
47. Rudolf von Habsburg. 1273 — l29l.
Als Richard von Cornwallis gestorben war und Al«
phons von Kastilien gar nicht nach Deutschland kam, ver-
sammelten sich die deutschen Fürsten, um einen andern
Kaiser zu wählen. Zu mächtig wollten sic ihn nicht ha-
den, damit er ihre eigene Macht, die in der Zwischenzeit
sehr gewachsen war- nicht wieder verkleinerte; aber er
sollte doch ein kräftiger Mann seyn und der bösen Unord-
nung im Vaterlande steuern.---Der Erzbischof von Maynz
lenkte die Wahl auf den Grafen Rudolf von Habs-i
bürg; dieser hatte nur ein kleines Erbthcit im Elsaß und
in der Schweiz, und konnte sich mit den mächtigen Rcichs-
fürsten gar nicht messen; aber er war ein tapferer, redli-
cher und kluger Ritter, und hatte sich durch rühmliche T'ba-r
tcn die Achtung der Menschen zu erwerben gewußt. Wo
cs ein Unrecht zu bestrafen gab, da lieb Graf Rudolf gern
seinen Arm, und es hatten ihn große Städte, namcutlich
Straßburg am Rhein und Zürch in der Schweiz, zu ihrem
Schirmherrn erwählt. Schon fein äußeres Ansehen er«
weckte Zutrauen und Achtung. Er war sehr groß, hatte
ein blasses, ernstes Gesicht mit einer großen Adlernase;
aber wann er redete, so lag Freundlichkeit und Redlich-
keit in seinen Mienen.
Der Erzbischof von Maynz hatte ihil kennen gelernt/
als er eine Reise nach Nom machen mußte und der vielen
Räubereien wegen nicht wagte, den laugen Weg allein zu
ziehen. Da bat er den Grafen Rudolf um sicheres Geleit
von Straßburg an bis durch die Schweiz in das Akpengcbirge
Rudolf zog mit ihm und holte ihn auch auf der Rückreise
wieder ab; und bei dieser Gelegenheit erkannte der Erz-
bischof die vorzüglichen Eigenschaften dieses tapfern und
biedern Grafen. Als derselbe nun, ans seinen Rath, zum
König gewählt war, reiste der Burggraf von Nürnberg,
Friedrich von Hohenzollern, der ein Schwager Rudolfs
war, zu ihm, es ihm anzukündigen. Er traf ihn eben bei
der Belagerung der Stadt Basel, welche einige von seft
ncn Freunden aus ihren Mauern vertrieben hatten. Ru-
dolf konnte der Botschaft kaum Glauben beimessen, so we-
rtig fome er an die deutsche Kaiserkrone gedacht, bis auch
der Reichsmarschall Graf Pappenhcim ankam. Nun s'hrckx
H *
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland]]
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_von_Habsburg Rudolf Richard_von_Cornwallis Rudolf_von_Habs-i Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Burggraf_von_Nürnberg Friedrich_von_Hohenzollern Friedrich Rudolfs Graf
Extrahierte Ortsnamen: Kastilien Deutschland Schweiz Rhein Schweiz Rudolfs Basel
116 Hi. Ztr. Daö Mittelalter. Doy 768 — 1517.
tc er sogleich Botschaft in die Stadt, kündigte ihr seine
' Erhebung an und bot ihr, weil er nun der Mächtigere
war, großmüthig den Frieden an. Dankbar nahmen ihn
die Bürger an und wünschten ihm Glück. Darauf reiste
Rudolf nach Aachen und wurde feierlich gekrönt. Als er
nach der Krönung die Reichsfürsten mit ihren Ländern
von Neuem belehnen wollte, — das mußte jeder neue
Kaiser thun, — fehlte das Reichsscepter, worauf die Für-
sten schwören mußten. Alle waren in Verlegenheit; aber
Rudolf ergriff ein dastehendes Crucifir, küßte cs und hielt
cs den Fürsten zur Eidesleistung hin. „Denn, sprach er,
dies Zeichen, durch weiches die Welt erlöset ist, mag uns
wohl als Scepter dienen."
Seine größte Sorge wollte Rudolf auf die Wieder-
herstellung her Ordnung und des Landfriedens in Deutsch-
land selbst richten. Nach Italien zu gehen und dort seine
Zeit und vielleicht viel Blut seiner Unterthanen zu ver-
schwenden, dazu hatte er nicht Lust. Er pflegte zu sagen:
„Italien gleiche der Höhle des Löwen, in welche viele
Fnßtapfen der Kaiser hinein aber wenige herausgingen."
— Aber auch in Deutschland war es nicht so leicht, alle
Widerspenstigen zum Gehorsam zu bringen. Besonders
weigerte sich der stolze Otokar von Böhmen, ebenfalls ein
deutscher Reichsfürst, der sich eingebildet hatte, er müffe,
als der Mächtigste, Kaiser werden, den ehemaligen Gra-
fen von Habsburg als seinen Oberherrn anzuerkennen. Er
wollte weder die Belehnung seiner Länder von ihm an-
nehmen, noch sich bei ihm wegen der Klagen, die gegen
ihn erhoben wurden, rechtfertigen. Er hatte nämlich/aus-
ser Böhmen, auch die östreichischen Länder durch Geld und
Erbschaft an sich gebracht, behandelte sie aber mit Harte.
Als er sich nun offenbar gegen die kaiserliche Gewalt auf-
lehnte, wurde der Reichstrieg gegen ihn beschlossen und
Rudolf rückte rasch mit seinem Heere vor Wien. Der Kö-
nig kam aus Böhmen herbei, die Hauptstadt Oestreichs zu
beschützen; aber er fühlte sich doch zu schwach, als er nun
dem Reichsoberhaupte gegenüber stand und schloß lieber
einen Frieden, worin er Oestreich abzutreten und den Kai-
ser als Lehnsherrn anzuerkennen versprach. Er sollte zu
dem Ende in Rudolfs Lager kommen und kniefällig Abbit-
te thun. Er kam; aber um seinen Reichthum zu zeigen,
mit einem großen, glanzenden Gefolge, und selbst in Gold
und Purpur gekleidet; Rudolf dagegen war so einfach und
prunklos, daß er selbst als Kaiser noch das graue Kriegs-
wams trug, welches er in früherer Zeit als Graf von
Habsburg getragen hatte. Der König Ottokar hatte oft
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Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolfs Rudolf Rudolf Ottokar Ottokar
Extrahierte Ortsnamen: Aachen Deutsch- Italien Deutschland Habsburg Wien Rudolfs
117
Kaiser aus verschiedenen Häufeln»
über dieses graue Wams gespottet; jetzt sprach Rudolf;
„Der König von Böhmen hat oft über mein graues Wams
gelacht, heute soll mein graues Wams über ihn lachen."
Und nun befahl er seinen deutschen Rittern, dem Könige
in ihrem schönsten Waffenschmuck entgegen zu reiten; er
selbst aber empfing ihn, auf seinem Stuhle sitzend, in sei-
nem grauen Wams, und der stolze, Ln Purpur strahlende,
König mußte vor ihm auf die Knie fallen.
Seine Demuth war nicht Ernst gewesen. Als die
deutschen Reichövvlker, wie immer nach geendigtem Feld-
zuge, nach Hause zurückgekehrt waren, und Rudolf nur
mit seinen getreuen schwäbischen und elsaßischen Rittern
noch in Wien war, rüstete Ottokar plötzlich ein neues Heer
aus und warb viele Hülfsvölker. Mit diesen rückte er ge-
gen Wien. Rudolf ging ihm kühn entgegen, obgleich er
viel schwacher an Mannschaft war. Nicht weit von Wien,
auf dem Marchfelde, kam cs zur entscheidenden Schlacht.
Man stritt mit großer Erbitterung. Unter dem böhmischen
Heere waren mehrere Ritter, die sich verbündet hatten,
den Kaiser selbst aufzusuchen und niederzumachen. Einer
von Ihnen, Heinrich von Fnllenstein, erblickte ihn i>nd
sprengte mit eingelegter Lanze auf ihn los. Rudolfs als
geübter Ritter, wich dem Stoße aus und rannte dagegen
seine eigne Lanze durch das Augenloch des Helmes seinem
Gegner gerade in's Auge, daß er todt vom Pferde stürz-
te. Aber in demselben Augenblicke durchbohrte ein ande-
rer der Verbündeten, ein thüringischer Ritter von riesen-
mäßiger Größe, sein Pferd mit der Lanze, daß es nieder-
stürzte. Laut frohlockte jener über den Fall des Königs;
dieser aber deckte sich glücklich mit seinem Schilde, daß die
über ihn wcgsprengenden Pferde ihn nicht zertraten, und 4
bestieg darauf rasch ein anderes Pferd welches ihm einer
seiner Ritter brachte. Nun ging es mit erneuerter Kraft
gegen den Feind, und dieser gerieth bald in's Weichen.
Der Böhmenkönig selbst floh, aber einige steiermärkische
Ritter, deren Anverwandten er vor mehreren Zähren grau-
sam hatte hinrichten lassen, holten ihn ein und tödtcten
ihn. Sein Heer wurde gänzlich geschlagen.
Der Tag der. Schlacht -war der 26. August des Jah-
res 1278, und dieser Tag ist der Grünhungütag der Grö-
ße des Habsburgisch-östreichischen Hauses. Demi nach die-
sem Siege belehnte der Kaiser, mit Einwilligung der deut-
schen Ehurfürstcn, seine Söhne A l b r e chr und Rudolf
mit den östreichischen Ländern, die er mit Schweiß und
Blut dem Böhmischen Hause abgewonnen hatte.
Die noch übrigen Zahre seines Lebens wandte Rudolf
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Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Demuth Ernst Rudolf Rudolf Ottokar Ottokar Rudolf Heinrich_von_Fnllenstein Heinrich Rudolfs August Rudolf Rudolf
118 Iii, Ztr. Das Mittelalter. Non 788 — 1517.
vorzüglich dazu an, den Landfrieden herzustellen. Er gab
strenge Gesetze gegen den Mißbrauch des Faustrechts und
zog selbst im Reiche umher, dieselben Im Ausübung zu
bringen. Wo er eine Raubburg fand, zerstörte er sic,
ließ die Räuber hinrichten und erlaubte dagegen andern,
friedlichen Reichsständen, in ihrem eigenen Gebiete Bur-
gen zum Schutze gegen jene anzulegen. Auf einem Znge
nach Thüringen hat er unter andern 68 Raubbnrgen zer-
stört und 29 Raubritter hinrichten lassen. Dem Grafen
Eberhard von Würtemberg, der den Wahlsprnch hatte:
„Gottes Freund und aller Welt Feind", und der sich nicht
'zur Ruhe bequemen wollte, zerbrach er die Mauern seiner
Hauptstadt Stuttgart).
Rudolf war schon hoch in Jahren; er war über 50
Jahre alt gewesen, als er Kaiser wurde; und wurde zu-
letzt so kränklich, daß ihm die Aerzte nur durch ihre Kunst
Las Leben noch fristeten. Endlich, als er eben noch eine
Reise am Rheinstrome machte, den er besonders liebte,
kündigten sie ihm die Nähe des Todes au, gerade als er
im Schachbrett spielte. „Wohlan, sprach er, nach Spei-
rr, zu den Gräbern der Kaiser!" Aber er kam nur bis
Germershcim, wo er am 30. Scpt. 1291, in seinem 74.
Lebensjahre, starb. Er wurde nach Speyer gebracht und
neben dem König Philipp begraben. Seine Redlichkeit war
noch lauge nachher zum Sprichwort im Munde des Volkes.
48. Adolf pon Nassau. 1^92 — s298.
Nach Kaiser Rudolfs Tode hat unser Vaterland nur
wenig große Herrscher mehr gehabt, und die Kaiscrwürd?
selbst hat immer mehr an ihrem alten Ansehen verloren.
Die deutschen Fürsten hatten es sich zum Grundsatz ge-
macht, so wenig i 5 möglich Kaiser aus demselben Hause
auf einander folgen zu lassen, damit es ja nicht das An-
sehen gewönne, als sey die Würde erblich, und damit nicht
der Sohn die Grundsätze def Naserc« und Großvaters ver?
folgte und so vielleicht die kaiserliche Macht wieder über
die der Fürsten erhöbe. So wählten sie auch zu Rudolfs
Nachfolger nicht seinen Sohn Albrecht, sondern den Gra-
fen Adolf von Nassau, der noch geringer au Macht,
als einst der Graf von Habsburg, übrigens aber, gleich
wie er, als tapferer Ritter geachtet war. Adolf nahm
die Würde gern an und gedachte sie eben so, wir sein Vor-
gänger, zu der Erhebung seines Geschlechtes zu benutzen.
Allem das Schicksal bot ihm nicht so günstige Gelegenheit
dazu dar, und er selbst besaß auch nicht die Festigkeit und
Größe der Gesinnung, um sich ganz würdig dabei zu be-
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Extrahierte Personennamen: Eberhard_von_Würtemberg Rudolf Rudolf Philipp Philipp Adolf Adolf Rudolfs Rudolfs Albrecht Albrecht Adolf Graf_von_Habsburg Adolf Adolf
Kaiser aus verschiedenen Häusern. Im
nehmen. Um Geld zu gewinnen, ließ er sich mit dem Kö-
nige von England in ein Bündniß gegen Frankreich ein,
nahm von jenem eine beträchtliche Summe und verwandte
sie darauf, seinen Nachkommen ein größeres Land zu kau-
fen. Es traf sich nemlich, daß zwischen dem Markgrafen von
Thüringen, Albrecht dem Unartigen, und seinen Söhnen erster
Ehe ein Streit war wegen offenbarer Ungerechtigkeit des Va-
ters. Dieser wollte seine ältesten Söhne verstoßen und sein
Land dem jüngsten, ans einer zweiten Ehe, zuwenden; und da
er dieses nicht durchsetzen konnte, so verkaufte er das ganze
Land an den Kaiser, um wenigstens das Kanfgcld dem
jüngeren zu geben. Adolf ließ sich von der Lust zu dem
schönen thüringischen Lande verblenden, ging die Ungerecht
tigteit ein, und er, der die Unterdrückten hätte beschützen
und das Recht bewahren sollen, führte nun selbst einen
ungerechten Krieg gegen die unglücklichen Söhne des Mark-
grafen. Dieses und manches andere verdroß die deutschen
Fürsten sehr; sic hielten eine Versammlung und setzten
Adolf ab: „weil er Kirchen verwüstet, von einem Gerin-
geren, (dem König von England, denn damahls galt der
deutsche Kaiser noch als der erste Fürst in der ganzen Chri-
stenheit,-') Geld genommen und den Landfrieden nicht
beschützt habe." Statt seiner erwählten sic den Albrecht
von Oestreich, den sie früher nicht gewollt haben. Es
kam zum Kriege, denn Adolf hatte auch noch Anhänger,
und bei Worms trafen die beiden Gegner im I. 1.299
auf einander. Aber Adolf verlor die Schlacht und selbst
sein Leben,
49. Albrecht I. 1298 — 1308.
Albrecht hat eben so wenig, als Adolf, etwas ordent«
liches für Deutschland ausgerichtet. An Kraft fehlte es
ihm nicht, aber wohl an der Güte und Freundlichkeit,
welche die Herzen der Menschen gewinnt. Sein Streben
ging nach Geld und Gut und nach Vergrößerung seiner
Herrschaft, und er hat dazu nicht immer die besten Mittel
gebraucht. Dieses Bestreben aber hat ihm keinen Vortheil,
und endlich, nachdem er 10 Jahre regiert hatte, sogar den
Tod gebracht, wie wir weiter unten hören werden.
Befreiung der Schweiz. 1308. — Die Habsbnr-
gischcn Stammgüter lagen, wie wir wissen, in der Schweiz
und machten einen Theil der jetzigen Schweizer Kantone
ans. Ein anderer Theil der Schweiz, namentlich die so-
genannten Waldstädte, Schwyz, Uri und Unterwalden,
waren freie Glieder des deutschen Reiches und standen un-
ter keinem Herrn, alo nur unter dem Kaiser. Albrecht l.
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T68: [Schweiz Zürich Kanton Bern See Stadt Genf Basel Schweizer Schwyz]]
Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Adolf Adolf Adolf Albrecht
von_Oestreich Albrecht Adolf Adolf Adolf Adolf Albrecht_I. Albrecht Adolf Adolf Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: England Frankreich England Chri- Worms Deutschland Schwyz Unterwalden