Die Mittelmeerländrr.
3jla§ Bcittelmeer war für die Alten die Thalatta, der Inbegriff
des Meeres und aller maritimen Interessen. Der Okeanos
verschwamm für sie im Dämmerlichte, und so blieb es wesentlich bis
1492, wo das dritte Zeitalter der Menschheit, nämlich nach dem
potamischen und thalassischen das oceanische begann. So erscheint
diese große Wasserellipse (2 Millionen □km) mit ihren beiden
Brennpunkten Athen und Rom seit der Zeit des Altertums hoch-
bedeutsam. Heutzutage hat sich dieser Ruhm etwas verflüchtigt; wir
können das Mittelmeer eigentlich nur als Durchgangsmeer betrachten,
seitdem der Kanal von Suez den Zugang zu dem Indischen und
Stillen Ocean mit ihren weitaus wichtigeren Handels- und Lebens-
interessen eröffnet hat. Das Mittelmeer zerfällt in eine Menge
einzelner Becken und Buchten mit sehr verschiedener Tiefe. Das
Adriameer ist wie unsere Ostsee stach, das Asowsche Meer (palus
Maeotis der Alten) sogar so seicht, daß tiefer gehende Seeschiffe es
gar nicht befahren können, und daß es in jedem Winter zufriert,
und auch sonst finden sich an den Meerengen unterseeische Land-
rücken, so daß z. B. über der von den Engländern Adventures ge-
nannten Bank zwischen Sicilien und Afrika <ca. 120 km breit) das
Meer nur etwa 60 m Tiefe hat und sich deshalb auch durch allerlei
Tücken auszeichnet. „Die Araber tauften das Kap Bon das ver-
räterische Kap, und die Griechen wagten es lange Zeit nicht, aus dem
östlichen in das westliche Becken des Mittelmeeres überzugehen." Sonst
hat das Mittelmeer aber auch sehr bedeutende Tiefen, so die fast
oceanischen Abgründe im Süden von Kreta <4000 m) und die ^eile
des Meeres südwestlich von Genua. Weil die Alten daran gewöhnt
waren, das Mittelmeer als ein abgeschlossen für sich bestehendes Ganze
zu betrachten, so entstand auch die Sage, daß der Timavus (jetzt
Timavo) in dem kalkigen Plateau in der Nähe von Trieft die n7]yr]
fraxätt)]g sei, der Quell des Meerwassers.
Das Mittelländische Meer ist allerdings darin eigentümlich, daß
bei seiner Lage in warmein, fast heißem Klima die Verdampfung
größer ist als der Zufluß von süßein Wasser. Daraus erklärt sich
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Extrahierte Ortsnamen: Athen Rom Suez Sicilien Afrika_
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der hohe Salzgehalt des Meeres (38 Promille, während der Atlantische
Ocean nur 35 hat). Das Mittelmeer hätte also schon längst zur
Salzsole umgewandelt sein müssen, wenn nicht Zuflüsse aus minder
salzhaltigen Meeren stattfänden und wiederum das Wasser des Mittel-
meeres abflösse. Thatsächlich ist eine submarine Ausströmung des
schweren und salzigen Mittelmeerwassers durch die gaditanische Meer-
enge in den Atlantischen Ocean nachgewiesen, während dieser seiner-
seits minder salziges Wasser an der Oberfläche in das Mittelmeer
abgiebt. Und ebenso erfolgt aus dem Pontus, der wegen des reich-
haltigen Zuströmens von süßem Wasser durch die russischen Flüsse
einen geringeren Salzgehalt besitzt, eine Oberflächenströmung in den
Dardanellen, die früher den Segelschiffen die Einfahrt erschwerte,
heute aber den Kriegsdampfern gegenüber kaum mehr von Bedeutung
ist. Wegen der verhältnismäßig niedrigen Bodenschwelle in der Meer-
enge von Gibraltar kann die Cirkulation vom Atlantischen Ocean
nach dem Mittelländischen Meere nur beschränkt sein und also auch
der Wärmeaustausch nicht frei und ungehindert stattfinden. In den
Tiefen des Mittelmeeres ist also die Temperatur um 10° höher als
im Atlantic, und da bei der geringen vertikalen Bewegung und Er-
Neuerung des Wassers der Sauerstoff sich nicht ausreichend ergänzt,
so hört in einer Tiefe von 322 in alles Tierleben im Wasser des
Mittelmeeres auf; in jenen Räumen herrscht die Stille des Kirchhofs.
Ebbe und Flut sind im Mittelmeer auch kaum wahrnehmbar, in
Korfu rechnet man 6 ein, bei Ägypten 35 ein und in der großen
Syrte P/2 ra.1 Alexander und Cäsar waren daher die Fluterschei-
nungen der Oceane unbekannt; ersterer lernte sie erst im Indischen
Ocean kennen, und der große Bezwinger Galliens mußte in seinem
Kampf mit den Venetern flache Boote bauen, die bei eintretender
Ebbe gut auf dem Sande aufsitzen konnten.
Die Uferlandfchaften des Mittelmeeres, alfo etwa zwischen 45 und
35° n. Br., haben gemeinsame klimatische Merkmale, so daß, wie es
schon Lukan gethan hat, man den Nordrand Afrikas in dieses ge-
meinsame Vegetationsgebiet hineinbeziehen kann. Der Hauptunterschied
gegen unsere nordischeren Klimaformen ist der, daß bei uns die Winter-
kälte den Vegetationsprozeß der Pflanzen unterbricht, dort die sommer-
liche Dürre den gleichen Einfluß ausübt. Die hauptsächlichste Wachs-
tumszeit fällt im Mittelmeergebiet in den Frühling, im Sommer wird
alle Saftbewegung eingestellt und erst beim Eintreten der Herbstregen
die Fruchtreife vollendet. Durch das ganze Gebiet ist der Ölbaum
das eigentliche „Leitgewächs" desselben; allerdings giebt es keine
Olivenwälder, ebensowenig wie bei uns Birnen- oder Apfelwälder.
1 In Venedig stehen zur Zeit der Flut die Treppen einige Stufen tiefer
im Wäffer.
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Cäsar
— 129 —
Die Dänen sind eigentlich schon seit früher Zeit den Deutschen
immer recht unbequem gewesen. Sie beherrschten die beiden Seiten
des Sundes, und das war namentlich für die Hanseaten eine leidige
Thatsache. Denn bei Falsterbo zogen die Heringsschwärme vorbei,
und fast jede größere Hansestadt hatte dort ihre Bitten und mußte
den dänischen Vögten ihre Abgaben zahlen. Die dänischen Walde-
mare haben sich den Deutschen gegenüber recht übermütig gebärdet,
die Hansestädte verspotteten sie als „Gänse"; dann aber kam die
Vergeltung in dem bekannten Friedensschlüsse zu Stralsund 1370.
In ' den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges sind die Dänen nicht
sehr hervorgetreten; auch in den Verwickelungen mit Schweden standen
sie mehr auf Seite der Deutschen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
Hunderts sollte Dänemark sogar Deutschland beschämen, da es sich der
deutschen Dichter in hochherzigster Weise annahm. Klopstock dichtete
in Kopenhagen, Schiller erhielt von dänischer Seite ein großmütiges
Jahrgeld, das den kranken Mann vor dem größten Elend sicherte.
In den innerdänischen Verhältnissen spielte damals die tragische Epi-
sode des Ministers Struensee. Im 19. Jahrhundert hat Dänemark
Deutschland recht herausgefordert, und das Lied: Schleswig-Holftein
meerumschlungen hat wie ein Tyrtäischer Gesang zum erstenmal
wieder die Deutschen aufgerüttelt und ein Gefühl aufsteigen lassen,
das man deutsches Nationalbewußtsein nennen konnte. So durfte
man Dänemark schließlich Dank wiffen, daß es sozusagen der ßlaiog
Ölödoxalog der Deutschen gewesen ist. Aus den Kriegen von 1848—50
und 1864 ist aber ein gewisser Bodensatz des Grolls bei den Dänen
zurückgeblieben, und großer Sympathieen können wir Deutsche uns
in den Landen des Danebrog gerade nicht ersreuen.
Dänemark ist „echtes Küsten- und Jnselland, wie es in Europa,
außer vielleicht im griechischen Archipel, nicht wieder vorkommt". Und
wenn man weiter seine Lage zwischen Nord- und Ostsee berücksich-
tigt, und wie durch dieses Jnselreich aller Verkehr und alle Schiffahrt
stattfinden muß, so könnte man als Analogie die hinterindische Insel-
Welt heranziehen, durch die ja aller merkantile Austausch zwischen
Indischem und Stillem Ocean hindurchgeht. Die Straße von Singa-
Pore würde dann dem Oresund an die Seite zu stellen sein. Durch
geognostische Forschungen ist festgestellt, daß die dänischen Jnselgebiete,
namentlich Jütland, früher noch durch viel mehr Meeresarme durch-
furcht und durchzogen worden sind, wie das die mannigfachen Namen
von binnenländischen Ortschaften mit den Endungen —ö und —Holm
(beides bedeutet Insel) erweisen. Uns interessieren die drei Meeres-
straßen, durch die in historischer Zeit die Schiffahrt aus der Nord-
see in die Ostsee sich ermöglicht hat, der Sund, der große und kleine
Velt. Unter ihnen ist der Sund die bevorzugteste, einmal schon wegen
der Kürze, dann wegen ihrer „geraden nordsüdlichen Erstreckung".
Hanncke, Erdkundl. Aussähe. Ii. g
Georg-Eckert-Institut
für international«
Schulbuchforschung
Braunschweig
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Extrahierte Personennamen: Schiller Struensee
Extrahierte Ortsnamen: Stralsund Deutschland Kopenhagen Dänemark
Deutschland Europa Nord- Ostsee Ostsee
— 62 —
druck überwältigend. Unter den Gotteshäusern ragt besonders hervor
die Achmedsmoschee, die auch von 6 Minarets umgeben ist, während
sonst gemeinhin nur 4 erscheinen. Hier verrichtet der Hos und der
Sultan seine Andachtsübungen, und es klingt recht feierlich, wenn
die Muezzine auf die Galerieen der Minarets treten und weithin
schallend die Mahnung zum Gebet ertönen lassen. Fünfmal am Tage
ergeht der Ruf, und tiefes Schweigen lagert sich über der Stadt,
wenn die Worte gehört werden: Allah ist groß, es giebt nur einen
Allah, und Muhammed ist Allahs Prophet! Dem Christen wird es
ganz eigen ums Herz, wenn er bedenkt, daß auch die altberühmte
Kuppelkirche der göttlichen Weisheit jetzt zur Moschee umgewandelt
ist, und daß es ihm bei Todesstrafe verboten wird, sie zu betreten.
Fährt man von Konstantinopel westwärts an der Küste zurück,
etwa wie es die Perser bei ihrem ersten Zuge gegen die Griechen
thaten, so kommt man an das Hagion Oros, den Athos, also die
östlichste Spitze der Halbinsel Chalcidice. Die Alten verglichen diese
ganze südliche Landzunge, auf der der Athos liegt, mit einem schwim-
Menden Manne. Während die Landzunge selbst also flach ist und
wenig über das Meer emporragt, liegt an der südlichsten Spitze der
Kopf des Mannes, der Berg Athos mit 2000 m Erhebung, so daß
sein Schatten noch auf der Insel Lemnos wahrzunehmen ist. Diese
markante Erdstelle gehört zwar dem Großherrn in Konstantinopel, ist
in Wahrheit aber eine Mönchsrepublik, erfüllt mit den Klöstern der
griechischen Kirche. Und diese Erwähnung der orthodoxen Kirche
leitet uns über zu dem Staate der Balkanhalbinsel, der dem griechischen
Bekenntnis solgt, also dem Königreiche Griechenland. Diesem erst
seit 70 Jahren bestehenden Staatswesen kommen wesentlich die Er-
innerungen an eine große und glänzende Vergangenheit zu Hilfe;
aber wo in Portugal und Spanien diese Rückerinnerungen nur zum
maßlosen Stolze und unfruchtbaren Hochmute verführt haben, will
man in Griechenland doch bemerken, daß Königtum und Volk einiger-
maßen dem Goetheschen Grundsatz huldigen: erwirb es, um es zu be-
sitzen.1 Die Bahnen freilich sind in dem Lande noch schwach ent-
wickelt — nur die beiden bedeutendsten Handelsstädte sind durch
einen Schienenstrang verbunden, Athen und Patras —; und wenn
man an den Ausspruch denken wollte, daß die Anzahl der Verkehrs-
wege das Antlitz eines Landes repräsentieren, so sieht dies Antlitz
ziemlich trübselig aus. Aber eine zweite Errungenschaft der modernen
Zeit verbessert doch gleich das Urteil über die merkantile Bedeutung
des Ländchens, es ist der Kanal von Korinth, der den Schiffen die
nicht ungefährliche Fahrt um das Kap Matapan erspart. Die Aus-
1 Dazu kommt die Anspruchslosigkeit des griechischen Volkes, über die der
Türke verächtlich sich äußert: wo ein Esel verhungert, wird ein Grieche noch fett.
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— 64 —
wurden im westlichen Europa bewundert, und ihre wilde Tapferkeit
erweckte immer von neuem die Aufmerksamkeit und das Interesse der
Abendländer. Belgrad galt als eine der stärksten Festungen, und
sein Name ist mit den Heldenthaten des Prinzen Eugen unauflöslich
verbunden. Endlich müssen wir noch das Königreich Rumänien er-
wähnen, dessen Bewohnerschaft als fünfte romanische Nation erscheint.
Es ist aufgeblüht unter seinem Hohenzollernsürsten und kann ab-
gesehen von dem Getreidereichtum, über den wir schon im ersten Teil
gesprochen haben,1 die Schiffahrt (sowohl auf der Donau als von
Küstendsche aus auf dem Schwarzen Meer) als einen wesentlichen
Faktor der Staatswohlfahrt ins Auge fassen.
Schließlich erinnern wir uns jenes interessanten Wortes von
Plato, daß die wichtigsten Kulturvölker in fröhlichem Wettstreit rings
um das Mittelländische Meer säßen wie die quakenden Frösche um
einen Teich — und können es heutzutage in seiner Berechtigung doch
nicht mehr anerkennen. Wir sind eben seit Platos Zeit aus dem
thalassischen in das oceanische Zeitalter eingetreten. Vielleicht trifft
aber jetzt das Wort Napoleons I. zu, der den Stillen Lcean „das
Mittelmeer der Zukunft" nannte.
* S. 61.
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Extrahierte Personennamen: Eugen Napoleons_I.
Extrahierte Ortsnamen: Europa Belgrad Donau Napoleons
— 90 —
Das Kaspische Meer hat als Vermittler des Verkehrs mit dem
Orient das ganze Mittelalter hindurch eine große Rolle gespielt.
Darauf deuten die zahlreichen Münzfunde an der ganzen Handels-
straße bis nach Pommern hinein, und Rubel, die nationale Münze
der Russen, heißt ursprünglich nichts anderes als Hacksilber, mit dem
bekanntlich die orientalischen Händler die eingehandelten Waren be-
zahlten. Dieses Verkehrs mit dem Orient bemächtigten sich schon
frühe die großen italienischen Handelsrepubliken, Venedig und zuletzt
namentlich Genua. Als infolge der Kreuzzüge Rom den Handels-
verkehr mit den Türken verboten hatte und deshalb „der indische
Warenzug, der über Ägypten gegangen war, sein Ende sand", grün-
deten die Venetianer am Schwarzen Meere Niederlassungen, um die
indischen Waren, die vom Kaspischen Meere herabgebracht waren, in
Empfang zu nehmen. Die Waren nämlich gingen von Astrachan die
Wolga hinauf bis dahin, wo zwischen Wolga und Don ein Wolok
ist, überschritten diesen und wurden dann den Don hinab bis wieder
ans Schwarze Meer geführt. Umgekehrt hat diesen Weg auch der
Venetianer Marko Polo 1260 bei seiner berühmten Entdeckerfahrt
ins mittlere Asien eingeschlagen. Bald aber verdrängten die Genuesen
ihre Konkurrenten, und jetzt wurde Kaffa an dem Stretto di Caffa
das Handelsemporium. Mächtig blühte die Stadt empor und soll
an Einwohnerzahl Konstantinopel übertroffen haben; daher „das
zweite Stambul". Später, als die Türken die Stadt einnahmen,
ging es mit der Handelsbedeutung zurück. Die Russen nennen die
Stadt Feodofia. Die russische Regierung hat auch neuerdings noch
daran gedacht, eine direkte Wasserverbindung des Schwarzen Meeres
mit dem Kaspisee herbeizuführen und hierzu die Manytschniederung
zu benützen. Von dem Manytschsee zieht sich eine Flußverbindung
nach dem Don und andererseits nach dem Kaspischen Meere, die aller-
dings nur bei Hochwasser als dauernd angesehen werden könnte.
Auch zwischen Don und Wolga soll früher ein Kanal existiert haben,
den die Tatarenchane mit 17 Schutztürmen versahen.
Der zweitgrößte Strom in Rußland ist der Dniepr, dessen
Quelle nur durch slache Hügel von der Wolga und Düna getrennt
ist. Smolensk an ihm beherrscht die Straße, die aus dem Westen
Europas nach dem Herzen Rußlands führt, also nach Moskau, und
aus ihr ist Napoleon 1812 gezogen. Der Nebenfluß Berefina sah
am 26. November den Zusammenbruch Oes einst so stolzen Heeres
und ist in der Geschichte deshalb berüchtigt. Von Kiew an durch-
strömt der Fluß den uralisch-karpatischen Landrücken; die Ufer werden
immer höher und steiler, so daß sie bei Krementschuk bis zu 80 m an-
steigen, das Flußthal wird immer enger mit tiefem Felsenbett, und es
finden sich hier die Stromschnellen, Porogi, die die Besahrung des
Dniepr sehr beschwerlich machen. Daher siedelten sich auf den Inseln
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Extrahierte Personennamen: Marko_Polo Caffa Napoleon Nebenfluß_Berefina
Extrahierte Ortsnamen: Pommern Venedig Genua Rom Astrachan Wolga Konstantinopel Wolga Rußland Europas Moskau Kiew
[— 23 —
über diesen Paß in die Ebenen Italiens. ^Natürlich machten sich
auch umgekehrt die Italiener diese Straße und ihre Zugänglichkeit
zu nutze. Die Segnungen der mittelmeerischen Kultur kamen den
nordischen Völkern nicht über die mittleren Alpen, sondern das Rhone-
thal herauf, und noch im 13. Jahrhundert sind die Messen in der
Champagne der „Hauptknotenpunkt des italischen Handels mit dem
Norden".
Ein zweiter Unterschied von England liegt darin, daß die Küsten-
entwickelung dem Flächenraum gegenüber in Frankreich nur schwach
ist. Es giebt hier nur wenig Halbinseln und sehr spärliche Inseln.
An der atlantischen und Kanalseite bieten zudem die Küsten manches
Hindernis, mögen sie nun steil sein wie die Falaisen am Kanal oder
flach wie die berüchtigten landes am Gols von Biskaha. Man be-
hauptet ja, daß Frankreich an der ganzen Kanalküste keinen günstigen
Hafen besitzt, und deshalb hat Kaiser Napoleon Iii. unter den nam-
haftesten Kosten den Kriegshasen Eherbourg gegenüber der Insel
Wight anlegen lassen, „das großartigste Werk der Wasserbaukunst
aller Zeiten". Besser steht es um die Riasartigen Einschnitte der
Bretagne, wo eine Menge Häsen liegen und die Bewohner als aus-
gezeichnete Seeleute bekannt sind. Hat doch auch in verschiedenen
Geschichtsperioden das Piratenwesen dort sehr geblüht. Die vor-
nehmsten Häfen finden sich an den trichterförmigen Mündungen der
Flüsse, und weit stromaufwärts können noch die Schiffe fahren, wenn
sie nur die Flutwelle benützen. Daher rührt wohl auch Napoleons
Ausspruch, daß man Havre, Rouen und Paris als eine Stadt be-
trachten müsse, deren Hauptstraße die Seine ist. Le Havre ist „das
französische Liverpool". Es spielt nicht nur eine Rolle als Ausfuhr-
Hafen, sondern von der anderen Hemisphäre werden Weizen und Roh-
baumwolle importiert. Was die Fluterscheinungen betrifft, so ist in
der Bai von S. Michel der Unterschied der Gezeiten 16 m, so daß
den Granitfels, der das berühmte frühere Benediktinerklofter trägt,
die Flut völlig umspült, und der Ort sich recht sür das abgeschiedene
Mönchsleben eignet. In die Garonne dringt die Flut noch über
Bordeaux hinaus, und oft entwickelt sich das „Maskaret" genannte
stürmische Vordringen der Welle, daß man das Gebrüll bis auf 15 km
Entfernung hören kann, und von der Gewalt der Wassermasse Anker
ausgerissen, Kabel zerbrochen und Boote zertrümmert werden. Man
wird unwillkürlich an die Pororoka des Amazonas erinnert. — Die
Mittelmeerküste Frankreichs hat bedeutende Vorzüge. Zwar finden
sich hier im westlichen Teile des Golfe du Lion die berüchtigten
etangs oder Strandseeen, so daß nur Cette, wo der canal du midi
endigt, in Betracht kommt, und der Rhonefluß, der keine Flut hat,
führt nur Geröll in die See hinaus; aber dafür haben wir östlich
von der Rhonemündung Häfen wie Marseille, Toulon und Antibes,
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Extrahierte Personennamen: Biskaha Napoleon Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Italiens England Frankreich Gols Frankreich Bretagne Rouen Paris Frankreichs Marseille Toulon Antibes
— 110 —
dafür, daß das alte Bild vom Riesen mit den thönernen Füßen,
das man für Rußland gebraucht hat, noch immer berechtigt ist.
Wir müssen zunächst die Lage berücksichtigen, die geographischen
Vorbedingungen, unter denen Rußland sich als Staatengebilde unseren
Augen darbietet. Nicht allein das nordische Klima, wo in Perm
z. B. schon Ende November der Schnee so hoch liegt, daß er bis zu
den Fenstern des ersten Stockes reicht, wirkt auf die Entfaltung
dieser ungeheuren Menschenmasse lähmend, sondern auch die kolossale
Ausdehnung des Reiches, die räumliche Weitläufigkeit. Die Russen
haben ja in dem Rufe gestanden, blitzschnelle Märsche machen zu
können, wie unter Suworow in Italien, und doch brauchten in dem
letzten russisch-türkischen Kriege die Garden volle zwei Monate, um
nach Plewna zu kommen. — Das Land leidet sodann an einer
eigenen merkantilen Unbeholsenheit. Jetzt, wo man damit umgeht,
ein Welteisenbahnsystem zu gründen, so daß die Ware wie der Post-
bries für billige Frachtsätze überallhin zu expedieren ist, und man
mit glücklichem Bilde die Eisenbahnen „die Hochzeitsbänder" der be-
glückten Erde nennt, stößt man aus die Ungeheuerlichkeit, daß Ruß-
land zwar über Eisenbahnen verfügt, daß aber diese eine ganz andere
Spurweite besitzen als die westeuropäischen. — Wie ist es ferner mit
dem Anteil beschaffen, den Rußland an den offenen Weltmeeren hat?
Ein Blick auf die Karte überzeugt uns, daß Rußland im Falle eines
Krieges mit seinen Flotten sozusagen in der Mausefalle sitzt. So-
wohl die Ostsee wie das Schwarze Meer sind nur durch ganz enge
Offnungen vom westlich flutenden Meere her zugänglich, was in
kriegerischen Zeiten doch gewiß nicht ungefährlich zu nennen ist. Die
Ostsee sperrt der Sund, den Schiffe bis 1857 sogar nur unter Ent-
richtung eines Zolles passieren durften, das Schwarze Meer dagegen
die Straße des Bosporus. Wie sehr leuchtet es da eiu, daß für
Rußland der Besitz von Konstantinopel je länger desto mehr eine poli-
tische Notwendigkeit geworden ist. Es bleibt endlich Rußland noch
das Weiße Meer und der Zugang zum Nördlichen Eismeer. Aber
auch hier ist die Eissperre zu berücksichtigen. Den karischen Golf
nennt man den Eiskeller Europas, an der Mündung der Dwina mißt
man im Winter —47°, wo doch das Quecksilber schon bei 40° ge-
friert, und die Schiffahrt ist auf 4 Monate beschränkt, völlig eissrei
ist der Nordrand sogar mir 2. Allerdings versucht Rußland aus der
mehr nördlich gelegenen Halbinsel Kola, wo der Einfluß des Golf-
stroms vielleicht noch zu spüren ist, sich einen Welthafen zu errichten,
und wir müssen erst abwarten, ob der Versuch mit Alexandrowsk ge-
lingt. Am aussichtsvollsten sind immer die russischen Flottenstationen
am Stillen Ocean in Wladiwostok und Port Arthur; doch sieht man
jetzt noch nicht ab, wie sich in Zukunft die Verhältnisse hier an
der Grenze Chinas politisch gestalten werden. — Einen weiteren
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Extrahierte Personennamen: Suworow Arthur
Extrahierte Ortsnamen: Perm Italien Konstantinopel Europas Wladiwostok Chinas
— 117 —
das wahre „Eismeer" genannt werden. Im Kattegat stößt man auf
baltisches Treibeis, und die beiden Bassins des Bottnischen Meer-
busens diesseits und jenseits der Quarten sind meist in jedem Winter
zugefroren. Geht man vom Nordkap südlich in die Halbinsel hinein,
so sinken sofort die Temperaturgrade, und auf den Fjeldern herrscht
grimmige Kälte, so daß einst im Januar 1719 des schwedischen Arm-
feld Heeresmassen, als sie von der Belagerung Drontheims heim-
kehrten, hier in diesen Eiswüsten jämmerlich erfroren, und die Schweden
es auch heute vorziehen, den Handel mit Norwegen meist zur See
zu unterhalten.
Wir müssen noch von den Fjorden sprechen. In der Eiszeit
waren sie mit Gletschern erfüllt und an ihrem Ausgange mit End-
moränen halb zugeschüttet. Jetzt, wo die Gletscher verschwunden
sind und an ihrer Stelle die Meeresbuchten sich gebildet haben, ist
doch am Eingang des Fjordes die Untiefe geblieben, und diese er-
weift sich äußerst nützlich. Denn nun kann das kältere Meerwasser,
das sich in der Tiefe findet, nicht in die Buchten hineinströmen,
wohl aber das warme Golfwasser der Oberfläche, und diese Thäler
erfreuen sich eines warmen Klimas. Diese Fjorde mit den freund-
lichen Ansiedelungen am Grunde des Thales und mit der imposanten
Felsenscenerie bilden heutzutage für zahlreiche Touristen die bewun-
derten Anziehungspunkte. Fast in jedem Jahre sucht sie der deutsche
Kaiser aus und fühlt sich immer aufs neue entzückt über die Groß-
artigkeit des Naturbildes. Aber diese Buchten haben für uns auch
noch eine andere Bedeutung. Bucht heißt Wie, und aus diesen
Wiken stammen die Wikinger mit ihren berühmten Seefahrten. Die
wunderschöne Frithjoffage erzählt uns, wie Frithjof mit seiner Ellida
hinaussteuert in das Meer, und so haben diese Wikingerfahrten im
Mittelalter in Bezug auf Verkehr und Ausbreitung der Kultur den
allergrößten Einfluß ausgeübt. Die Normannen — denn das sind
die früheren Wikinger — bilden mit ihren Eroberungszügen das inter-
essanteste Bild in der mittelalterlichen Geschichte Europas; sie sind
zum belebenden Völkersalze geworden, das überall die träge Masse
erfrischt und vor Verdumpfung bewahrt, und so sinden wir sie in
Frankreich, Unteritalien, bei den Russen und Byzantinern, während
fte ihr Wagemut westwärts trägt und sie Grünland und Winland
auffinden läßt, so daß sie die ersten Entdecker Amerikas geworden
sind, was die Bewohner der westlichen Hemisphäre bei der Säkular-
seier 1892 dankbar anerkannten.
Und dieser Wagemut und kühne Seemannsgeist ist den Nor-
wegern bis auf den heutigen Tag geblieben und äußert sich darin,
daß sie eine imposante Handelsflotte besitzen, die vierte auf dem
Erdenrund dem Range nach und in Europa sogar die dritte. Wegen
dieses Wagemutes nennt der Franzose seinen Bewohner der Nor-
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Extrahierte Personennamen: Drontheims Frithjof
Extrahierte Ortsnamen: Schweden Norwegen Europas Frankreich Unteritalien Amerikas Europa
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wohnern, und zwar erstrecken sich seine Kolonieen über drei Erdteile,
nur Afrika ist nicht vertreten. Der australische Besitz spielt keine
sonderliche Rolle, der amerikanische eigentlich auch nicht, obschon in
früheren Zeiten der „Vetter aus Surinam" eine sprichwörtliche Figur
mit seinem sabelhasten Reichtum gewesen ist. Am wertvollsten sind
die Kolonieen in der hinterindischen Inselwelt, das Gebiet der Ge-
würze und des Psessers. Die Zeiten sind ja allerdings vorbei, wo
der Pfeffer wie im Mittelalter mit Gold ausgewogen wurde und ein
Pfund Pfeffer als ein ansehnliches und beliebtes Zahlungsmittel in
den Urkunden erschien. Die letzte Erinnerung an den hohen Wert
dieser kaufmännischen Ware haben wir eigentlich noch in dem Pfeifer-
gericht in Frankfurt am Main, das Goethe in Wahrheit und Dichtung
umständlich beschreibt. Aber bis auf den heutigen Tag verbürgt der
Besitz der Sundainseln und der Molukken Holland großen Reichtum,1
und es ist eines der ruhmvollsten Blätter in der niederländischen Ge-
schichte, als die Niederlande während ihres Krieges mit Spanien sich
die portugiesischen Besitzungen hier im Indischen Ocean, die seit der
Einziehung Portugals zu ihrem Unglück spanisches Eigentum geworden
waren, in sortgesetzten Eroberungen aneigneten.
Noch wirkungsvoller haben sich die Beziehungen Schwedens zu
Deutschland gestaltet. Besaß es doch an der Ost- und Südseite des
baltischen Meeres, ja selbst an der Nordseeküste lange Zeit aus-
ländischen Besitz, und die Schweden erklärten in ihrem Übermut, daß
Schweden für sie die Festung sei, die Ostsee der Festungsgraben;
also müßten sie nach den Gesetzen der Kriegskunst auch die „Kontre-
Eskarpe", also den gegenüberliegenden Uferrand als Eigentum in An-
spruch nehmen.
In Upsala ^ liegt als kostbarster Schatz der ooäex argenteus
des Ulsila. Schon diese Thatsache bezeugt, daß wir seit ältester Zeit
engere Gemeinschaft mit Schweden haben. Die Goten sind uns Deutschen
ebenso verwandt wie den Skandinaviern, und diese wichtige Sprach-
quelle aus der Urzeit, die Bibelübersetzung des lllsila, ist für die
Gelehrten Deutschlands und Schwedens von gleich wertvoller Be-
deutung. — In der Hansezeit spielt Wisby auf der Insel Gotland
eine große Rolle. Es ist das Handelsemporium für das ganze östliche
Oster Sjön (Ostsee), und das merkwürdigste ist, daß diese „Stadt
des Mittelalters" bis auf den heutigen Tag größtenteils unverändert
geblieben ist. Man pflegt sie daher auch als „das Rom unserer Bau-
meister, die im gotischen Stil bauen wollen," zu bezeichnen. Stattliche
Ruinen von Kirchen und alten Gebäuden laden wie zum Studium
ein, und die noch heute benützte Marienkirche zeugt von „vergangener
1 Vergl. die Schilderungen Multatulis.
* Upsala heißt „hoher Saal".
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Extrahierte Personennamen: Goethe
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Frankfurt_am_Main Holland Spanien Indischen_Ocean Deutschland Schweden Schweden Upsala Deutschlands Schwedens Gotland Ostsee