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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 40

1901 - Glogau : Flemming
Die Mittelmeerländrr. 3jla§ Bcittelmeer war für die Alten die Thalatta, der Inbegriff des Meeres und aller maritimen Interessen. Der Okeanos verschwamm für sie im Dämmerlichte, und so blieb es wesentlich bis 1492, wo das dritte Zeitalter der Menschheit, nämlich nach dem potamischen und thalassischen das oceanische begann. So erscheint diese große Wasserellipse (2 Millionen □km) mit ihren beiden Brennpunkten Athen und Rom seit der Zeit des Altertums hoch- bedeutsam. Heutzutage hat sich dieser Ruhm etwas verflüchtigt; wir können das Mittelmeer eigentlich nur als Durchgangsmeer betrachten, seitdem der Kanal von Suez den Zugang zu dem Indischen und Stillen Ocean mit ihren weitaus wichtigeren Handels- und Lebens- interessen eröffnet hat. Das Mittelmeer zerfällt in eine Menge einzelner Becken und Buchten mit sehr verschiedener Tiefe. Das Adriameer ist wie unsere Ostsee stach, das Asowsche Meer (palus Maeotis der Alten) sogar so seicht, daß tiefer gehende Seeschiffe es gar nicht befahren können, und daß es in jedem Winter zufriert, und auch sonst finden sich an den Meerengen unterseeische Land- rücken, so daß z. B. über der von den Engländern Adventures ge- nannten Bank zwischen Sicilien und Afrika <ca. 120 km breit) das Meer nur etwa 60 m Tiefe hat und sich deshalb auch durch allerlei Tücken auszeichnet. „Die Araber tauften das Kap Bon das ver- räterische Kap, und die Griechen wagten es lange Zeit nicht, aus dem östlichen in das westliche Becken des Mittelmeeres überzugehen." Sonst hat das Mittelmeer aber auch sehr bedeutende Tiefen, so die fast oceanischen Abgründe im Süden von Kreta <4000 m) und die ^eile des Meeres südwestlich von Genua. Weil die Alten daran gewöhnt waren, das Mittelmeer als ein abgeschlossen für sich bestehendes Ganze zu betrachten, so entstand auch die Sage, daß der Timavus (jetzt Timavo) in dem kalkigen Plateau in der Nähe von Trieft die n7]yr] fraxätt)]g sei, der Quell des Meerwassers. Das Mittelländische Meer ist allerdings darin eigentümlich, daß bei seiner Lage in warmein, fast heißem Klima die Verdampfung größer ist als der Zufluß von süßein Wasser. Daraus erklärt sich

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 41

1901 - Glogau : Flemming
— 41 — der hohe Salzgehalt des Meeres (38 Promille, während der Atlantische Ocean nur 35 hat). Das Mittelmeer hätte also schon längst zur Salzsole umgewandelt sein müssen, wenn nicht Zuflüsse aus minder salzhaltigen Meeren stattfänden und wiederum das Wasser des Mittel- meeres abflösse. Thatsächlich ist eine submarine Ausströmung des schweren und salzigen Mittelmeerwassers durch die gaditanische Meer- enge in den Atlantischen Ocean nachgewiesen, während dieser seiner- seits minder salziges Wasser an der Oberfläche in das Mittelmeer abgiebt. Und ebenso erfolgt aus dem Pontus, der wegen des reich- haltigen Zuströmens von süßem Wasser durch die russischen Flüsse einen geringeren Salzgehalt besitzt, eine Oberflächenströmung in den Dardanellen, die früher den Segelschiffen die Einfahrt erschwerte, heute aber den Kriegsdampfern gegenüber kaum mehr von Bedeutung ist. Wegen der verhältnismäßig niedrigen Bodenschwelle in der Meer- enge von Gibraltar kann die Cirkulation vom Atlantischen Ocean nach dem Mittelländischen Meere nur beschränkt sein und also auch der Wärmeaustausch nicht frei und ungehindert stattfinden. In den Tiefen des Mittelmeeres ist also die Temperatur um 10° höher als im Atlantic, und da bei der geringen vertikalen Bewegung und Er- Neuerung des Wassers der Sauerstoff sich nicht ausreichend ergänzt, so hört in einer Tiefe von 322 in alles Tierleben im Wasser des Mittelmeeres auf; in jenen Räumen herrscht die Stille des Kirchhofs. Ebbe und Flut sind im Mittelmeer auch kaum wahrnehmbar, in Korfu rechnet man 6 ein, bei Ägypten 35 ein und in der großen Syrte P/2 ra.1 Alexander und Cäsar waren daher die Fluterschei- nungen der Oceane unbekannt; ersterer lernte sie erst im Indischen Ocean kennen, und der große Bezwinger Galliens mußte in seinem Kampf mit den Venetern flache Boote bauen, die bei eintretender Ebbe gut auf dem Sande aufsitzen konnten. Die Uferlandfchaften des Mittelmeeres, alfo etwa zwischen 45 und 35° n. Br., haben gemeinsame klimatische Merkmale, so daß, wie es schon Lukan gethan hat, man den Nordrand Afrikas in dieses ge- meinsame Vegetationsgebiet hineinbeziehen kann. Der Hauptunterschied gegen unsere nordischeren Klimaformen ist der, daß bei uns die Winter- kälte den Vegetationsprozeß der Pflanzen unterbricht, dort die sommer- liche Dürre den gleichen Einfluß ausübt. Die hauptsächlichste Wachs- tumszeit fällt im Mittelmeergebiet in den Frühling, im Sommer wird alle Saftbewegung eingestellt und erst beim Eintreten der Herbstregen die Fruchtreife vollendet. Durch das ganze Gebiet ist der Ölbaum das eigentliche „Leitgewächs" desselben; allerdings giebt es keine Olivenwälder, ebensowenig wie bei uns Birnen- oder Apfelwälder. 1 In Venedig stehen zur Zeit der Flut die Treppen einige Stufen tiefer im Wäffer.

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 129

1901 - Glogau : Flemming
— 129 — Die Dänen sind eigentlich schon seit früher Zeit den Deutschen immer recht unbequem gewesen. Sie beherrschten die beiden Seiten des Sundes, und das war namentlich für die Hanseaten eine leidige Thatsache. Denn bei Falsterbo zogen die Heringsschwärme vorbei, und fast jede größere Hansestadt hatte dort ihre Bitten und mußte den dänischen Vögten ihre Abgaben zahlen. Die dänischen Walde- mare haben sich den Deutschen gegenüber recht übermütig gebärdet, die Hansestädte verspotteten sie als „Gänse"; dann aber kam die Vergeltung in dem bekannten Friedensschlüsse zu Stralsund 1370. In ' den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges sind die Dänen nicht sehr hervorgetreten; auch in den Verwickelungen mit Schweden standen sie mehr auf Seite der Deutschen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahr- Hunderts sollte Dänemark sogar Deutschland beschämen, da es sich der deutschen Dichter in hochherzigster Weise annahm. Klopstock dichtete in Kopenhagen, Schiller erhielt von dänischer Seite ein großmütiges Jahrgeld, das den kranken Mann vor dem größten Elend sicherte. In den innerdänischen Verhältnissen spielte damals die tragische Epi- sode des Ministers Struensee. Im 19. Jahrhundert hat Dänemark Deutschland recht herausgefordert, und das Lied: Schleswig-Holftein meerumschlungen hat wie ein Tyrtäischer Gesang zum erstenmal wieder die Deutschen aufgerüttelt und ein Gefühl aufsteigen lassen, das man deutsches Nationalbewußtsein nennen konnte. So durfte man Dänemark schließlich Dank wiffen, daß es sozusagen der ßlaiog Ölödoxalog der Deutschen gewesen ist. Aus den Kriegen von 1848—50 und 1864 ist aber ein gewisser Bodensatz des Grolls bei den Dänen zurückgeblieben, und großer Sympathieen können wir Deutsche uns in den Landen des Danebrog gerade nicht ersreuen. Dänemark ist „echtes Küsten- und Jnselland, wie es in Europa, außer vielleicht im griechischen Archipel, nicht wieder vorkommt". Und wenn man weiter seine Lage zwischen Nord- und Ostsee berücksich- tigt, und wie durch dieses Jnselreich aller Verkehr und alle Schiffahrt stattfinden muß, so könnte man als Analogie die hinterindische Insel- Welt heranziehen, durch die ja aller merkantile Austausch zwischen Indischem und Stillem Ocean hindurchgeht. Die Straße von Singa- Pore würde dann dem Oresund an die Seite zu stellen sein. Durch geognostische Forschungen ist festgestellt, daß die dänischen Jnselgebiete, namentlich Jütland, früher noch durch viel mehr Meeresarme durch- furcht und durchzogen worden sind, wie das die mannigfachen Namen von binnenländischen Ortschaften mit den Endungen —ö und —Holm (beides bedeutet Insel) erweisen. Uns interessieren die drei Meeres- straßen, durch die in historischer Zeit die Schiffahrt aus der Nord- see in die Ostsee sich ermöglicht hat, der Sund, der große und kleine Velt. Unter ihnen ist der Sund die bevorzugteste, einmal schon wegen der Kürze, dann wegen ihrer „geraden nordsüdlichen Erstreckung". Hanncke, Erdkundl. Aussähe. Ii. g Georg-Eckert-Institut für international« Schulbuchforschung Braunschweig -Schulbuchbibhothek -

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 62

1901 - Glogau : Flemming
— 62 — druck überwältigend. Unter den Gotteshäusern ragt besonders hervor die Achmedsmoschee, die auch von 6 Minarets umgeben ist, während sonst gemeinhin nur 4 erscheinen. Hier verrichtet der Hos und der Sultan seine Andachtsübungen, und es klingt recht feierlich, wenn die Muezzine auf die Galerieen der Minarets treten und weithin schallend die Mahnung zum Gebet ertönen lassen. Fünfmal am Tage ergeht der Ruf, und tiefes Schweigen lagert sich über der Stadt, wenn die Worte gehört werden: Allah ist groß, es giebt nur einen Allah, und Muhammed ist Allahs Prophet! Dem Christen wird es ganz eigen ums Herz, wenn er bedenkt, daß auch die altberühmte Kuppelkirche der göttlichen Weisheit jetzt zur Moschee umgewandelt ist, und daß es ihm bei Todesstrafe verboten wird, sie zu betreten. Fährt man von Konstantinopel westwärts an der Küste zurück, etwa wie es die Perser bei ihrem ersten Zuge gegen die Griechen thaten, so kommt man an das Hagion Oros, den Athos, also die östlichste Spitze der Halbinsel Chalcidice. Die Alten verglichen diese ganze südliche Landzunge, auf der der Athos liegt, mit einem schwim- Menden Manne. Während die Landzunge selbst also flach ist und wenig über das Meer emporragt, liegt an der südlichsten Spitze der Kopf des Mannes, der Berg Athos mit 2000 m Erhebung, so daß sein Schatten noch auf der Insel Lemnos wahrzunehmen ist. Diese markante Erdstelle gehört zwar dem Großherrn in Konstantinopel, ist in Wahrheit aber eine Mönchsrepublik, erfüllt mit den Klöstern der griechischen Kirche. Und diese Erwähnung der orthodoxen Kirche leitet uns über zu dem Staate der Balkanhalbinsel, der dem griechischen Bekenntnis solgt, also dem Königreiche Griechenland. Diesem erst seit 70 Jahren bestehenden Staatswesen kommen wesentlich die Er- innerungen an eine große und glänzende Vergangenheit zu Hilfe; aber wo in Portugal und Spanien diese Rückerinnerungen nur zum maßlosen Stolze und unfruchtbaren Hochmute verführt haben, will man in Griechenland doch bemerken, daß Königtum und Volk einiger- maßen dem Goetheschen Grundsatz huldigen: erwirb es, um es zu be- sitzen.1 Die Bahnen freilich sind in dem Lande noch schwach ent- wickelt — nur die beiden bedeutendsten Handelsstädte sind durch einen Schienenstrang verbunden, Athen und Patras —; und wenn man an den Ausspruch denken wollte, daß die Anzahl der Verkehrs- wege das Antlitz eines Landes repräsentieren, so sieht dies Antlitz ziemlich trübselig aus. Aber eine zweite Errungenschaft der modernen Zeit verbessert doch gleich das Urteil über die merkantile Bedeutung des Ländchens, es ist der Kanal von Korinth, der den Schiffen die nicht ungefährliche Fahrt um das Kap Matapan erspart. Die Aus- 1 Dazu kommt die Anspruchslosigkeit des griechischen Volkes, über die der Türke verächtlich sich äußert: wo ein Esel verhungert, wird ein Grieche noch fett.

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 64

1901 - Glogau : Flemming
— 64 — wurden im westlichen Europa bewundert, und ihre wilde Tapferkeit erweckte immer von neuem die Aufmerksamkeit und das Interesse der Abendländer. Belgrad galt als eine der stärksten Festungen, und sein Name ist mit den Heldenthaten des Prinzen Eugen unauflöslich verbunden. Endlich müssen wir noch das Königreich Rumänien er- wähnen, dessen Bewohnerschaft als fünfte romanische Nation erscheint. Es ist aufgeblüht unter seinem Hohenzollernsürsten und kann ab- gesehen von dem Getreidereichtum, über den wir schon im ersten Teil gesprochen haben,1 die Schiffahrt (sowohl auf der Donau als von Küstendsche aus auf dem Schwarzen Meer) als einen wesentlichen Faktor der Staatswohlfahrt ins Auge fassen. Schließlich erinnern wir uns jenes interessanten Wortes von Plato, daß die wichtigsten Kulturvölker in fröhlichem Wettstreit rings um das Mittelländische Meer säßen wie die quakenden Frösche um einen Teich — und können es heutzutage in seiner Berechtigung doch nicht mehr anerkennen. Wir sind eben seit Platos Zeit aus dem thalassischen in das oceanische Zeitalter eingetreten. Vielleicht trifft aber jetzt das Wort Napoleons I. zu, der den Stillen Lcean „das Mittelmeer der Zukunft" nannte. * S. 61.

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 90

1901 - Glogau : Flemming
— 90 — Das Kaspische Meer hat als Vermittler des Verkehrs mit dem Orient das ganze Mittelalter hindurch eine große Rolle gespielt. Darauf deuten die zahlreichen Münzfunde an der ganzen Handels- straße bis nach Pommern hinein, und Rubel, die nationale Münze der Russen, heißt ursprünglich nichts anderes als Hacksilber, mit dem bekanntlich die orientalischen Händler die eingehandelten Waren be- zahlten. Dieses Verkehrs mit dem Orient bemächtigten sich schon frühe die großen italienischen Handelsrepubliken, Venedig und zuletzt namentlich Genua. Als infolge der Kreuzzüge Rom den Handels- verkehr mit den Türken verboten hatte und deshalb „der indische Warenzug, der über Ägypten gegangen war, sein Ende sand", grün- deten die Venetianer am Schwarzen Meere Niederlassungen, um die indischen Waren, die vom Kaspischen Meere herabgebracht waren, in Empfang zu nehmen. Die Waren nämlich gingen von Astrachan die Wolga hinauf bis dahin, wo zwischen Wolga und Don ein Wolok ist, überschritten diesen und wurden dann den Don hinab bis wieder ans Schwarze Meer geführt. Umgekehrt hat diesen Weg auch der Venetianer Marko Polo 1260 bei seiner berühmten Entdeckerfahrt ins mittlere Asien eingeschlagen. Bald aber verdrängten die Genuesen ihre Konkurrenten, und jetzt wurde Kaffa an dem Stretto di Caffa das Handelsemporium. Mächtig blühte die Stadt empor und soll an Einwohnerzahl Konstantinopel übertroffen haben; daher „das zweite Stambul". Später, als die Türken die Stadt einnahmen, ging es mit der Handelsbedeutung zurück. Die Russen nennen die Stadt Feodofia. Die russische Regierung hat auch neuerdings noch daran gedacht, eine direkte Wasserverbindung des Schwarzen Meeres mit dem Kaspisee herbeizuführen und hierzu die Manytschniederung zu benützen. Von dem Manytschsee zieht sich eine Flußverbindung nach dem Don und andererseits nach dem Kaspischen Meere, die aller- dings nur bei Hochwasser als dauernd angesehen werden könnte. Auch zwischen Don und Wolga soll früher ein Kanal existiert haben, den die Tatarenchane mit 17 Schutztürmen versahen. Der zweitgrößte Strom in Rußland ist der Dniepr, dessen Quelle nur durch slache Hügel von der Wolga und Düna getrennt ist. Smolensk an ihm beherrscht die Straße, die aus dem Westen Europas nach dem Herzen Rußlands führt, also nach Moskau, und aus ihr ist Napoleon 1812 gezogen. Der Nebenfluß Berefina sah am 26. November den Zusammenbruch Oes einst so stolzen Heeres und ist in der Geschichte deshalb berüchtigt. Von Kiew an durch- strömt der Fluß den uralisch-karpatischen Landrücken; die Ufer werden immer höher und steiler, so daß sie bei Krementschuk bis zu 80 m an- steigen, das Flußthal wird immer enger mit tiefem Felsenbett, und es finden sich hier die Stromschnellen, Porogi, die die Besahrung des Dniepr sehr beschwerlich machen. Daher siedelten sich auf den Inseln

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 23

1901 - Glogau : Flemming
[— 23 — über diesen Paß in die Ebenen Italiens. ^Natürlich machten sich auch umgekehrt die Italiener diese Straße und ihre Zugänglichkeit zu nutze. Die Segnungen der mittelmeerischen Kultur kamen den nordischen Völkern nicht über die mittleren Alpen, sondern das Rhone- thal herauf, und noch im 13. Jahrhundert sind die Messen in der Champagne der „Hauptknotenpunkt des italischen Handels mit dem Norden". Ein zweiter Unterschied von England liegt darin, daß die Küsten- entwickelung dem Flächenraum gegenüber in Frankreich nur schwach ist. Es giebt hier nur wenig Halbinseln und sehr spärliche Inseln. An der atlantischen und Kanalseite bieten zudem die Küsten manches Hindernis, mögen sie nun steil sein wie die Falaisen am Kanal oder flach wie die berüchtigten landes am Gols von Biskaha. Man be- hauptet ja, daß Frankreich an der ganzen Kanalküste keinen günstigen Hafen besitzt, und deshalb hat Kaiser Napoleon Iii. unter den nam- haftesten Kosten den Kriegshasen Eherbourg gegenüber der Insel Wight anlegen lassen, „das großartigste Werk der Wasserbaukunst aller Zeiten". Besser steht es um die Riasartigen Einschnitte der Bretagne, wo eine Menge Häsen liegen und die Bewohner als aus- gezeichnete Seeleute bekannt sind. Hat doch auch in verschiedenen Geschichtsperioden das Piratenwesen dort sehr geblüht. Die vor- nehmsten Häfen finden sich an den trichterförmigen Mündungen der Flüsse, und weit stromaufwärts können noch die Schiffe fahren, wenn sie nur die Flutwelle benützen. Daher rührt wohl auch Napoleons Ausspruch, daß man Havre, Rouen und Paris als eine Stadt be- trachten müsse, deren Hauptstraße die Seine ist. Le Havre ist „das französische Liverpool". Es spielt nicht nur eine Rolle als Ausfuhr- Hafen, sondern von der anderen Hemisphäre werden Weizen und Roh- baumwolle importiert. Was die Fluterscheinungen betrifft, so ist in der Bai von S. Michel der Unterschied der Gezeiten 16 m, so daß den Granitfels, der das berühmte frühere Benediktinerklofter trägt, die Flut völlig umspült, und der Ort sich recht sür das abgeschiedene Mönchsleben eignet. In die Garonne dringt die Flut noch über Bordeaux hinaus, und oft entwickelt sich das „Maskaret" genannte stürmische Vordringen der Welle, daß man das Gebrüll bis auf 15 km Entfernung hören kann, und von der Gewalt der Wassermasse Anker ausgerissen, Kabel zerbrochen und Boote zertrümmert werden. Man wird unwillkürlich an die Pororoka des Amazonas erinnert. — Die Mittelmeerküste Frankreichs hat bedeutende Vorzüge. Zwar finden sich hier im westlichen Teile des Golfe du Lion die berüchtigten etangs oder Strandseeen, so daß nur Cette, wo der canal du midi endigt, in Betracht kommt, und der Rhonefluß, der keine Flut hat, führt nur Geröll in die See hinaus; aber dafür haben wir östlich von der Rhonemündung Häfen wie Marseille, Toulon und Antibes,

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 110

1901 - Glogau : Flemming
— 110 — dafür, daß das alte Bild vom Riesen mit den thönernen Füßen, das man für Rußland gebraucht hat, noch immer berechtigt ist. Wir müssen zunächst die Lage berücksichtigen, die geographischen Vorbedingungen, unter denen Rußland sich als Staatengebilde unseren Augen darbietet. Nicht allein das nordische Klima, wo in Perm z. B. schon Ende November der Schnee so hoch liegt, daß er bis zu den Fenstern des ersten Stockes reicht, wirkt auf die Entfaltung dieser ungeheuren Menschenmasse lähmend, sondern auch die kolossale Ausdehnung des Reiches, die räumliche Weitläufigkeit. Die Russen haben ja in dem Rufe gestanden, blitzschnelle Märsche machen zu können, wie unter Suworow in Italien, und doch brauchten in dem letzten russisch-türkischen Kriege die Garden volle zwei Monate, um nach Plewna zu kommen. — Das Land leidet sodann an einer eigenen merkantilen Unbeholsenheit. Jetzt, wo man damit umgeht, ein Welteisenbahnsystem zu gründen, so daß die Ware wie der Post- bries für billige Frachtsätze überallhin zu expedieren ist, und man mit glücklichem Bilde die Eisenbahnen „die Hochzeitsbänder" der be- glückten Erde nennt, stößt man aus die Ungeheuerlichkeit, daß Ruß- land zwar über Eisenbahnen verfügt, daß aber diese eine ganz andere Spurweite besitzen als die westeuropäischen. — Wie ist es ferner mit dem Anteil beschaffen, den Rußland an den offenen Weltmeeren hat? Ein Blick auf die Karte überzeugt uns, daß Rußland im Falle eines Krieges mit seinen Flotten sozusagen in der Mausefalle sitzt. So- wohl die Ostsee wie das Schwarze Meer sind nur durch ganz enge Offnungen vom westlich flutenden Meere her zugänglich, was in kriegerischen Zeiten doch gewiß nicht ungefährlich zu nennen ist. Die Ostsee sperrt der Sund, den Schiffe bis 1857 sogar nur unter Ent- richtung eines Zolles passieren durften, das Schwarze Meer dagegen die Straße des Bosporus. Wie sehr leuchtet es da eiu, daß für Rußland der Besitz von Konstantinopel je länger desto mehr eine poli- tische Notwendigkeit geworden ist. Es bleibt endlich Rußland noch das Weiße Meer und der Zugang zum Nördlichen Eismeer. Aber auch hier ist die Eissperre zu berücksichtigen. Den karischen Golf nennt man den Eiskeller Europas, an der Mündung der Dwina mißt man im Winter —47°, wo doch das Quecksilber schon bei 40° ge- friert, und die Schiffahrt ist auf 4 Monate beschränkt, völlig eissrei ist der Nordrand sogar mir 2. Allerdings versucht Rußland aus der mehr nördlich gelegenen Halbinsel Kola, wo der Einfluß des Golf- stroms vielleicht noch zu spüren ist, sich einen Welthafen zu errichten, und wir müssen erst abwarten, ob der Versuch mit Alexandrowsk ge- lingt. Am aussichtsvollsten sind immer die russischen Flottenstationen am Stillen Ocean in Wladiwostok und Port Arthur; doch sieht man jetzt noch nicht ab, wie sich in Zukunft die Verhältnisse hier an der Grenze Chinas politisch gestalten werden. — Einen weiteren

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 117

1901 - Glogau : Flemming
— 117 — das wahre „Eismeer" genannt werden. Im Kattegat stößt man auf baltisches Treibeis, und die beiden Bassins des Bottnischen Meer- busens diesseits und jenseits der Quarten sind meist in jedem Winter zugefroren. Geht man vom Nordkap südlich in die Halbinsel hinein, so sinken sofort die Temperaturgrade, und auf den Fjeldern herrscht grimmige Kälte, so daß einst im Januar 1719 des schwedischen Arm- feld Heeresmassen, als sie von der Belagerung Drontheims heim- kehrten, hier in diesen Eiswüsten jämmerlich erfroren, und die Schweden es auch heute vorziehen, den Handel mit Norwegen meist zur See zu unterhalten. Wir müssen noch von den Fjorden sprechen. In der Eiszeit waren sie mit Gletschern erfüllt und an ihrem Ausgange mit End- moränen halb zugeschüttet. Jetzt, wo die Gletscher verschwunden sind und an ihrer Stelle die Meeresbuchten sich gebildet haben, ist doch am Eingang des Fjordes die Untiefe geblieben, und diese er- weift sich äußerst nützlich. Denn nun kann das kältere Meerwasser, das sich in der Tiefe findet, nicht in die Buchten hineinströmen, wohl aber das warme Golfwasser der Oberfläche, und diese Thäler erfreuen sich eines warmen Klimas. Diese Fjorde mit den freund- lichen Ansiedelungen am Grunde des Thales und mit der imposanten Felsenscenerie bilden heutzutage für zahlreiche Touristen die bewun- derten Anziehungspunkte. Fast in jedem Jahre sucht sie der deutsche Kaiser aus und fühlt sich immer aufs neue entzückt über die Groß- artigkeit des Naturbildes. Aber diese Buchten haben für uns auch noch eine andere Bedeutung. Bucht heißt Wie, und aus diesen Wiken stammen die Wikinger mit ihren berühmten Seefahrten. Die wunderschöne Frithjoffage erzählt uns, wie Frithjof mit seiner Ellida hinaussteuert in das Meer, und so haben diese Wikingerfahrten im Mittelalter in Bezug auf Verkehr und Ausbreitung der Kultur den allergrößten Einfluß ausgeübt. Die Normannen — denn das sind die früheren Wikinger — bilden mit ihren Eroberungszügen das inter- essanteste Bild in der mittelalterlichen Geschichte Europas; sie sind zum belebenden Völkersalze geworden, das überall die träge Masse erfrischt und vor Verdumpfung bewahrt, und so sinden wir sie in Frankreich, Unteritalien, bei den Russen und Byzantinern, während fte ihr Wagemut westwärts trägt und sie Grünland und Winland auffinden läßt, so daß sie die ersten Entdecker Amerikas geworden sind, was die Bewohner der westlichen Hemisphäre bei der Säkular- seier 1892 dankbar anerkannten. Und dieser Wagemut und kühne Seemannsgeist ist den Nor- wegern bis auf den heutigen Tag geblieben und äußert sich darin, daß sie eine imposante Handelsflotte besitzen, die vierte auf dem Erdenrund dem Range nach und in Europa sogar die dritte. Wegen dieses Wagemutes nennt der Franzose seinen Bewohner der Nor-

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 124

1901 - Glogau : Flemming
— 124 — wohnern, und zwar erstrecken sich seine Kolonieen über drei Erdteile, nur Afrika ist nicht vertreten. Der australische Besitz spielt keine sonderliche Rolle, der amerikanische eigentlich auch nicht, obschon in früheren Zeiten der „Vetter aus Surinam" eine sprichwörtliche Figur mit seinem sabelhasten Reichtum gewesen ist. Am wertvollsten sind die Kolonieen in der hinterindischen Inselwelt, das Gebiet der Ge- würze und des Psessers. Die Zeiten sind ja allerdings vorbei, wo der Pfeffer wie im Mittelalter mit Gold ausgewogen wurde und ein Pfund Pfeffer als ein ansehnliches und beliebtes Zahlungsmittel in den Urkunden erschien. Die letzte Erinnerung an den hohen Wert dieser kaufmännischen Ware haben wir eigentlich noch in dem Pfeifer- gericht in Frankfurt am Main, das Goethe in Wahrheit und Dichtung umständlich beschreibt. Aber bis auf den heutigen Tag verbürgt der Besitz der Sundainseln und der Molukken Holland großen Reichtum,1 und es ist eines der ruhmvollsten Blätter in der niederländischen Ge- schichte, als die Niederlande während ihres Krieges mit Spanien sich die portugiesischen Besitzungen hier im Indischen Ocean, die seit der Einziehung Portugals zu ihrem Unglück spanisches Eigentum geworden waren, in sortgesetzten Eroberungen aneigneten. Noch wirkungsvoller haben sich die Beziehungen Schwedens zu Deutschland gestaltet. Besaß es doch an der Ost- und Südseite des baltischen Meeres, ja selbst an der Nordseeküste lange Zeit aus- ländischen Besitz, und die Schweden erklärten in ihrem Übermut, daß Schweden für sie die Festung sei, die Ostsee der Festungsgraben; also müßten sie nach den Gesetzen der Kriegskunst auch die „Kontre- Eskarpe", also den gegenüberliegenden Uferrand als Eigentum in An- spruch nehmen. In Upsala ^ liegt als kostbarster Schatz der ooäex argenteus des Ulsila. Schon diese Thatsache bezeugt, daß wir seit ältester Zeit engere Gemeinschaft mit Schweden haben. Die Goten sind uns Deutschen ebenso verwandt wie den Skandinaviern, und diese wichtige Sprach- quelle aus der Urzeit, die Bibelübersetzung des lllsila, ist für die Gelehrten Deutschlands und Schwedens von gleich wertvoller Be- deutung. — In der Hansezeit spielt Wisby auf der Insel Gotland eine große Rolle. Es ist das Handelsemporium für das ganze östliche Oster Sjön (Ostsee), und das merkwürdigste ist, daß diese „Stadt des Mittelalters" bis auf den heutigen Tag größtenteils unverändert geblieben ist. Man pflegt sie daher auch als „das Rom unserer Bau- meister, die im gotischen Stil bauen wollen," zu bezeichnen. Stattliche Ruinen von Kirchen und alten Gebäuden laden wie zum Studium ein, und die noch heute benützte Marienkirche zeugt von „vergangener 1 Vergl. die Schilderungen Multatulis. * Upsala heißt „hoher Saal".
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