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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 67

1901 - Glogau : Flemming
— 67 — werk der römisch-katholischen Kirche betrachtet werden. Diesen Ruf hat es sich seit Kaiser Ferdinand Ii. erkämpft. Schon war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Protestantismus im Oster- reichischen gewaltig verbreitet. Um 1560 rechnete man 20, ja 60 Lutheraner auf einen Katholiken, um 1600 war in Kärnten nur der zwanzigste Teil der Bewohner katholisch, da kam die er- folgreichste Reaktion der katholischen Kirche. Ferdinand Ii., der in Steiermark, wo er srüher herrschte, mit eisernem Besen die neue Lehre ausgerottet und der in Loretto gelobt hatte, seine Dienste wie in Spanien Philipp Ii. dem alten Glauben zu weihen, ist nach seinem Siege in Böhmen auf das unbarmherzigste darauf bedacht gewesen, alles in seinem Lande katholisch zu machen. Er wolle lieber in einer Wüste herrschen, sagte er, als über einen Staat voll Ketzer. Und wirklich haben er und seine.nachfolger es erreicht, daß der Katho- licismus uneingeschränkt in Österreich Geltung hat. Im 18. Jahr- hundert ist ein zweiter unduldsamer Fürst in den Gebieten, die jetzt im österreichischen Staatenleibe vereinigt sind, zu erwähnen. Es ist der Erzbischof Firmian von Salzburg, der seine protestantischen Unter- thanen grausamer Weise aus dem Lande trieb. Zum Glück fand sich ein Landesfürst, Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der die Ver- triebenen mit offenen Armen aufnahm und ihnen in Litauen neue Wohnsitze anwies. Heute bilden diese Salzburger Kolonisten einen erfreulichen und wertvollen Zuwachs der alteinheimischen preußischen Bevölkerung, und die damals geübte fürstliche Wohlthat hat tausend- fältige Frucht getragen. — Ist nun aber auch Osterreich ein Hort des Katholicismus, so hat darum doch nicht die ganze Monarchie einen einheitlichen Glauben. Je weiter nach Osten, desto bunter wird die Mischung, und in einzelnen Städten hat man viererlei, sogar sechserlei Gotteshäuser. Da finden sich Anhänger der griechischen Kirche, die aber noch den Papst als Oberhaupt anerkennen, daneben aber auch orthodoxe Griechen, die sich ganz losgesagt haben; Evangelische Augsburger Konfession erscheinen neben Evangelischen Helvetischer Konfession. Die Israeliten bilden mit fast 2 Millionen, namentlich in Galizien, einen starken Prozentsatz der Bevölkerung, und endlich zählt „die apostolische Majestät" des österreichischen Kaisers seit der Besitzergreifung von Bosnien und der Herzegowina auch islamitische Unterthanen, die durch die Stimme der Muezzine in ihre Moscheen gerufen werden. Die zweite Kulturaufgabe, die Osterreich seit je obgelegen hat und die auch heutzutage als sein nobile officium zu betrachten ist, besteht darin, das Deutschtum unter dieser östlichen und fremdartigen Bevölkerungswelt aufrecht zu halten und ihm stets und immer den gebührenden Rang in dem seltsamen Völkergemisch zuzuweisen. Wie ein Keil schiebt sich das Deutschtum an der Donau zwischen den

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 68

1901 - Glogau : Flemming
— 68 — Nordslaven und Südslaven vor und hat sich hier eine wenn auch gefährdete, so doch ungemein dankenswerte Stellung geschaffen. Schon unter den Babenbergern war im Mittelalter Osterreich ein teurer deutscher Besitz. Hier fand die edle Sangeskunst die aufmerksamste Pslege, und Walther von der Vogelweide hat oft und gern bei den babenbergischen Herzögen geweilt. In den früheren Jahrhunderten hat man den Deutschen auch von je ihre bevorrechtete Stellung be- lassen, neuerdings erhebt sich, da sich die Völker der anderen Zungen von ihren alten Lehrmeistern emancipiert haben, ein gewaltiger Kamps gegen das Vorrecht der Deutschen. Numerisch können ja unsere Stammesbrüder auch nicht mehr ihre Überordnung ausrecht erhalten; denn unter den über 40 Millionen österreichischer Staatsangehörigen giebt es nur etwa zum vierten Teile Deutsche. Ein Glück ist es, daß ihre sprachlichen Gegner, die alle zusammen die bedeutende Majorität haben, unter sich nicht einig sind und daß so das alte lateinische Wort divide et impera einigermaßen zur Geltung kommt. Den Deutschen stehen gegenüber Magyaren, jener eigentümliche Volks- stamm, der als einziger unter den nichtindogermanischen in Europa1 sich eine beachtenswerte Stelle in der oceidentalischen Kulturwelt er- obert hat, Tschechen in Böhmen, Polen und Ruthenen in Galizien, Slowenen in Kram, Kroaten und Serben südlich davon, Slovaken im nördlichen und Rumänen im südöstlichen Ungarn, endlich Italiener in Jstrien und Südtirol. Wenn der alte Jahn Österreich einen „Bölkermang" nennt, wo für die Gesundheit des Kaisers in 7 Sprachen gebetet wird, so dürste dies Rechenexempel heute noch nicht einmal genügen. Recht bunt erscheint diese Mischung der Nationalitäten in der ungarischen Neichshälste, und man hat zur Charakterisierung der Bevölkerungselemente das boshafte Beispiel erfunden, wonach der Deutsche, als er mit seinen Kameraden einen Raum verläßt, äußert, da stand ein silbernes Kruzifix. Der Magyar antwortet darauf: das hätten wir können stehlen. Der Slovake sagt mit schmunzelndem Gesicht: hob's schon, und der Rumäne raunt ihm zu: host's gehobt; denn in demselben Moment hat er dem Kameraden das gestohlene Gut schon wieder wegstibitzt. — Die transleithanische Hälfte der Monarchie hat unter diesem Gegensatz der Nationalitäten weniger zu leiden als die diesseitige, und hier ist namentlich in Böhmen der Kampf recht erbittert. Es sind wohl 3/<t der Bewohner Tschechen, und selbst in Prag zählt man nur 1/1 Deutsche. Jener tschechische Kutscher brummte, die Deutschen gucken uns rund herum ins Böhmer- land hinein, und wirklich ist es so. Die Randgebiete sind im Besitze der fleißigen Deutschen, die die Landwirtschaft und den Hopfenbau am intensivsten betreiben, so daß Leitmeritz als böhmisches Paradies 1 Er ist aus türkisch-filmischen Volkselementeu zusammengesetzt.

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 69

1901 - Glogau : Flemming
— 69 — gilt; ebenso sind die Jndustriebezirke vorzugsweise von den Deutschen bewohnt. Das erweckt den Neid der Tschechen, und in unseren Tagen wogt da ein heißer Streit. — Wenn man alle diese verschiedenen Nationalitäten ins Auge faßt, so fragt man wohl erstaunt, was hält denn diese. Völkergruppen eigentlich noch zusammen? Die Antwort ist: Die gemeinsame Dynastie und — die deutsche Heeressprache. Das ist der letzte, aber ein recht fester Kitt, und wenn die Tschechen beim Namensaufruf mit ihrem Zde! statt: Hier! antworten, so kommen sie übel an. — Die österreichischen Slaven sind uns ziemlich fremd; aber wir müssen beachten, daß Ortsnamen in Kram identisch sind mit pommerschen, wie z. B. Triglaw; es erinnert ja auch die Bezeichnung für den Peloponnes Morea an Pommern (= po more am Meere; Morea heißt Meerland). Endlich mögen wir in Norddeutschland noch bedenken, daß die herumziehenden Drahtbinder und Mausefallenhändler ungarische Slovaken sind, die sich in ihrer walachifchen Schafhirten- tracht recht malerisch ausnehmen. An ihnen können wir den süd- slavischen Typus studieren. Was die örtliche Lage des österreichisch-ungarischen Staates be- trifft, so ist zunächst eines zu bemerken. Ein jedes Volk sucht mög- lichst zum Meere zu dringen, denn von ihm strömen Waren und Reichtümer in das Land. Für Österreich ist als Axe alles Aus- tausches und Handelsverkehrs die Donaustraße gegeben, und gerade da, wo diese Straße sich am meisten dem Meere nähert, sind alle Vorbedingungen für die Entwickelung eines großen Gemeinwesens erfüllt. Ein Blick auf die Karte genügt, um zu erkennen, daß alle diese besonderen und günstigen Umstände bei Wien zutreffen. Und wenn man fagen will, der Handelsverkehr in Österreich hat mehr eine nordsüdliche als eine ostwestliche Richtung, so erscheint um so mehr Wien als selten bevorzugt. In der That, die Kaiserstadt ist „der Spinne im Kreuz" zu vergleichen; wir haben an dieser Stelle den „Tummelplatz des Orients und Occidents", und von Ost und West, von Nord und Süd laufen alle Verkehrs- und Handelsstraßen auf dieses Centrum. Der Meereshafen von Wien tft, Triest, die citta fidissima, das südliche Hamburg. Und dieselben Überlegungen erklären uns auch das Emporkommen der Konkurrentin von Triest, des zur ungarischen Reichshälfte gehörigen Fiume (ad flumen). Wenn die polnisch-ungarischen Völker den Weg zum Meere suchten, so traf etwa von Lemberg aus ihre Straße den Golf von Quarnero, eben da, wo Fiume liegt und wo auch heute der große Schienen- sträng der Bahn, die von Lemberg zum Meere sührt, mündet. Und an dem Schnittpunkte dieser uralten Handelsstraße mit der Donau liegt — Budapest, die Hauptstadt der ungarischen Monarchie. Durch unsere bisherigen Ausführungen erhellt die hohe Bedeutung der iftri- schen Halbinsel für die österreichisch-ungarische Monarchie. Wie eine

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 70

1901 - Glogau : Flemming
— 70 — „Weintraube" hängt sie in das Meer hinaus, und dies Bild paßt vorzüglich, mag man dabei an die südliche Vegetation denken oder an den üppigen Reichtum, der sich an den Besitz des Landes knüpft. An der Spitze der Halbinsel liegt Pola, das schon zur Römerzeit wichtig war und das man jetzt als Kriegshafen der österreichischen Marine das österreichische Portsmouth nennt. Ebenso hat Luffin Piccolo im Quarnerifchen Busen eine große Anzahl von Fracht- schiffen. Der eigentliche Wohlthäter Triests ist Karl Vi., und seit 1833 begann der österreichische Lloyd seine Dampser zu bauen, um den Verkehr mit dem Orient zu unterhalten. Aber es ist thöricht, wenn jetzt französische Hetzblätter Italien einreden wollen, in betreff des Mittelmeeres und des Handels auf ihm drohe ihm nicht von fetten Frankreichs die Gefahr, sondern Osterreich habe es zu sürchten. Denn Triest und die dalmatinischen Häfen liegen doch nur an einem Busenmeer des ohnedies schon als Binnenmeer zu betrachtenden Mittelmeers. Die Handelsrichtung dieser österreichischen Häsen geht nach dem östlichen Mittelmeer, „nach der Levante. In Bezug aus den oceanischen Handel kommt Osterreich wenig in Betracht, es be- sitzt auch keine Kolonieen. Die wachsende Bedeutung Triests könnte also höchstens Venedig unbequem werden, das früher so verächtlich von dem Schilfrohrnest (slav. Terst = Schils) zu sprechen pflegte. Die große Ausdehnung der österreichisch-ungarischen Monarchie ^Cattaro 42^°, Reichenberg beinahe 51° n. Br.; Bregenz beinahe 10°, Ostgrenze 261// ö. L.) bedingt es, daß sich in Natur und Klima bedeutsame Gegensätze ergeben werden. „In den Umgebungen von Triest sieht man nichts als Weinberge, Ölbäume und Gärten voll Feigen, Oleandern, Granaten, Pfirsichen und sogar einige Cypressen. Dagegen haben wir im österreichischen Schlesien ein rauhes Gebirgsklima; in Galizien brechen sich die kalten Nordwinde an den Karpaten und fallen auf das Land zurück, und die Weichsel hat 14—20 Tage den Eisgang fpäter als die Oder, und gar 3—4 Wochen beträgt der Zeitunterschied gegen die Schmelzperiode der Donau. Natür- lich sind bei den vertikalen Erhebungen die klimatischen Gegensätze von ähnlicher Schroffheit. Riva am Gardasee genießt alle Vorzüge der oberitalischen Seeuser, die Edelkastanie, des südlichen Alpenlandes schönster Laubbaum, entfaltet ihre mächtige Krone, und bei den österreichischen Eisriesen der Tauernkette wagt es kaum noch der be- haarte Gletscherhahnensuß, gegen die unwirtlichen Gipfel vorzudringend Görz nennt man das österreichische Nizza, Töplitz- ist das böhmische Paradies, und im Karst haben wir eine völlige Wüste, ohne Baum und Strauch, ja sast ohne krautartige Pflanzen, wo nur nackte ' Er dringt nvch bis 3600 in nach oben vor. * Ebenso Reichenberg. S. oben.

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 71

1901 - Glogau : Flemming
— 71 — Steinhaufen das Land bedecken und die eisige Bora über den Boden fegt. Außer diesen physikalischen Gegensätzen werden wir in merkan- Wischer und wirtschaftlicher Beziehung genug Unterscheidungen inner- halb der völkerreichen Monarchie vorfinden, und wir wollen zu diesem Zwecke die vornehmsten Landschaften nacheinander einer Besprechung unterziehen. Man zählt im Osterreichischen Alpen-, Sudeten-, Karpaten- und Karstlandschaften auf. Wir wollen zunächst mit den Sudetenland- schasten beginnen. Voran steht Böhmen, das nördlichste Kronland — aber darum nicht das schlechteste. Es ist ein von Sw nach No ab- gedachtes Terrassenland von archäischer Bodenformation mit jüngerem Eruptivgestein und hat daher Kohlen, was für Österreich sehr wesent- lich ist. Denn das salz- und eisenerzreiche Gebiet der Ostalpen steht nun in blühendstem Austausch mit dem kohlenreichen, aber salzarmen Böhmen. Aber auch sonst ist Böhmen ein Industrieland ersten Ranges und hat in seinem Nordostrande eine Volksdichtigkeit von über 150 Menschen auf 1 □km. Reichenberg blüht durch Baum- Wollenwebereien, nach den Gebirgen zu liegen die Glashütten, und neuerdings wird der schöne böhmische Hopfen verwertet zur Vier- brauerei. Pilsen genießt darum Weltruf. Dagegen ist der Ruhm des böhmischen Weines zurückgegangen. Im 16. Jahrhundert gehörte er zu den gesuchtesten, und der Wachtmeister in dem Schillerschen Wallen- stein schlürft mit Behagen sein Gläschen Melniker. Die böhmischen Edelsteine sind gleichermaßen bekannt, namentlich die Granaten. Zudem i)t das Land äußerst fruchtbar an Getreide, und wenn wir südwärts nach Mähren vordringen, so gelangen wir an das „mährische Kanaan", die reiche Getreideebene der Hannaken. Der natürliche Mittelpunkt des Landes ist Prag, das böhmische Nürnberg, eine herrlich gelegene, turmreiche Stadt mit lebhaftester Industrie. Aber das macht sie nicht allein jedem Deutschen wert, vielmehr haben in Böhmens Blüteperiode die Luxemburgischen Regenten hier die erste deutsche Universität gestiftet, die kurz vor dem Auszuge der deutschen Stu- deuten 30000 Universitätsgenossen gezählt haben soll. Der Luxem- burger Karl Iv. ist überhaupt in jeder Beziehung Böhmens Wohl- thäter gewesen, was ihm auch die Bezeichnung eintrug: Böhmens Vater, des heiligen römischen Reiches Erzstiesvater. Die Karlsbrücke in Prag und sein Standbild an derselben verewigen den Namen dieses thätigen und erfolgreichen Regenten. — Gewiß haben die Tschechen in Böhmen allen Grund, den Deutschen dankbar zu sein; das Land hat überdies immer in der engsten Beziehung zu Deutsch- laud gestanden, Böhmens Herrscher war einer der 7 Kursürsten des Reiches und versah auch bei der Krönung sein Erzamt: „es schenkte der Böhme des perlenden Weins". Und dennoch hat, wie ich schon oben erwähnte, der tschechische Übermut in den letzten Jahrzehnten

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 74

1901 - Glogau : Flemming
— 74 — Thor den ganzen Donaufluß befahren, und man kann sich denken, wie Handel und Perkehr sich an dieser wichtigen Erdstelle konzentriert. Die Industrie ist darum in der Stadt auch großartig entwickelt, und z. B. die Wiener Shawls haben seit alter Zeit ihren Weltruf be- hauptet. Weltruf haben ferner die kostbaren Sammlungen Wiens und die medizinischen Kollegien und Anstalten der uralten berühmten Universität; kurzum man fühlt es dem Österreicher nach, wenn er voll Stolz singt und dichtet: es giebt nur a Kaiserstadt, es giebt nur a Wien! Und nun erst die Umgebungen der Stadt! Bis mitten in die Stadt sollen der Sage nach die Ausläuser der Alpen hineingereicht haben, und da steht als Merkpsahl „der Stock im Eisen", das Wahr- zeichen der Handwerksgesellen. An die Vorhöhen der Alpen hinan ziehen sich Villen, Lustorte, Schlösser und Klöster. Schönbrunn, Laxenburg und Hietzing sind bekannte Namen, und in diesen para- diesischen Stätten haben mit Vorliebe die depossedierten Fürsten ihre Wohnsitze genommen, sowohl die italienischen, wie die Bourbons und Estes, als auch die deutschen, wie die Familie des früheren Königs von Hannover. Die Wiener unternehmen in Extrazügen oft eintägige Ausflüge nach Mürzzuschlag; wir wollen sie begleiten. Zunächst durchfährt der Zug das schöne und reiche Österreich und kommt dann nach Steiermark. Hier lernen wir den Anziehungspunkt der ganzen Reise kennen, nämlich den Semmeringpaß. Der Semmering ist nicht hoch (980 111), und in jenen älteren Tagen begnügte man sich damit, diese Berghindernisse in endlosen Serpentinen zu ersteigen, während man heute den Tunnelbau vorgezogen hat. Am Fuße des Berges sieht man den höchsten Punkt bei Gloggnitz eigentlich ganz nahe und deutlich vor sich liegen; es dauert aber noch zwei Stunden, ehe man über Viadukten und in stetiger bedeutender Steigung den Gipfel des Berges erklommen hat. Aus den Stationen werden Sträuße von Edelweiß seilgeboten, und man empsängt in ihnen den ersten Alpen- grüß. In Mürzzuschlag kann man recht das muntere Treiben der Steiermärker beobachten; die überschäumende Lebenslust tobt sich in Jodlern, Gesängen und lebhasten Tänzen aus, und der Norddeutsche wird dessen inne, daß hier doch ein anderer Menschenschlag wohnt wie zu Hause unter dem bleiernen Himmel und bei der kümmerlicheren Vegetation. Grün ist die Steiermark durch ihre Wiesen, grün der Anzug des Steirers, grün und freudig seine Lebensführung. Die Hauptstadt des Landes ist Graz an der Mur. Der Franzose macht hier ein witziges Wortspiel und spricht von der ville des graces sur la riviere de Tamour. Die Stadt mit ihrer Universität ist eine wackere Vertreterin des Deutschtums. Bald hinter Graz beginnt dann

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 75

1901 - Glogau : Flemming
— 75 — aber das Slawentum seine Vorherrschaft, und zwar sind hier im südwestlichen Osterreich die Slovenen wohnhaft. Das steiermärkische Marburg an der Drau ist slavisch und ebenso Laibach, die Haupt- stadt von Krain. Mit dieser Landschaft sind wir in das Gebiet der eigentlichen Karstlandschaften eingetreten und erleben hier Wunder über Wunder. Die Kalkplateaus sind porös, sie lassen die Wasser eindringen, um sie später wieder erscheinen zu lassen. So fließt die Laibach, an der die Stadt liegt, bald ober-, bald unterirdisch und ähnelt darin dem spanischen Guadiana, der ja auch daher seinen Namen haben soll, daß er wie eine Ente (anas) bald untertaucht, bald wieder emporkommt. Eine zweite Merkwürdigkeit dieser Karstlandschaft sind die Höhlungen, die eben überall sich sinden, wo wir Kalkgestein haben. Berühmt ist die Adelsberger Grotte mit ihren wunderbaren Stalaktiten, mit ihren Sälen, Säulen, Kanzeln und Tropssteinbildungen. Dicht daneben sindet sich der Zirknitzer See, der bald als See mit einem Kahn befahren wird, bald als Wiese erscheint und auch eine Ernte zuläßt. Und dann gelangen wir zum „Küstenlande" und nach Dalmatien. Alan hat diese letzte Region glücklich mit einem Frucht- korb verglichen, der seinen Inhalt nach Westen hin ausgeschüttet hat, und wir haben diesen entzückenden Küstenstrich mit seinem ganz italieni- schen Charakter schon kennen gelernt. Miramare, Abbazia sind die Glanzpunkte dieses Litorals. Uns interessiert hier die binnenländische Hälfte, das echte Karstplateau, über dessen grauenhafte Ode wir auch schon oben gesprochen haben. Bebaut und bebauungsfähig sind hier nur die Dolmen, die Trichter in dem Kalkplateau, in die alle Humus- erde zusammengeschwemmt ist. Auch hier hat man ein glückliches Bild gebraucht und sagt, sie erscheinen wie Blumentöpfe. Des- gleichen kann man hier nicht von Weinbergen sprechen, sondern nur von Weinlöchern. — Übrigens erinnert die italienische Sprache in den Küstenorten Dalmatiens an die Zeit, als die Königin der Adria, Venedig, hier allmächtig gebot. Sie war die Beherrscherin der Meere, und bis nach Cypern dehnte sich ihr Einfluß aus. Ein Andenken an diesen überwiegenden Einfluß Venedigs im Seewesen birgt unsere Sprache, da wir verschiedene Entlehnungen übernommen haben, wie Galeere, Fregatte, Kapitän; von den saracenischen Seefahrern stammt das Wort Admiral. — Wir wollen diesen Länderkomplex nicht ver- lassen, ohne auch der neuesten Erwerbung Österreichs zu gedenken. Seit 1878 besitzt der Kaiserstaat Bosnien und die Herzegowina; eigentlich sührt er nur die Verwaltung dieser Länder für die Türkei, und die Provinzen haben sich ausgezeichnet dabei befunden. Der Türkei geht es in unseren Tagen ähnlich wie Polen im 18. Jahr- hundert; die Nachbarn suchen wiederholt den Staatenleib „des kranken Mannes" unter sich zu teilen. Die Nachbarn sind Rußland, das nach dem angeblichen Testament Peters des Großen Ansprüche aus

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 76

1901 - Glogau : Flemming
— 76 — den Besitz Äonstantinopels herleitet, Österreich und Griechenland, bei dem allerdings der Appetit mit der Verdauungssähigkeit nicht recht im Einklänge zu stehen scheint. Österreich hat' durch seine neue Er- Werbung, wie schon oben erwähnt, auch islamitische Unterthanen er- halten. Die slavischen Großgrundbesitzer hatten sich unter der Türken- Herrschast zum Islam bekehrt, um nicht ganz ihren Grund und Boden zu verlieren, und diese Renegaten erwiesen sich späterhin als die grausamsten Bedränger der christlichen Rajah. So wurde der bos- nische Aufstand veranlaßt. Das Land ist nicht unfruchtbar, Mais und Weizen werden mit Erfolg gebaut; namentlich leisten aber die Eichenwälder wie überall hier in dem slavischen Südosten Europas der Schweinemast allen Vorschub. Ostlich von den besprochenen Landesteilen liegt Ungarn. Um- geben wird das Gebiet von den Karpaten, die sich in einem Halb- kreis um die in der Mitte befindliche Ebene herumkrümmen. Die Karpaten haben insofern Ähnlichkeit mit den Alpen, als sie nach Norden hin allmählicher abfallen und nach der Südseite schroffer er- scheinen. Der interessanteste Teil sind die Westkarpaten. Hier haben wir die imposante Erhebung des Tatra, dem das ungarische Erz- gebirge vorgelagert ist mit seinem Goldreichtum.1 Die Kremnitzer Dukaten waren früher bekannte Münzen. Im Quellgebiet der Theiß ist das Hegyalljagebirge, das durch seinen Weinwuchs berühmt ist. Der Ungarwein gehört zu den populärsten Weinsorten in Deutsch- land, und das nulluni vinum nisi lrang-aricum ist auch dem Unbe- mittelteren eine wohlbekannte Etikette. Denn der Ungarwein findet vielfach medizinifche Anwendung zur Kräftigung der Rekonvalescenten und der Altersschwachen. In Ungarn selbst, namentlich in Tokay, entwickelt sich zur Zeit der Weinlese ein frohbewegtes Treiben. Die Böller knallen, überall Musik und Tanz und Fröhlichkeit, und es gilt das Sprichwort, wer die Weinlese im Hegyalljagebirge und den Markt in Debrezin nicht gesehen hat, der hat in Ungarn nichts ge- sehen. Die Theiß soll „der Nil Ungarns" sein mit ihrem Fisch- reichtum und der durch ihre Wassermassen erhöhten Fruchtbarkeit. Zwischen Donau und Theiß und Theiß und Körös liegen große Steppen, die aber zum echt magyarischen Charakter des Landes ge- hören. Denn die Magyaren sind Abkömmlinge eines Nomaden- Volkes, und in diesen weiten Ebenen ist es ihnen am wohlsten. Debrezin ist eigentlich nur ein Dorf, „das größte Dorf Europas", und der Weg von Budapest nach Szegedin ist wohl 2 — 3 Meilen breit, „wenn man alle die einzelnen Straßenfäden als einen und denselben Weg rechnen will". Neben diesen Steppen erfüllen die * Die Abdachung des Gebirges nach Norden zu weist das weltberühmte Stein- salzbergwerk Wieliczka auf.

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 77

1901 - Glogau : Flemming
— 77 — große Tiefebene Ungarns die Pußten, große Weidebezirke oder Ge- biete mit erstaunlichem Getreidewuchse. In Bezug auf diese charak- teristifchen Flächen hat ein ungarischer Staatsmann gesagt „in Ungarn ist alles anders als drüben in Osterreich, sogar die Luft ist anders". Kein Baum findet sich in diesen ungeheuren Ebenen, nur ab und zu ein Ziehbrunnen und eine Ezarda, und was uns Norddeutschen das merkwürdigste ist, nirgends giebt es einen Stein, so daß Kinder, die zum erstenmal aus der Pußta in steiniges Land kommen, mit den Steinen wie mit Puppen spielen. Von der kolossalen Getreide- ernte des Landes haben wir schon im ersten Teile gesprochen 1 und müssen hier noch als ein besonders ausgezeichnetes Gebiet den Banat hervorheben. Von Zenta an der Theiß südlich beginnt die ungarische „schwarze Erde", die eine der reichsten Provinzen der österreichischen Monarchie genannt werden muß, und zwar ist ihre Ergiebigkeit drei- facher Natur. Sie liefert den besten Weizen, der Bergbau hat reiche Erträge, und endlich finden sich dort auch vorzügliche Steinkohlen. Über die Donau hinaus stößt an diesen fruchtbaren Strich „das kleine Paradies" Syrmium, die östlichste Ecke Slavoniens im Fluß- Winkel zwischen Donau und Save. Zum Zeichen, wie heiß diese Landstriche umstritten gewesen sind, sehen wir hier Peterwardein emporragen, „das ungarische Gibraltar". So wie das eigentliche Gibraltar als Fels sich zwei Meeren entgegenstemmt und die Meeres- waffer an seiner Stirnseite branden läßt, so sah hier die ungarische Festung den Kamps zwischen Christentum und Islam hin und her wogen und blieb dem, der sie besaß, ein fester Hort. Endlich haben wir noch in der südöstlichen Ecke des Landes in seiner Gebirgs- umwallung Siebenbürgen. Das ist uns ein teures Land; denn zwischen Rumänen und Szeklern wohnen hier „auf dem Königsboden" die „Sachfen", also Deutsche. Die Sage erzählt, daß, als der ver- wünschte Rattensänger von Hameln die verzauberten Kinder in einen Berg geführt hätte, der sich hinter ihnen schloß, sie hier wieder zum Vorschein gekommen wären. Und treu und gewissenhaft haben sich diese Deutschen in dem fernen Osten ihre Nationalität gewahrt; die ganze Gegend glänzt durch den Fleiß, Wohlstand und die Sittlichkeit der Bewohner. Siebenbürgen ist überhaupt ein wertvoller Besitz der Krone, z. B. der Bezirk von Vöröspatak wird für das reichste Gold- land Europas gehalten, die Pferde des Landes find vorzüglich, und namentlich besitzt Siebenbürgen ebenso wie Slavonien schöne Wal- düngen; fast 2/5 sind dort wie hier mit Wald bestanden, und wir haben schon im ersten Teile ein Urteil über den ungeheuren Reichtum an wertvollen Stämmen in Slavonien angeführt. 2 1 to. 61. 2 S, 65.

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 79

1901 - Glogau : Flemming
— 79 — terifiert völlig den hochherzigen Zug in der Volksseele des Magharen- tums. Sehr zu beachten ist es, daß die unausgesetzten Kämpfe mit den Türken zu einer ausgezeichneten Schule für Soldat und Feld- Herrn wurden. Wie denn die Beschaffenheit der großen Ebene schon überhaupt die Ausbildung des Hirten, vorzugsweise des Pferdehirten, begünstigte und der Czikos zum Idealbilds eines kühnen Reiters sich naturgemäß gestaltete, so fand auch die Husarenwaffe hier ihre eigent- liche Entstehung und wurde dann bei den übrigen Kulturnationen in ihre Heerverfaffung übernommen. Ferner haben hervorragende Feldherren sich in diesen schwierigen Kämpfen heranzubilden Ge- legenheit gehabt. Einer der beliebtesten Helden des deutschen Volks- liedes ist der Prinz Eugen geworden, und man sang mit Begeisterung: Prinz Eugen, der edle Ritter, Wollt' dein Kaiser wied'rum kriegen Stadt und Festung Belgerad. Er lies; schlagen einen Brucken, Daß man könnt hinüber rucken Mit der Armee wohl für die Stadt. Und wohlgemerkt, unter dem Herzog von Savoyen kämpften die brandenburgischen Hülfstruppen mit ihrem Führer, den die Geschichte später „den alten Dessauer" nennt, und diese Streiter erwarben sich hier an der Donau den bewundernden Beinamen der „Feuermänner". Die neueste Zeit hat mehr und mehr Abstand genommen von blutigem Kriege und wählt vielmehr den friedlichen Weg der eindringenden abendländischen Kultur, der es gelingen wird, Türkenherrschaft und Islam allmählich in sich zu überwinden. Wenn erst der Karawapor (die Lokomotive) auch in der Türkei „das eiserne Haustier" geworden ist, dann werden Österreich und wir Abendländer wohl nie mehr die Macht der Osmanen zu fürchten haben. Und nun zurück aus dem Völkergemisch der östlichen Habsburgischen Monarchie mit seiner uns vielfach befremdlichen Sitte zu dem öfter- reichischen Alpengebiet, zu unseren deutschen Brüdern in Kärnten, Salzkammergut, Tirol und Vorarlberg! Hier stnden wir ein uns sympathischeres Volkstum und herzerquickendere Eigenart. Alle die aufgezählten Landschasten sind rein deutsch; nur im Süden Kärntens stnden sich einige Slovenen und ebenso im Süden Tirols Italiener, denn bekanntlich bedeutet „Trent (Trient) Deutschlands End". Schon darin spricht sich der deutsche, anheimelnde Charakter der ganzen Gegend aus, daß wir hier statt der „Ringe" und ungarischen Städte- dörfer die Burgen antreffen. Kärnten und Tirol zählt man zu den burgenreichsten Landstrichen in Deutschland, und Burg, Wald und Märchen regen ja von je unser deutsches Empsinden in gewinnendster Weise an. Tirol ist zudem den Deutschen besonders ans Herz ge- wachsen. Der Norddeutsche kennt die Bewohner recht gut, wenn er
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TM Hauptwörter (200)200

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