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kehrte plötzlich um, als ob er sich anders besonnen hätte, und verschwand
wieder unter dem Haufen.
Der Igel pflegt sonst den ganzen Tag über zu schlafen, weil er zu
den Nachtarbeitern gehört, die allerlei Ungeziefer im Zaume halten,
damit es die Werke des menschlichen Fleißes nicht verdirbt. Heute stand
er jedoch außergewöhnlich früh auf, weil ihm mancherlei im Kopfe
herumging, was den Schlaf verscheuchte. Er hatte nämlich bemerkt,
wenn er des Nachts ausging, um Mäuse, Käfer, Schnecken und Regen-
würmer zu fangen, daß die Luft bereits scharf wehte. Daraus schloß
er, daß der Herbst da sei und es Zeit werde, sich vorsorglich auf den
langen Winter einzurichten. Außerdem war seiner Frau ein Unglück
widerfahren. Aus der Heimkehr von einem nächtlichen Ansfluge begegnete
sie dem Fuchs, der drüben am Birkenhügel seinen Bau hat und ein ge-
schworener Feind des Jgelgeschlechts ist. Er sprang auf sie zu. Doch
im Nu hatte sie sich zusammengekugelt und streckte ihm den Stachelwall
ihrer Haut entgegen, welche sie bis über die Nase herabzog. Der bos-
hafte Reineke ließ sich dadurch nicht abschrecken. Er nahm sie zwischen
die Vorderfüße, rollte die Wehrlose dem nahen Bache zu und warf sie
plumps! in das kalte tiefe Wasser hinab. Er wußte recht gut, daß sich
der Igel im Wasser aufrollen muß, um an das Land zu schwimmen, wo
er dann den Landenden erwartet, um ihn an dem unbeschützten Bauche
zu fassen. Frau Jgelin würde diesem Verhängnis nicht entgangen sein,
wenn nicht gerade ein Holzdieb den Bach entlang gegangen wäre, vor
welchem der Fuchs die Flucht ergriff. Sie konnte sich also in ihr Haus
retten, hatte sich aber in dem nachtkühlen Wasser so erkältet, daß sie
an heftigen Gliederschmerzen litt und über schneidendes Bauchweh.klagte.
Auch Igels beiden Söhnen erging es in der Nacht übel, als sie
einige Giftottern überwältigen wollten. Von den Eltern unterrichtet,
daß der Igel der Schlange den Kopf zermalmen muß, weil ihm das
Gift nichts schadet, griffen sie ein ganzes Nest voll Kreuzottern tapfer
an, weil Schlangeufleisch zu ihren Leckereien gehört. Aber die Ottern
wehrten sich verzweifelt ihres Lebens und zerbissen den beiden Schlangen-
tötern Lippe und Zunge gar gewaltig. Endlich erlagen sie den Angreifern
und wurden von ihnen nach Jgelart vollständig aufgezehrt. Der lange
Kampf hatte die Sieger doch sehr ermüdet, und die vielen Wunden
machten sie bei überladenem Magen etwas sieberkrank, Namentlich schüttelte
Fieberfrost den älteren Bruder heftig, weil er vor dem Schlangenkampse
sich bereits mit einem Hamster, der ihm fauchend den Jagdweg verstellte,
tüchtig herumgebissen hatte.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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104
dich!“ brummte der reiche Hamster, und wenn sie nicht im Nu
verschwunden wäre, hätte sie der Geizhals umgebracht. — Als er
nun durch seinen Geiz und durch seine List an die dreißig Kilo-
gramm Getreide gesammelt hatte, verrammelte er die Eingänge,
machte sich’s gemütlich und schien über alle Maßen glücklich.
Eines Tages war er recht müde, legte sich auf sein Lager und
wollte einschlafen. Da hörte er plötzlich an seine Wohnung
schlagen, und ein Teil der Decke fiel ein. Erschrocken erhob er
sich und schaffte seine Vorräte fort in eine andere Ecke. Das
Pochen, Schlagen und Lärmen dauerte fort. Er hatte nirgends
Ruhe und suchte nach einem Ausweg aus der Wohnung. Kaum
ließ er sich jedoch im Freien blicken, als auch schon ein Hund
auf ihn eindrang. Doch der Geizhals wehrte sich aus allen Kräften.
Er sprang dem Hunde an den Kopf, biß ihn in die Ohren und
entfloh dann. Der Hund eilte dem Flüchtigen sofort nach und
fing ihn endlich. Männer und Kinder kamen mit Spaten und
Hacken herbei und schlugen ihn tot. Was nützte ihm nun sein
großer Körnervorrat! Der ward von den Leuten weggenommen
und teils zu Brot, teils zur Aussaat benutzt.
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sam und läßt sich leicht in das umstellte Gelände zurücktreiben, solange
er genügend Futter und Wasser hat. Erst wenn es daran fehlt, namentlich
wenn ihn der Durst quält, durchbricht er die Kette der Wächter und
tötet dabei nicht selten die Männer, die sich ihm mutig in den Weg
stellen. Über Nacht werden zwischen den einzelnen Hütten große Feuer
unterhalten. Sobald die Wächter im Walde ein Geräusch brechender
Zweige und Äste vernehmen, wird mit Bambnsklappern Lärm gemacht.
Am Fuße einer Anhöhe wurde die Umzäunung errichtet, in die
man die Elefanten treiben wollte. Etwa hundert Leute waren beschäftigt,
starke, lange Pfähle aus dem Walde zu hauen und in Abständen von
3 Fuß metertief in den Boden einzulassen und festzustampfen. Andere
Arbeiter befestigten an der Innenseite der eingegrabenen Pfähle mit
Jutestricken starke Querhölzer. Die ganze Wand machte man durch
starke Stützen, die man außen anbrachte, noch widerstandsfähiger. Alle
Arbeiten wurden mit solcher Geschwindigkeit ausgeführt, daß die Um-
zäunung, die 30 Schritt im Durchmesser hatte, nach etwa 10 Stunden
fertig war. Um die Elefanten leichter hineintreiben zu können, hatte
man vor der Eingangsöfsnnng zwei lange Reihen von Pfählen hergestellt,
die sich trichterförmig nach außen erweiterten. Über dem Eingänge
wurde ein nach innen fallendes Gatter angebracht, das durch ein Tan,
welches man außerhalb an einem Baume festgebunden hatte, in der
Schwebe gehalten wurde. Der ganze Zaun und auch die Falltür wurden
nun an beiden Seiten mit Gras, Laubwerk und Bambus verkleidet; auch
den ganzen inneren Raum der Umzäunung bepflanzte man dicht mit
Bambus. Schließlich errichtete man in der Nachbarschaft für den Direktor
und mich etwa 8 Meter hoch in den Bäumen Sitze, damit wir von hier
ans in aller Bequemlichkeit das Treiben beobachten konnten.
Die Nacht verlief unruhig. Die Elefanten versuchten bald hier, bald
dort durchzubrechen, was wir an dem wiederholten Schreien, Klappern und
Schießen der Wächter erkennen konnten. Trotz aller Wachsamkeit waren
zwei Elefanten ausgebrochen. Ein Wächter, der sie hindern wollte, war
getötet worden. Endlich wurde es Tag. Der Direktor und ich stiegen zu
unsern Sitzen hinauf, und das Treiben begann. Während die Wächter auf
ihren Posten blieben, um etwa durchbrechende Elefanten zurückzutreiben,
rückte von hinten eine Kette Männer langsam vor und suchte die Tiere gegen
die Umzäunung zu scheuchen. Viermal wurde getrieben, aber immer gelang
es den Tieren, die Treiberlinie zu durchbrechen. Drei Stunden lang hatten
wir schon gewartet; da krachte es plötzlich vor dem Ende der beiden äußeren
Pfahlreihen, und zwölf mächtige Tiere traten aus dem Dickicht. Sie stutzten
einige Sekunden, als überlegten sie, welchen Weg sie einschlagen sollten.
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210
148. Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen.
Von Gottfried Bürger.
Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reisen und Abenteuer.
Schaffsteins Volksbücher. 16. Band. 2. Auflage. Köln o. I. S. 28.
1.
Wir belagerten einmal, ich weiß nicht mehr welche türkische
Stadt, und dem russischen Feldmarschall war ganz erstaun-
lich viel an genauer Kundschaft gelegen, wie die Sachen in der
Festung ständen. Es schien äußerst schwer, ja fast unmöglich,
durch alle Vorposten, Wachen und Festungswerke hineinzugelangen;
auch war eben keine tüchtige Persönlichkeit vorhanden, wodurch
man so etwas glücklich auszurichten hätte hoffen können. Vor
Mut und Diensteifer fast ein wenig zu rasch, stellte ich mich
neben eine der größten Kanonen, die soeben nach der Festung
abgefeuert ward, und sprang im Hui auf die Kugel, in der Absicht,
mich in die Festung hineintragen zu lassen. Als ich aber halbwegs
durch die Luft geritten war, stiegen mir allerlei nicht unerhebliche
Bedenklichkeiten zu Kopfe. Hm, dachte ich, hinein kommst du
nun wohl, allein wie hernach sogleich wieder heraus? Und wie
kann’s dir in der Festung ergehen? Man wird dich sogleich als
einen Spion erkennen und an den nächsten Galgen hängen. Ein
solches Bette der Ehre wollte ich mir denn doch wohl verbitten.
Nach diesen und ähnlichen Betrachtungen entschloß ich mich
kurz, nahm die glückliche Gelegenheit wahr, als eine Kanonen-
kugel aus der Festung einige Schritte weit von mir vorüber nach
unserm Lager flog, sprang von der meinigen auf diese hinüber,
und kam, zwar unverrichteter Sache, jedoch wohlbehalten bei den
lieben Unsrigen wieder an.
2.
Trotz aller meiner Tapferkeit und Klugheit, trotz meiner und
meines Pferdes Schnelligkeit, Gewandtheit und Stärke, ging’s mir
in dem Türkenkriege doch nicht immer nach Wunsch. Ich hatte
sogar das Unglück, durch die Menge übermannt und zum Kriegs-
gefangenen gemacht zu werden. Ja, was noch schlimmer war,
aber doch immer unter den Türken gewöhnlich ist, ich wurde zum
Sklaven verkauft.
In diesem Stande der Demütigung war mein Tagewerk nicht
sowohl hart und sauer, als viemehr seltsam und verdrießlich.
Ich mußte nämlich des Sultans Bienen alle Morgen auf die.
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158. Vas Scbildborm Da* «ict?ci.
Lesebuch für evangel. Volksschulen der Provinz Brandenburg. Ii. Teil. S. 36.
Vyy^er von Spandau aus die Havel eine Stunde abwärts fährt bis
“¿O Tiefwerder und Pichelsdorf, der erblickt am linken Ufer des Stromes
auf einer Landzunge eine kleine Anhöhe. Sie heißt das Schildhorn. Ans
der Anhöhe steht eine steinerne Säule, die mit einem Schilde geziert ist
und auf ihrer Spitze ein Kreuz trägt. Diese Säule erinnert an eine
Begebenheit, die sich hier vor langen Jahren zugetragen haben soll.
Vor beinahe 800 Jahren beherrschte von Brandenburg ans der
Wendenfürst Pribislav das ganze Havelland. Seine Gemahlin war
Christin geworden und hatte auch ihren Gemahl für den Glauben des
Gekreuzigten gewonnen, während das wendische Volk noch heidnischen
Göttern diente. Der christliche Glaube hatte das wendische Fürstenpaar
in innige Freundschaft mit dem Nachbar gebracht. Es war dies der
Markgraf Albrecht, der über die deutsche Nordmark gebot und seiner
Kraft und feines Mutes wegen Albrecht der Bür genannt wurde. Da
Pribislav kinderlos war, so hatte er schon vor seinem Tode Albrecht zum
Nachfolger ernannt. Als der Wendenfürst ums Jahr 1140 starb, nahm
Albrecht Stadt und Land in Besitz.
Zu Cöpenick an der Spree wohnte aber ein Verwandter des Pri-
bislav, der Wendenfürst Jaczo. „Bin ich nicht der natürliche Erbe des
Landes," sagte dieser bei sich selbst, „und welches Recht haben die Christen
auf wendisches Eigentum?" Darum zog er mit einem zahlreichen Heere
gegen das feste Brandenburg. Ans der Havel wurde tapfer gekämpft,
und die Wenden eroberten die Burg. Aber Albrecht der Bür eilte herbei
und nahm sie wieder mit Gewalt in Besitz. Jaczo zog nordwärts gen
Spandau mit den Seinen. Das Heer der Christen unter Albrecht folgte
ihnen.
In der Gegend des heutigen Spandau kam es zur Schlacht. Als
die Wenden das Kreuz auf dem Banner der Christen näher rücken sahen,
sank ihnen die Hoffnung auf den Beistand Triglafs, ihres Götzen. In
Hansen verließen sie den Kampfplatz und flohen, um unter dem Schutze
der Nacht dem Christengotte zu entrinnen. Jaczo war einer der letzten,
welche die Waffen noch schwangen. Als er sich aber von den Seinen
verlassen sah, wandte auch er sein Roß und sprengte davon. Plötzlich
ward seine Flucht durch einen breiten Strom gehemmt; er hielt am Ufer
der Havel. Vor ihm lag die blaue Wasserstäche, und ihre Wogen stiegen
ruhig auf und ab. Hinter ihm war der Feind. Was sollte er machen?
— Eine Landzunge streckte sich von der andern Seite her quer in den
Porger-Wolff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulen. Iii. Brandenburg. 16
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Jaczo Albrecht Albrecht Jaczo
206
als er sah, daß einer ihm nachfolgte. Dieser aber wollte nnr wissen, was
der Manshnnd fressen möchte; denn das hatten sie zu fragen vergessen.
Der Fremde aber wollte sich nicht verweilen, rief ihm also nnr zu: „Wie
man's bent, wie man's bent!" und lief davon. Der Schildbürger aber
verstand: „Vieh und Lent", kam also mit großem Entsetzen heim, und da
war keiner, der nicht das gräßliche Tier gern losgeworden wäre. Die
Katze indes machte Jagd ans die Mänse des Gemeindekornbodens. Da
beschlossen die Schildbürger, lieber einen geringen Schaden zu erleiden
als das Leben zu verlieren, und zündeten deswegen den Kornboden an,
um den Manshnnd zu verbrennen. Die Katze aber sprang ins Nachbar-
hans. Das wnrde anch angezündet, und da sich inzwischen ein starker
Wind anfmachte, so verbreitete sich das Fener dnrch das ganze Dorf, und
kein Hans blieb stehen. Der Manshnnd aber schrie jämmerlich, lies
eine Leiter hernnter und ins Feld hinans, und hat ihn keiner wieder
gesehen.
Die Schildbürger aber verließen ihr verbranntes Dorf, zogen fort
und siedelten sich hier und dort mit Weib und Kind an. Seitdem gibt
es Schildbürger in der ganzen Welt.
145. Rübezahl im Umgang mit den Menschen.
Von Heinrich Kühne.
Ortssagen und geographische Bilder aus allen Gegenden Deutschlands.
Leipzig 1884. S. 200.
Nach der Sage war das Riesengebirge vormals der Aufenthalt
eines mächtigen Berggeistes, Rübezahl geheißen. Auf der
Oberfläche hatte sein Gebiet nur wenige Meilen im Umfange, im
Innern der Berge dagegen erstreckte es sich unermeßlich tief und
weit. Seitwärts der Schneekoppe, nicht fern von der Riesen-
baude besaß Rübezahl einen eigenen Garten, dessen Bereich man
noch jetzt an einem Bergabhange zeigt. Viele darin wachsende
saftige Kräuter, woran überhaupt das Gebirge reich ist, sind
als Heilkräuter bekannt. Außer diesen zog Rübezahl auch die
berühmte Springwurzel in seinem Garten, welche den Geistern
zur Nahrung diente, allerhand Wunder bewirkte (man konnte z. B.
damit Schlösser öffnen) und von den gefährlichsten Krankheiten
heilte.
Rübezahl hauste gewöhnlich in den unterirdischen Räumen,
nur nach Jahrhunderten erhob er sich einmal aus der Tiefe, um
auf der Oberwelt sein Wesen zu haben. Bei solchen Lustreisen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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Extrahierte Personennamen: Hans Heinrich_Kühne Heinrich
196
Als in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges spanische
Scharen das Rheinland verwüsteten, kam auch eine Abteilung Spanier
gen Kaub und eroberte es in wenig Tagen, da der Kommandant, wie
das ja öfter so geht, rasche Übergabe einer langen Belagerung vorzog.
Nur einer der Türme, der mitten in der Stadt sich erhob, wurde nicht
geöffnet. Vergebens waren alle Aufforderungen des Feindes, sich auf
Gnade oder Ungnade zu ergeben; die kleine Besatzung hielt tapfer stand,
und mancher Spanier verlor durch wohlgezielte Schüsse aus den Schieß-
scharten des Turmes sein Leben. Von Zeit zu Zeit erschienen über der
Brüstung oben, vorsichtig spähend, einige Köpfe, aber man konnte gegen
die tapferen Verteidiger nichts ausrichten. Stürmen konnte man nicht,
denn diese Türme haben ihre Eingangstür zwanzig und mehr Fuß über
dem Erdboden. Da mußte man Leitern anlegen; und ehe es dahin kam,
schossen die von oben die Leiteranleger einzeln tot. Die Spanier hatten
auch keine schweren Geschütze, und so blieb vier Wochen lang alles un-
verändert. Der Feind war zwar im Besitze der Stadt, allein dieser
Besitz war immerhin unvollständig, denn jeder vermied die Nähe des
verhängnisvollen Turmes, schlich sich auf Umwegen um ihn herum oder
schaute ängstlich von ferne hinüber.
Endlich, nach vier Wochen, erschien eine weiße Fahne am Turm,
das Zeichen, daß man unterhandeln wolle. Eine Trompete schmetterte,
und als man durch Gegenzeichen zu verstehen gab, daß man zu Ver-
handlungen geneigt sei, erschien ein bärtiger Krieger oben an den Zinnen,
während gleichzeitig die drohend aus den Mauerluken ragenden Musketen-
läufe verschwanden. Die Besatzung erklärte sich bereit, den Turm zu
übergeben, jedoch nur, wenn ihr freier Abzug gestattet würde. Der
Besitz des Turmes war zu wichtig, und darum, wie auch in Anbetracht
der glänzenden und ehrenvollen Verteidigung, wurde die Forderung
bewilligt. Neugierig pflanzten sich sämtliche Spanier unten am Turm
auf, um endlich ihre tapferen, geheimnisvollen Feinde von Angesicht zu
Angesicht zu schauen. Die Trommeln wirbelten, jetzt sollte die feierliche
Übergabe stattfinden. Man hört mühsam einen Schlüssel sich drehen,
eine Türangel knarrt, die Turmtür oben tut sich auf, eine Leiter senkt
sich hernieder, und die Besatzung klettert würdevoll die Sprossen herunter:
ein alter, bärtiger Feldwebel voran, ihm folgt sein Weib und nach dem
Weibe eine dürre Geiß, niemand mehr und niemand weniger! Diese
drei waren die einzigen Insassen des Turmes gewesen. Oben auf dem
Turm war ein Grasplätzchen, und einige Sträucher waren aus der
Mauer entsprossen: von dem Laube, dem Grase und dem aufgefangenen
Regenwasser lebte die Ziege, und die Milch, welche dies nützliche Tier
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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246
162. Der Verrat von prenzlau. von 5. M. Otto Richter.
Sagenschatz aus Nordostdeutschland. Glogau 1901 8. 61.
nter Friedrich, dem ersten Hohenzollernschen Markgrafen,
zogen die Pommernherzöge vor Prenzlau und belagerten
die Stadt. Heimlich schickten sie einen ihrer Befehls-
haber. Klaus Koppen, in Bauernkleidern in die Stadt;
der ließ sich zuerst als Tagelöhner, dann als Tor-
wächter brauchen, setzte sich ins Einvernehmen mit den
beiden Bürgermeistern und ließ eines Nachts die Pommernherzöge mit
ihren Leuten ein. Die Stadt huldigte den Pommernherzögen, und diese
machten Köppen zum Befehlshaber von Prenzlau. Es war jedoch immer
noch eine brandenburgische Partei in der Stadt, und viele von den An-
hängern der Pommern wurden hernach dadurch verletzt, daß Herzog Otto
von Pommern-Stettin die Bürgerschaft bei der Huldigung höhnte, weil
sie sich nicht besser gewehrt habe. Die Bürgermeister hielten aber vor
allen noch an den Pommernherzögen fest.
Da Kurfürst Friedrich I. damals in Franken zu tun hatte, so mußte
sein Sohn Johann für ihn den Krieg führen. Der knüpfte mit den
Anhängern Brandenburgs und denen, die mit der pommerschen Herrschaft
unzufrieden waren, in aller Stille ein Einverständnis an. um die Stadt
zu überrumpeln. Der Stadtschreiber Rodiger, ein treuer Anhänger des
Markgrafen, führte diesen, wie erzählt wird, mit seinen Reisigen in einer
Sommernacht von der Westseite her durch eine Seitenpforte in die Stadt
Auf diesem Wege soll manche sumpfige Strecke zu durchwaten gewesen
sein. An den unwegsamsten Stellen nahm Rodiger. der ein starker
Mann war, den Markgrafen auf seine Schultern. Als einer der Sümpfe
sehr lang war. drohte Rodiger unter der schweren Bürde umzusinken.
Da soll ihm der Markgraf das denkwürdige Wort zugeflüstert haben:
..Steh fest, mein Mann. und bedenke, daß du die ganze Mark Branden-
burg auf deinen Schultern trägst!" — Glücklich kamen sie endlich in die
Stadt, und sofort erscholl der Ruf: Brandenburg! — durch alle Gassen.
Die pommersche Besatzung setzte sich zwar zur Wehr und behauptete
noch etliche Tage ein Stadttor; aber die Bürger zwangen sie durch
Hunger und Rauch von Stroh und grünem Holz. sich zu ergeben.
So kam Prenzlau wieder in den Besitz Brandenburgs. Den beiden
Bürgermeistern wurden die Hände, mit denen sie bei der Huldigung
falsch geschworen hatten, abgehauen, worauf sie dann enthauptet wurden.
Die abgehauenen Hände werden im Uckermärkischen Museum zu Prenzlau
aufbewahrt.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Otto Friedrich Friedrich Klaus_Koppen Otto
von_Pommern-Stettin Otto Friedrich_I. Johann Johann Rodiger Rodiger
248
Bernauer Wege zu dem Steinhaufen, in dem er die Kanne vergraben
hatte; denn daß die noch da war, davon hatte er sich vorher überzeugt.
Nun gingen alle, auch die Nachbarn, mit hinaus, und wie man die
Steine wegräumte, siehe, da stand der Krug noch unversehrt da, und als
man gar den Deckel hob, da hatte sich das Bernauer Bier nicht nur gut
erhalten, sondern war, wie es heißt, noch duftender und schöner geworden
denn zuvor.
164. Rellerloä des Herzogs Leopold von kraunlclnveig.
Vori I). Vierter und sß. Poblandt,
Frankfurt a. 0. Ein Beitrag zur Heimatskunde. Frankfurt a. 0. 1886. 8. 109.
flsuf einen strengen, schneereichen Winter im April 1785 war plötzlich
•Vt anhaltendes warmes Wetter gefolgt. Schnee und Eis schmolzen,
und die Flüsse schwollen an. Das Wasser der Oder stieg unerwartet
schnell. Zwischen Krossen und Frankfurt zählten Schiffer nicht weniger
als fünfzehn Dammbrüche. Wohl traf man Borkehrnngsmaßregeln, aber
am 25. April stand das Wasser schon 12 Fuß über der gewöhnlichen
Höhe. Die Bewohner der Dammvorstadt waren in großer Angst., Sie
verlangten die Durchstechung des Dammes an der Kuhburg; der Rat der
Stadt trat über diesen Antrag in Beratung. Aber alle Hilfe war ver-
gebens. Am 27. April trat das längst befürchtete Ereignis ein. Der
Damm brach, und die Wassersiuten schossen nach dem Roßmarkte, alles
vernichtend, was sich ihnen entgegenstellte. Die ganze Dammvorstadt
wurde unter Wasser gesetzt.
Als den Herzog Leopold, den Kommandeur des Regiments, der ein
Neffe Friedrichs des Großen war, die Kunde von dem Dammbruch er-
reichte, befahl er sofort den Soldaten, ihren Mitmenschen zu Hilfe zu
eilen, und begab sich selbst an das Ufer. Hier merkte er bald, daß es
am jenseitigen Ufer an der nötigen Ordnung fehlte, daß die Leute kopflos
geworden waren und die verkehrtesten Ordnungen trafen. Sofort war er
entschlossen hinüberzufahren. Zwei Herren vom Magistrat rieten aufs
dringendste ab. Der Herzog wies ihre Bedenken mit den Worten zurück:
„Ich bin ein Mensch wie die, jetzt gilt's, Menschenleben zu retten." Ein
Soldat fiel ihm zu Füßen und bat tränenden Auges, die Fahrt nicht zu
wagen. „Gut," sagte der Herzog, „beunruhige er mich nicht weiter, ich
werde es nicht tun." In der Tat ging er nach der Stadt zurück, aber
die unglücklichen Menschen kamen ihm nicht aus dem Sinne. Da bat
ihn auf dem Kasernenhofe ein Soldat, ein gelernter Schiffer, um Er-
laubnis, sich übersetzen zu lassen. Sogleich kehrte der Herzog mit ihm
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
Extrahierte Personennamen: Leopold Leopold Leopold Leopold Friedrichs
ganze Umgegend war ausgesogen worden; Mangel und Armut hatten
die Herrschaft gewonnen.
Doch unter dem furchtbarsten feindlichen Drucke vollzog sich in der
Stille durch eine neue zeitgemäße Gesetzgebung die innere Wieder-
geburt des preußischen Staates. Es wurde ein freier Bürger- und
Bauernstand geschaffen, und durch die Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht erfolgte eine Erneuerung und Umgestaltung des preußischen
Heeres.
In Frankfurt wurde die Städteordnung am 16. April 1809
eingeführt.
Der 19. Juli 1810 war für unsre Stadt sowohl als auch für deu
ganzen Staat durch den Tod der unvergeßlichen Königin Luise
ein Tag des tiefsten Schmerzes. Am 12. August fand im ganzen Lande
eine kirchliche Trauerfeier statt, bei welcher der Verewigten, die im
Kummer über das Unglück des Vaterlandes gestorben war, unter Tränen
der Wehmut gedacht wurde.
177. Volksopker im Iadre 1813. Von Guttav freytag.
Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Leipzig 1896. 4. Band. 8. 408.
$Ttrie ein Frühlingssturm, der die Eisdecke bricht, fuhren die großen
Erlasse des Königs, welche die gesamte Wehrkraft Preußens unter
die Waffen stellten, durch die Seele des Volkes. Alle Herzen schlugen in
Rührung, Freude und stolzer Hoffnung. Es wurden nicht viel Worte
gemacht; kurz war der Entschluß. Die Freiwilligen sammelten sich still
in den Städten ihrer Landschaft und zogen mit ernstem Gesänge aus den
Toren nach Breslau. Die Geistlichen verkündeten in den Kirchen den
Aufruf des Königs. Als ein junger Theologe, der predigend seinen
Vater vertrat, die Gemeinde von der Kanzel ermahnte, ihre Pflicht zu
tun, und zufügte, daß er nicht leere Worte spreche und sogleich nach dem
Gottesdienste selbst als Husar eintreten werde, da stand sofort in der
Kirche eine Anzahl junger Männer auf und erklärte, sie würden dasselbe
tun. Als ein Bräutigam zögerte, sich von seiner Verlobten zu trennen,
und ihr endlich doch seinen Entschluß verriet, sagte ihm die Braut, sie
habe in der Stille getrauert, daß er nicht unter den Ersten auf-
gebrochen sei.
Die akademischen Vorlesungen in Breslau, Königsberg, Berlin
mußten geschlossen werden. Auch die Universität Halle, noch unter west-
fälischer Herrschaft, schloß ihre Hörsüle; die Studenten waren einzeln oder
in kleinen Haufen aus dem Tore nach Breslau gezogen. Die oberen
Klassen der Gymnasien wurden leer; herzlich drückten die Lehrer den
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Extrahierte Personennamen: Luise August
Extrahierte Ortsnamen: Frankfurt Leipzig Breslau Breslau Königsberg Berlin Breslau