Xxi. §. 5. Kreuzzug Wider die Wenden.
399
heit in den kirchlichen Lehren zu erlangen. Im Mittelalter nannte
man solche dialektische Theologen Scholastiker und ihre Ausgabe
war: jede kirchliche Lehre mit der größtmöglichen Schärfe und Gründ-
lichkeit festzustellen, gegen alle Einwendungen zu vertheidigen und mit haar-
spaltender Genauigkeit ihre Anwendung nach jeder Seite hin aufzuweisen.
Als Führer der langen, langen Reihe von Scholastikern des Mittelalters
stand dem Bernhard der berühmte Abälard gegenüber. Aber Abä-
lard war nicht so fromm als er gelehrt war, Deshalb hat er schwere
Demüthigungen erdulden müssen, und Bernhard wurde es nicht schwer,
ihn zu überwinden. Aber seine Schüler waren unendlich zahlreicher als die
Bernhard' s. Denn durch den genauen Verkehr Deutschlands mit dem
noch von alter Zeit her gebildeten Italien, mit den scharfsinnigen und ver-
schmitzten Griechen, mit den phantastischen und überschwänglichen Völ-
kern des Morgenlandes, Christen und Saracenen, war in fortgehender
Steigerung ein so gewaltiger Drang und Trieb nach eigner Weiterbil-
dung unter die Deutschen und ihre nächsten Nachbarn gekommen, daß
mit dem Beginn des zwölften Jahrhunderts wie aus einer geöffneten
Thür uns eine unabsehbare Schaar von Gelehrten und Schriftstellern,
von Dichtern und Sängern, von Künstlern und ausgezeichneten Män-
nern aller Art entgegentritt. Es ist die Vlüthezeit des Mittelalters, in
die wir eingetreten sind — die höchste Mannigfaltigkeit der Gaben,
Kräfte, Talente, Aemter, Würden, Trachten, Sitten unter der Alles
überschattenden Einheit der von Gott hoch erhobenen römischen Kircke
und des päpstlichen Scepters.
§. 5. Kreuzzug wider die Wenden.
Zu gleicher Zeit mit dem zweiten Kreuzzug wider die Sarace-
nen, der so unglücklich auslief, wurde noch ein anderer Kreuzzug un-
ternommen, der das weite Reich des Papstes wieder um ein bedeuten-
des Stück vergrößerte. Es ist schon früher erwähnt (S. 376), daß die
schönen Eroberungen und Stiftungen Heinrich' s I. und der Ottonen
zwischen Elbe und Oder unter den schwächeren Kaisern, besonders
unter Heinrich Iv. fast gänzlich wieder verfallen waren und daß
auch Polen und Böhmen immer nur in sehr zweifelhafter Abhängig-
keit vom deutschen Reiche standen. Polen war aber indeß, eben so
wie Böhmen, ein durchaus christliches Land geworden, hatte Bischöfe
und Erzbischöfe, Kirchen und Klöster und sorgte für Ausbreitung deö
Christenthums auch in denjenigen heidnischen Ländern, die es eroberte,
absonderlich in Pommern. Der Polenherzog Boleslav lud selbst
den deutschen Bischof Otto von Bamberg ein, mit ihm und unter-
feinem Schutz nach Pommern zu ziehen, um die reichen und lebens-
frohen Pommern zu bekehren. Wirklich gelang es dem Bamberger
Bischof und dem polnischen Herzog, die Kirche in Pommern wenig-
stens zu begründen. Dagegen die vom Kaiser und von den Sach-
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TM Hauptwörter (200): [T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt]]
Extrahierte Personennamen: Bernhard Bernhard Heinrich_Iv Heinrich Polenherzog_Boleslav Otto_von_Bamberg Otto
402 Xxi. §. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I. rc.
können, so mochte man sagen, es sei das nur durch die eigne Schuld
der Fürsten möglich gemacht, durch ihre Unsittlichkeit, ihre Frevel,
ihre Unklugheit, ihre Untüchtigkeit, durch die Gunst der Zeitumstände,
die Unmündigkeit der Herrschern, s. w. Jetzt aber sollte sich's zeigen,
daß die Idee, für welche die Päpste kämpften, die geistliche Welt-
monarchie, wirklich so tiefe Wurzeln in der Zeitentwicklung und in den
Völkern habe, daß es selbst einer Reihe der gewaltigsten, consequen-
testen, ruhmreichsten Kaiser, die je auf dem deutschen Thron gesessen
haben, nicht gelingen konnte, sich mit den Waffen weltlicher Macht
und Klugheit den Päpsten gegenüber zu behaupten. Wir sind einge-
treten in die wunderbar herrliche Zeit der höchsten Entfaltung des
deutsch-mittelalterlichen Volkslebens, in die Zeit der hochgepriesenen
hohenstaufischen Kaiser. Alles, was von dem Wohlstand, der Bildung,
dem künstlerischen Schaffen und allgemeinen Lebensgenuß, den pracht-
vollen Bauten, den schwelgerischen Hofhaltungen, den glänzenden Tur-
nieren und aller sonstigen Pracht des Ritterwesens und der Lieblichkeit
des Minnesanges uns erzählt wird oder noch heute erhalten ist,
drängt sich vorzugsweise in dies Jahrhundert zusammen, wo die drei
großen Hohenstaufen Friedrich I. und Ii. und zwischen ihnen Hein-
rich Vi. auf dem deutschen Kaiserthron saßen. Alle drei bekämpften
sie nach einem festen Plane, mit unermüdeter Beharrlichkeit, mit
eben so viel Klugheit als Kühnheit die päpstliche Macht, die sich
über sie erheben wollte und erhoben hatte. Aber sie unterlagen —
unterlagen so vollständig, so jammervoll, daß nie ein großartigeres
Trauerspiel einen thränenreichern Ausgang genommen hat. Schon
gleich Friedrich I. Barbarossa (1132 — 80), der hochbegabte,
fromme und mannhafte Kaiser, voll hochstrebender Plane und un-
überwindlicher Tapferkeit, mußte nach langwierigem harten Streit sich
demüthigen vor den Päpsten. Mit kriegerischem Glanz und großen
Entwürfen zog Friedrich I. zum ersten Male 1154 über die Alpen
nach Italien. Dort in der Lombardei, wo man die Herrschaft und
die Gerechtsame der deutschen Kaiser schon fast vergessen hatte oder
verachtete, wo die Unzahl reicher und mächtiger Städte, voll Ueber-
fluß und Wohllebens, die kaiserlichen Befehle und Beamten hoffartig
verwarfen, sollte die Kaiserhoheit in neuem Glanz erstehen, alle Wi-
derspenstige unterdrückt und ein sicheres und gehorsames Reich ge-
gründet werden. War doch des Kaisers Friedrich Wort und Ent-
scheidung von den Königen in Dänemark wie in Ungarn, von den
Herzogen in Polen und den Erzgrafen in Burgund gefürchtet, ehrten
ihn doch die Könige von England und Frankreich durch höfliche
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482 Xxm. §. 2. Erstes Hervortreten der Reformatoren.
Heiligen anrufen zu müssen, statt den viel lustigern Dienst des Bacchus
und der Aphrodite wieder aufzunehmen. Päpste, Cardinäle, Bischöfe
und Aebte sah man mit Fürsten und Obrigkeiten ganz ungescheut dem
alten Heidenthum sich ergeben und wenigstens in vertrauteren Kreisen
sich üben, mit heidnischer Zunge heidnische Gedanken in Umlauf zu
setzen. In Deutschland finden wir von solcher Wirkung des wiederauf-
gefundenen Alterthums kaum eine Spur. Desto eifriger beschäftigte
man sich hier mit Sprachstudium und Grammatik. Man eilte, den
mittelalterlichen Kirchenstil-des verdorbenen Latein von sich abzuthun
und sich einer eleganten und correcten Rede zu befleißigen. Die Schu-
len wurden umgestaltet. An die Stelle der scholastischen Lehrer traten
die freier und feiner gebildeten Humanisten. Ein großer Eifer der
Forschung, der Weiterbildung erwachte. Vor allen Dingen aber wen-
dete man die kauni gettonnenen neuen Kenntnisse auf die heilige Schrift
an. Bibelübersetzungen und Umschreibungen erschienen in rascher Folge,
noch unvollkommen, aber sie brachen Bahn und deckten das vorhandene
Bedürfniß auf.
§. 2. Erstes Hervortreten der Reformatoren.
So Viele aber auch da waren, welche laut über das Verderben
der Kirche klagten und nachwiesen, wie nothwendig eine Aenderung
sei, so Viele auch da waren, welche die rechte Lehre schon rein und
lauterlich vortrugen, so hatte doch von ihnen allen bisher noch Keiner
gewagt, dem Papst und seinen Anordnungen geradezu entgegenzu-
treten, sich seinem Gehorsam zu entziehen und es wirklich zu einem
Bruch mit dem ganzen hierarchischen System zu treiben. Auch die
lautesten Spötter, auch die gediegensten Lehrer, sie gingen doch ge-
horsamlich in den hergebrachten kirchlichen Geleisen, und wenn sie selbst
den Papst für den leibhaftigen Antichrist erklärt hätten, so würden sie
ihm doch nichts desto minder gehorcht haben. Solche Hmte schienenden
Wächtern der römischen Kirche wenig gefährlich, man ließ sie gewäh-
ren. Wo aber einer es wagen sollte, etwas gar zu stark an dem Be-
stehenden zu rütteln, da hatte er noch immer die Strafgewalt der Kirche
zu fürchten. Noch in hohem Alter ward Johann v. Wesalia vor
das geistliche Gericht geladen, auch Reuchlin's Bücher wurden ver-
brannt und es fehlte nicht viel, so wäre er selber verurtheilt. So war
es doch auch jetzt nichts Geringes, den Kampf gegen die riesige Macht
der Kirche zu wagen, auch die Besten scheuten davor zurück. Wäh-
rend nun aber alle Welt erwartungsvoll ftaub und darin einig war, daß
Etwas geschehen müsse, und doch nicht wußte, wie und was und von
wem? siehe da erscholl (1517) von Wittenberg aus die große Kunde,
ein Augustinermönch, ein Professor an der Universität, vr. Martin
Luther habe es gewagt, einen Beamten und Abgeordneten des Erz-
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Extrahierte Personennamen: Johann Wesalia Martin
Luther
16(j xn. §. 9. Fortschritte und Mängel der griechisch-orientalischen Heidenwelt.
§. 9. Fortschritte und Mängel der griechisch-orientali-
schen Heidenwelt.
Es war aber nicht bloß der kleine jüdische Kirchenstaat, dem
noch eine große Umformung bevorstand, ehe das ersehnte Heil erschei-
nen konnte, sondern allen Staaten des griechisch-orientalischen Welt-
reichs stand noch eine gleiche Wandlung bevor. In welchem Zustande
befand sich dieses Weltreich die letzten beiden Jahrhunderte vor
Christo? In geistiger, wissenschaftlicher, künstlerischer Beziehung hatte
es Alles geleistet, was es konnte und sollte, aber politisch war es in
der elendesten Verfassung. Durch den plötzlichen Tod Alerander's,
der den nächsten Anlaß gab zu all den schweren Wirren und Zer-
klüftungen, die wir angedeutet haben, hatte der Herr genugsam ge-
zeigt, daß er das dritte Weltreich nicht zu einer politisch gewaltigen
einheitlichen Macht wollte gelangen lassen, daß er ihm hauptsächlich
seine Aufgabe in geistiger Entwickelung gestellt habe. Die grie-
chische Bildung und Philosophie sollte die orientalische Welt durch-
dringen, und wir haben bereits gesehen, in wie hohem Maße dies
bei den Juden nicht minder als bei allen anderen Völkern des Orients
geschehen war. Der Hellenismus, das mit den Elementen des
Orients gemischte Griechenthum, hatte seine höchste Blüthe erreicht.
Von Alerandrien in Aegypten herrschte er bis zu den Ufern der Do-
nau und des Orus. Die hellenistische Gelehrsamkeit hatte ihre größte
Ausbildung erreicht. Auf dem Gebiet der Sprachforschung, der
Mathematik (E u k l i d e s), der Mechanik (A r ch i m e d e s), der Astronomie,
der Geographie ruhen alle späteren wissenschaftlichen Arbeiten fast aus-
schließlich auf den Vorarbeiten der hellenistischen Gelehrten. Die
hellenistische Philosophie, welche darauf ausging, gegen jede der bis
dahin heilig gehaltenen überlieferten Religionen Zweifel zu erwecken
oder alles Glauben an Götter für unnöthig zu erklären, hatte mäch^-
tig vorgearbeitet dem allgemeinen Bedürfniß und der Sehnsucht nach
einer neuen göttlichen Offenbarung, nach einem festen Haltpunkt in
der allgemeinen Verwirrung. „Wenn ein Schiedsmann aufstände,"
sagte einer der ärgsten Spötter, „von dem wir alle wüßten, daß seine
Lehre ohne Fehl wäre, dann wäre uns geholfen."
Ueberall hin war eine gleichmäßige Bildung gedrungen, die
hellenistische Sprache herrschte weit und breit, die Geister waren ge-
weckt und angeregt, dieselben Ideen, Anschauungen, Vorstellungen,
Erwartungen bewegten die Gemüther am Eufrat wie am Nil oder
auf den Inseln des ägäischen Meeres. Eine Einheit war da, aber
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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224
Xv. §. 1. Die Erfüllung der Zeiten.
Aegypten bis nach Gallien galten dieselben Rechte, war dieselbe
Bildung verbreitet, ward derselbe Schutz dem missionirenden Heils-
boten zu Theil. Alles, was die reichbegabten Völker des Alterthums
von Kenntniß, Kunstfertigkeit, praktischer und wissenschaftlicher Tüch-
tigkeit erreichen konnten, war Gemeingut geworden. Der Grieche
hatte seine Philosophie, seine literarische Gewandtheit, seinen feinen
Geschmack, seine gefälligen Formen durch Alexander's Zug weit-
hin durch den Orient verbreitet und hatte dafür die orientalische
Weisheit, symbolische Pracht und Kunst des üppigen Genießens
wieder zurückempfangen; und der Römer hatte das gemeinsame Erbe
in Empfang genommen und seine militärische, politische und juridische
Tüchtigkeit noch hinzugethan. In allen östlichen Ländern des Rö-
merreichs war die griechische Sprache die herrschende geworden
und hatte die einheimischen Volkssprachen zurückgedrängt. Jeder ge-
bildete Römer verstand sie, sowie in den westlichen Ländern jeder
Iberer und Gallier wiederum die römische Sprache verstand. Weit
und breit durch alle Länder zerstreut, in allen bedeutenden Städten
ansässig, waren die Juden mit ihren Synagogen, ihrem Gesetz und
ihren Weissagungen den Völkern bereits bekannt und boten überall
den geeignetsten Anknüpfungspunkt zur Verkündigung der neuen
Heilsbotschaft in den Heidenlanden. So war durch die Hand des
Herrn von außen her Alles bereitet und das Gefäß fertig, in welches
er die neue Himmelsgabe und Segensfülle zunächst auöschütten wollte,
die sein Sohn auf die Erde brachte. Während Augustus in seiner
heidnischen Blindheit meinte, daß er durch seine Lift und Gewalt
die Welt zur Ruhe gebracht und die Völker unter seine Füße ge-
zwungen habe, war er nur, wie einst Cores und Alexander, das
bequeme Werkzeug in der Hand des Herrn, durch welches die letzten
Vorbereitungen für die Ankunft des Himmelreichs auf Erden ge-
troffen werden sollten. Da er in der Fülle seiner Macht und in der
ruhigen Gewohnheit des Herrschenö sein Gebot erläßt, „daß alle Welt
geschätzet werde," ahnt er nicht, daß er damit nichts thut als den
ewigen, längst geweissagten Rathschluß Gottes in Erfüllung bringen,
wonach Christus in Bethlehem, der Stadt David's, sollte gebo-
ren werden. Und während er aus seinem goldenen Stuhl, von sei-
nen Schmeichlern als Gott verehrt und angebetet, das Gericht Gottes
über die Frevelthaten seiner Jugend Hereinbrechen sieht, da die
Theuersten und Besten aus seiner Nachkommenschaft in ein frühes
Grab sinken, die Uebrigbleibenden aber mit Schmach und Greuel be-
deckt sind, ahnt er nicht, daß in der seligen Stille der Zimmermanns-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Augustus Alexander Alexander Christus
228 Xv. §.2. Innere Bereitung der Völker für die Aufnahme des Christenthums.
von Lucretius in Rom gelernt, nicht bloß allen Zusammenhang
zwischen der Gottheit und Menschheit zu leugnen, nicht bloß das Da-
sein eines göttlichen Wesens überhaupt in Frage zu stellen, sondern
auch die Unsterblichkeit der Seele, ja die Existenz der Seele überhaupt
zu verneinen und die ganze reiche Gedankenwelt der Menschheit für
Producte des thierischen Stoffes der Leiblichkeit zu erklären. Wir
begegnen solchem Skeptiker in dem Landpfleger Pilatus, der von
keiner Wahrheit mehr weiß. So gingen auch die Epikureer und
Stoiker Philosophen (Apostg. 17, 18) ihren trostlosen Weg; die
einen ihre irdische Glückseligkeit im Sinnengenuß suchend, die anderen
durch ihre eigne sittliche Kraft die Trübsale des Lebens zu überwiw
den vermeinend, beide ohne Gott, ohne Gebet, ohne Stütze, ohne Klarheit
— aus Finsterniß in Finsterniß. Zwar der Herr hatte seine überschweng-
liche Erbarmung auch an diesen Griechenvölkern nicht verleugnet. Mitten
in ihre Nacht hinein hatte er, wie wir sahen, einen Propheten gestellt,
der, obwohl selber nur von einem trüben Wiederschein des ewigen
Lichtes angeleuchtet und von Wenigen verstanden, doch für diejenigen
Seelen, die von tieferer Sehnsucht nach den ewigen Heilsgütern er-
füllt waren, ein Wegweiser war von der Erde nach dem Himmel hin.
Plato, von dem wir hier reden (vgl. S. 131 und 137), der größere
Schüler des großen Sokrates, hatte insonderheit unter den Helleni-
sten einen sehr zahlreichen Anhang gefunden. Alles, was sich noch von
Resten alten Offenbarungsglaubens im Orient fand, Alles, was das Stu-
dium der griechischen Uebersetzung des alten Testaments an neuen frucht-
baren Ideen noch herzugebracht, lehnte sich an die fast christlichen Vor-
ahnungen dieses großen Lehrers an. In Alexandrien, dem damaligen
Mittelpunkt deö Hellenismus, hatte sich soeben der Keim jener groß-
ßen Wahrheit von dem Kommen des Logos (des ewigen Wortes) an-
gesetzt, als bereits der Logos selbst, das Wort, in seiner ganzen gött-
lichen Herrlichkeit und Gnadenfülle auf Erden erschien, wie Johan-
nes in den ersten achtzehn Versen seines Evangeliums darlegt. End-
lich aber, vom Aufgang bis zum Niedergang hatte der Herr den
elenden, an aller ihrer eignen Kraft - und Weisheit verzweifelnden
Menschenherzen einzelne tröstliche Prophetenstimmen erweckt, welche
den Anbruch einer neuen bessern Zeit, die Wiederkehr eines goldenen
Weltalters, die Ankunft eines seligen Herrschers in nächster Nähe
verkündigten. Woher diese halbverhüllten Weissagungen stammten,
wie weit sie im Zusammenhang stehen mit den Aussprüchen der heili-
gen Propheten des weithin zersprengten Judenvolks, ist schwer zu sa-
gen. Aber das allenthalben bedrängte und geängstete Geschlecht
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
328 Xix. §. 3. Neue Epoche durch Gregor den Großen.
schenke in Bewegung setzte, so konnte in den neubekehrten Heidenlan-
den das Reich Gottes unmöglich tiefe Wurzeln schlagen. Die
Veräußerlichung und Verweltlichung der Kirche wuchs mit ihrer Aus-
breitung, da das Weib über vielen Wassern thront, die da sind Völker
und Stämme der Heiden (Offb. 17), da ist ihre Ehre längst dahin.
Immerhin war und blieb doch noch so viel Gnadenkraft und Se-
gensfülle, so viel -Same des ewigen Wortes bei ihr vorhanden, daß
sie der germanischen und slavischen Welt ein Wegweiser zum Heile,
gleichsam ein alttestamentlicher Zuchtmeister auf Ehristum hin werden
und vielen nach Gerechtigkeit hungernden Seelen das verborgene
Manna darbieten konnte.
Da Gregor noch zu den alten Kirchenlehrern gezählt wird, so
ist damit schon gesagt, daß er nicht ohne Gelehrsamkeit gewesen sei.
Aber seine Gelehrsamkeit geht nicht über die Kenntniß der früheren la-
teinischen Kirchenväter hinaus. Die classische Literatur des alten Hei-
denthums, die griechische und hebräische Sprache kennt er nicht. Auf
dogmatische Spitzfindigkeiten, auf scharfsinnige Schlußfolgerungen und
Begrifssspaltungen läßt er sich nicht ein. Er ist durch und durch prak-
tisch, und die ganze Kraft und Zähigkeit seines praktischen Wesens ist
einzig und allein auf Ordnung und Hebung des Kirchenwesens durch
Feststellung und Erhöhung der Gewalt des römischen Bischofs ge-
richtet. Um die reichen päpstlichen Besitzungen (Petri Erbgut) mög-
lichst ertragsfähig und seine eigne Stellung dadurch möglichst unab-
hängig zu machen, ist er ein sehr sorgfältiger Rechnungsführer und
Verwalter seiner Güter. Um sich unter den Unruhen und Zerwürf-
nissen Italiens einen möglichst gesicherten Platz zu verschaffen, schließt
er aus eigne Hand Verträge mit den immer mächtiger um sich greifen-
den Longobarden, selbst gegen den Willen des byzantinischen Statthalters
in Rom. Er sucht sich an die Könige des Frankenreichs anzulehnen
zum Schutz gegen die Uebermacht der oströmischen Kaiser, und weiß
doch auch bei diesen Kaisern durch eine kluge Mischung von Festigkeit
und Nachgiebigkeit sich so sehr zu empfehlen, daß der Kaiser Phocas
den römischen Bischof zum allgemeinen Oberbischof erklärt, ein Titel,
den Gregor noch eben vorher dem Patriarchen zuconstanünopel auf
das Heftigste bestritten hatte. Durch den Uebertritt des spanischen
Westgothenkönigs R eccared vom Arianismus zum katholischen Glau-
den und durch die Annäherung der Longobarden an das katholische
Kirchenthum gewann er über die Bischöfe Spaniens und Italiens
eine noch unzweifelhaftere Autorität, als über die griechischen und orien-
talischen Bischöfe. Schlugen ihm auch seine Versuche fehl, eine gleiche
oberrichterliche Stellung über die gallischen Bischöfe zu gewinnen,
so that sich doch alsbald durch die Christianiflrung Englands ein
noch bedeutenderes Feld für sein oberbischösticheö Ansehen auf. Ganz
besonders aber wußte er als „Vater der Mönche" durch die entschie-
denste Begünstigung der überall vordringenden Benedictiner, deren Klö-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König]]
Extrahierte Personennamen: Gregor Gregor Gregor Gregor Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Heidenlan- Gottes Petri Italiens Rom Oberbischof Spaniens Italiens Englands
4(>2 Xxii. tz. Ii. Die Türkennoth und die Eroberung Constantinopels.
der zurückgezogen und neue Gnadenerbietungen gemacht! Aber dumpf
und stumpf, nichts lernend und nichts vergessend kehrten sie aus den
Rettungs- wie aus den Jammertagen immer wieder zu der alten ge-
meinen Fleischlichkeit, zu der feigen Eitelkeit, zu der genußgierigen
Habsucht eines entarteten Lebens zurück. Als der stolze Mohamed ll.
1453 vor den Thoren von Constantinopel lag und der letzte Entschei-
dungskampf bevorstand, da wollte der letzte Kaiser dieses verrotteten Reichs
oder vielmehr dieser Hauptstadt (denn Provinzen hatte sie schon lange
nicht mehr) das Kirchenstlber zu Gelde zu machen, um das Leben seiner
Unterthanen zu vertheidigen, und italienische Flotten herbeirufen zurhülfe
für den schrecklichen Kampf. Aber die Geistlichkeit in der Hauptstadt fluchte
ihm dafür als einem Kirchenräuber und that Jeden in den Bann, der mit
dem ketzerischen Schiffsvolk Gemeinschaft mache, und die Reichen ver-
steckten ihre Schätze, um sie nicht zum Kampfe herzugeben, und die Wehr-
haften weigerten sich, mitzustreiten auf den Wällen ihrer Vaterstadt. In
der Stadt, wo Hunderttausende wohnten, waren keine 5000 Streiter zu-
sammenzubringen. Schon unterhandelten die Vornehmen mit den genuesi-
schen Schiffen um die Flucht, mit den Türken um die Auslösung und
den Preis des Verraths. Für sich selbst sorgte ein Jeder wie er konnte,
bis denn endlich das Verderben wie ein verheerender Strom über Alle
gleichmäßig hereinbrach und alle die verborgenen Schätze und alle die
gesparten Kräfte dem hohnlachenden Sieger eine leichte und rühmlose
Beute wurden.
Aber indem Gott der Herr also diesen Mittelpunkt der vom Alter-
thum herübergeretteten feinem und gelehrten Bildung mit zürnender
Hand zertrümmerte, indem er das elende Gesäß zerbrach, sorgte er zu-
gleich nach seiner großen Erbarmung und Weisheit für die abendlän-
dische Christenheit, daß der Nardengeruch, der sich etwa noch in dem
Gefäße erhalten hatte, sich weit über die Berge und die Gewässer bis
nach Italien, bis nach Deutschland verbreitete. Schon waren die kräf-
tigsten Ansätze zu einem neuen frischen Geistesleben absonderlich in
Deutschland reichlich vorhanden. Wir haben die Gottesfreunde, die
böhmischen Brüder, die tapferen Bürger der Städte, die edleren Fürsten
und Ritter bereits kennen gelernt. Aber es gab noch keine Gelehrte,
d. h. Kenner des Alterthums. Das grammatische Studium, die Kennt-
niß altclasflscher Literatur fehlte noch gänzlich. Jetzt kamen die Lehr-
meister herbei, und verbreiteten sich von Italien auch nach Deutschland,
jene griechischen Gelehrten, die aus den Flammen Constantinopels nichts
als ihr nacktes Leben und ihre Wissenschaft gerettet hatten, um zugleich
mit der kurz vorher (1436) neuerfundenen Buchdruckerkunst in der Hand
Gottes das Werkzeug zu sein, daß die Urschrift des Wortes Gottes
und die Schätze alter Gelehrsamkeit und alter Kunst den harrenden
deutschen Wahrheitsfreunden aufgeschlossen würden. Ohne es zu wol-
len oder zu ahnen, bereiteten sie der Reformation in Deutschland einen
wohlgesicherten Boden.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen]]
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Alter- Italien Deutschland Deutschland Italien Deutschland Gottes Gottes Deutschland
Xxii. §. 2. Neue Aufgaben und Aussichten. 433
recht machen und nichts ausrichten könne, und trat freiwillig wieder
in seine apostolische Armuth und Einsamkeit zurück. Natürlich konn-
ten diese Männer mit ihrer Forderung einer völligen Losreißung von
allem Irdischen und der Wiederherstellung apostolischer Einfachheit
nicht durchdringen; aber sie bildeten ein heilsames Salz unter
der immer mehr alle Bande der Zucht abwerfenden Christenheit.
Denn das ward jetzt das Losungswort der großen Masse: vor-
wärts! Und dieses unklare vorwärts hieß in ihrem Sinne
zunächst nichts Anderes als los von der Bevormundung des Pap-
stes , der Bischöfe, der Priester und der Mönche, los von der
zwängenden Gottesdienstlichkeit der äußeren Gebräuche, los von der
allzu gewissenhaften Beobachtung der kirchlichen Vorschriften — man muß
suchen, auch ohne Papst und Bischof fertig zu werden, die theologi-
schen und kirchlichen Fragen bei Seite lassen, und für den Aufschwung
des bürgerlichen Lebens und der öffentlichen Sicherheit und des
allgemeinen Wohlstands Sorge tragen. So wurde denn die Scho-
lastik, die Wissenschaft der kirchlichen Lehr- und Glaubenssätze, all-
malig zurückgelegt, von Italien aus begann die Liebe zur profanen
Kunst und Poesie und Malerei und Bildhauerei, die Neigung zur Be-
schäftigung mit dem Alterthum sich nach und nach über Europa zu
verbreiten. Hohe Schulen und Universitäten wurden gestiftet; die
Zeit der Erfindungen und Entdeckungen brach an; Handel, Gewerb-
thätigkeit und Seefahrt gewann eine überraschende Ausdehnung. Alle
Gemüther wandten sich dem Zuge der neuen, auf das Irdische ge-
richteten Bildung zu, und nur wenige Seelen (unter ihnen die treffli-
chen alten deutschen Mystiker) blieben still am Harren und Warten
auf das Heil des Herrn Jesu und das Kommen seines Reichs.
So bekommt die ganze Zeit den Charakter einer Uebergangszeit.
Man verließ das Alte und strebte nach etwas Neuem, ohne doch recht
zu wissen, wie das Neue beschaffen sei. Man suchte Befreiung vom
Papstthum und eine Aenderung des kirchlichen Wesens, aber man war
sich selbst nicht bewußt, daß man entweder auf Unglauben und Wi-
derchristenthum oder auf die Reformation lossteuerte. Man hatte die
Herrlichkeit der kaiserlichen Würde durch die Päpste in den Staub
treten lassen, aber man wußte lange nicht, was man an die Stelle
setzen sollte. Das stolze und reichgegliederte Gebäude der Lehnsherr-
schaft war unter den Alles zersetzenden kirchlichen Einflüssen und bei der
Schwächung der königlichen Macht schon halb zertrümmert und es war
doch noch keine andere zureichende Form des staatlichen Lebens gefun-
den. Erst allmälig bildet sich auf der einen Seite eine straffe ge-
bieterische Fürstenherrschast aus, eine despotische Regierungsweise in
größeren oder kleineren Gebieten. Auf der andern Seite erwuchsen die
v. Rohden, Leitfaden. 28
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt]]
Xxiii. §. 1. Die Vorarbeiter und die Bahnbereiter der Reformation. 481
sich wage gegen die hochaufgethürmte Burg der Lüge und der Unge-
rechtigkeit.
Alle diese Bewegungen hielten sich fast ausschließlich auf theologi-
schem Gebiet. Es kamen aber noch andere hinzu, welche unmittelbar
die Masse des Volks berührten und es weit und breit in Aufregung, ja
in Gährung setzten. Sie konnten ihrer Natur nach nicht positiv, grün-
dend und bauend, sein, nicht auf das Eine Nothwendige hinsühren,
sondern nur negativ, lösend und brechend, aus den Banden der
bisherigen Vorurtheile und Jrrthümer losmachen. Die immer größere
Last der geistlichen Bedrückungen und Erpressungen sammt dem höchst
ärgerlichen Leben des Clerus auf der einen Seite, der freiere Ausblick
und die größere Geistesklarheit durch die vielen Entdeckungen und neuen
Erfindungen auf der andern Seite hatten aller Orten über Mönche
und Geistlichkeit, über die gesammte Hierarchie mit dem Papst an der
Spitze eine Wucht des Spottes, ja des schneidenden Hohnes ausgeschüt-
tet, daß von einer religiösen Einwirkung der Priesterschaft auf den
denkenden Theil des Volks nicht viel mehr die Rede sein konnte. Was
die Volksschriften damaliger Zeit Bedeutendes lieferten, was die jüngst
erfundene Buchdruckerei allen Leuten, die des Lesens kundig waren, so-
fort in die Hände brachte, waren Fastnachtsspiele von Hans Rosen -
blüt, das Narrenschiff von Sebastian Br ant, Eulenspiegel und
Reineke Fuchs — alle darauf angelegt, die Thorheiten und Versün-
digungen der verschiedenen Stände, vor allen aber der Geistlichkeit zu
verspotten. Der gesunde Menschenverstand schien hier gleichsam zum
ersten Male zum Bewußtsein zu kommen, daß es so nicht länger gehe,
daß die bisherigen Zustände unerträglich seien. Wer lateinisch verstand,
der mochte es noch ausdrücklicher und derber lesen in den Briefen der
Dunkelmänner (epistolae obscuimtim virorum) oder in des Erasmus
Büchlein von der menschlichen Narrheit. Mit einem schonungslosen
Witz wird da die ganze hochgelehrte Theologenwelt sammt der ganzen
Möncherei und dem päpstlichen Hof und der dreifachen Krone verspottet.
Eben dieser Erasmus führte jedoch neben solcherniederreißungs- und
Zerstörungsarbeit auch schon das Material zu einem neuen reformato-
rischen Bau selber herzu — obwohl er selber nie Hand anlegen, nie
am Bau sich betheiligen wollte. Er zuerst hat den griechischen Bi-
beltert in die deutsche Gelehrtenwelt eingeführt, so wie Reuchlin den
hebräischen, und ihn in zierlichem Latein ansprechend und faßlich er-
läutert. Denn schon waren sie über die Alpen herübergedrungen jene
in Italien neuerwachten, durch griechische Flüchtlinge aus Constantino-
pel kräftiger angeregten und tiefer begründeten classischen Studien.
Schon wurden die unsterblichen Werke der altgriechischen und lateini-
schen Dichter, Redner, Geschichtschreiber, Philosophen in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt auf italienischen Akademien gelesen und erläutert, und be-
gannen auch in deutschen Gelehrtenstuben sich einzubürgern. Eine
große Verschiedenheit trat dabei hervor. Die gebildeten Leute Italiens
fanden so großen Geschmack an dem Heidenthum in diesen alten
Schriftstellern, daß sie fast zu bedauern schienen, Christus und die
v. Rv hden, Leitfaden. 31 v
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans]]