Vierte Periode. Von 1273 — 1517.
191
Konzil zu Pisa. Drei Päpste.
1414—1418 Konzil zu Konstanz. Drei Aufgaben: 1. die Einheit der Kirche herzustellen (Martin Y.); 2. die Ketzerei zu unterdrücken (Johann Hus, Schüler John Wiclifs, 1415 verbrannt); 3. eine „Reformationu vorzunehmen, ungelöst.
1431 —1449 Konzil zu Basel, ergebnislos; Wiener Konkordat 1448.
Errichtung der Staatskirche in England, Frankreich, Spanien.
Das Papsttum italienisches Territorialfürstentum: Alexander Vi., Julius Ii., Leo X.
Bußpredigten Grirolamo Savonarolas in Florenz; er wird verbrannt.
Scheinbarer Sieg des Papsttums.
2. Humanismus und Renaissance.
Italienische Humanisten im 14. Jh.: Petrarca, Boccaccio.
Bedeutung der Eroberung von Konstantinopel.
Florenz im Zeitalter Lorenzos de’ Medici. Künstler des Cinquecento.
Deutsche Humanisten: Reuchlin (Streit mit den Kölnern; die Epistolae obscurorum virorum), Erasmus, Ulrich v. Hutten.
Deutsche Kunst: Albrecht Dürer.
1450 Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg.
3. Soziale Zustände.
Verfall des Rittertums, Blüte der Städte; Verschlechterung der Lage der Bauern.
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Extrahierte Ortsnamen: Basel England Frankreich Spanien Florenz Konstantinopel Florenz Gutenberg
Erste Periode. Vom Ende des 4. Jh. bis 843.
rung, durch seine Sorge für Kunst und Wissenschaft, durch seine dem römischen Geiste entsprechende Hofhaltung und Verwaltung, dieses dadurch zu erreichen, daß er zwischen seinem Hause und andern germanischen Fürstenfamilien verwandtschaftliche Verbindungen anzuknüpfen suchte; er selber heiratete des Frankenkönigs Chlodwig Schwester.
Diese Pläne aber scheiterten an der inneren Lebensunfähigkeit der germanischen Mittelmeerstaaten, an dem unaufhaltsamen Vordringen der Franken und an der Schwäche seiner Nachfolger. Seine innere Politik mißlang hauptsächlich infolge des religiösen Gegensatzes, die Römer waren Katholiken, die Goten Arianer (I § 124). Die kaümusch-rö-mische. Aristokratie richtete ihre Blicke nach Byzanz. Sogleich nach Theoderichs Tode wurde die innere Schwäche seines Reiches offenbar.
4. Untergang der germanischen Mittelmeerstaaten, a) Untergang des Vandalen- und Ostgotenreiches. Das Vandalenreich verfiel nach Gaiserichs Tode,' namentlich unter dem Einfluß des afrikanischen Klimas, in sittlicher Beziehung. Das benutzte, nachdem Ostrom bisher den Dingen still zugesehen hatte, der oströmische Kaiser Justinian (527 —565)1 zu einem Angriff. Sein Feldherr Belisar machte 534 das Vandalenreich zu einer Provinz des byzantinischen Reiches.
Nun wandte er sich gegen Italien, als Theoderichs Tochter und Nachfolgerin Amalaswintha, die bei der Schwäche ihres Thrones sich Byzanz angeschlossen hatte, von ihrem Vetter Theo-dahad ermordet worden war, und nahm König Witichis gefangen.
1) Unter ihm, dem Vollender des kaiserlichen Despotismus, nahm das byzantinische Reich nach argem Verfall einen großartigen Aufschwung. Ist auch sein persönlicher Charakter abstoßend, so hat er doch durch zwei Werke seinen Namen unsterblich gemacht, durch den Bau der Hagia Sophia und die Sammlung und kritische Sichtung der ßechtsbücher, worin ihm der große Jurist Tribonian zur Seite stand. Das Corpus iuris zerfällt in 4 Teile:
1. die Institutionen, ein systematisches Lehrbuch; 2. die Pandekten oder
Digesten, eine Sammlung von Entscheidungen hervorragender Juristen; 3. den
Codex, Justinians eigene Gesetze und sonstige Entscheidungen enthaltend;
4. die Novellen, Zusätze. Eine Novellensammlung ist in griechischer, alles übrige in lateinischer Sprache geschrieben.
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Iv. Das fränkische Reich und die Erneuerung des abendländischen Kaisertums.
27
großen Kirchen (Dom- oder Kathedralschulen, Stiftsschulen). Die „innere“ Schule erzog die künftigen Priester, die „äußere“ Laienschüler aus höheren Ständen; auch Mädchen höherer Stände wurden in Nonnenklöstern unterrichtet und erzogen. Der Unterricht war mechanisch - gedächtnismäßig und wurde in lateinischer Sprache erteilt, zunächst in den Elementen, dann in den sieben „freien Künsten“ (artes liberales): Grammatik, Rhetorik, Dialektik (Trivium); Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie (Qua-drivium). An kleineren Pfarrkirchen gab es mitunter die sog. Pfarr- oder Parochialschulen, in denen die Kinder in den Anfangsgründen der Religion, zuweilen wohl auch im Lesen unterrichtet wurden.
Iv. Das fränkische Reich und die Erneuerung des abendländischen Kaisertums.
1. Entstehung des fränkischen Reiches und seine Erweiterung zum Großkönigtum.
a) Chlodwig 481 — 511. Die Franken haben ihre Wohnsitze § 21. nicht, wie die Goten und Vandalen, verlassen, sind nicht, wie diese, in ganz neue Lebensbedingungen eingetreten; bei ihnen Liu* erfolgte keine Wanderung, sondern eine kolonisatorische Ausbreitung! Daher verlor ihr Staat nicht~seine Lebenskraft und nationale Eigenart. Sie zerfielen in drei Gruppen: die Sali er (zweifelhafte Ableitung) zwischen der Nordseeküste und de^Maas, die Ribuarier (von ripa Ufer) zwischen Maas und Rhein und die Ob er franken, die aus den Chatten hervorgegangen waren, im Moseltal unä r. vom Rhein. Der Gründer des fränkischen Einheitsstaates ist der Salier Chlodwig aus dem Geschlechte der Merowinger.
a) Er beseitigte die andern Häuptlinge der fränkischen Stämme durch List und Gewalt und wurde König des gesamten Volkes.
ß) Er dehnte seine Herrschaft aus durch eine Reihe von Kriegen.
1. Zunächst griff er Syagrius an, der den nach dem Untergänge des weströmischen Reiches noch übrig gebliebenen Rest, das Land etwa zwischen der Loire, der oberen Maas und der
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64
Dritte Periode. Von 1056—1273.
Diesen politisch zerfahrenen Verhältnissen gegenüber überragte im 10. und 11. Jh. die islamische Kultur die christliche beträchtlich.1 Die Araber, in dieser Beziehung Erben der Griechen, pflegten besonders die exakten. Wissenschaften. Der Perser Firdusi schrieb das ^Schah-Nameh; Avicenna lehrte in Isfahan Aristotelische Philosophie. In der Baukunst schlossen sich die Völker des Islam vornehmlich der byzantinischen Bauweise an, entwickelten aber selbständig gewisse Bauglieder und Dekorationsformen (Arabesken).2 Buchara, Samarkand, Balch waren Haupt-sitze einer reichentwickelten geistigen und materiellen Kultur, deren Höhe auch die gegen die „Christen geübte Duldung bezeugt.
b) Veranlassung. Als die rohen seldschukischen Horden sich Palästinas bemächtigten, wurden die dortigen Christen, die zur Kirche des Heiligen Grabes wandernden frommen Pilger wie die Kaufleute und Gewerbetreibenden, hart bedrängt. Klagen hierüber waren mehrfach im Abendlande laut geworden. Wichtiger war, daß Kaiser Alexios I. Komnenos, selbst von den Seldschuken bedroht und asiatischer Besitzungen beraubt, jich an Papst „Uxhaji.il.wandte und um den Beistand des Abendlandes bat. Dieser ging um so eher darauf ein, als damit die Möglichkeit gegeben schien die Pläne Gregors Vii. zu verwirklichen und die griechische Kirche dem Papsttum zu unterwerfen. Nachdem diese Angelegenheit schon auf der Synode zu Piacenza behandelt war, wurde im Nov. 1095 zu Clermont der Aufruf des Papstes mit allgemeiner Begeisterung („Deus lo volt!“) aufgenommen und ein Kreuzzug beschlossen.
2. Verlauf der Kreuzzüge, a) Der erste Kreuzzug 1096—99. Bevor die Rüstungen noch vollendet waren, brachen ungeregelte Scharen auf, von
1) Die Bedeutung der Araber für unsere Kultur geht u. a. auch aus der Menge von arabischen Lehnwörtern hervor, wie Atlas, Musselin, Kattun, Damast, Matratze, Alkoven, Karaffe, Talisman, Amulett usw ; dazu kommen zahlreiche Ausdrücke der exakten Wissenschaften. Die sog. arabischen Ziffern haben sie uns aus Indien gebracht.
2) Das berühmteste arabische Bauwerk auf spanischem Boden ist die Alhambra in Granada (13. Jh.).
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[V. Das fränkische Reich und die Erneuernng des abendländischen Kaisertums.
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und dem daraus folgenden Flurzwang bis ins 19. Jh. hinein geherrscht hat.
ß) Geistige Kultur. Eine großartige Tätigkeit entfaltete Karl auch für die Hebung der geistigen Kultur in seinem Reiche. Das Christentum und die Antike waren ihre Grundlagen. Die erste Kulturmacht, die Kirche, beherrschte Karl völlig: war sie auch durch Bonifatius vom Papst abhängig geworden, so war Karl dessen Oberherr, beanspruchte sogar die Entscheidung in dogmatischen Streitfragen und ernannte zudem die Bischöfe. Im Sachsenlande gründeten er und seine Nachfolger die Bistümer Münster, Paderborn, Osnabrück, Minden, Bremen, Verden, Hildesheim, Halberstadt; alle deutschen Bistümer waren unterstellt den Erzbischöfen von Mainz, Trier, Köln und Salzburg; dazu kam unter Ludwig d. Fr. das Erzbistum Hamburg, das nach Hamburgs Zerstörung durch die Normannen nach Bremen verlegt wurde.
Eifrig sorgte Karl für die Bildung und das sittliche Leben der Geistlichen und des ganzen Volkes. Die Lücken seiner vernachlässigten Jugendbildung suchte er im Mannesalter auszufüllen und blieb von wissenschaftlichem Eifer bis in sein Greisenalter erfüllt (Einh. Vita c. 25. 29). Umgeben von Männern wie dem Angelsachsen Alkvin, der der Gründer der Hofschule wurde, dem Langobarden Paulus Diaconus, Warnefrieds Sohne, der die Geschichte seines Volkes schrieb, Petrus von Pisa, Angil-'jt^^^ bert, Einhard, der sein Biograph wurde, rief er die erste Wiedergeburt des klassischen Altertums hervor, schuf er eine Weltliteratur und hob die Baukunst. Und doch blieb er in seinem ganzen Wesen Deutscher. Die vorhandenen Kloster-, Dom- und Stiftsschulen suchte er zu heben und regte zur Gründung von neuen an. Er faßte den Gedanken der allgemeinen Schulpflicht, hatte dabei aber vorzugsweise nur die religiöse Bildung des Volkes im Auge und konnte seine Ziele natürlich nur unvollkommen erreichen. Unter seinen Nachfolgern gerieten seine Schuleinrichtungen rasch in Verfall.
e) Persönliches. Über sein Äußeres, über Kleidung und Lebensgewohnheiten berichtet Einhard c. 22. 23. 24. Sein Familienleben war nicht makellos, auch wenig glücklich. Von seinen Söhnen überlebte ihn nur Ludwig. Er starb im Januar 814
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl_völlig Karl Karl Karl Ludwig_d Ludwig Karl Karl Alkvin Paulus_Diaconus Petrus_von_Pisa Einhard Ludwig Ludwig
68
Dritte Periode. Von 1056—1273.
tinopel ausgebrochen waren, einzugreifen, zogen sie dorthin, eroberten 1204 das griechische Reich und gründeten das lateinische Kaisertum. So erreichte der Kreuzzug gar nicht sein eigentliches Ziel.
Seit dieser Zeit begann der gewaltige Machtaufschwung Venedigs. Die Yenetianer erschlossen zahlreiche neue Handelswege, was auch der Entwickelung der Wissenschaften, zumal der Erdkunde (Marco Polo um 1300), zugute kam; ihre Gründung Tana (j. Asow) wurde der Mittelpunkt des indisch - mittelmeerischen Handels. Wenn sie ihre Nebenbuhler, die Genuesen, nach langen Kämpfen überflügelten, so lag das an der Überlegenheit der venetianischen Verfassung, die eine festgeschlossene, alle inneren Kämpfe unmöglich machende Oligarchie war, und auch der venetianischen Industrie.
Das lateinische Kaisertum hatte keine Lebenskraft. 1261 machte ihm der griechische Kaiser Michael Paläölogos ein Ende.
56. f) Der fünfte Kreuzzug 1228—29. Friedrich Ii. unternahm 1228, unterstützt von den Genuesen und Pisanern und dem Deutschen Orden, dessen Hochmeister Hermann von Salza sein vertrauter Freund war, einen Zug nach dem Morgenlande. Er benutzte geschickt Zerwürfnisse in Ägypten und erlangte 1229 durch Vertrag die Krone von Jerusalem.1 Die drei geistlichen Orden, denen von nun an die Verteidigung des Erworbenen oblag, erfüllten ihre Pflicht schlecht. Infolge ihrer Zwistigkeiten ging Jerusalem an die Ungläubigen bald wieder verloren.
57. g) Die letzten Kreuzzüge. Am längsten hielt sich die Begeisterung für die Kreuzzugsidee bei den Franzosen. Aber die Unternehmungen Ludwigs Ix. d. Hl. gegen Ägypten (1248—54) und dann gegen Tunis (1270) waren völlig ergebnislos. Seit dem Falle von Akkon 1291 gehörte ganz Palästina dem Sultan von Ägypten.
Das Unternehmen, im Orient eine dauernde christliche Herrschaft zu gründen, mußte mißlingen wegen des Mangels an Umsicht, Zucht und einheitlicher Führung, wegen der Eifersucht und
1) Seitdem führen die römischen Kaiser und seit 1806 die Kaiser von Österreich den Titel eines Königs von Jerusalem.
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82
Dritte Periode. Von 1056—1273.
Wilhelm von Holland kaum zu behaupten. In Italien aber war Friedrich zunächst siegreich. Seit 1248 trafen ihn jedoch mehrere Schläge. Die Gneisen bemächtigten sich der Stadt Parma; der Kaiser belagerte sie und erbaute in der Nähe eine hölzerne Stadt „Vittoria“. In seiner Abwesenheit überfielen und verbrannten die Parmesen die Festung und schlugen sein Heer. Einem Vergiftungsversuche entging der Kaiser.1 Aber die Bolognesen überfielen (1249) Enzio bei Fossalta und nahmen ihn gefangen; er starb (1272) in bolognesischem Kerker. Unter Vorbereitungen zu einem neuen großen Angriff starb Friedrich 1250.
Friedrich H. ist der geistig bedeutendste Kaiser. Er verstand deutsch, lateinisch, italienisch, griechisch, arabisch, hatte hohes Interesse für die Dichtkunst und für naturwissenschaftliche Studien. Sein Umgang mit arabischen Gelehrten erzeugte in ihm eine für jene Zeit ungewöhnliche Unbefangenheit in religiösen Dingen; bezeichnend ist, daß man ihm das Buch „De tribus impostoribus“ („Die drei Betrüger“, die Stifter der drei monotheistischen Religionen) zuschrieb. In ihm lebte klar bewußt wie bei keinem Zeitgenossen der Gedanke des Widerspruchs gegen den geistlichen Staat überhaupt. Seinem ganzen Wesen nach war er mehr Italiener als Deutscher. Und doch bezieht sich unsre Kaisersage in ihrer ursprünglichen Gestalt auf ihn, nicht auf Friedrich I.
3. 6. Untergang des staufischen Hauses.
a) Deutschland. Konrad Iv. vermochte sich gegen Wilhelm von Holland nicht zu halten; er ging nach Italien zu seinem Halbbruder Manfred2 und ist dort (1254) gestorben. Wilhelm starb (1256), ohne zu Macht gelangt zu sein. Die Zeit von 1256—1273 ist ein Interregnum eigentlich insofern nicht gewesen, als sogar infolge einer Doppelwahl zwei Könige vorhanden
1) In die Angelegenheit wurde auch Petrus de Vinea verstrickt; er tötete sich im Gefängnisse, man weiß nicht, ob im Gefühle der Schuld.
2) Friedrich ist dreimal vermählt gewesen, mit Konstanze von Aragon (ihr Sohn Heinrich), mit Isabel]a, der Tochter des Titularkönigs von Jerusalem Johann von Brienne (ihr Sohn Konrad), und mit Isabella, der Schwester Heinrichs Iii. von England. Aus andern Verbindungen stammen Enzio, dessen Mutter eine vornehme Deutsche war, und Manfred, ein Sohn der Bianca Lancia.
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Extrahierte Ortsnamen: Holland Italien Deutschland Holland Italien England
118 Vierte Periode. Von 1273 — 1517.
2. Humanismus und Eenaissance.
§ 95. a) Begriff des Humanismus. Durch die Entwickelung langer Jahrhunderte war, wie die Völkerindividualität, so das Gefühl für die Einzelpersönlichkeit verloren gegangen. Jene war im universalen Kaisertum, dieses in der Gemeinschaft, der jeder durch Geburt oder Beruf angehörte, untergegangen. Im 13. Jh. begann beides sich wieder zu finden: einmal brach das allherrschende Kaisertum zusammen, und es erwachte das nationale Bewußtsein; anderseits rang sich das Individuum los von dem in Glauben und Sitte, in Gesellschaft und Staat, in Wissenschaft und Kunst Überlieferten und Hergebrachten, indem es auf die Natur zurückging. Dieses Bestreben wurde unterstützt durch das gleichzeitig beginnende Studium der Werke des Altertums („Renaissance"). Denn in der alten Welt meinte man die Ausprägungen voller Menschlichkeit zu finden („Humanismus“), die man in der mittelalterlichen Menschheit mit ihrem mönchisch-asketischen Sittlichkeitsideale vermißte. Die Natur und die Antike sind die beiden Wurzeln der Renaissancekultur. So entstand der neue Persönlichkeitsbegriff, entstand im Gegensatz zur Scholastik eine neue Wissenschaft, entstand eine neue Kunst. Nimmt man hinzu, daß jenes Zeitalter den ersten wahren Begriff von dem Aussehen unseres Erdplaneten bekam, so kann man sagen, am Ende des 15. Jh. erfolgte „die Entdeckung der Welt und des Menschen“. Aus dem Bewußtsein des Rechtes des Individuums ward die Reformation geboren.
§ 96. b) Der Humanismus in Italien. Diese Bewegung entstand naturgemäß zuerst in Italien. Nachdem das 14. Jh. ausschließlich das römische Altertum studiert hatte — so Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio,—begann im 15., namentlich seit dem Fall von Konstantinopel 1453, das Studium der eigentlichen Quellen, des griechischen Altertums. Florenz wurde, zumal unter den Auspicien des Mediceischen Hauses — sein Haupt war Lorenzo il Magnificö, der Vater Deos X. — im 15. Jh. (Quattrocento) der Mittelpunkt der neuen Bildung. Im Gegensatz zu der von Aristoteles beherrschten Scholastik wurde Platon das geistige Haupt des Florentiner Humanismus.
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120
Vierte Periode. Von 1273 — 1517.
Keuchlins Hauptverdienst ist die Begründung des Studiums des Hebräischen. Seine Kenntnis dieser Sprache verwickelte ihn in eine heftige Fehde mit dem jüdischen Renegaten Johann Pfefferkorn und dessen Schützern, den Dominikanern von Köln, der damaligen Hochburg der Scholastik, (der Prior war Jakob von Hochstraten) über die Judenbücher (1511). Dieser Streit ergriff die ganze literarische Welt und veranlaßte auch die wirksame Satire der Epistolae obscurorum virorum (Briefe unbekannter Männer), ein Werk der Erfurter Humanisten und Huttens, das Gegenbild zu Keuchlins Epistolae clarorum virorum.
Erasmus überragte alle Zeitgenossen durch die Feinheit seines Geistes und seines Stils. Als Philologe, Pädagoge und Theologe bekämpfte er den Formalismus und Buchstabenglauben. Von seinen Werken wurden am wirkungsvollsten, in verschiedener Weise, die Herausgabe des griechischen Textes des Neuen Testaments und die Satire „Das Lob der Narrheit“.
Ulrich von Hutten1, ein Bitter in seinem ganzen Wesen, von heftiger Leidenschaftlichkeit und großer Sprachmächtigkeit und voll glühender Vaterlandsliebe, erhob die schärfsten Angriffe gegen das Papsttum, das die deutsche Nation aussauge und mißhandele.
Auch in Deutschland erfolgte neben dem Aufblühen der humanistischen Wissenschaften ein Aufschwung der Kunst, be sonders der Malerei. Auf die vorbereitende Tätigkeit des an niederländischen Mustern gebildeten Martin Schongauer folgten die genialen Arbeiten der großen Nürnberger Peter Vis eher2 und Albrecht Dürer3 und des Augsburgers Hans Holbein d. J.4,
1) Geb. 1488 auf Burg Steckelberg bei Fulda, entsprang er dem Kloster, führte ein unstätes Wanderleben von einer Universität zur andern, tat Kriegsdienste in Italien, wurde zuerst bekannt durch seine „Reden“ gegen Hz. Ulrich von Württemberg, der seinen Stallmeister Hans Hutten, Ulrichs Vetter, ermordet hatte, und trat, (1517) in Augsburg zum Dichter gekrönt, in den Dienst des Kurs. Albrecht von Mainz. Bezeichnend für ihn ist sein Wort an Pirckheimer (1518): no Jahrhundert! 0 Wissenschaften! Es ist eine Freude zu leben: die Studien blühen, die Geister regen sich.“
2) Er war Erzgießer. Von ihm ist das Sebaldusgrab.
3) Holzschnitte: Apokalypse, Marienleben, große und kleine Passion; Kupferstiche: Ritter, Tod und Teufel, Hieronymus, Melancholie; Ölbilder: Hieronymus Holzschuber, Vier Apostel.
4) Madonna des Bürgermeisters Meyer, Totentanzbilder.
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Extrahierte Personennamen: Keuchlins Johann_Pfefferkorn Johann Jakob_von_Hochstraten Ulrich_von_Hutten1 Martin_Schongauer Peter_Vis_eher2 Albrecht_Dürer3 Albrecht Hans_Holbein Ulrich_von_Württemberg Hans_Hutten Ulrichs_Vetter Albrecht_von_Mainz Albrecht Hieronymus Hieronymus_Holzschuber Apostel Meyer
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Iv. Die Genesis der Reformation. 121
der vorzugsweise in England wirkte. Später unterstützte Lukas Cr an ach die protestantische Polemik durch seine Kunst. In der Folge waren im 16. und 17. Jh. die Zeit Verhältnisse der Kunst in Deutschland nicht günstig. Das einzige große Bauwerk im Renaissancestil ist das Heidelberger Schloß (der Ottheinrichsbau bald nach 1550, der Friedrichsbau nach 1601).
d) Die Erfindung des Buchdrucks. Ihre große Verbreitung gewann die neue Bildung erst durch die Erfindung des Buchdrucks mit gegossenen Metallettern 1450. Sie ist ein Werk des Mainzers Johann Gensfleisch gen. Gutenberg, der längere Zeit in Straßburg lebte. Auch wurde der Preis der Bücher dadurch bedeutend billiger, daß man statt des teuren Pergaments aus Lumpen erzeugtes Papier zu verwenden lernte.
3. Die sozialen Zustände, besonders in Deutschland.
a) Das Rittertum war im 15. Jh. in völligem Verfall: politisch infolge der wachsenden Macht des Fürstentums, das bei der zunehmenden Geldwirtschaft die Mittel erhielt, sich ein besoldetes Beamtentum und ein stehendes Söldnerheer zu schaffen; militärisch, weniger infolge der seit dem 14. Jh. in Anwendung kommenden Feuerwaffen als vielmehr infolge der veränderten, auf der Wirkung der Infanteriemassen der Landsknechte beruhenden Taktik; wirtschaftlich infolge der wachsenden Geldwirtschaft und der Entwertung des Grundbesitzes; infolgedessen auch geistig und sittlich: es wurde zum Raubrittertum.
b) Die Städte, wenn auch klein an Volkszahl, waren die erste Kulturmacht. Nürnberg, Augsburg, Basel waren lange Zeit die wichtigsten Stätten deutschen Kapitals (Fugger, Welser), deutscher Kunst und deutscher Bildung. Die Lebenshaltung des städtischen Patriziats glich derjenigen der Fürsten und des Adels, m vielen Beziehungen nicht zum Vorteil der allgemeinen Gesittung: denn der Lebensgenuß war derb, die Sitten oft abstoßend roh.
c) Die Bauern und Arbeiter und die Verschärfung der sozialen Gegensatze. Die Lage der Bauernschaft (§ 75b$ verschlechterte sich im 15. Jh. bedeutend. 1. Einmal wegen des Aufhörens der Kolonisation; infolgedessen wurde durch Erbteilung die Hufe
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Extrahierte Personennamen: Lukas Johann Gutenberg Fugger Welser
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