Alboins Zug nach Italien.
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zu weit nördlich, und die Erzählung von Alboins Ausschau, so anziehend sie ist, wird doch wohl erst entstanden sein, um den schon bestehenden
Namen des Berges zu erklären.
Tie Wanderung durch das Gebirge hatte einen Monat gedauert.
Schon im Mai überschritt Alboin die Grenze des erstrebten Landes und durchzog Venetien, fast ohne Widerstand zu finden. Doch lirß er sich durch die Leichtigkeit der Eroberung nicht zur Übereilung verführen. Trotz des glücklichen Anfangs mußte er sich auf die Möglichkeit eines Rückzugs gefaßt machen. Deshalb suchte er als kluger Feldherr den Teil Venetiens, den er zuerst betreten hatte, die heutige Landschaft Friaul, die auch als Grenzprovinz gegen Avaren, Slaven und Byzantiner eines besonders starken Schutzes bedurfte, zu sichern, indem er den damaligen Hauptort der Landschaft Forum Julii (jetzt Cividale), nach dem sie noch heute den Namen
(Forojuli, Friuli, Friaul) führt, stark befestigte und eine Art Schutzmark daselbst errichtete. Er überlegte nämlich, wie Paulus Diakonus berichtet, wem er diese erste eroberte Provinz, die das nordöstliche Thor Italiens bildet, anvertrauen sollte, und entschloß sich endlich, seinen Neffen Gisulf, einen sehr tüchtigen Mann, der zugleich sein Stallmeister oder, aus Lango-bardisch, sein Marpais*) war, zum Herzog über die Burg Forojuli und die ganze Gegend zu setzen. Gisulf erklärte aber, er könne das schwere
Ehrenamt, das der König ihm anbiete, nur dann annehmen, wenn er sich selbst die langobardischen „Faren" d. h. Geschlechter oder Familien auswählen dürfe, die mit ihm das Land beschützen würden. So geschah es auch, denn der König erfüllte ihm seinen Wunsch; Gisulf erhielt nach seiner Wahl einige besonders tüchtige Sippen, die zu seinem Beistand im Lande blieben, und übernahm nun erst das Amt eines Herzogs von Friaul. Auch eine Anzahl edler Stuten zur Aufzucht erbat er sich vorn König; denn vortreffliche Rosse und wohl eingeübte Reiter waren notwendig, um rasch im Fall feindlicher Bedrohung eine Verbindung zwischen den einzelnen Grenzwachen und Wohnorten herzustellen.
Vorsichtig stets das Eroberte sichernd und außerdem vielfach aufgehalten durch die zahllosen Wasseradern des Landes, rückte der König langsam nach Westen vor. Während der Patriarch von Aguileja mit dem Kirchenschatze auf die Lagunen an der Jfonzomündnng floh, zog der Bischof Felix von Treviso ihm feierlich entgegen und übergab ihm freiwillig die Stadt. Der Erfolg zeigte, daß er nicht umsonst aus Alboins edlen Sinn vertraut hatte. Der König nahm die Übergabe freundlich an, ließ dem Bischof — „wie er denn höchst freigebigen Sinnes war," sagt Paulus — auf seine Bitte
*) Das Wort ist aus mar (Mär, Pferd) und paizan (das Gebiß anlegen) zusammengesetzt.
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Extrahierte Personennamen: Alboins Paulus_Diakonus Gisulf Aguileja Felix_von_Treviso Felix Paulus
Aus dem Leben und Treiben in Stadt und Land im Merowingerreiche. 299
von einem Zuge dienender Leute, einherritt. Über die Karren und Lastwagen ragte der hohe Hals eines Kamels, das um 600 auch int Franken-
reich als Lastträger benutzt wurde, ja noch unter Karl dem Großen beim Bau des Königsschlosses von Aachen Steine zutrug. Auf dem Flusse führten die Frachtschiffe die Waren der Hafenstadt und die Ackerfrucht von entfernteren Gütern der Kirche nach der Stadt.
Rührte sich die Stadt festlich bei einem großen Tage ihres Heiligen,
dann wurden Teppiche aus den Fenstern gehängt — der Schmuck durch Blumen wird in diesen Jahrhunderten nicht erwähnt —, dann zog das Stadtvolk mit Fahnen und den Abzeichen seiner Schulen würdig auf, neben den Germanen und Inländischen auch fremde Landsleute z. B. Italiener, Syrer und Juden. Wenn ein König begrüßt wurde, sang jedes Volk in antiker Weise einen langen, schöngefügten Glückwunsch seiner Sprache, der vorher einstudiert wurde und dessen Worte für wichtig und bedeutungsvoll galten. Als König Guntram im Jahre 585 zu Orleans einzog, sang das Volk: „Es lebe der König, und seine Herrschaft mehre sich über alle Völker viele Jahre." Die Juden aber sangen: „Dich sollen alle Völker anbeten, beugen sollen sie dir das Knie, und unterthänig sollen sie dir sein." Aber den Juden war der König nicht günstig; denn bei Tische sagte er: „Diese Juden haben nicht aus gutem Herzen gesungen; sie schmeichelten mir heut in ihrem Lobspruch, weil ich ihre Synagoge, die schon lange von den Christen zerstört ist, auf öffentliche Kosten wieder aufbauen soll. Aber ich thue das nicht."
Für den Beifall, den ein Germanenfürst fand, und für die Geschenke, die er beim Einzuge erhielt, war er dem Stadtvolk dankbar, er machte einzelnen Gegengeschenke und erließ der Stadt Abgaben. Denn obwohl er zuweilen gegen seine Städte harten Willen bewies, er hatte doch einige Scheu vor der Menschenmenge und vielleicht noch größere vor ihrem Geschrei. Wie ihm der freudige Zuruf wohlthat, weil er aus guten Wünschen eine gute Wirkung für sich hoffte, so fürchtete er auch die Vorbedeutung des einstudierten Zorngeschreies und die Gefahren eines lauten Fluches. Als ein Fraukenkönig mit seinen Bischöfen unzufrieden war, drohte er das Volksgeschrei gegen sie zu erregen, und als König Guntram einmal durch einen Anschlag gegen sein Leben aufgeregt war und um das Aussterben der Merowinge bangte, wandte er sich in der Kirche an das versammelte Volk und bat ernstlich, ihn nicht umzubringen, wie man mit seinen Brüdern gethan, sondern ihn wenigstens noch drei Jahre leben zu lassen, bis er seinen Neffen groß gezogen. Und diese königliche Bitte bestimmte das Volk zu lauten Wünschen für sein Heil.
War der König in recht guter Laune, so gab er den Städtern auch Schaufeste. Wie der Wandalenherr in Afrika und König Leovigild in Spanien, so saß seit 543 auch der Frankenkönig im Cirkus von Arles,
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Extrahierte Personennamen: Karl_dem_Großen Karl Guntram Guntram
Extrahierte Ortsnamen: Aachen Afrika König_Leovigild Spanien Arles
Sankt Kolumban der Jüngere und der heilige Gallus.
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der Welt, bereite du uns eine Stätte, wo dir dein Bolk dienen kann." Dann tröstete er die ganze Schar: Gott werde schnell ihren Kummer rächen; wer ihm folgen wolle, der möge kommen, die übrigen sollten in Geduld zurückbleiben. Doch die Leute des Königs erklärten, nur die dürften ihm folgen, die aus seiner Heimat oder der Bretagne mit ihm gekommen wären. Da erhub sich neuer Jammer; mit Gewalt mußte man seinen Schüler Eustasius, der später Abt des Klosters werden sollte, von ihm reißen.
So zog denn der heilige Mann, zwanzig Jahre nachdem er in diese Gegend gekommen war (610), von dannen. Die traurige Fahrt ging über Besanoon, Antun, Avallon und Auxerre nach Orleans. Als sie hier betrübt am User der Loire unter- Zelten ausruhten — denn der Zutritt zu den Kirchen war ihnen nach des Königs Befehl verwehrt, sandten sie zwei in die Stadt, um Lebensmittel zu holen. Aber die Furcht vor dem Könige hatte aller Herzen verhärtet, nur ein syrisches Weib, deren Mann als Kaufmann ins Frankenreich gekommen war, schloß ihnen mildthätig ihr Haus auf. Von Orleans fuhren sie zu Schisse auf der Loire nach Tours hinab. Hier bat Kolumban, man möge anlegen und ihm erlauben, das Grab des heiligen Martin zu besuchen. Seine Begleiter wollten es nicht leiden, aber die
Ruderer konnten das Schiff nicht vorwärts bringen, und als sie es sich
selbst überließen, trieb es geschwind dem Hasen zu. So stiegen sie denn
ans Land, und Kolumbau brachte die ganze Nacht am Grabe des Hei-
ligen zu.
Endlich gelangte man nach Nantes, wo der Bischof S o sro n i u s und der Gras Theudowald aus des Königs Befehl für die Überfahrt nach Irland gesorgt hatten. Alsbald wurde Kolumban mit seinen Landsleuten auf ein schottisches Handelsschiff gebracht. Aber als es die Mündung der Loire erreichte und in das Meer hinausfahren sollte, wurde es von der Brandung auf den Strand getrieben und faß nun drei Tage auf dem
Trockenen fest. Da merkte der Sckiffsherr, daß dies um Kolumbans willen geschehe, und setzte ihn und alles, was ihn anging, wieder ans
Land, und alsbald kam die Flut und führte das Schiff in die See hinaus. Daran erkannten alle, es fei nicht der Wille Gottes, daß der heilige Mann nach feiner Heimat zurückkehre. Deshalb hielt ihn niemand auf, als er sich nun umwandte. Er aber ging zu Chlothar, der in Neustrien über die Franken an der Küste des Kanals herrschte. Wie ein Geschenk des
Himmels nahm der ihn auf und bat ihn, in seinem Reich zu bleiben.
Das schlug Kolumban aus, verweilte jedoch bei dem Könige einige Zeit und verwies ihm verschiedene Mißbräuche, die an dem Königshof eingeriffen waren. Darnach lag Kolumban dem Chlothar an, daß er ihm dazu verhelfe, durch Theudeberts Gebiet und über die Alpen nach Italien zu gelangen; uni)
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Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Gemeinsame Stammesangelegenheiten, besonders Krieg und Frieden, wurden auf einer Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue beraten, die alljährlich zu Marklo an der Weser stattfand.
Seitwärts von Franken und Sachsen erhielt sich an der Nordseeküste die uralte Völkergruppe der Friesen. Drusus hatte sie den Römern zinspflichtig gemacht; doch schüttelte seit dem Kaiser Claudius der größere, östlich der Mel seßhafte Teil des Stammes das römische Joch ab. Tacitus teilt sie in große und kleine Friesen, daneben begegnet eine Scheidung in Friesen und Frisiavonen. Nach der Zeit Neros werden sie nur selten genannt. Neben Viehzucht, Ackerbau und Fischfang treiben sie schon frühe ergiebige Seeräuberei. Noch vor dem Ende des dritten Jahrhunderts entledigten sich auch die bis dahin römischen Friesen der Reichshoheit. Seit dem Auftreten der Sachsen und Franken verschwinden die Friesen völlig aus dem Gesichtskreis der römischen Geschichtschreibung. Während sie aber früher auf den Strand zwischen Rhein und Ems angewiesen waren, dehnten sie nun ihre Sitze längs der Meeresküste aus. In der fränkischen Zeit reicht Friesland, in West-, Mittel und Ostfriesland geteilt, von der Gegend, wo jetzt die belgische Küste mit der holländischen grenzt (nördlich von Sluys, nordöstlich von Brügge), bis an die Weser. Später erscheinen an der Küste und ans den Inseln des westlichen Schleswig die Nordfriesen. Im siebenten und achten Jahrhundert, vor der fränkischen Unterwerfung, gab es ein gemeinsames friesisches Königtum.
Erst gegen Ende des vierten Jahrhunderts begegnet uns der Stammesname der Thüringe oder richtiger Düringe. Durch ihren Namen kennzeichnen sie sich als die Nachkommen der Hermunduren (der großen oder gesamten Duren); diese, von denen nach dem Markomannenkrieg jede Kunde erlischt, bilden den Grundstock des Stammes, zu denen sich zwei kleinere niederdeutsche Völkerschaften, die Warnen und ein Teil der Angeln, gesellt haben, wir wissen nicht, in welcher Zeit. In der Überschrift ihres unter Kart dem Großen niedergeschriebenen Volksrechtes werden Angeln und Warnen als Thüringe bezeichnet. Die Grenznachbarn und steten Gegner der Thüringe waren im Norden die Sachsen, im Westen die Franken, im Süden die Alamannen. Dem Attila mußten sie zu seiner Fahrt nach Gallien Heeresfolge leisten und in der Schlacht auf dem fatalaunifchen Felde unter hunnischer Fahne kämpfen. Doch schon um 460 wird ein thüringischer König Vifin genannt und am Anfang des sechsten Jahrhunderts bestand ein mächtiges Thüringerreich, das im Norden bis zur Niederelbe (zwischen Saale- und Jeezemündung), im Süden bis zur Donau (zwischen der Wernitz und dem Baierwald) reichte. Damals vermählte Theoderich der Große seine Nichte Amataberga mit dem Thüringerkönig Hermanfried.
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Extrahierte Personennamen: Drusus Claudius Sluys Attila Amataberga
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Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
durch zahlreiche Landsleute verstärkt zurückzukehren und das schöne Land, dessen Reichtum sie kennen gelernt hatten, gründlich zu plündern. Im Jahre 264 überschritten gleichzeitig diese alamannischen und fränkischen Scharen den Rhein, durchzogen verheerend das gallische Land, überstiegen die Pyrenäen, erstürmten die Stadt Tarraco, plünderten in Spanien und setzten dann zum Teil nach Afrika über. Ihre weiteren Schicksale sind unbekannt.
Am Rhein gelang es inzwischen dem Postumus, die Grenze gegen die
Franken und Alamannen wieder herzustellen; nach seinem Tode (269) zerstörten sie freilich die Kastelle, die er auf dem rechten Ufer erbaut hatte, und drangen wieder in Gallien ein, aber Kaiser Aurelian (270—275) schlug sie siegreich zurück, und fein Nachfolger Probus, der Besieger der Alamannen, wahrte auch gegen die Franken die Rheingrenze.
Aber schon damals suchten fränkische und sächsische Seeräuber die Meeresküste von Gallien heim, und was fränkischer Waghalsigkeit zuzutrauen war, das mußten im Jahre 280 sogar die Küstenbewohner des Mittel-meers erfahren. In diesem Jahre nämlich erhob sich plötzlich eine Schar Franken, die auf ihren eigenen Wunsch von Probus an der Küste des Schwarzen Meeres angesiedelt worden war. Die kecken Abenteurer be<
mächtigten sich einiges Schiffe und beschlossen, aus ihnen^ in ihre ferne Heimat, nach der sie sich sehnten, zurückzukehren — vom Pontus nach der Nordsee! Und sie vollendeten das tolle Heldenstück. Das ganze Mittelmeer durchsegelten sie, landeten hier und dort, in Griechenland, Kleinasien und Afrika und plünderten fleißig. Selbst an große Städte wagten sie sich;
so hatte Syrakus schwer von ihnen zu leiden; und nur schnelle Heranziehung von Truppen bewahrten Karthago vor gleichem Schicksal. Die Römer, durch deren Reich die kühne Seefahrt mitten hindurchging, waren starr vor Entrüstung über solche Frechheit und vor Bewunderung über solchen Wagemut. Glücklich gelaugten die tapferen Seefahrer durch die Säulen des Herkules in das offene Weltmeer, fuhren die Küsten Spaniens und Galliens entlang und erreichten endlich beutebeladen die Mündungen des Rheines und die liebe Heimat.
Hier dauerten nach dem Tode des Probus vom Jahr 2b2 an die Kämpfe zwischen Franken und Römern ununterbrochen fort. Maximian, der Mitkaiser Diokletians, erfocht einen Sieg über eine Schar, die^ den Rhein überschritten hatte, aber gleich darauf stand eine andere bei -trier, und so wiederholten sich die Einfälle der Franken und Alamannen Jahr-für Jahr, obwohl keiner zu dauernder Besetzung des angegriffenen Landes führte. Aber schon um das Jahr 290 geschah auch dies: es kamen nämlich fränkische Polksscharen in großer Aahl über den Nietierrhein und siedelten sich auf der Rheinmündungsinsel, dem Lande der romanisierten Bataver, an, und wenn sie auch wiederholt von römischen Feldherrn ge-
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Extrahierte Personennamen: Maximian
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Spanien Afrika Rhein Gallien Gallien Griechenland Kleinasien Afrika Karthago Spaniens Galliens Rheines Diokletians Rhein Nietierrhein Rheinmündungsinsel
Sittenbilder in Erzählungen aus Gregors Geschichtswerke. 331
Und da er alles ausführlich berichtete, hörte die Königin Brunhilde*) voll Unwillen, daß Sichar, der unter ihrem Schutze stand, also ums Leben gekommen fei, und sie begann ihrem Zorn gegen ihn Luft zu machen. Da jener sah, die Königin fei wider ihn, so floh er in den Gau von Besages, der in dem Gebiet von Bourges liegt, wo Verwandte von ihm lebten. Tranquilla, fein Weib, ließ Kinder und Habe ihres Mannes im Gebiet von Tours und Poitiers zurück und zog zu ihrer Sippe, wo sie sich abermals verheiratete. Sichar endete als ein Mann von vierzig Jahren; er war ein leichtfertiger Mensch, ein Trunkenbold und Mörder, der im Rausche manche Gewaltthat begangen hat. Chramnisind begab sich später noch einmal zum Könige, und das Urteil ward dahin gefällt, er solle den Beweis dafür erbringen, daß er den Sichar ans Blutrache erschlagen habe. Das hat er denn auch gethan. Auch fein Vermögen, das die Königin Brunhilde hatte einziehen lassen, erhielt er wieder. —
Dieser Erzählung stellen wir zwei kürzere Berichte**) aus etwas früherer Zeit (etwa der Mitte des sechsten Jahrhunderts) an die Seite, welche zeigen, wie selbst vornehme Römer die germanische Blutfehde als eine Art rechtlichen Brauches angenommen hatten und oft lieber sie, d. H. Selbsthilfe und Gewaltthat, wählten, statt den Weg gerichtlicher Klage zu betreten. Die Verwilderung der Sitten hatte eben beide Nationen und alle stände, die höchsten wie die niedrigsten, ergriffen.
e) Asteriolus und Secundinus; Siagrius und Siriwald.
Asteriolus und Secundinus galten damals (um 540) viel bei dem König Theudebert von Austrafien; denn sie befaßen beide gelehrte Bildung und waren in den schönen Wissenschaften wohl bewandert. Da aber Secundinus häufig vom Könige zu Gesandtschaften an den Kaiser in Byzanz benutzt wurde, so stieg ihm der Hochmut zu Kopfe, und er erlaubte sich nicht fetten Gewaltthätigkeiten. Daher brach zwischen ihm und Asteriolus ein heftiger Zwist aus, und es kam sogar so weit, daß sie es nicht bei Schimpfreden bewenden ließen, sondern sich — Gelehrte, Hofleute, Römer! — mit den Fäusten wund schlugen. Als dieser Streit vom König kaum beigelegt war und Secundinus noch an feiner Wunde geschwollen war, entstand unter ihnen abermals ein Hader. Der König nahm sich des Secundinus an und gab ihm den Asteriolus preis. Dieser wurde dadurch tief gedemütigt und verlor feine Stelle, wurde aber später von der Königin Wifigard (der Tochter des Langobardenkönigs Wacho) wieder eingesetzt.
*) Über sie vgl. den 10. und 11. Abschnitt.
**) Gregor, Buch 3, Kap. 33 u. 35. Giesebrecht 1, S. 145 f.
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Extrahierte Personennamen: Gregors Chramnisind Brunhilde Königin_Wifigard Gregor Gregor
Auf der Wanderung von der Elbe zur Donau. 13
die Kleinen umzubringen und warf sie in einen Fischteich. Es fügte sich aber, daß König Agilmund dieses Weges geritten kam. Da sah er mit Verwunderung die armen Kindlein in dem klaren Wasser liegen, hielt sein Roß an und rührte mit seinem Speer der Reihe nach an jedes der Kleinen, zu sehen, ob es vielleicht noch lebe. Und siehe, eines der Kinder griff mit den Händchen nach dem Speer und hielt sich fest daran. Den König erfaßte Mitleid und Staunen, und er wandte sich zu seinen Begleitern und sprach: „Dies Knäblein wird einst ein großer Held werden." Darauf befahl er es sogleich aus dem Teich zu ziehen, übergab es einer Amme und ließ es auf das sorgfältigste aufziehen und pflegen. Da aber in der langobardischen Sprache der Fischteich lama genannt wird, gab er dem Knaben den Namen Lamissio (Lamisko). Und als dieser herangewachsen war, wurde er ein so wackerer Jüngling, daß man ihn als den tapfersten Helden pries.
König Agilmund war bereits ein Greis, als das ganze Volk sich wieder auf die Wanderung begab; es geht die Sage, daß die Langobarden auf ihrem Zuge (aus Burgundaib?), vom König Agilmund geführt, an einen Strom (wohl die Oder ist gemeint) kamen und hinüber fahren wollten. Aber am andern Ufer stellte sich ihnen ein seltsamer Feind — nämlich ein Weibervolk (Amazonen nennt sie Paulus) — entgegen und wehrte
den Übergang. Die kühnste der Kampfjungfrauen sprengte auf ihrem Rosse
in die Wellen und forderte den Tapfersten der Langobarden zum Zweikampf heraus. Da nahm Lamissio die Aufforderung an, tötete mitten im
Strome die Jungfrau und erstritt sich so hohen Ruhm, den Langobarden aber den Übergang; denn es war zwischen den beiden Heervölkern ausgemacht worden, daß das Volk, dessen Vorkämpfer fallen würde, dem andern Raum geben solle. So überschritten nun die Langobarden den Strom und verweilten, als sie in das jenseitige Land gekommen waren, daselbst längere Zeit. Da sie aber durch langen Frieden sicher geworden waren und sich nichts Schlimmen versahen, brachte ihre Unachtsamkeit ihnen einen schweren Schaden. Denn einst, als die sorglos Ruhenden in der Nacht sich allesamt dem Schlafe überlassen hatten, sielen plötzlich slavische Reiterhorden (Paulus nennt sie Bulgaren) in ihre Höfe, erschlugen viele, verwundeten noch mehr und wüteten fürchterlich. Sie töteten sogar den alten König Agilmund und schleppten seine einzige Tochter in die Gefangenschaft hinweg.
Einige Zeit dauerte es, bis das Volk sich von diesem Unglücksschlage erholte. Dann erhoben sie den Lamissio (der übrigens nach anderer Überlieferung gleichfalls ein Gunging war) zu ihrem Könige. Dieser, von jugendlicher Heldenkraft durchglüht, brannte vor Begierde, die Räuber zu bekämpfen und feinen guten Pflegevater zu rächen. So führte er denn
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22
Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
Stammesbrüder in Jllyrien wußten, wo sie den rechtmäßigen Erben des erledigten Thrones treffen konnten. Darum entsandten sie von Jllyrien her edle Boten zu den fernen Stammesgenossen im Norden. Und die Boten wanderten, wie Prokop sagt, „durch alle Länder der Slaven, dann durch eine Wüste, bis sie zu den Warnen (die nördlich von den Thüringen bis zur Ostsee wohnten) kamen, und dann wanderten sie noch durch das Land der Dänen; und alle diese wilden Bölker thaten ihnen nichts. Als sie aber das Meer vor sich sahen, gingen sie zu Schiffe und fuhren nach Thule. Hier hatten die zugezogenen Heruler bei den Ganten Aufnahme gefunden. Als nun jene Gesandten ankamen, fanden sie viele vom königlichen Geschlecht, wählten darunter den, der ihnen am tauglichsten und der Krone am würdigsten schien, und traten mit ihm die Rückfahrt an. Aber als sie sich im Dänenlande befanden, starb der Erkorene an einer Krankheit. Da fuhren sie nach Thule zurück und holten einen andern, der auch ans dem alten Königsstamm entsprossen war, der hieß Todasi. Ihm schloß sich fein Bruder Aorda an und ein Gefolge von zweihundert Herulerjünglingen. Mit ihnen traten die Boten wieder die weite Reise nach Süden an und erreichten Jllyrien. Doch mittlerweile war viel Zeit verstrichen. Ein Teil des Volkes, gewiß eine römische oder christliche Partei, hatte sich verzagt erwiesen und die andern überredet, die Gesandten würden niemals wiederkehren und es sei unklug einen Herrscher zu suchen, ohne den Kaiser Justinian zu fragen. Daher hatten sie nach Byzanz an den Kaiser gesandt und sich von ihm einen König erbeten, der ihm genehm sei. Der schickte ihnen auch sofort einen Heruler, der seit langer Zeit in der Hauptstadt wohnte, mit Namen Suartua. Zunächst huldigten ihm die Heruler und gehorchten ihm willig, da er regierte, wie sie es gewöhnt waren.*) Wenige Tage später aber kam ein Bote, der die Kunde brachte, die Gesandtschaft mit dem rechtmäßigen Könige fei der Heimat nahe. Suartua brach alsbald mit Heeresmacht auf, um die Ankömmlinge zu töten. Die Heruler folgten ihm zuerst ruhig; als sie sich aber jenem bis aus eine Tagereise genähert hatten, verließen sie ihn während der Nacht alle und gingen zu dem Sproß des alten Königsgeschlechtes über. Suartua mußte ganz allein aus dem Lande fliehen und kehrte nach Byzanz zurück. Der Kaiser drohte und verhieß, aber umsonst. Da wollte er sie zwingen, den Suartua wieder zum König zu nehmen; allein die Heruler
*) Prokop, die strenge, ceremoniette Despotenwirtschaft von Byzanz gewöhnt, ereifert sich an einer andern Stelle über das beschränkte — der altgermanischen Sitte noch völlig getreu gebliebene — Königtum der Heruler. Ein solcher Herrscher sei nur dem Namen nach König, der sich in Wirklichkeit von den andern Männern gar nicht unterscheide; denn jeder verkehre mit ihm wie mit seinesgleichen und schimpfe auf ihn, wie es ihm beliebe. Die freimütige Scheltrede des Volks, das Fehlen des Thrones, das Schmausen der Gefolgschaft an der Seite des Königs scheint dem Byzantiner unvereinbar mit dem Wesen des Königtums. Vgl. Dahn, Urgeschichte 1, 567.
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Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
der Langobarden mit den Baiern seinem Reiche bringen konnte. Jetzt wollte er Garibalds eigenmächtiges Vorgehen hintertreiben und hoffte vielleicht, die Herzogsfamilie in seine Hand zu bringen. Garibald behielt seinen älteren Sohn Grimwald zu seiner Unterstützung im drohenden Streite bei sich, Thendelinde aber sandte er ihrer Sicherheit halber in Begleitung ihres jüngeren Bruders Gundwald mit vielen Schätzen nach Italien zu Authari, und Theudelinde ließ dem Bräutigam ihre Ankunft melden. Der eilte ihr sogleich mit festlichem Gepränge entgegen. Auf dem Sardisfelde oberhalb Veronas trafen sie sich, und in Verona ward am fünfzehnten Tage des Maimonds 589 unter dem Jauchzen des Volkes die Hochzeit des edlen jungen Paares gefeiert.
An demselben Tage erhob sich, wie die Sage meldet, ein heftiges Gewitter. Herzog Agilulf von Turin, ein wackrer Fürst und seinem Könige treu ergeben, war unter andern langobardischen Großen bei dem
Feste zugegen. Jetzt stand er im Hose des Königshauses, um das von
Wein und Freude erhitzte Haupt im Winde zu kühlen. Da fuhr urplötzlich ein Blitzstrahl krachend vor ihm nieder und zerschmetterte ein Stück Holz, das zu feinen Füßen lag, und einer feiner Sklaven, der der Weissagung kundig war, trat zu ihm und sprach: „Das schöne Weib da drinnen, das sich unserm König soeben vermählt hat, wird binnen Jahresfrist deine Gemahlin werden." Als das Agilulf hörte, drohte er dem unzeitigen Propheten den Kopf von den Schultern zu schlagen, wenn er noch ein einziges Wort davon spräche. Doch jener versetzte: „Töten magst du mich; es wird dadurch doch nicht anders; die schöne Frau ist in unser Land gekommen, um dein Weib zu werden." — Und eine andere Sage, die gleichfalls der wackere Paulus Diakonus aufbewahrt hat, berichtet zur Verherrlichung des Königs, dem ein so früher Tod beschießen war, nicht lange danach sei Authari nach Spoleto und Benevent gekommen und habe diese Gegend erobert — was freilich schon lange durch Zotto und Farwald geschehen war —•; ja bis zur äußersten Südspitze Italiens fei er gezogen. Dort stehe unweit der Küste eine Säule in den brandenden Wogen. Der König fei auf feinem Roß bis zu dieser Säule geritten, habe sie mit der
Spitze feines Speeres berührt und dabei die Worte gesprochen: „Hier soll
der Langobarden Grenze fein!" Und diese Säule, sagt Paulus, soll noch bis auf den heutigen Tag dort stehen und Autharis Säule genannt werden. —
Nur kurze Frist war dem jungen König vergönnt, sich feines ehelichen Glückes zu freuen, und auch diese Spanne Zeit war angefüllt mit einem reichlichen Maß von Sorge. Der Herzog von Istrien, Grasulf, ließ sich durch Childebert zur Untreue gegen seinen königlichen Herrn verlocken; gemeinsam mit dem Frankenkönig wollte er Authari angreifen. Doch scheint
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Extrahierte Personennamen: Garibald Grimwald Paulus_Diakonus Paulus
Pertharis Rückkehr und König Kumnkperts Schicksale.
101
Über des gewaltigen Königs Tod erzählt Paulus Diakonus, er habe einst zur Ader gelassen und neun Tage in seinem Palast gesessen. Da nahm er seinen Bogen zur Hand, um eine Taube zu schießen; aber dabei brach die Ader an seinem Arme wieder aus, und die Ärzte legten ihm vergiftete Heilmittel darauf und führten so den Tod des kraftvollen Greises herbei. Er war von gewaltigem Körperbau, kahlem Haupte und starkem Barte; an Kühnheit kam niemand ihm gleich, und auch im klugen Rate übertraf ihn keiner. Der Leib des Königs er war eifriger Katholik gewesen — wurde in der Kirche des heiligen Ambrosius zu Pavia bestattet, die Grimwald selbst hatte erbauen lassen. Da fein Sohn Romwald gestorben war, so hinterließ er die Herrschaft feinem zweiten Sohne G ari-bald, den ihm König Ariperts Tochter geboren hatte. Aber dieser war noch ein Kind.
16. Herihmrs Mckkehr und König Kuninkperts Schicksale.
(Von 672 bis 700.)
Damals geschah es, daß Perthari — wie der Volksmund erzählt — aus dem Frankenreiche schied und ein Schiss bestieg, um nach der britannischen Insel überzusetzen. Als aber das Fahrzeug eine kurze Strecke zurückgelegt hatte, erscholl von der Küste her eine Stimme, die rief: „Ist Perthari auf diesem Schisse?" Und als geantwortet ward, er fei allerdings hier, rief die Stimme weiter: „So meldet ihm, er möge heimkehren in fein Vaterland; denn heute ist der dritte Tag, feit Grimwald aus dieser Welt geschieden ist." Sogleich kehrte Perthari um, konnte aber, als er das Ufer erreicht hatte, weit und breit niemand finden. Deshalb glaubte er, daß es kein Mensch, sondern ein göttlicher Bote gewesen fein müßte, der ihm Grimwalds Tod verkündete. Da zog er unverweilt dem Vaterlande zu und als er die italienische Landesmark überschritt, fand er dort schon alle feine Getreuen versammelt und zog mit königlichem Gepränge in Pavia ein. Der Knabe Garibald mußte mit feinen Anhängern fliehen. Drei Monate nach Grimwalds Tode ward Perthari von den Langobarden feierlich zum König gekrönt.
Sogleich nach feiner Heimkehr sandte Perthari nach Benevent und ließ von da seine Gemahlin Rodelinde und feinen Sohn Kuninkpert zu sich holen. Dann erbaute er in Pavia an der Stelle am Ticinoflusse, wo ihm einst die Flucht vor Grimwald gelungen war, ein Jungfrauenkloster zu Ehren der heiligen Agathe, das er mit vielem Gut ausstattete; die Königin Rodelinde aber gründete vor den Mauern von Pavia eine Kirche der Jungfrau Maria. Sie wurde ad perticas d. i. „zu den Stangen" genannt, ein Name, der von einer langobarbifchen Sitte her-
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Extrahierte Personennamen: Pertharis_Rückkehr Paulus_Diakonus Grimwald Romwald König_Ariperts Rodelinde Agathe Maria Maria