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1. Geschichten aus der Geschichte - S. 117

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 117 — Person nichts zu fürchten haben. Luther war infolge eines schleichenden Fiebers so entkräftet, daß er die Reise kaum ertrug, doch freute er sich auf die Gelegenheit, feine Überzeugungen vor dem Reichstag zu verfechten. Auf der Fahrt von Wittenberg nach Worms war er überall vom Volke umdrängt, das ihn sehn wollte. Als er seinem Ziele nahe war, ließ ihm ein Freund die Warnung zugehn, er möchte ja nicht nach Worms kommen, es würde sein Verderben sein. Aber Luther antwortete: ,,Jch werde kommen, und wären so viel Teufel in der Stadt als Ziegel auf den Dächern." Am folgenden Tage holte ihn der Reichsmarschall aus seiner Herberge in die Versammlung ab, er mußte ihn des Gedränges wegen durch Gärten und Hinterhäuser führen. Vor der Thüre des Saales stand ein berühmter Kriegshauptmann, Georg von Frunds-berg; der klopfte ihn auf die Schulter und sagte: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen Gang, dergleichen ich und mancher Oberster auch in unserer allerernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber auf rechter Meinung und deiner Sache gewiß, so fahre in Gottes'mamen fort, und sei nur getrost, Gott wird dich nicht verlassen." So bleich und abgemattet, wie er von der Krankheit war, machte er auf die Versammlung einen eben nicht vorteilhaften Eindruck. Der Kaiser soll zu seinem Nachbar gesagt haben: „Der würde mich nicht bewegen ein Ketzer zu werden." Ketzer wurden alle die genannt, welche von den Lehren des Papstes abwichen. Aus die Frage, ob er den Inhalt seiner Schriften widerrufen wolle, antwortete Luther noch etwas befangen und sehr ehrfurchtsvoll, die Frage fei so wichtig, daß er sich darüber eine Bedenkzeit ausbitten müsse. Man beschied ihn auf den folgenden Tag, und wie er nun wieder vor der Versammlung stand, sprach er mutig und ohne Rückhalt. Er wurde unterbrochen und ihm gesagt, man wolle nicht mit ihm streiten, es werde nur eine runde und klare Antwort verlangt, ob er widerrufen wolle oder nicht. Da erwiderte er: „Wohl, weil denn eine schlichte, einfältige Antwort von mir verlangt wird, so will ich eine geben, die weder Hörner noch Zähne haben soll, nämlich also: Es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der heiligen Schrift oder mit klaren Gründen überwunden werde, so kann und will ich nichts widerrufen, weil weder sicher noch geraten ist, etwas wider das Gewissen zu thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen!" Der edle, würdevolle Ton, in dem er diese Worte sprach, gewannen ihm die Herzen vieler An-

2. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 238

1850 - Königsberg : Bon
238 müthsbewegungen, wie Mitleiden, Mitfreude rc. die angenehmen Empfindungen vor und nach dem Genusse eines Vergnügens rc. wegfallen. Ueberhaupt würde ohne Einbildungskraft unser Be- gehrungsvermögen größtentheils schlummern, und die Einsamkeit oft sehr langweilig werden. Auch verschönt und verherrlicht die Einbildungskraft die Wirklichkeit, wie bei den Spielen kleiner Kinder, verlängert den Genuß des Angenehmen und bestimmt endlich einen großen Theil unserer Denk- und Handlungsweise. Sie kann aber auch sehr nachlheilig werden, wenn sie sich nicht von dem Verstände beherrschen läßt; denn sie zerstreut uns oft zur Unzeit, tobtet den zu vielen Geschäften erforderlichen Ernst und die nöthige Beharrlichkeit, spiegelt uns Freuden und Genüsse vor, wo keine sind; sie malt uns Vergangenheit und Zukunft meistens schöner, als sie in der Wirklichkeit sind, und macht uns daher nicht selten unzufrieden mit der Gegenwart; sie vergrößert oft die wirkliche Gefahr, schafft Sckreckbilder der Furcht, verleitet uns zu Thorheiten und Sünden jkdrfr. l. Nr. I/O 101. rc.) und hebt durch ihr? Macht nicht selten die Wirk- samkeit des Verstandes und der Vernunft gänzlich auf jkdrfr. I. Nr. 120 100 rc.). Auch Thiere haben zum Theil Einbildungskraft. Ohne sie könnten Storch und Schwalbe das Dach ihres allen, gastfreund- lichen Wirthes nicht wiederfinden fkdrfr. I. Nr. 17.). Ein Bild erweckt ohne deutliches Bewußtsein das andere. Der Hunger z. B. weckt die Vorstellung von Futter; diese die Vorstellung von dem Orte, wo es zu finden ist rc Der Hund knurrt und bellt zuweilen im Schlafe; er muß also träumen: seine Einbil- dungskraft muß auch während des Schlafes noch thätig sein. Im Traume ist die Einbildungskraft besonders thätig Sie führt uns bekannte und unbekannte Dinge vor und mengt sie oft selt- sam unter einander. Manche Menschen werden auch im wachen- den Zustande so von ihr beherrscht, daß sie Vieles zu seden und zu empfinden wähnen, was andere nicht wahrnehmen; man nennt solche Leute Schwärmer und diejenigen, welche gewisse leere Ein- bildungen anhaltend für Wirklichkeit halten, Verrückte. ß. 142. 4. Das Gedächtniß. Das Vermögen der Seele, empfangene Vorstel- lungen und Gedanken in ihrem Innern aufzubewah- ren, nennt man Gedächtniß. Wir denken aber nicht jeden Augenblick an alles das, was wir schon einmal in unsere Seele aufgenommen haben und darin aufbewahren, können fedoch das Aufbewahrte wieder in das Bewußtsein zurückrufen fkdrfr I. Nr. 13. 122. ic.) und schreiben daher der Seele auch ein Erin- nerungsvermögen zu. Gedächtniß und Erinnerungsvermögen

3. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 245

1850 - Königsberg : Bon
245 zweite die Folge, und beide machen ein Bedingungsurtheil aus skdrfr. 1. S. 17. Nr 23. 2.). Viele Urtheile sind aus sorgfältigen Beobachtungen, aus Er- fahrungen hervorgegangen, z. B. unreifes Obst darf man nicht effen. Dergleichen Urtheile heißen Regeln skdrfr. I. S. 23. Nr. 30., Nr 132. und 133. 140. 178 183.). Die Urtheilskraft wird um so scharfer, je mehr wir über unsere oder fremde Urtheile nachdenken und die Begriffe prüfen, aus denen sie zusammengesetzt sind. Die Ursachen falscher Ur- theile sind sehr verschieden. Ein Gutsbesitzer fand auf seinem Felde weiße Steine, die ec für Kalksteine hielt. Er ließ sie in einem dazu neu erbauten Ofen brennen, allein der Stein blieb unverändert, wurde nicht zu Kalk; denn es war kein Kalkstein, sondern Schwerspat!). Dem Gutsbesitzer kam das falsche Urtheil „das ist Kalkstein," welches aus Mangel an einer deutlichen Vorstellung von Kalkstein entstanden war, theuer zu stehen. Um also nicht aus Irrthum falsch zu urtheilen, müssen wir suchen, uns richtige Vorstellungen zu erwerben. — Ein Knabe wußte, daß man nicht stehlen soll; dessen ungeachtet pflückte er sich einige Aepfel von einem Baume, dessen Aeste zum Theil über den Zaun eines fremden Gartens hingen. Als ihm bemerkt wurde, er habe gestohlen, wollte er es nicht glauben. Ich bin ja, sagte er, in kein Haus eingebrocben, um dort heimlich etwas zu entwenden. Sein Begriff vom Stehlen war also unklar. Er hatte das siebente Gebot zwar auswendig gelernt, aber nicht ganz verstanden; daher kam die verkehrte Meinung. Es ent- stehen also auch falsche Urtheile aus unrichtigen Begriffen. Wem die Fähigkeit fehlt, Begriffe zu bilden, ist einfältig, und wer wenig Urtheilskraft besitzt, gilt für dumm. Falsche Urtheile können also aus Irrthum, aus Einfalt oder aus Dummheit (ober wohl gar aus Bosheit) entstehen. Die einem Menschen angeborne Anlage, schnell und richtig zu urtbeilen, nennt man gesunde Urtheilskraft oder gesun- den Menschenverstand, oder auch Mutterwitz sd. h. ein Wissen und Können, das man nicht erst in der Schule erlernt, sondern gleichsam von der Mutter empfangen, mit auf die Welt gebracht hat, wie das Hirtenbüblein in den früheren Auflagen des Kdrfr.). Das Vermögen, versteckte Aehnlichkeiten leicht auf- zufinden, nennt man Witz, und die Fähigkeit, Verschiedenheiten leicht und schnell zu entdecken, heißt Scharfsinn. Witz und Scharfsinn betrachtet man als Zweige der Urtheilskraft. — Wer immer nach witzigen Einfällen hascht, wird ein Witzbold, und wer wiederum überall Unterschiede finden will, ein Klügling genannt.

4. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 253

1850 - Königsberg : Bon
253 haben, ja es wird ihm sogar schwer ankommen auszugehen und am Spiele Theil zu nehmen. Wer aber öfter ausgeht und häu- siger spielt, in dem entsteht bald eine Neigung hierzu; es kostet ihm große Mühe, sich auch nur einmal der Gesellschaft oder des Spieles zu enthalten, und aus der Neigung kann gar leicht Lei- denschaft entstehen. Unsere Triebe und Begierden können ausarten und uns in namenloses Unglück stürzen, wenn sie nicht von dem sittlichen und religiösen Gefühle und von der Vernunft geleitet werden. Wir muffen sie a'so bewachen und immer unter die Herrschaft des vernünftigen Begehrungsvermögens stellen. §. 149. Die Temperamente. Die Menschen fühlen und begehren unter ähnlichen Um- ständen nicht alle einerlei. Manchen reißt Etwas zu tiefem Schmerz und Gram hin. was den andern gar nicht anficht. Was diesen bis zur Ausgelassenheit froh macht, ist jenem oft zuwider. Mancher ist durch eine Kleinigkeit in Zorn zu setzen, und Alles, was er unternimmt, thut er mit ausdauernder Anstrengung und Heftigkeit, indeß ein Anderer bei Allem, was er thuu muß, Trägheit blicken läßt und selbst nicht leicht in Zorn zu bringen ist, weil er die Ruhe über Alles liebt. Dieser Beobachtung zu- folge hat man vier Gemüthsverschiedenheiten oder Tem- peramente angenommen. a. Das sanguinische oder leichtblütige ist zum Froh- und Leichtsinne geneigt; die Gefühle entstehen und vergehen leicht und neigen sich am liebsten auf die heitere Seite. Das Ansehen ist munter, der Blick lebhaft, der Gang rasch. Der Leichtblütige faßt Etwas leicht auf, vergißt es jedoch bald. In der Arbeit ist er flüchtig und scheut die Anstrengung. Seine Reden hört man gerne, denn sie sind anmuthig und witzig. Man kann ihn leicht böse, doch gleich wieder gut machen. Eine traurige Bege- benheit rührt ihn bald zu Thränen. Zu seinen Mängeln gehören Unbeständigkeit, Leichtsinn und Unentschlossenheit; das Gegenge- wicht hingegen halten Gutmüthigkeit, Liebenswürdigkeit und Edelmuth. d. Das melancholische oder schwerblütige ist zum Gram und Trübsinne geneigt; die Gefühle entstehen schwerer und neigen sich am liebsten zur Schwermuth. Der Schwerblü- tige ist etwas blaß im Gesichte, hat einen festen ruhigen Blick, ist oft in sich gekehrt und für die Freude wenig empfänglich. Hat er sich zu Etwas entschlossen, so führt er es auch aller Mühe ungeachtet aus. Der Witz ist ihm wenig, der Scharfsinn mehr eigen. Oft zeigt er heiteren Ernst, jedoch zuweilen Neigung zum Trübsinne. Cr sucht nicht viele, aber treue Freunde. Es

5. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 254

1850 - Königsberg : Bon
Ssl gehört ihm eben so wohl fester Wille und Beharrlichkeit, als Hartnäckigkeit und Abgeschiedenheit an. c. Das cholerische oder warmblütige macht den Men- schen warm und heftig nicht bloß im Zorne, sondern auch in der Liebe und in allen Unternehmungen, die ein Interresse für ihn haben. Der Warmblütige ist von angenehmem Aeußern; seine Augen sind feurig und durchdringend; in seinem Körper liegt Fülle und Stärke, in seinem Benehmen viel Anstand und Würde. Er ist gern thätig, doch nicht anhaltend. Die Furcht scheint ihm fremd, weil er seine Kraft fühlt. Er wird leicht zornig und zur Rache geneigt. Er will gern verehrt und be- wundert sein, herrschen und gebieten, daher man ihm Stolz vorwirft. <l. Das phlegmatische oder kaltblütige ist der Ruhe und Besonnenheit am günstigsten, aber nicht der angestrengten Thätigkeit. Der Kaltblütige sieht wohlgenährt, fast aufgedunsen aus; sein Auge ist matt und starr. Er arbeitet langsam und ungern, schläft lange und kann viel Wärme ertragen. Wie der Körper, so liebt auch sein Gemüth die Ruhe. Die Einbildungs- kraft ist selten bei ihm rege. Er ist gleichgültig gegen Freuden und Leiden. Weil ihm das Erwerben schwer scheint, so scheut er jede Ausgabe und hat Neigung zum Geize. Er ist furchtsam und eigensinnig. Zu seinen guten Eigenschaften gehören Gelassen heit und Ordnungsliebe. Man ist der Meinung, daß die Beschaffenheit unseres Kör- pers auf das Gefühls- und Begehrungsvermögen Einfluß habe, und in früheren Zeiten wollte man dies vom Blute herleiten, daher jene Benennungen. Gegenwärtig versteht man unter Temperament die Art und Weise zu empfinden und zu handeln, insofern sie vom Baue ^des Körpers und der Mischung seiner Säfte abhängt. Selten werden jedoch die Temperamente so unvermischt angetroffen, wie sie hierausgestellt sind. Die meisten Menschen haben von mehreren einige Kennzeichen an sich. Dann setzt man die Namen zusammen, und zwar den Namen immer hintennach, welcher das vorherrschende Temperament bezeichnet, z. B. sanguinisch-cholerisch, oder cholerisch-sanguinisch. Zu den größten Unternehmungen ist das sanguinisch-cholerische Tempe- rament am geschicktesten. Uebrigens ändern sich die Tempera- mente mit dem Lebensalter. Das Kind hat meist das sangui- nische, der Greis das phlegmatische. Wir dürfen jedoch unsere Fehler nicht mit unsern Temperamenten entschuldigen; denn jedes läßt sich, wenn wir ernstlich wollen, unter die Herrschaft der Vernunft bringen, und in diesem Falle hat jedes seinen ei- genthümlichen Werth. Auch hat ja der Mensch freien Willen und kann also wählen, was gut ist, selbst gegen seine heftigsten Leidenschaften. Zwar wird ihm der Kampf oft sehr schwer, allein desto größer ist auch seine Tugend, wenn sie die Oberhand

6. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 255

1850 - Königsberg : Bon
255 behält. Daher, ist "auch der gute Wille, das Höchste und Edelste im Menschen, zur Ueberwindung unsers Temperaments unentbehrlich. Und dieser gute Wille wird bei redlichem Streben von unserer Seite um so gewisser unser Theil werden, je ver- trauensvoller wir als Christen aus die unsere sittliche Schwach- heit unterstützende Gnade Gottes rechnen dürfen. Hat sich Je- mand einen festen Willen angeeignet, durch den er die Neigung zum Bosen unterdrückt, so legt man ihm einen guten Charakter bei. Unter Charakter versteht man hier den herrschenden Sinn, den der Mensch, durch seine Vernunft geleitet, angenommen hat, und dem er treu bleibt. Vernunft und freier Wille sind die vornehmsten Kräfte der menschlichen Seele, und eben, weil die Seele diese Kräfte besitzt, nennt man sie einen Gei-st. Die Seele des Thieres kann sich keine Grundsätze des Verhaltens bilden und sich auch nicht deren Befolgung vornehmen. Wohl uns, daß wir nicht bloß Seele, sondern auch Geist sind! Schon die Seele als Seele belebt den Körper, der ihr Werkzeug ist, wodurch sie außer sich wirkt, die Außenwelt erkennt und zuerst ihre Kräfte äußert. Doch als Geist ist sie fähig, sich selbst zu erkennen, zu beobachten, sich über das Irdische zu einer bessern Welt, zu ihrem Schöpfer emporzuschwingen. Sie trägt die Hoffnung ihrer Fortdauer nach dem Tode in sich selbst und er- hebt sie zur Gewißheit durch unumstößliche Gründe. Was wäre auch der Mensch ohne den Glauben an Unsterblichkeit! Welchen Zweck hätte das kurze Erdenleben, das so Viele nur zu früh ver- lassen! - §. 150. Wer Verlauf des menschlichen Lebens. Mit welcher Freude sehen wir einen neugebornen Fremdling auf dieser Erde erscheinen! Aber oft hat das Kind kaum das Licht der Welt erblickt, kaum einige verworrene Blicke auf die es umgebenden Gegenstände geworfen, kaum durch ein unschul- diges Lächeln das Herz der Eltern gewonnen, so muß es diesen Schauplatz schon wieder verlassen und das erfreuliche Licht der Sonne mit der Finsterniß des Grabes vertauschen. Mit zer- rissenem Herzen und thränenvollem Auge sehen die Eltern dem theuren Lieblinge nach, der ihnen so früh aus den Armen ge- rissen ward. So welkt die Knospe am frühen Morgen, noch ehe sie sich zur Blüthe entfalten konnte. Viele gelangen glücklich über die gefahrvollen Jahre der Kindheit und erreichen das Knaben- oder Mädchenalter. Froh und heiter ist ihr Sinn und Geist, und sorglos überlassen sie sich den Freuden der Gegenwart; was die Zukunft für sie ver- argt, kümmert sie nicht. Doch auch viele derselben scheidet der Tod von ihren muntern Gespielen und zärtlichen Eltern.

7. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 232

1850 - Königsberg : Bon
S32 ihn bei der nächsten Gelegenheit dafür zu züchtigen. Das Horen der Schimpfworts ist ein Erkennen, die Betrübniß ein Ge- fühl, der Vorsatz, sich zu rächen, die Folge des Willens oder Begehrens. Der Mensch kann also die Dinge um sich er- kennen, kann Schmerz und Freude empfinden oder fühlen, das Gute wollen oder begehren, aber auch das Böse. Dem- nach Kat die menschliche Seele drei Hauptkräfte: Erkennt- nißvermögen, Gesühlsvermögen und Begehrungsver- mögen Sehe ich z. B. eine Blume, so empfange ich eine Vor- stellung von dieser Blume, ich erkenne sie. Indem mir Je- mand eine Eisenbahn beschreibt, empfange ich eine Vorstellung von Eisenbahn, oder ich verarbeite vielmehr früher empfangene Vorstellungen swege, Wagenzüge, Geleise rc.) und bringe da- durch eine neue Vorstellung (Eisenbahn) hervor. Sobald ich nun eine Eisenbahn sehe, erkenne ich sie. Die Thiere können zwar auch Vorstellungen empfangen, aber sie vermögen es nicht, diese Vorstellungen zu verarbeiten und dadurch neue Vorstellungen zu erzeugen. Das Vermögen der Seele, Vorstellungen zu empfangen, zu bearbeiten hervorzubringen und da- durch zur Erkenntniß von Dingen und Thätigkeiten zu gelangen, heißt Erkenntnißvermögen. Schlägt der Lehrer einen Schüler, so empfindet der Ge- schlagene gewiß Schmerzen; aber auch der Lehrer empfindet Et- was, das ihm vielleicht noch weher thut, nämlich Zorn, oder Kummer, oder Mitleiden. Selbst die übrigen Schüler bleiben dabei nicht gefühllos, sondern empfinden Schrecken, Bedauern, Mißbilligung der bestraften Unart, vielleicht gar Schadenfreude. Die Empfindungen des Lehrers und der übrigen Schüler sind aber nicht, wie bei dem geschlagenen, Empfindungen des Körpers, sondern (unmittelbar) der Seele. Dergleichen sind auch die Ge- fühle des Wohlwollens, der Freundschaft, der Dankbarkeit, des Zutrauens, der Hochachtung der Bewunderung, der Selbstliebe, der Ehrliebe, des Froh, und Trübsinnes, der Sehnsucht, der Reue, des Argwohnes, der Furcht rc. Sind diese innern Empfindungen stark, so nennt man sie Gemüthsbewegungen oder Affekte. Das Gefühlsvermögen ist das Vermögen der Seele, sich freuen und betrüben zu können und sich überhaupt der Zustände der Seele (seiner jedesmaligen innern Verfassung) unmittelbar bewußt zu werden, oder an- genehme und unangenehme Gefühle zu haben, oder die Empfänglichkeit für angenehme und unangenehme Gefühle. In der Regel begehren wir das Angenehme, das Unange- nehme verabscheuen wir, und das haben wir mit den Thieren gemein. Wir sind aber auch im Stande, aus guten Gründen gerade das Unangenehme zu begehren und das Angenehme zu

8. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 2

1850 - Königsberg : Bon
2 Die meisten Lehrer sind für die Naturkunde zu mangelhaft vorbereitet. Bei einem drei- oder gar nur zwei- jährigen Seminarkursus ist kein gründlicher und systematischer Unterricht in den Naturwissenschaften möglich, wenn die Semi- naristen nicht schon bedeutende Kenntnisse mitgebracht haben. Die Präparanden sollten also auch in der Naturkunde geprüft werden, wie im Rechnen, der Sprache rc. Dann würden die Seminarlehrer, welche in der Regel mit Liebe und Begeisterung für dieses Fach erfüllt sind, auch mehr leisten können. Die be- reits angestellten Lehrer sollten auch in der Naturkunde ihre Kenntnisse immer mehr erweitern, sich in dieser Absicht an Apo- theker, Aerzte, Gärtner, ältere Amtsbrüder rc. anschließen und so viel als möglich selbst die Natur beobachten, wie Diesterwez sagt, „Naturforscher werden/' Man hält gewöhnlich die Naturkunde für viel zu unwichtig oder gar für überflüssig, weil sie nicht unmit- telbar Geld und Brot einbringt. Aber verarbeitet nicht jeder Handwerker Stoffe aus der Natur? Hat es nicht der Landmann mit der Erzeugung von Naturprodukten, der Materialist mit dem Verkaufe derselben zu thun? — Kann wohl eine Semmel ge- backen, Seife gekocht, Bier gebraut, Zeug gefärbt werden rc. ohne Anwendung physikalischer Gesetze? Und wird nicht bei der immer steigenden Concurrenz derjenige Gewerbtreibende mehr lei- sten und bessere Kunstprodukte liefern, der sein Geschäft mit Ein- sicht und Bewußtsein verrichtet? — Schaffte aber auch die Na- turkunde nicht materielle Vortheile, so ist doch die Bekanntschaft mit der Natur von ungemeiner Wichtigkeit für den Geist und das Gemüth des Menschen. Erfüllt uns nicht eine aufmerksame Betrachtung der Werke Gottes mit Ehrfurcht und Liebe gegen den Schöpfer? Würden wir wohl Gesetze gegen Baumfrevel, Vereine gegen Thierquälerei nöthig haben, wenn alle Menschen von Jugend auf gewöhnt wären, in der Natur ihre reinsten Freuden zu finden und in dem Geschöpfe den Schöpfer zu ehren? Könnte wohl in der Mitte unseres erleuchteten neunzehnten Jahr- hunderts der Aberglaube aller Art noch immer so tief im Volke — und sogar unter den gebildet sein wollenden Leuten — wur- zeln, wenn für Volksbildung überhaupt und für genauere Be- kanntschaft des Volkes mit der Natur besser gesorgt worden wäre? Die mystische Richtung vieler unserer Zeitgenossen hat gewiß ihren Grund mit in dem Mangel an physikalischen Kennt- nissen; wenigstens ist mir kein Naturforscher bekannt, der jener Richtung angehört. Vielen Lehrern fehlt es angeblich an Zeit, Unter- richt in der Naturkunde zu ertheilen. Solche Lehrer sind entweder zu unwissend, oder zu träge und unbeholfen. Ist auch die Zeit für einen systematischen Unterricht in der Naturkunde in denjenigen Landschulen, die fast nur im Winter regelmäßig

9. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 207

1850 - Königsberg : Bon
S07 und füllen gleichsam die Lücken aus, welche jene in den Gelenken gelassen haben. Es giebt 2 Arten von Muskeln, Beuger und Strecker; jene laufen über den innern Winkel des Gelenkes, diese über den äußern, oder jene stellen je 2 Knochen in einen Winkel gegen einander, diese dagegen in einerlei Richtung. Dies gilt vorzüglich von den Gliedmaßen. Die Muskeln, 500 an der Zahl, theilen sich, wie das Knochengerüst, in verschiedene Haupt- massen. Eine Abtheilung bewegt den Kopf, eine andere den Rumpf, und noch eine andere die Glieder: Kopf-, Rumpf- und Gliedermuskeln, die jedoch nicht immer streng von ein- ander getrennt sind. Jeder Muskel ist mit einer Fetthaut, dem Zellgewebe, umgeben, damit sich keiner am andern reiben oder mit dem andern zusammenwachsen kann. Das erstere würde uns Schmerzen verursachen, und letzteres den freien Gebrauch jedes Muskels hindern. Ohne Hülfe der Muskeln könnten wir nicht stehen, nicht gehen, kein Glied und kein Auge rühren, nicht sprechen und nicht schlingen, nicht kauen, nicht verdauen, kein Herzschlag und kein Athemholen könnte stattfinden. Außerordentlich ist die Kraft und Schnelligkeit der Muskeln. Welche Gewalt üben nicht unsere Backenmuskeln aus! Welch' schwere Lasten hebt nicht ein starker Mann! Durch Ue- bung und Arbeit werden sie gestärkt; daher sind Leibesübungen (das Turnen) von großem Nutzen sowohl zur Erhöhung der Kör- perkraft und Beförderung der Gesundheit, als auch zur Erhöhung des Muthes in Gefahren. Jeder Muskel, der keine Uebung hat, wird schwacher. Durch Uebung haben es manche von Natur schon starke Menschen zu einer übermenschlichen Stärke gebracht, wie z. B. Simson und viele hundert Menschen aus der älteren und neueren Zeit. So bewundernswürdig wie die Kraft der Muskeln ist auch ihre Schnelligkeit Mit welcher Behendigkeit sprechen wir nicht! Wie viele tausend Laute bilden unsere Sprach- werkzeuge in einer Viertelstunde, und gleichwohl erfordert fast jeder Laut eine besondere Muskelbewegung. Mit welcher Behen- digkeit bewegt der Clavierspieler seine Finger! Auch reden unsere Muskeln eine ganz eigene Zeichensprache; denn durch sie drücken wir alle Gemüthsbewegungen aus. Daß man Liebe, Mitleiden, Zorn, Verachtung, Scham und Verlegenheit auf unserm Gesichte liest, daß unser ganzer Körper durch Geberden ausspricht, was wir denken und reden, kommt einzig und allein von der Einwir- kung unserer Seele auf unsere Muskeln. Die Veränderungen, welche unsere Muskeln bei jeder Gemüthsbewegung machen, las- sen allmälig so bleibende Spuren zurück, daß man den meisten Menschen ihre Gemüthsart mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Gesichte lesen kann. Auch Geistesfähigkeiten und Eigen- schaften leuchten gewöhnlich aus den Augen und Gesichtszügen hervor; daher sagt man: der Mann hat ein gescheidtes, ein schlaues und witziges, oder dummes Ansehen; er sieht spöttisch.

10. Die Naturkunde oder die Naturgeschichte und Naturlehre in Volksschulen ; geknüpft an den Lesestoff im Preußischen Kinderfreund ; mit einer Steindrucktafel - S. 250

1850 - Königsberg : Bon
250 dieselbe wird der Mensch sich selten oder nie zu geistigen Gefüh- len erheben. Die geistigen Gefühle werden ferner unterschieden in: a. Das Gefühl für das Schöne (Schönheits- oder ästhetisches Gefühl), das wir demjenigen zuschreiben, der das Schöne an Ge- genständen leicht entdeckt und an dem Schönen an sich (ohne Rücksicht auf Nutzen oder Vortheil) Wohlgefallen hat (Kdrfr.1l. Nr. 89.). b. Das Gefühl für das Wahre (Wahrheits- oder intellectu- elles Gefühl) besitzt derjenige, der Wohlgefallen hat an der Wahr- heit und ihrer Erkenntniß und zugleich auch fähig ist, das Wahre leicht und schnell zu entdecken, zu beurtheilen und zu treffen, ohne sich erst die Gründe dafür vorhalten oder entwickeln zu dürfen. Das Wahrheitsgefühl treibt uns zum Lernen, Nachdenken, Forschen mächtig an; das Wissen macht Vergnügen und schafft uns jene reinen Freuden der Erkenntniß. Das Zweifeln über eine Wahrheit, das Schweden in der Ungewißheit macht uns unruhig und erregt ein Gefühl von Unlust, das seinen Grund eben in dem erwachten Wahrheitsgefühle hat (Kdrfr. 11. Nr. 14.). c. Das Gefühl für das sittlich Gute (das sittliche oder mo- ralische Gefühl) schreiben wir demjenigen zu, welcher an dem, was recht und gut ist, Wohlgefallen und an allem, was unrecht und böse ist, ein Mißfallen hat. Das Wohlgefallen an dem, der recht und gut handelt, nennen wir Achtung. Das sittliche Gefühl bezieht sich sowohl auf unsere eigenen, als auch auf fremde Gesinnungen und Handlungen. Sind wir uns guter Gesinnungen und Thaten bewußt, so werden wir uns selbst achten, bei dem Gegentheil verachten (Kdrfr. 11. Nr. 133 ). d. Das religiöse Gefühl ist das höchste und heiligste aller Gefühle. Es entspringt aus dem Glauben an ein höheres Wesen, das der Mensch vermöge seiner Vernunft ahnen und erkennen kann, und giebt sich kund in den Gefühlen der Ehrfurcht, der Liebe und des unbeschränktesten Vertrauens gegen Gott, als den Urquell alles Schönen, Wahren und Guten. Bei der Mangel- haftigkeit, Veränderlichkeit und Unbeständigkeit alles Irdischen findet der Mensch nur Trost und Beruhigung in dem Gedanken an ein ewig unveränderliches, höheres Wesen; es wird ihm wohl in dem Aufblicke zu diesem Urwesen, und aus dem Glauben an Gott und eine göttliche Weltregierung keimen alle jene be- seligenden Gefühle hervor, welche zu frommen Gesinnungen und Thaten entflammen und sich auch in den wohlwollenden Gefühlen der Mitfreude, des Mitleides, der Barmherzigkeit rc. gegen andere Menschen aussprechm.
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