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1. Neue Zeit - S. 23

1897 - Stuttgart : Neff
23 Zweiter Abschnitt. Die Reformation in Deutschland und der Schweiz; Karl Y. Kapitel Iii. Anfänge der deutschen Reformation. §10. Der deutsche Humanismus im Kampf gegen die Scholastik und die kirchlichen Zustände. Johann Reuchlin (bei andern „Capnion“, geb. in Pforzheim 1454, f 1522), von Beruf Jurist, gehörte seinem Wesen und Streben nach der älteren, der Scholastik noch nicht feindseligen Richtung des deutschen Humanismus an. Durch theosophische Neigung mit der Kabbala, der Geheimlehre der jüdischen Rab- biner befreundet, erwarb er sich seit 1492 gründliche Kenntnis des Hebräischen, wurde so „trium linguarum peritus“ und ermöglichte durch zwei Werke: „Ruclimenta hebraica“ 1506 und ,,De accentibus et orthographia linguae hebraicae“ 1518, ein Verständnis des Urtextes des Alten Testaments. Sein Auf- treten gegen den getauften Juden Johannes Pfeffer- korn, der, von den Kölner Theologen, insbesondere dem Ketzer- meister Jacob von Hochstraten unterstützt, die Konfis- kation aller jüdischen Religionsbücher im Reiche anstrebte, und gegen jede gewaltsame Judenbekehrung (sowie für den Talmud) gab Veranlassung dazu, dass die Humanisten der jüngeren, der Scholastik (den „Sophisten“) und dem bestehen- den Kirchenwesen durchaus feindlichen, Richtung (die „Poeten“) sich zum Angriff auf Scholastik und Kirche, ins- besondere das Mönchtum, zusammenschlossen. In den epistolae obscnrorum virorum, einer Sammlung an- geblicher Briefe von Anhängern der Scholastik zumeist an den Kölner Magister Ortuin Gratius, wurde das abscheuliche Latein und die hohle und alberne Spitzfindigkeit der damaligen Scho- lastik, wie die Unbildung und Immoralität des Klerus, ins- besondere des an den Universitäten wirkenden, mit karrikierender Uebertreibung geschildert. Der Gedanke dieser Einkleidung der satirischen Polemik rührt von Crotus Rubianus her, der in Ver- bindung mit anderen Persönlichkeiten des Erfurter Humanisten-

2. Neue Zeit - S. 187

1897 - Stuttgart : Neff
' 187 war, verdrängte lange die vorher wirksame Richtung auf Ausbildung des Nationalen, machte aber der eingetretenen Verwilderung nach und nach ein Ende. Für diese Kavaliersbildung gründete man vielfach Ritterakademien: z. B. 1655 in Lüneburg, 1709 in Cassel (als eine Art Erneuerung des im Krieg zu Grunde gegangenen Collegium Mauritianum vom Jahr 1618), in Brandenburg 1704, in Berlin 1705. Verkörpert war dieses neue höfische Bildungsideal in dem ausserordentlich vielseitig begabten, thätigen und strebenden Gottfried Wil- helm Leibniz (1646—1716, in der Geschichte der Philosophie bedeutend durch seine Monadenlehre, die Annahme der „prästabilierten Harmonie“ und durch seine Theodicee), der unerschöpflich war in Entwürfen, durch staatliche Nutzbarmachung und Organisierung der Wissenschaft die Kultur der Menschheit, insbesondere Deutschlands, zu reformieren. Diese modernen Anschauungen und zugleich eine entschieden nationale Richtung vertrat im Kreise der Universitäten Christian Thomas(ius) 1655—1728, der 1687 es wagte, in deutscher Sprache zu lesen, eifriger Bekämpfer des Hexenprozesses und der Folter. 1694 wurde die erste moderne Universität Halle, 1700 die Gesellschaft der Wissenschaften zu Berlin gegründet. In Halle wirkte auch Hermann Francke (1668—1727), An- hänger des von Philipp Jacob Spener (1685 — 1705) geschaffenen Pietismus, der zu Anfang ein praktisches Christentum des Handelns und Fühlens (collegia pietatis) der in Formeln erstarrten scholastischen Dogmatik der protestan- tischen Theologie entgegenstellte. Die Feindseligkeit der Konfessionen war mit dem Ende des 30jährigen Kriegs noch nicht geschwunden. Aber die Thatsache, dass der lange dog- matische Streit mit einem Rückgang der Sittlichkeit verbunden gewesen war, und die Erinnerung an die Leiden und Greuel des Kriegs schwächten die Gefühlswirkungen dieser Feindseligkeit beim Volk, besonders aber bei den Gebildeten, immer mehr. Bestrebungen des Helmstädters Georg Calixt (f 1656) und seiner Schüler, auf Grund umfassender Forschung über dem Unterschied der Konfessionen eine höhere Einheit weniger grosser Funda- mentalsätze des Glaubens herauszubilden, minderte freilich die Widerstands- kraft des Protestantismus und führte zum Uebertritt mancher Gelehrten, wie sie dem von Angehörigen protestantischer Fürstenhäuser zur Deckung diente. Kapitel Xvi. Das festländische Europa 1648—60. § 57. Frankreich unter Mazarin. Mazarin und die Fronde. Nach Richelieus Tode trat an seine Stelle der Italiener Kardinal Mazarin. Als Lud- wig Xiii. Mai 1643 starb, sicherte er sich die leitende Stellung, indem er der ihm geneigten Anna von Oesterreich (Spanien), dem Testament ihres Gemahls zuwider, vermittelst des Parlaments unbeschränkte Regentschaft für ihren 1638 geborenen Sohn Lud- wig Xiv. verschaffte. Nachdem eine gegen sein Leben gerichtete

3. Neue Zeit - S. 164

1897 - Stuttgart : Neff
164 und Bestrebungen zu pflegen, und sprang nicht selten von der einen Richtung in eine entgegengesetzte über. Er hatte Sinn für höhere und allgemeinere Interessen und Ziele, aber seine Selbstsucht blieb in ihm stets stärker. Mit dieser Selbstsucht war eng verbunden ein fester Glaube an seinen Stern, eine durchaus fatalistische Anschauung, die glaubte, die einzelnen Richtlinien des Geschicks durch die Astrologie zu erkennen. Leidenschaftlichen Temperaments und in Worten aufbrausend und vielfach unvorsichtig, wusste er sich doch zu beherrschen und vermied es, schriftlich sich zu binden. Religiös war er indifferent, und wenn er später in gewissem Masse für Religionsfreiheit und Duldung sich aussprach, so ging das nicht aus innerer Gesinnung, sondern nur aus politischer Klugheit hervor. Als Emporkömmling entfaltete er un- gewöhnlichen Prunk und liebte es, sich in unnahbarer Einsamkeit über die Menschen zu erheben. Wallensteins erstes Generalat bis 1627. Infolge eines Sturzes Christians war es 1625 nicht zu grösseren Operationen gekommen. Mansfeld, der mit seinem Heere nach Schlesien und den habsburgischen Erblanden Vordringen wollte, suchte, auch um sich die Verproviantierung zu sichern, Wallenstein, der schon über 50000 Mann verfügte, von der Elbe zu ver- drängen, wurde aber 15. April 1626 an der Dessauer Elb- brücke schwer geschlagen. Mit Rücksicht auf den Aufstand der oberösterreichischen Bauern und in Hoifnung auf eine Ko- operation Bethlen Gabors veranlasste Christian Iv. Mansfeld, der in Kurbrandenburg sein Heer wieder ergänzt und geordnet hatte, doch nach Schlesien zu ziehen, das sich aber nicht erhob. Von Wallenstein am Einmarsch in Mähren gehindert, zog Mansfeld nach Ungarn und legte hier, da Bethlen bald nach seiner Vereinigung mit ihm seinen Frieden mit Ferdinand vorbereitete, den Oberbefehl nieder; er starb, auf dem Weg nach Venedig, in Bosnien Ende November, kurz nach Christian von Halber- stadt. Dem Vordringen Christians Iv. südwärts hatte seine Niederlage durch Tilly 27. August 1626 bei Lutter am Barenberg ein Ende gemacht. Nachdem Wallenstein durch den Sieg bei Ko sei Juli 1627 die Mansfelder aus den kaiser- lichen Landen verdrängt hatte, beendete er, jetzt im ganzen über 70000 Mann verfügend, die von Tilly schon begonnene Eroberung der festländischen Gebiete des Dänenkönigs. Eine umfassende Besitzänderung in Norddeutschland wurde begonnen; kaiserliche und ligistische höhere Offiziere be- mächtigten sich weltlicher Fürstentümer. Wallenstein selbst (seit Anfang 1627 Herzog von Friedland), dem der Kaiser 1627 das schlesische Herzogtum Sagan kaufweise übertragen hatte, erhielt Mecklenburg, dessen Herzoge geächtet waren, An- fang 1628 als Pfand (Juni 1629 als erbliches Reichslehen). Seine Vollmachten als Feldherr wurden 1628 noch erhöht; er erhielt auch das Recht, die Obersten zu ernennen.

4. Neue Zeit - S. 210

1897 - Stuttgart : Neff
210 Territorialbesitzes und der Kriegführung gegen Nichtchristen, sowie der Münz- prägung. Ueber die nordamerikanischen Kolonien s. § 92. Die Industrie wurde gefördert auch durch eifrigepflege der Natur- wissenschaften und Mathematik. (Isaac S. Newton, 1642—1727, Begründer einer Naturwissenschaft, die den gesamten Verlauf des natürlichen Geschehens aus mechanischen Kräften erklärt.) Die bedeutendsten Dichter waren der Idealist Milton (1608—1674), eifriger Anhänger des Puritanis- mus und publizistischer Vorkämpfer der Republik, Dichter des „Verlorenen Paradieses“, und der lebenslustige Spötter Butler (1612 — 1680), der in sei- nem „Hudibras“ die Puritaner satirisch und karikierend verhöhnte. Thomas Hobbes (1588—1679), der lange in Paris lebte, vertrat als Bekämpfer des Aberglaubens und der Theologie eine naturalistische, das Kausalitäts- gesetz streng durchführende Auffassung der Welt und des Men- schen; er Hess den Staat, dem er zur Abwendung des Krieges aller gegen alle absolute Autorität, auch den Kirchen gegenüber, zusprach, aus einem Vertrage hervorgehen, in dem die Unterthanen auf ihre Rechte verzichten; das positive Recht war so auf dem Naturrecht begründet. John Locke (1682—1704), für seine Person, wie Newton, gläubiger Christ, leitete alle Erkenntnis aus Erfahrung undlnduktion ab (Sensualismus), lehrte Toleranz (die von Rom abhängigen Papisten und Gottesleugner aus- genommen), begründete die Lehre von der Volkssouveränität und leitete den Staat als Rechts- und Verfassungsstaat mit geteilten Gewalten ans einem Vertrag zwischen Volk und Regierung ab. Kapitel Xix. Frankreichs Vorherrschaft unter Ludwig Xiv. Verdrängung der osmanischen Macht aus Ungarn und Siebenbürgen. § 64. Ludwig Xiv. und sein Regiment in Frankreich. Ludwig Xiv. hatte nur mangelhafte Bildung genossen, jedoch war er von Mazarin frühe mit Regierungsgeschäften be- kannt gemacht worden und besass, ohne genial zu sein, viel Verständnis für die Politik, reifliche Ueberlegung und gute Be- obachtung der Verhältnisse und der Menschen. Grosse und geregelte Arbeitsamkeit zeichnete ihn bis in sein hohes Alter aus. Aber er ermangelte tieferen menschlichen Gefühls, und rücksichtslos bethätigte er seine Grundanschauung, dass er als Statthalter Gottes („omni liomine major, solo Deo minor“) blinden Gehorsam und eine Art übermensch- licher Verehrung („le roi soleil“) beanspruchen, sowie nach Willkür als einziger Eigentümer mit dem Ver- mögen der Unterthanen schalten und über deren

5. Neue Zeit - S. 262

1897 - Stuttgart : Neff
262 auch die Schulen beherrschenden, Philosophie auf die reli- giösen Wahrheiten machte den „Rationalismus“ zur mass- gebenden Richtung in der protestantischen Theologie. Dessen Unfälligkeit, dem Wesen lebendiger Religiosität und der Be- deutung der Bibel für das protestantische Christentum gerecht zu werden, fand in der Einseitigkeit gewisser, das Empfindungs- leben ausschliesslich betonender und künstlich steigernder Rich- tungen (der „Brüdergemeinde“ in Deutschland, der „Methodisten“ in England, zum Teil auch in dem halb rationalistischen Mysti- cismus des Schweden Swedenborg) ihr Gegenstück; auf dem Boden der theologischen Wissenschaft traten dem Rationalismus in fruchtbarer und anregender Weise entgegen die Arbeiten Bengels (1687—1751), der die Quellen zur vollen religiösen Würdigung der neutestamentlichen Schriften erschloss, und Semlers (1725—91), der ein richtiges geschichtliches Verständ- nis derselben anbalmte. Die in der ersten Hälfte des Xviii. Jahr- hunderts sich geltend machenden Bestrebungen der katholischen Kirche, dem katholischen Standpunkt einen scharf zugespitzten Ausdruck zu geben (1708 Einführung des Feiertags der „unbefleck- ten Empfängnis“, 1728 Heiligsprechung Gregors Vii. unter Pro- test der österreichischen Regierung, 1732 Gründung des Redem- ptoristen-Ordens durch Alfons Liguöri), fanden in dem geistigen Leben der Zeit keinen Wiederhall und indirekt eine wissen- schaftliche Bekämpfung durch Justus Hennings Geschichte des Kirchenstaats der ersten drei Jahrhunderte. Die Jurisdiktion des Papstes über die Bischöfe und die selbständige Geltung der päpstlichen Bestimmungen über Glauben und Moral bekämpfte der Geschichtsforscher Hontheim 1763 unter dem Pseudonym Febronius. Durch die Aufklärungsphilosophie wurde innerlich vorbereitet die Entwickelung des deutschen Geisteslebens zu schöpferischer Selbständigkeit, die die zweite Hälfte des Xviii. Jahrhunderts dem „Volk der Dichter und Denker“ brachte; äusserlich vorbereitet und eingeleitet wurde sie dadurch, dass das zunächst noch vorhandene Bedürfnis der Anlehnung an gegebene Muster seine Befriedigung bei verschiedenen Autoritäten suchte und es so eben diesen Autoritäten gegenüber zu einer immer freieren Stellung kam. Die nach innerem Wert und Wirkung einzig dastehende Bedeutung der Blüte, deren sich das deutsche Geistesleben von 1748 an jahrzehndelang erfreute, beruht nicht bloss darauf, dass gleichzeitig der Dichtung und der Wissenschaft Deutschlands grosse Geister erstanden, sondern vor allem auch darauf, dass die schöne Litteratur sich mit dem ganzen Ertrag der wissenschaftlichen Arbeit, mit dem ganzen

6. Neue Zeit - S. 294

1897 - Stuttgart : Neff
294 Kapitel Xxvi. Westeuropa vor der französischen Revolution; die Begründung der nordamerikanischen Union. § 90. Frankreich unter Ludwig Xv. Aufhebung des Jesuitenordens. Ludwig Xv. regierte seit dem Tod des Kardinals Fleury (1743) ohne leitenden Minister, ein Spielball der eigenen Launen und noch mehr der Künste, durch die ehrgeizige Personen, ins- besondere die Marquise von Pompadour, die allmächtige Maitresse 1745—64, auf den trägen und sinnlichen König Einfluss ge- wannen. Die tiefste Erniedrigung erfuhr vollends das französische Königtum durch die Erhebung der „Gräfin“ du Barry zur könig- lichen Maitresse. Die Sitten der „guten Gesellschaft“ in Frank- reich entsprachen grossenteils dem Beispiel des Königs. Die Einrichtung des „schwarzen Kabinetts“, das Privatbriefe massen- weise eröffnen liess, und der gesteigerte Missbrauch der „lettres de cachet“, durch die der König Günstlingen und einflussreichen Persönlichkeiten Verhaftsbefehle zur Verfügung stellte, sowie das Spiel mit einer geheimen Diplomatie des Königs, die neben der amtlichen Frankreichs und dieser oft entgegen arbeitete, waren die bezeichnenden Mittel dieser „Selbstregierung“, die ihre Minister wieder grundsätzlich aus dem Adel nahm. Die auswärtige Politik, die 1758—70 Choiseul leitete, brachte Frank- reich Verluste, Schulden und Schande (s. § 83); ihr einziger Erfolg war, neben dem Anfall Lothringens 1766, der Erwerb der Insel Corsica, die 1768 von Genua abgetreten und 1769 nach Besiegung Paölis unterworfen wurde. Die finanzielle Miss- wirtschaft mit der am Hof herrschenden Verschwendung und mit dem Unfug der „Pensionen“, die aus der Staatskasse an Günstlinge des Königs und andere einflussreiche Privatpersonen bezahlt wurden, steigerte den ausschliesslich auf dem Bürger- stand, besonders den Bauern, lastenden Steuerdruck ins Masslose und zugleich den jährlichen Fehlbetrag auf 100 Millionen fr. Die Justiz war nicht nur in ihrer Untersuchung und ihren Strafen barbarisch, sondern stand vielfach im Dienst brutalster Willkür und religiöser Verfolgung, wogegen-Voltaire in rühmenswerter Weise ankämpfte (s. S. 258). Als religiöse Verfolgung betrachtete und bekämpfte Voltaire auch das Vorgehen der französischen Regierung gegen den Jesuitenorden, das im Zusammenhang mit

7. Neue Zeit - S. 381

1897 - Stuttgart : Neff
381 Zweiter Abschnitt. Die Zeit der Kämpfe um Verfassung und National- staat in Mittel-, Süd- und Westeuropa (1815—1871). Kapitel Xxxi. Europa 1816—1847. §117. Das geistige Leben Deutschlands im Zeitalter der Romantik. Die Aufklärung war durch die Entwickelung der Philosophie und schönen Litteratur in der zweiten Hälfte des Xviii. Jahrhunderts überwunden, ihr rationalistisches Ideal durch das der „Humanität“ ersetzt worden: die Aufgabe des geistigen Lehens wurde jetzt in einer der Eigenart jeder Er- scheinung gerecht werdenden Würdigung und innerlichen Aneignung aller in der Menschheitsgeschichte wirksamen Kräfte gefunden. Ihren Ausdruck fand diese Richtung in der Begründung einer Weltlitteratur durch Herder und Goethe, in dem ästhetischen Idealismus Schillers und Goethes, in der „spekulativen“ Philosophie J. G. Eichtes (1762—1814), Schellings (1775—1854) und Hegels (1770—1831), die das gemeinsam haben, dass sie die begriffliche Grundlage, die Kant für die Bewältigung des Ideenstoffs geschaffen hatte, benützten, um die Welt als ein mit immanenter Notwendigkeit sich entwickelndes System der Vernunft zu begreifen, und in der Religionsphilosophie Schleiermachers (1768 bis 1834), der in seinen „Reden über die Religion“ (1799) diese als „unbe- dingtes Abhängigkeitsgefühl“ fasste und in ihr selbständiges Recht neben den andern Grundrichtungen menschlichen Geisteslebens einsetzte. Der schöpfe- rischen Richtung ging eine kritische, teilweise auflösende, der spekulativen eine empfindsame zur Seite. In der Philosophie wiesen Schleiermacher und Herbart (1776—1841), der Begründer einer auf philosophischen, bzw. psycho- logischen Grundannahmen ruhenden ivissenschaftlichen Pädagogik, auf die Grenzen des menschlichen Erkennens hin, und dem optimistischen Panlogismus Hegels („alles Wirkliche ist vernünftig“) trat Schopenhauers (1788 bis 1838) Pessimismus entgegen, der den nie zu wahrer Befriedigung ge- langenden Willen als schöpferisches Prinzip betrachtet. In der schönen Litteratur übertrieb die „ältere Romantik“ der Brüder Schlegel (August 1767—1845 und Friedrich 1772—1829) und Tiecks (1773—1853) den Grundsatz, dass jede Erscheinung aus ihren eigenen Bedingungen be- urteilt werden müsse, in ungesunder Weise bis zum Verzicht auf jede objektiv gültige Norm, was sich auf ethischem Gebiet in der'unterscheidung zwischen bürgerlicher und „genialer“ Sittlichkeit, auf ästhetischem Gebiet in einem bei Jean Paul (Friedrich Richter 1763—1825) humoristisch-sentimentalen, bei den eigentlichen Romantikern gegen alles und alle ironischen, vermeintlich über- legenen Spielen mit geistreichen Einfällen aussprach. Die schweren Zeiten der Napoleonischen Herrschaft brachten eine V e r- tiefung und Erstarkung der sittlich -religiösen Motive; diese fand einen unmittelbaren Ausdruck in der patriotischen Erhebung der Frei- heitskriege und übte eine dauernde Nachwirkung durch den viel grösseren

8. Neue Zeit - S. 28

1897 - Stuttgart : Neff
28 Staupitz’s, eine Union zwischen den Konventualen und den Observanten zu erzielen, hervorgerufene) Zwist führte Luther Herbst 1511 als socius itine- rarius des Dr. Joh. v. Mecheln nach Rom. Die Eindrücke und Beobachtungen dieser Romreise wirkten aber erst später auf seine Stellung zur herrschenden Kirche ein. Wieder nach Wittenberg zurückgekehrt, wurde Luther, von Staupitz, welcher der Universität einen Ersatz für seine eigene Lehrkraft be- schaffen wollte, genötigt, Oktober 1512 Licentiat und dann Dr. theologiae. Dem Brauche zuwider las er exegetische Kollegien (Psalmen, Römer-, Galater-, Hebräer-Brief), wobei er sich aber noch überwiegend an die Vulgata hielt. 1515—18 erfüllte er die Pflichten eines Distriktsvikars für 11 Klöster in Sachsen und Thüringen mit grosser Hingebung; er wirkte als Prediger an ■der Pfarrkirche, wobei seine praktisch-volkstümliche und in die zentralen Anschauungen der christlichen Heils Wahrheit vordringende Weise bald die scholastischen Formen überwand. Wie in seinen religiösen Grundanschauungen, so wurde er auch in seiner Sprache und seiner Predigt beeinflusst, aber nicht massgebend geleitet von seinen Studien der deutschen Mystik (Taulers und eines Traktats des Xiv. Jahrhunderts, den er als „Deutsche Theologie“ 1518 vollständig herausgab). Immer mehr wandte er sich von der Scholastik ab und den Kirchenvätern und der Bibel (vor allem Augustin und Paulus) zu; den Aristoteles begann er als „heidnische Bestie“, „Feind Ghristi“, „giftigen Verwüster der reinen Lehre“ mit der ihm eigenen Leiden- schaft zu bekämpfen. Immer mehr befestigte sich in ihm die Ueberzeugung, dass der immer sündhafte Mensch von sich aus durchaus unfähig sei zur Er- langung des Heils und nur durch vertrauensvollen Glauben an Gottes frohe Verheissung und Christi Werk seines Heils gewiss werden könne („Recht- fertigung allein durch den Glauben“). Dass er damit in scharfen Gegensatz zur Lehre und Verfassung der Kirche trete, indem seine Grund- anschauung die kirchliche Heilsvermittelung ausschloss, war er sich noch nicht bewusst; dagegen bekämpfte er schon (wie damals manche andere) in Predigten und Vorlesungen das Uebermass und die Ueberschätzung von Heiligenkult, Wallfahrten, guten Bruderschaften und guten Werken. § 12. Der Ablassstreit. Luthers Bruch mit der herrschenden Kirche. Papst Leo X., ein Mann feinen Lebensgenusses, Förderer der Renaissance und ebenso erfinderischer als bedenkenfreier Finanzpolitiker, hatte dem Bruder des brandenburgischen Kur- fürsten Joachim I., Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Mainz, Administrator von Halberstadt, gegen eine bare Summe die Verkündigung des von Julius Ii. 1500 für den Neubau der Peterskirche ausgeschriebenen Ablasses (in forma Jubilaei) in seinen Sprengeln und den kurbranden- burgischen Landen auf die Dauer von acht Jahren übertragen. Die Hälfte des Ertrags wurde dem Erzbischof bestimmt, damit er dem Bankhaus der Fugger die Schuld heimbezahlen könne, welche er für die von ihm persönlich übernommenen Mainzer Pallien- gelder aufgenommen hatte. Der Dominikaner Joh. Tetzel aus Leipzig, ein erfahrener Ablassagent, wurde 1517 von Al- brecht mit der Sache betraut. Die (keineswegs unge-

9. Neue Zeit - S. 89

1897 - Stuttgart : Neff
89 r und Vornehmen), durch Leitung „marianischer Kongregationen“ und durch die Mission. Don Iñigo Reealde de Loyola 1491 (oder 93) als jüngerer Sohn eines vornehmen haskischen Geschlechts gehören, wurde 1521 bei von ihm durch- gesetzter, zäher, aber aussichtsloser Verteidigung Pampelönas gegen ein fran- zösisches Heer schwer verwundet. Auf dem Krankenlager zeigte er ungewöhnliche Willensstärke. Die Lektüre der auf dem väter- lichen Schloss allein vorhandenen Schriften, einer Evangelienharmonie und einer „Blütenlese der Heiligen“, erfüllte seine glühende Phantasie mit den Idealgestalten eines h. Dominikus und Franziskus; diese neuen Ideen und Phantasieen erregten in seinem Herzen dauernde Freude, und so weihte er sich dem Dienste Gottes, vor allem aber der Jungfrau Maria. Kaum genesen, hängte er am Altar der Jungfrau Maria auf dem Monserrat seine Waffen auf und hielt Fahnenwacht. Im Dominikaner- kloster inmanresa übte er im Eremitengewand schärfste Askese mit Fasten, Geissein und stundenlangem Gebet, sowie Beichte und peinlichste innereselbstbeobachtung; seine Seele gelangte von schwerster Verzweiflung zuhohene r leucht ungenundsch wärm erischenent- zückungen; mit zunehmender Selbstbeherrschung, „Diskretion“ ward er aber des Schwankens Meister und erlangte für das Schwärmen und die Erleuch- tungen Mass und Ziel. Diese Erlebnisse in Manresa wurden ihm Grundlage und Muster für die exercitia spiritualia, in deren allmählicher Ausbildung und stufenweiser Anwendung er tiefe Kenntnis des menschlichen Seelenlebens bethätigte. Ihr „ganzes Geheimnis ist eine mili- tärische Schulung des Herzens und Willens“, der Endzweck der durch sie bewirkten Zerknirschung und Entzückung die Befreiung des Willens von der Herrschaft der Affekte und eine Gottgelassenheit des Ge- müts, die den Menschen befähigt, in der Welt den Ideen bezw. der sie ver- körpernden Autorität durchaus dienstbar zu sein. Als Ignatius 1528 nach Jerusalem gelangt war, verbot der dortige Franziskanerprovinzial dauerndes Weilen und Wirken an der heiligen Stätte. Er sah nun ein, dass es ihm für die geplante Thätigkeit im Dienste der Menschheit an der nötigen Vorbildung fehlte und setzte sich — mindestens 30 Jahre alt — in Barcelona auf die Schulbank, um Latein zu lernen. Zwei Jahre später be- gann er philosophische Studien auf der (von Ximenes gegründeten) Universität Alcalá, später in Salamanca, und gewann schon hier unter Studierenden und Nichtstudierenden Anhänger. Infolge der Aehnlichkeit seiner Anschauungen und Exercitien mit den „Alumbrados“ (= Illuminaten) wurde er mehrmals der bischöflichen Inquisition verdächtig und von ihr eingekerkert. 1528 begab sich Ignatius nach Paris, der Hochburg der Scholastik, lernte die ersten zwei Jahre Latein und studierte dann Theologie. Er gewann Studierende für seine Sache: u. a. den savoyardischen Bauernsohn Peter Faber, den vornehmen Basken Franz Xavier, die Castilianer Diego Lainez (zweiter General des Ordens) und Alonsosalmerön,die zukünftigen Theologen, und den Genfer Claudejay, den zukünftigen Diplomaten des Ordens. Mariä Himmelfahrt 1534 legte die fromme Studentengesellschaft, die zunächst das allgemeine Ziel der caritas im Auge hatte, auf dem Montmartre das Gelübde ab, in Palästina zum Wohl ihrer Mitmenschen zu tvirken bezw. nach ihrer Rückkehr sich dem Papste zu beliebiger Verwendung und Verschickung zur Verfügung zu stellen. (Aehnliche Studenten- vereine entstanden dann in Löwen und Köln.) Die Mittel zum Unterhalt eines Teils der Genossen erlangte Ignatius von Anhängerinnen in Barcelona und von spanischen Kaufleuten. Nach einem Besuch in seiner Heimat traf er 1536 in Venedig mit seinen Genossen zusammen, die jetzt alle die Priesterweihe hatten.

10. Neue Zeit - S. 98

1897 - Stuttgart : Neff
98 Ii i ¡fj l ;Ïh A ständiger und freier Lebensführung wahren wollten (später mit ungerechter Verallgemeinerung „Libertins“) und gegen andersdenkende Theologen. Er betrachtete sich als das berufene Werkzeug des Herrn und jeden Widerspruch oder Tadel als schweren Frevel. Seine Unduldsamkeit bethätigte er am schroffsten gegen den Dreieinigkeit und Prädestination be- kämpfenden Spanier Miguel Servet. Er denunzierte ihn zuerst dem Inquisitor von Lyon, liess ihn dann, als er auf der Flucht nach Genf kam, verhaften, anklagen und wegen Ketzerei — freilich mit Billigung der meisten protestantischen Theologen jener Zeit — verbrennen (16. Oktober 1553). Die Häupter der Gegenpartei wurden, nach einem kleinen Putsch, in gericht- lichem Verfahren teils hingerichtet, teils verbannt (1555). Die Strafpflege war überhaupt äusserst hart und übereifrig (beson- ders viele Hinrichtungen wegen Zauberei). Calvins 1547 end- gültig angenommene Ordonnances ecclésiastiques über- wiesen die Handhabung der Kirchenzucht, die die Lebensführung bis ins einzelnste regelte und durch eine Art Spionage und Denunziation beaufsichtigte, dem aus den 6- Stadtgeistlichen und 12 alljährlich gewählten Laienältesten („Presbytern“) be- stehenden Consistorium. Dieses Sittengericht konnte seine höchste Strafe, die der Exkommunikation, nur mit Anzeige an den Rat verhängen, dem allein bürgerliche Strafen zustanden. Grosse Sorgfalt wandte Calvin der Schaffung von Hospitälern und Schulen zu. Die Genfer Akademie (1559 gegründet), deren Studenten alle die Lehre von der Prä- destination unterschreiben mussten, übertraf an Ernst der Lebens- führung und des Studiums bald die deutsch - protestantischen Universitäten und wurde die theologische Hochschule für den westeuropäischen Protestantismus, dem Calvins Geist überhaupt sein Gepräge gab. Das „protestantische Rom“ wurde dessen Mittelpunkt; die starke Betonung des Alten Testaments, noch mehr die Lehre von der Prädestination verlieh den Anhängern des westeuropäischen Protestantismus ihren tiefen und wirksamen Hass gegen die alte Kirche, ihre Zähigkeit und Festigkeit im Dulden und Kämpfen für die neue Lehre den feindlichen Staatsgewalten gegenüber; die strenge Zucht Calvins erhöhte die Kräfte der protestantischen Minori- täten im Angriff und in der Verteidigung. Schon Calvin selbst erstrebte und pflegte möglichst enge und rege Verbindung mit den Protestanten anderer Länder. Nach seinem Tode (21. Mai 1564) setzte Theodor Beza, ebenfalls ein Franzose, sein Werk fort. Die dogmatische Einigung mit der deutsch- schweizerischen Reformation, schon 1549 durch den i
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TM Hauptwörter (200)200

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