211
Zweites Kap. Religion.
Priester und Lehrer der Theologie auf der hohen Schule zu Oxford, Lehren
vor, welche von jenen der nachfolgenden großen Reformatoren im Wesen
wenig verschieden sind. Er verwarf die Vervielfältigung der Ceremonien beim
Gottesdienste, die Transsubstantiation, die Oberherrschaft der römischen Kirche,
den Reichthum der Geistlichkeit, das Mönchthum und zumal die Bettelorden.
Er behauptete, die heilige Schrift sey die einzige Richtschnur des Glaubens, *)
die himmlische Gnade — hierin der augustinischen Strenge beipflichtend —
die einzige Hoffnung des Heils. Also zernichtete er — voll Eifers wider die
mißbrauchte menschliche Autorität —- die Freiheit des Einzelnen durch
die unbedingte Vorherbestimmung, gleichwie er, aus Scheu vor der einheimischen
Kirchengewalt, die Freiheit der gesammten Kirche hingab an die weltliche
M a ch t.
Diese Lehren fanden ausgebreiteten Beifall, erregten aber den Haß des
Klerus. Papst Gregor Xi. verordnete den Kezerproccß wider Wiklcf, der
jedoch durch den mächtigen Schuz des Herzogs von Lancaster und anderer
Großen dem ersten Angriffe entging. Später vertheidigten ihn die Ge-
meinen, nach den Grundsäzen verfassungsmäßiger Freiheit; und am meisten
beschwichtigte Er Selbst die Gegner durch die Nachgiebigkeit, womit er die
anstößigsten seiner Lehren mildernd erklärte. Er starb als Pfarrer in Lutter-
worth (1384) und die Flüche der Verdammung schallten blos über sein
Grab.
Seine Schüler (man nannte sie wie andere Kezer Lollharden und
Beghar den), **) pflanzten die Meinungen des Rcformartors theils in ge-
*) Noch hat er das neue Testament in's Englische übersezt.
**) Die Ueberreste der Waldenser und Albigenser und viele von ihnen abstammende
Sekten, welche unter mancherlei besonderen Namen, auch vielfacher Abweichung von den
Lehren der Hauptsekte, in den Ländern zerstreut erscheinen, werden oft zusammengefaßt
unter dem allgemeinen Namen der Lollharden. Mit ihnen verwandt, wiewobl ans»
gezeichnet durch besonders schwärmerisches Treiben, waren die Bcgharden und (ihreschwe-
stern die) Begninen, welche zum Theil durch Gelübde sich verbunden hatten zu einem
dem Gebete und den Bußübungcn geweihten Leben, und meist wandernd und Proselyten machend
umherzogen. Als Lehrer der strengen evangelischen Armuth waren alle diese Sekten der hohen
Geistlichkeit und dem Papste verhaßt. Viele verunstalteten auch die, von den Waldensern her-
rührenden, freien und verständige» Meinungen durch so abenteuerliche Uebungen und Schwär-
mereien, daß sie gerechten Grund zun» Aegerniß oder Unwillen gaben. Merkwürdige Beispiele
davon lesen wir in „Joh. Conr. Fueßlin's Kirchen- und Kezerhistorie der mitt-
leren Zeit." Der Verwandtschaft der Waldenser mit den Pauliciancrn haben wir sihoa
14'
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
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Extrahierte Personennamen: Gregor_Xi Gregor Lancaster Conr
68
und dtö Wasserweges nach Ostindien.
übrige Unterthanen, der Wohlthaten eines gleichen Nechtes genießen, keine
gezwungene oder keine unbezahlte Dienste den Eroberern thun. alle ihre Lei-
stungen sollten durch's Gesez oder durch Vertrag bestimmt seyn. Allein durch
diese milde, später noch oft wiederholte, Verfügung bekamen sie doch ihre als
Eigenthum der Pflanzer oder der Krone behande'ten Gründe nicht wieder.
Der Hunger führte sie demnach in vertragsmässige Knechtschaft. Sodann
waren es die Spanier Selbst, welchen der Vollzug jener Geseze vertraut
blieb. Von der Gnade und Menschlichkeit des Vieekönlgs oder eines Bezirks-
Verwalters hing es daher ab, welche Kraft sic haben sollten. Ilebcrhaupt
aber konnten sic nicht rückwärts wirken, und immer bleibt Wiederherstellen
schwerer, als Zerstören. Freilich erholte sich im Laufe der Jahrhunderte die
dahingeschwundene Bevölkerung wieder. Es giebt Länder, wie Mexiko,
Neu-Granada u. a., worin sie heut zu Tage wahrscheinlich zahlreicher,
als zur Zeit der Eroberung ist; doch in den meisten ist sie, was die einge-
borene Nacc betrifft, dürftig geblieben, und was durch die Gunst des Klima's
und durch milde Geseze zu ihrer Vermehrung geschah , wurde oft wieder mehr
als ausgewogen durch die wiederkehrenden Verheerungen des Hungcrs und der
Seuchen, durch jene des immer fortwährenden Drucks und des übermäßigen
Gebrauches von Rum und Branntwein.
Auch die Kultur der Amerikaner ist nur langsam vorangeschrittcn.
Die Taufe, zu der man sie lockte oder zwang, war eine leere Form. Ihr
noch unvorbereiteter und durch Mißhandlungen niedergedrückter Geist begriff
die hohe Lehre dcö Christenthums — überhaupt das Edlere und Ucbersinn-
liche nicht. Auch war die Despotie der geistlichen und weltlichen Macht nur
allzusehr beflissen, solche geistige Unmündigkeit zu verewigen, und die fort-
währende Erniedrigung, in der die Unglücklichen schmachteten, ließ keinem freien
oder lichten Gedanken Raum. Mit wenigen Ausnahmen sind die Amerikaner
noch heut zu Tage in allen Sphären der edleren Mcnschcnbildung ein unter-
geordnetes Geschlecht.
Gleichwohl bleibt empörend, daß in der Rangordnung unter den
Raren der Einwohner die Eingeborenen, die natürlichen Herren des
Landes, welchem die Natur sie zugebilket, auf dem Boten, den ihre Väter
den ihrigen nannten, die leztc Stelle einnehmen. Indem Kasten-System,
welches in Amerika die Natur ' nicht das Menschcngcscz gegründet — dieses
mir durch bizarre Rangordnung entstellt — hat, behaupten nämlich oder be-
v. Aoltcck. Ällflfm. Geschichte. Vii. 5
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Extrahierte Ortsnamen: Ostindien Mexiko Neu-Granada Amerika
88
Drittes Kap. Geschichte der Reformation.
schw erden der Stände kaum das Drittheil oder Vierthcil) des Staatsgutes.
Zu dieser Fülle der Macht und des Reichthums gesellten sich die ausgezeich-
netsten dinglichen und persönlichen Privilegien und Immunitäten, wodurch die
Geistlichkeit bis auf ihre geringsten Glieder herab der Lasten und Verpflich-
tungen des bürgerlichen Verbandes fast gänzlich enthoben und, bei der Aus-
sicht auf Straflosigkeit, häufig zu frecher Unthat ermuthiget ward. Welche
Geistliche aber nicht durch Verbrechen oder Tyrannei der Gesellschaft schwer
sielen, dieselben ärgerten sie wenigstens durch grenzenlose Ausschweifung und
alle Scham verhöhnende Sittenlosigkcit. Fast einstimmig tönt hierüber bei
den Geschichtschreibern jener Zeit die bitterste Klage; selbst der heftigste Feind
der Reformation und eifrigste Vertheidiger des Papstthums, der Jesuit und
Kardinal Bellarmin (geb. 1342), gesteht ein, daß „einige Jahre vor Lu-
ther's und Calvin's Kczerci, laut einmüthigen Zeugnisses aller Zeitgenossen,
keine Strenge bei den geistlichen Gerichten, keine Sittlichkeit bei dem Klerus,
keine Kenntniß der heiligen Dinge, keine Achtung für Gottes Gebot, über-
haupt fast keine Religion mehr gewesen sey."
Von den Reichthümern der teutschen Geistlichkeit, wie von der spärlichen
Habe der Laien floß aber (und Solches war aueb in den meisten anderen
Ländern, ob auch etwas minder, der Fall) ein großer Theil, und unter den
nichtigsten Titeln, nach Rom. Der Papst hatte sich die Vergebung der
Hälfte der Benesicien (nach Monaten abwechselnd mit den wahrhaft berech-
tigten Kollatoren) vorbehalten, und verkaufte dieselben oder auch die bloss
Anwartschaft darauf fast offenbar an den Meistbietenden, oder auch überhaupt
an spckulirende Großhändler, die durch den vereinzelten Wiederverkauf sich be-
reicherten. Hierzu kamen die Annateu, d. h. die Einkünfte des ersten Jahrcs
jedes angetretenen Bencsiciums, die hohen P a lli eu g eld er und manche ge-
legentlich — gewöhnlich unter dem Vorwände eines Kreiizzuges wider die
Türken — erpreßte Steuern, endlich die ans vielnami'gen Gründen, vorzüg-
lich aber für Akte der abenteuerlich erweiterten geistlichen Gerichtsbarkeit, für
Dispensationen von Kirchengesezen oder von göttlichem Gebote und für — zu
Sünden mächtig einladenden — Sündencrlaß, von den Laien wie von dcu
Geistlichen erhobeuen Summen und über alles Dieses die persönliche Ab-
hängigkeit, die allgemein durch solche Verhältnisse begründet ward, und der
unmittelbare Einfluß in alle Sphären des Privat- wie dcs öffentlichen Lebens
Wo noch einige Funken des natürlichen Verstandes und des rein christ-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Hm
Drittes Kap. Geschichte der Reformation. 99
saune der Freiheit — der kirchlichen allernächst, aber durch leichte Jdeenver-
bindung auch die bürgerliche umfassend — war weittönend erklungen; was
war natürlicher, als daß die Bedrängten aller Art dem Schmcicheltone be-
gierig lauschten, sofort von Lösung aller Bande träumten, und, je weniger
verstehend von Recht, Staat und Kirche, desto mehr dahingerissen wurden
von blinder Leidenschaft, und desto leichter preis waren den Verführungen
schlauer Bosheit und der Ansteckung fanatischer Schwärmerei? Auch poli-
tische Zwecke, Plane des Ehrgeizes und der Herrschsucht wurden begünstigt
oder hervorgerufen durch die mächtig fortschreitende Umwälzung.
Also waren unter den Fürsten, welche der Reformation sich zuwandten,
mehrere, die vom Geiste der neuen Lehre wenig ergriffen, sie nur als Mittel
liebten, wodurch sic selbstständiger gegen Kaiser und Reich, herrischer gegen
ihre Unterthanen und zumal auch reicher durch die Erwerbung von Kirchen-
gütern werden möchten. Das Beispiel Albrccht's v. Brandenburg,
Großmeisters des teutschen Ordens, welcher (1523) das diesem Orden gehö-
rige preußische Land zum Erbfürstenthume seines Hauses machte (s. unten
Vii. Kapitel, §. 5), eröffnete eine verführerische Aussicht auf die vielen fürst-
lich ausgestatteten Erz- und Domstifte und Prälaturen Deutschlands. Nach
so reicher Beute jedoch gelüstete allererst noch mehr die Ritter, als die
Fürsten. Der Eifer, welchen schon in der Zeit des wormser Reichstages
der Adel für Luther geäußert, insbesondere Franz von Sickingen's An-
erbieten, ihn mit Waffen zu schüzcn gegen Jedermann, mag zum Theil aus
derselben Quelle geflossen seyn. Derselbe Sickingen, voll der kühnsten Ent-
würfe, überzog bald darauf das Erzbisthum Trier mit zwölftausend Sold-
nern, der Landfriedeusgeseze spottend, während die weithin gährcnde Zer-
würsniß des Adels mit den Fürsten die Schrecken eines allgemeinen inneren
Krieges über Teutschland zu bringen drohte. Die schnelle Verbindung der
benachbarten Fürsten beschwor jedoch dieses Gewitter. Franz von Sickingen,
durch ihre llebcrmacht zurück in seine Feste Land stuhl gedrückt, verlor sein
Leben bei deren Vertheidigung. Die Plane des Adels zerrannen.
Desto furchtbarer war der bald darauf erfolgende Aufstand der Bauern.
Schon seit längerer Zeit war unter dieser, der Schwere der Feudallasten er-
liegenden, ja meist in voller Leibeigenschaft schmachtenden, Klasse die Sehn-
sucht nach Befreiung lebendig geworden. Mehrere Unruhen in verschiedenen
Theilen Teutschlands verriethen den geheimen Brand. Die Reformation war
7'
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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Extrahierte Personennamen: Franz_von_Sickingen's Franz Jedermann Franz_von_Sickingen Franz
Drittes Kap. Geschichte der Reformation. 111
Nation sollte in ihrer Gewissensfreiheit preis gegeben an die Willkür jener
Häupter, und, ob Einer im Volke seiner Ueberzeugung folgen dürfe oder
nicht, von dem Zufalle abhängig seyn, ob sein Herr dieselbe Ueberzeugung
theile. Er möge im verneinenden Falle auswandern! — Dieses traurige
Reckt und zwar mit Abzugsfreihcit wurde ihm gewährt! —
Dagegen wurde mit unbeugsamem Eifer darüber gestritten, ob die Reli-
gionsfreiheit auch den geistlichen Ständen zukomme, oder ob dieselben und
überhaupt alle Prälaten (wie bei der niederen Geistlichkeit sich von selbst ver-
stand), wenn sic von der alten zur neuen Religion überträten, ihres Amtes
und geistlichen Bcsizthums sollten cntsezt seyn? — Das Leztc verlangte der
König Ferdinand mit den katholischen Ständen unbedingt und unnach-
giebig. Auch wohl mit Recht; denn wie mochte man, nach erklärter und
anerkannter Trennung der beiden Rcligionstheile, also nach förmlich auf-
gehobener rein christlicher Rechtsgemeinschaft der teutschen Kirche,
die Eigenschaft eines Stiftes und Kirchcngntcs, ja die damit oft verbundene
Eigenschaft eines ganzen Landes rechtlich abhängig erklären von der per-
sönlichen Gesinnung des zeitlichen Inhabers, und zwar eines solchen, der nicht
aus eigenem selbstständigen Rechte (wie etwa ein weltlicher und Erbfürst),
sondern blos vermöge Amtes und Auftrages dasselbe verwaltete? Aber die
Protestanten, welche die Freiheit der Unterthanen so leichtsinnig da-
hin gegeben, bestanden aus dem Fvrtbesize des Kirchen gutes für die zu
ihrer Konfession tretenden Stände und Prälaten als auf dem Hauptpreise
des Kampfes. Nicht etwa forderten sic, daß, wenn z. B. ein bischöfliches
Land sich zur protestantischen Kirche wende, alsdann auch der bischöfliche
Stuhl dem protestantischen Körper angehöre — denn solches Recht eines
Landes oder einer kirchlichen Gemeinde erkannte man nicht —, sondern
daß der aufgestellte Hirt einer katholischen Gemeinde nach Willkür zur pro^
testantischen Kirche übertreten, und gleichwohl Kirchcnhaupt, auch mit dein
Reformationsrecht bekleideter Landesherr und Nuznicßcr des Kirchengutes
bleiben, dieses leztcre sonach protestantisches Eigenthum seyn solle. Auch
gaben sie, wiewohl Ferdinand ans kaiserlicher Vollmacht den „geistlichen
Vorbehalt" (resei-vatuni ecelesirrstieurn), wie man die verhängnißvolle
Klausel nannte, als unerläßliche Bedingung des Friedens erklärte,
ihre Einwilligung dazu nur in einer schwankenden und zweideutigen Form,
was den Samen zu noch größerem künftigen Hader streute.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
113
Drittes Kap. Geschichte der Reformation.
englischen Kirche erklärte (1334), und, mit Ausnahme des Papstes und dcs
Mönchswesens, den katholischen Kirchcngebrauch beibehielt. Die obgleich kurze
Regierung Eduard's Vi. gab ihr neue Kräfte, also, daß selbst die tyran-
nische Verfolgung der Königin Maria sie nicht mehr zu tödtcn vermochte,
und die Gunst Elisab'eth's sie für immer zur Herrschaft erhob. Doch ge-
staltete sich die englische Kirche zu einer eigenen, von der streng reformirten
gesonderten Kirche, durch die Beibehaltung der hierarchischen Form und vie-
ler Ceremonien. Man nennt, sie die hohe anglikanische oder Episkopal-
Kirche, und sie ist durch den Konformitätsakt (1362) für die alleinherr-
schcnde in England erklärt. Insbesondere zeichnet sie sich durch die von
Rich. Bau er oft 1388 hinzugefügte ausdrückliche Lcbre aus, daß die Bi-
schöfe ihre Macht nach göttlichem Rechte bcsizen, und daß blos die von den
Bischöfen empfangene Weihe derselben theilhaftig mache. Auch in Irland
erhielt diese Kirche den Vorrang, obwohl die Mehrheit dcs Volkes katholisch
blieb. In Schottland war das rein reformirtc oder presbytcrianische
System vorherrschend, welches auch in England viele Anhänger behielt, und
dadurch zu Druck und Verfolgung Anlaß gab. Viele politische Umwälzun-
gen gingen aus solchem getrennten Religivnsverhältnissc hervor.
Es genüge hier dieser allgemeine Uebcrblick. Die näheren Umstände mö-
gen der politischen Geschichte der einzelnen Reiche vorbehalten bleiben. Nur
bei Deutschland, wo die Reformation ihren Ursprung genommen, schien
es zweckmäßig, die umständlichere Geschichte derselben im Zusammenhange bis
zu ihrer gcsezlichen Befestigung fortzuführen.
8. 21. Innere Geschichte der katholischen Kirche.
Das Papstthum.
Auch reiht sich bicr natürlich eine kurze Darstellung der noch übrigen
allgemeinen oder im Schooße der einzelnen Kirchen entstandenen Verhältnisse
und rein kirchlichen Vorfälle an, zumal derjenigen, die mit der Reforma-
tion in näherer Verbindung stehen.
Der Zustand der katholischen Kirche fordert hier unsere besondere
Aufmerksamkeit. Derselbe ward gleich nach der Reformation und großentheils
durch dieselbe wirklich verschlechtert. Man sagt wohl: das schonungslose
Aufdecken seiner Blößen durch den ergrimmten Feind und die Nothwendigkeit,
gegen reyen Vorwürfe sich zu schirmen, gegen die unermüdlichen Angriffe sich
v. Notteck, eiligem. Gctchlch'e. Vif. 8
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Extrahierte Personennamen: Maria Maria
Extrahierte Ortsnamen: England Irland Schottland England Deutschland
Drittes à.p. Geschichte der Reformation. 119
§. 24. Dic Jesuiten.
Fast um dieselbe Zeit, als die lezte allgemeine Kirchenversammlnng, zum
Th:il aus übergroßem Haß gegen die Kezer, die päpstliche Gewalt mit allen
ihren Auswüchsen — als welche man, wie den Kezern zum Hohne, mit neu
erwachter Vorliebe in Schuz nahm — für eine lange Folgezeit befestigte,
trat eine dauernde, für die katholische Kirche, ja für die ganze Welt höchst
wichtige Einsezung in's Leben, welche zu den gleichen Zwecken mit ganz außer-
ordentlichen Kräften wirksam war: der Orden der Jesuiten*).
Ignaz (Jnigo) von Loyola, ein spanischer Edelmann (geb. 1491)
von schwärmerischem Gemüthe, welcher in seiner Jugend Kriegsdienste im
Heere Ferdinand's des Katholischen gethan, bei der Belagerung von Pam-
pclona (1821) eine Wunde erhalten, und während des Krankenlagers durch
Lesung von Heiligengeschichten seine Phantasie vollends entzündet hatte, legte,
nach abenteuerlicher Vorbereitung und mühevoller Sammlung von Brüdern,
den Grund zu einem Orden, welchen, nachdem Papst Paul Iii. 1340 den-
selben bestätigt hatte, sein Nachfolger im Generalat, Laincz (1336), und
ein Menschenalter später Aqua viva (von 1381 bis 1618) genialisch zur ein-
greifendsten Wirksamkeit in der Kirche und im Staate ausbildeten. Die
„Gesellschaft Jesu", wie die Loyolitcn sich nannten, nahm neben den
drei Hauptgelübden des Mönchsthums noch ein viertes, des unbedingten
Gehorsams gegen den Papst in Allem, was den Dienst der Kirche, vorzüg-
lich gegen Kezer und Ungläubige beträfe, auf sich, und erhob sich schnell
durch die Gunst des römischen Stuhles, durch die ausgezeichnetsten Privi-
legien, mehr noch durch die Weisheit ihrer inneren Einrichtung, an Glanz,
Reichthum und Einfluß über alle Mönchsorden der Christenheit. Der aus-
schließende Gcmcingeist, die völlige Dahingebung jedes Einzelnen an die
Gesammtheit gaben dieser letzten erstaunenswürdigc Kraft. Kein Jesuit.ge-
hörte mehr sich selbst oder seiner Familie oder seiner Nation an; er war
*) Beegl. liist. gén. de la naissance et des progrès de la comp. de Jésus. Paris
1t-S0. 4 vol. P. Ph. Sbolf'ê allg. Gcschichtc ter Zesuueu. Zurich 1789. 4 Thcilc. Vcr-
schictcuc Schrjfte» von L. t e Guz m a u » P. Z1»ag»ez, Hztrdenberq, Musse»,
S d) rock h u. v. N. Die protcstantische» Goiresgelchricn iin lctcit und 17tc» Ialirhuudert
gave» t'eu Jesuilc» geruc de» Na,»en Ze su miter.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Ignaz_(Jnigo Loyola Paul Gcschichtc
120
Drittes Kap. Geschichte der Reformation.
nichts anders mehr, als Glied des Ordens, als Theil des großen Kör-
pers, welchen die Gesammtseele, der in Nom rcsidirende Ordens general,
belebte und bewegte. Der Orden aber bestrebte sich, „Allen Alles" zu
seyn, insbesondere aber den Fürsten als Rathgeber und Beichtväter einfluß-
reich zur Seite zu stehen, durch Unterricht der Jugend die nachwachsenden
Generationen mit Ideen, die der Ordcnspolitik frommten, zu erfüllen, und
durch vielseitige Verbindung mit allen Ständen (selbst Könige — wie
Ludwig Xiv. — waren weltliche Mitarbeiter oder Laienbrüder dcs Ordens)
dieselben alle zu beherrschen. Die Wahl der Mitglieder, ihr Noviziat,
ihre Verwendung zum geeignetsten Dienste, ihre ganze Regel war trefflich
berechnet zu solchem Zwecke. Alles, auch die Wissenschaft und die Moral,
mußte durch Accomvdation demselben dienstbar werden. Also geschah es,
daß fast zweihundert Jahre lang der Jesuitenorden einen stets mächtigen, all-
zuoft vorherrschenden Einfluß in den großen Gesthästcn der Kirche und der
Staaten ausübte, daß er „zugleich wilden und halb und sehr verfeinerten
Völkern mit großem Erfolge Geseze gab, gewisse Ideen verbreitete und be-
festigte, und schwache Privatmänner zu Herren der Erde und ihrer Könige
machte." (Johann von Müller.)
Aber so große Erfolge wurden erkauft nicht nur mit Unterdrückung der
individuellen Selbstständigkeit und Persönlichkeit seiner Mitglieder, als welche
sämmtlich zu wahren Leibeigenen des Ordens, zu blinden Werkzeugen seiner
Zwecke sich hingeben mußten; sondern auch auf Unkosten des Lichtes, des
Rechtes und der Moral in der ganzen von dem Orden beherrschten oder be-
arbeiteten Welt. Der Ausruf der Bewunderung über die mächtigen Wirkun-
gen, die von ihm ausgingen, wird erstickt durch den Klageruf: „Was hätten
die Jesuiten nicht Herrliches, Humanes und rein Wohlthätiges
vollbringen mögen, wären ihre Zwecke auf Licht und Recht gerichtet ge-
wesen!!" — Aber freilich, dann würden sie auch der Gunst der Gewaltigen
sich nicht erfreut haben, sie würden, unbeschüzt durch Privilegien und Vor-
rechte, als geheime Verbrüderung arbeiten, und — ob schon damals die
Polizei so tausendäugig und armig nicht war, wie heute — sich dennoch auf
einen sehr kleinen Wirkungskreis haben beschränken müssen.
§. 23. Innere Streitigkeiten der lutherischen Kirche.
In den vorzüglich eifrigen Bestrebungen der Jesuiten wider das Auf-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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Extrahierte Personennamen: Rathgeber Ludwig_Xiv Ludwig Johann_von_Müller Johann
Viertes Kap. Die Zeiten Karl's V.
131
§. 14. Heinrich Viii. von England.
In demselben Jahre, wie Franz, starb auch Heinrich Viii., mit weit
schlimmerem Nachrühme. Ohne bedeutenden Vortheil für sein Reich hatte er
zweimal, mit Karl V. verbündet, wider Frankreich gestritten; ohne allen Ge-
winn — auch durch Thatlosigkcit desselben umverth — zweimal mit Franz
gegen Karl gekriegt; ein Sklave seiner wechselnden Launen und Leidenschaf-
ten, ausgezeichnet blos durch Despotenkunst und Tyrannei. Wir haben in
der Ncformationsgeschichte erzählt, wie Heinrich, anfangs des Papstes Freund,
nachmals von ihm abfiel, und sich selbst zum Haupt der anglikanischen Kirche
erklärte. Die Grundsäze derselben — in der Wesenheit meist oer katholischen
Lehre gemäß, doch mit Verwerfung des Papstes und des Mönchsthums —
wurden in sechs Artikeln vom König und vom Parlament gesczgebend ver-
kündet; bei Todesstrafe wurde der Glaube daran und der Suprematscid von
allen llnterthancn gefordert, das Vermögen der Klöster, die Annalen, die
geistlichen Zehnten wurden eingezogen für die Krone.
Die Ursache solches Abfalles war jedoch blos ein Licbesrausch. Der
König — angeblich wegen Gewisscnszweifcln — verlangte von seiner altern-
den Frau, Katharina von Aragouien (seines Bruders Arthur Wittwe),
geschieden zu werden, um die schöne Anna von Boleyn, deren Gunst er
um keinen geringeren Preis erhalten konnte, zu hcirathen. Der Papst, meist
Kaiser Karl V. zu Liebe, widersezte sich der Scheidung, welche sodann Hein-
rich ohne den Papst von seiner willfährigen Geistlichkeit, nach dem Gutachten
mehrerer Universitäten, aussprcchen ließ; was die päpstliche Exkommunikation
und auch den völligen Bruch mit Rom nach sich zog. Eine Folge dieses
Scheidungsprozesses war auch der Fall des langjährigen Günstlings, des Kar-
dinals Wolsey, welcher dabei nicht jenen folgsamen Eifer gezeigt hatte, den
der König erwartete. Nach vielen erlittenen Kränkungen ward er zulezt gar
des Hochverraths angeklagt, und starb auf dem Wege nach dem Tower.
Sein Nachfolger in der Gunst des Königs war Cranmer, chevor Mitglied
des Jesuitcn-Kollegiums zu Cambridge, dann wegen seiner Verdienste um die
Ehescheidung zum Erzbischof zu Canterbury und Primas von England er-
nannt, ein der Reformation eifrigst ergebener Prälat, und welchen nur Hein-
richs bigotte Anhänglichkeit an die katholische Lehre für jezt noch zu vorsich-
tiger Mäßigung zwang.
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Viii Heinrich Franz Franz Heinrich_Viii Heinrich Karl_V. Karl_V. Franz Franz Karl Karl Heinrich Heinrich Katharina_von_Aragouien Arthur_Wittwe Anna_von_Boleyn Karl_V. Karl_V. Canterbury
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Fünftes Kap. Dic Zeiten Philipp's Ii. u. Iii.
erbärmliche Geldhilfe war nicht einmal eingegangen. Viele Stände blieben
ibr Betrcffniß schuldig; wiewohl sie, durch den Reichstag ermächtigt, die
Türkensteuer auf ihre Unterthanen umzulegen, ungleich mehr, als deren Be-
trag von denselben gezogen hatten.
§. 31. Maximilian Ii. Türkenkrieg. Niklaus Zrini.
Maximilian Ii. (1864—1376), noch bei des Vaters Lebzeiten zum
römischen König erwählt, erfuhr abermals den abgeschmackten Widerspruch des
Papstes, den er jedoch durch eine freundliche Gesandtschaft beschwichtigte.
Indessen versprach er demselben blos „obsequium"; das Wort „obedientia"
wurde vermieden. Dieser Kaiser hat, als Preis seiner Weisheit und Mäßi-
gung, worin er allen andern Fürsten seines Hauffs vorangeht, das unge-
theiltc Lob der Protestanten wie der Katholiken erhalten.- Der Religionshaß
schlummerte während seiner Regierung, oder verbarg sich, beschämt durch das
Beispiel seiner Milde, und seine parteilose Beschüzung des Rechtes kennend.
Er bestätigte den Religionsfricden und vermehrte die kirchlichen Freiheiten
seiner Erblandc, worin bereits ein sehr großer Theil des Adels — weniger
des gemeinen Volkes — die neue Lehre ergriffen. Doch blieb die Religions-
freiheit — nach dem Beispiele Desjenigen, was im Reiche geschehen — auf
den Adel beschränkt. Nur Herren und Ritter sollten auf ihren Schlös-
sern und Gütern für sich und ihre Unterthanen der öffentlichen Ausübung
der augsburgischcn Konfession sich erfreuen; für die Unterthanen derjenigen
Herren, welche selbst katholisch blieben, war kein Trost, ja sogar die landes-
herrlichen Städte und Märkte, wiewohl sic das Recht der Stand sch a st
besaßen, wurden ausgeschlossen von der Kirchenfreiheit, und vergebens flehten
wiederholt die sämmtlichen Stände, diesen Städten, insbesondere der Stadt
Wien, eine evangelische Kirche zu gewähren. So weit entfernt war jene
Zeit, und war selbst ein Maximilian von der Erkenntniß der Rechte des
Meirichen und des Bürgers! — Die Freiheit galt blos als Privilegium
einer höheren Klasse. Sklaverei war die Regel für die Gemeinen.
Jndesien würde wohl der Kaiser, dem Antriebe seines Herzens folgend,
eine ausgedehntere Freiheit bewilligt haben, wenn nicht die Einflüsterungen
seiner katholischen Geistlichkeit, die drohenden Vorstellungen des Papstes
(durch das Organ des Kardinals Commendon ihm zugehend) und die po-
litischen Verhältnisse, zumal mit Spanien, ihn zur standhaften Verweigerung
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Maximilian_Ii Maximilian Niklaus_Zrini Maximilian_Ii Maximilian Maximilian Maximilian