Die Wohnung. Die Wohnung hat den Zweck, der Familie
zum Aufenthalte zu dienen. Die Größe derselben muß der Zahl
der Familienglieder entsprechen. Eltern mit 2 oder 3 Kindern
sollten mindestens über ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine
Schlafkammer für die Kinder, Küche, Keller- und Speicherraum
verfügen. Wohnungen ohne Küche sind nicht empfehlenswert,
da das Kochen im Wohnzimmer der Gesundheit nachteilig ist
und den Aufenthalt darin ungemütlich macht. Gar manche
Krankheiten sind auf schlechte Wohnungsverhältnisse zurückzu-
führen. Darum ist bei der Wahl einer Wohnung die größte
Vorsicht geboten. Vor Wohnungen in engen finstern Gassen
und Höfen oder gar in dumpfen und feuchten Kellern kann nicht
eindringlich genug gewarnt werden. Rheumatismus, Gicht, Nieren-
leiden, Bleichsucht und viele andere Krankheiten werden durch
sie veranlaßt. Ein rechtschaffener Familienvater wird es daher
als Gewissenspflicht betrachten, nur gesunde Räume in gesunder
Lage zu wählen, auch wenn er dafür eine höhere Miete zahlen
muß. Was man in einer minderwertigen Wohnung an Miete
erspart, muß man doppelt an Arzt und Apotheker bezahlen.
Wenn tunlich, beziehe man eine auf der Sommerseite einer
Straße gelegene Wohnung, die täglich möglichst lange von der
Sonne beschienen wird; denn „wo die Sonne nicht hinkommt,
kommt der Arzt hin“. Solche Wohnungen sind heller, freund-
licher und wärmer als die auf der Winterseite gelegenen. Auch
fühlt man sich darin heimischer, heiterer und zufriedener; denn
Lage und Beschaffenheit einer Wohnung machen zweifellos ihren
Einfluß auf den menschlichen Körper geltend. Häuser mit
wenigen Bewohnern sind den sogenannten Mietskasernen vorzu-
ziehen. Das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum
wirkt friedestörend und entsittlichend; zudem ist es eine längst
erkannte Tatsache, daß die Sterblichkeit in schwach bevölkerten
Häusern verhältnismäßig geringer ist als in dichtbewohnten
Mietskasernen, die oft wahre Brutnester ansteckender Krank-
heiten sind.
Einrichtung. Einrichtung und Ausstattung einer Wohnung
erhöht die Gemütlichkeit derselben. Das geräumigste und
luftigste Zimmer sollte man als Schlafzimmer wählen, während
das nächstgrößte und hellste als Wohnzimmer zu benützen ist.
Die Mobiliareinrichtung sei den Vermögens Verhältnissen ent-
sprechend. einfach und gediegen. Eine tüchtige Hausfrau weiß
ihre Wohnung durch entsprechende Ausstattung so zu gestalten,
daß die Familienglieder sich gerne darin aufhalten und sich
dabei wohl und behaglich fühlen. Dieses wird sie hauptsächlich
durch Reinlichkeit und Ordnung zu erreichen suchen. Sie wird
darauf bedacht sein, daß in den zur Wohnung gehörigen Räumen
sich jeder Gegenstand an dem für ihn bestimmten Platze befindet
und auf Reinhaltung der Räume und Mobiliargegenstände pein-
30
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Bürgerkunde.
Erstes Jahr.
Die Familie. Vater und Mutter sind unsere Eltern. Eltern
und Kinder wohnen zusammen und bilden eine Familie. Die
Familie ist eine von Gott gewollte Einrichtung. „Es ist nicht
gut, daß der Mensch allein sei“, sprach Gott. Adam und Eva
bildeten mit ihren Kindern die erste Familie. Auf ihr ruht die
Entwicklung des menschlichen Geschlechtes bis auf den heutigen
Tag. i
Ein gemeinsames Band umschlingt die Glieder einer Familie,
das Band der Liebe. Die Eltern sind sich in Liebe zugetan, sie
lieben ihre Kinder und diese sollen ihre Eltern lieben und ihnen
gehorsam sein. Der Vater, das Haupt der Familie, müht sich in
seinem Berufe ab, damit es den Seinigen wohlergehe. Er sorgt
für Wohnung, Nahrung, Kleidung und die übrigen leiblichen
Bedürfnisse der Familienangehörigen. Die Mutter ist von früh
bis spät mit der Besorgung des Hauswesens beschäftigt und wartet
und pflegt ihre Kinder. Gewissenhafte Eltern sind aber auch auf
das geistige Wohl ihrer Kinder bedacht; sie schicken sie zur
Schule, damit sie der geistigen Güter, welche die Bildung gewährt,
teilhaftig werden.
Die Familie ist gleichsam eine Gemeinde, ein Staat im
Kleinen. Gemeinde und Staat ünden in der Familie ihre besten
Stützen und ohne geordnetes Familienleben ist kein ge-
regeltes Gemeinde- und Staatsleben denkbar. Der kindliche
Gehorsam ist die beste Vorschule des staatsbürgerlichen Gehor-
sams und aus der Liebe zum häuslichen Herde, aus der Liebe
zur Heimat, entspringt die Liebe zum Vaterlande, der Patriotismus.
Die Familie ist ein mächtiger Sporn zum Fleiße und zur
Sparsamkeit, ein Hort der Sittlichkeit und die Pflanzstätte aller
gesellschaftlichen Tugenden. Ein gewissenhafter und sparsamer
Familienvater sorgt auch für das zukünftige Wohl der Seinigen
durch Erwerbung von Eigentum und Vermögen oder durch
Abschluß einer V e r s i c h e r u n g auf sein Leben. Vor Brand-
schaden sucht er sich durch Abschluß einer Brand- und
Mobiliarversicherung zu schützen und gegen etwaige Un-
fälle und Schadenersatzansprüche durch Abschluß einer Unfall-
und Haftpflichtversicherung sicher zu stellen.
Auch die Dienstboten (Magd, Knecht, Geselle) werden
zur Familie gehörig betrachtet. Sie helfen den Eltern bei der
Arbeit und erhalten dafür Bezahlung oder Lohn. Die Herrschaften
oder Arbeitgeber sind verpflichtet, den Dienstboten oder Arbeit-
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liehe Sorgfalt aufwenden. Schmutz und Staub läßt sie nicht
aufkommen; auch sucht sie mit allen Mitteln das sich gerne
einnistende Ungeziefer, wie Motten, Flöhe, Wanzen u. dgl. zu
vertilgen. In der Küche hält sie strengstens auf Ordnung und
Reinlichkeit. Speiseabfälle werden sofort beseitigt und benutzte
Geschirre gründlich gereinigt. Auch Speicher und Keller wird
eine tüchtige Hausfrau stets aufgeräumt und sauber zu halten
suchen.
Aussch m licku ng. Die Ausschmückung der Wohnräume
ist ebenfalls Sache der Hausfrau. Schon mit wenig Kosten kann
sie das Heim der Familie schön und behaglich machen. Hübsche
Fenstervorhänge, einfache aber geschmackvolle Tisch- und Bett-
decken. passende Bilder und Photographien, nette und praktische
Handarbeiten (Häkeleien und Stickereien) und einige Blumen auf
dem Fensterbrette genügen, um die Wohnung schön und traulich
zu gestalten und den Familienangehörigen den Aufenthalt im
Elternhause angenehm und gemütlich zu machen.
Instandhaltung. In einem geordneten Hauswesen wird
auf die Instandhaltung der Wohnung und Mobiliargegenstände
große Sorgfalt verwendet. Durch schonende Behandlung und
rechtzeitige Ausbesserung können teuere Neuanschaffungen unnötig
gemacht oder doch lange hinausgeschoben werden. Der Zustand
einer Wohnung läßt sofort erkennen, ob die darin waltende
Hausfrau fleißig und tüchtig, oder träge und nachlässig ist. Ein
wackeres Weib wird es darum als Ehrensache betrachten, ihre
Wohnung so einzurichten und im Stande zu erhalten, daß sich
jedermann gerne darin aufhält und heimisch fühlt.
Des Hauses Zier ist: Reinlichkeit.
Des Hauses Ehr’": Gastfreundlichkeit,
Des Hauses Segen: Frömmigkeit,
Des Hauses Glück: Zufriedenheit.
Lüftung. Die Lüftung der Wohnräume ist im Interesse
der Gesundheit der Bewohner geradezu unerläßlich. Unser
Wohlbefinden ist hauptsächlich von der Beschaffenheit der Luft
abhängig, die wir einatmen. Nur reine und frische Luft, die
keine schädlichen Beimischungen, wie Staub, Rauch und nach-
teilige Gase enthält, ist von vorteilhaftem Einflüsse auf Atmung
und Blutbildung. Darum ist der Aufenthalt und die Beschäftigung
im Freien der Gesundheit so sehr zuträglich. Da man aber die
meiste Zeit in den Wohnräumen zubringen muß. so sorge man
täglich — auch im Winter — für gründliche Lüftung derselben
durch Oeffnen der Fenster.
Bestandteile der Luft. Die hauptsächlichsten Bestand-
teile der Luft sind Sauerstoff und Stickstoff. Unter 100 Raum-
teilen Luft sind etwa 20 Raumteile Sauerstoff und 80 Raum-
31
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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sches Vaterland seine Kultur, seinen Anbau, seine Gesittung und Bilbung. Große Verbienste erwarben sich hiebei die Klöster. Die Mönche beschäftigten sich mit wissenschaftlichen Arbeiten, mit Abschreiben und Erklärung der heiligen Schrifteil und anberer nützlichen Bücher ober mit Ackerbau. Jebes Kloster würde so der Quellpunkt von Licht und Leben. Blühenbe Gefilbe traten an die Stelle von Sumpf und Wald und weckteu den Fleiß der Anwohner. Dörfer entstauben um die Klöster, Städte um die Bischofssitze her. Das gab Aulaß zur Betreibung von Gewerben, was wieberum eineu günstigen Einfluß auf Handel und Verkehr ausübte.
Schulen nach unserm Sinn gab es bamals nicht. Doch hatte man Klosterfchnlen. Zu uenueu sinb die Schulen in Fulda (Hessen), St. Gallen (Schweiz) und Reichenau (Insel im Vodenfee).
Zwar ging es mit der Bildung langsam vorwärts, das Mittelalter hatte einen rohen Charakter; was aber da und dort schlummerte, sich entfaltete und blühte, trug dm Keim in sich zu einer neuen besseren Zeit, zu einem kräftigen Staats- und Volksleben.
30. Kcrrl der Große.
Dieser gewaltige Herrscher war der Sohn Pipin des Kleinen, der den letzten Merowinger vom Throne stieß und sich zum Könige der Franken machte.
Karl der Große ist im Jahre 742 wahrscheinlich zu Aachen geboren. "Die Natur hatte ihn körperlich und geistig mit ihren herrlichster: Gaben ausgestattet. Ein ächter beutfcher Mann von der Sohle bis zum Scheitel, war er von starkem Körperbau und schlanker Gestalt. Er hatte eine sehr klare Stirne und große lebendige Augen, -die dem Bittenden freundlich, dem Feinde aber furchtbar leuchteten. Durch körperliche Übungen hatte er Leib und Geist gekräftigt; dabei war er nüchtern im Essen und Trinken und höchst einfach in feiner Kleidung.
Karl war unstreitig einer der bedeutendsten Männer aller Jahrhunderte. Nicht allein als Feldherr hat er Großes geleistet und fein Reich durch Eroberungen erweitert; er hat auch die verschiedenen Völker, welche er unterwarf, zu einem friedlichen, wohlgeordneten Ganzen verbunden, hat das mächtige Reich mit Weisheit gelenkt, durch treffliche Einrichtungen beglückt und seine Unterthanen zu
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anbete hervor. Herkules besiegte dieses Ungeheuer und vergiftete mit dem Blute desselben seine Pfeile, so daß sie unfehlbar löblich wirkten.
Mit diesen Pfeilen tötete er die Stymphaliden. Es waren» dies ungeheure Raubvögel mit ehernen Flügeln, Schnäbeln und Klauen, welche sich am See Sty mp Halis aufhielten und unter Menschen und Vieh große Verheerungen angerichtet hatten.
Hierauf fing er eine der Göttin der Jagb geweihte Hirschkuh. Diese hatte eherne Füße und ein golbenes Geweih und lief so schnell, daß sie kaum von einem Pfeile eingeholt werben konnte.
Herkules hetzte sie so lauge, bis sie tobmübe niederstürzte und dann in seine Gewalt gelangte. Er verrichtete noch viele solcher Heldenthaten und erwarb sich dadurch einen ruhmvollen Namen.
Als er sich dem Tode nahe fühlte, ließ er sich von seinen
Freuudeu auf einen Berg tragen. Dort bestieg er einen für ihn errichteten Scheiterhaufen und befahl, das Holz anzuzünden. Gott Zeus aber nahm ihn unter Blitz und Donner in einer Wolke in seinen Himmel auf. Von dem Volke wurde Herkules fortan als der größeste der Halbgötter verehrt.
3. Sparta. Lykurg.
Unter allen griechischen Staaten ragten Sparta und Athen durch die geistige Tüchtigkeit ihrer Bürger am meisten hervor.
Spartas eigentümliche Größe ist durch die Gesetzgebung des Lykurg begründet worden. Dieser weise Mann lebte 800 v. Chr.
Er erkannte, daß der Grund - alles Elendes der Menschen in ihrer
Selbstsucht liege. Diese suchte er durch feine Gesetze zu beseitigen. Er verlangte Gleichstellung aller Bürger in Bezug auf Besitz und Lebensweise und gänzliche Unterorbnung des Einzelnen unter das Gesamtwohl des Ganzen. Dies sinb die Grunbbestimmungen seiner Gesetze. Sie bezweckten vor allem, genügsame und kräftige Bürger heran zu bilben. Nur kräftige Kinder würden auferzogen und fort und fort im Laufen, Schwimmen und Werfen geübt. Mißgestaltete und schwächliche Kinder wurden in eine Kluft geworfen. Die Erziehung war streng und abhärtend: die Kinder wurden leicht gekleidet, an geringe Kost und pünktlichen Gehorsam gewöhnt. Stärkung der körperlichen Kräfte, Gewöhnung an Schmerz und Entbehrung, an strengen Gehorsam gegen die Gesetze, an Bescheidenheit und Hochachtung gegen
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— lo-
bte nicht nur körperlich (wie in Sparta), fonbcrn. auch geistig nusgebilbet werben sollte. Der junge Athener mußte sich schon frühzeitig üben, seine Gebanken schön, und fließenb auszusprechen, um bereinst in der Volksversammlung durch den Zauber der Rebe seine Mitbürger für seine Ansichten zu gewinnen. Müßiggang war strenge verboten. Jeber war ehrlos, der nicht ein Gewerbe betrieb.
Nach Vollenbung biefer Verfassung verpflichtete Solon die Athener durch einen Eib, in den nächsten 10 Jahren nichts an berselben zu änbern. Er ging dann ins Auslanb und besuchte den reichen Krösus in Lydien.
5. Sokrntes.
Sokrates gehörte zu beu edelsten Griechen seiner Zeit. Die Unterweisung der Jugeub war seine Hauptbeschäftigung. Der Keru seiner Lehre war: „Erkenne bich selbst." Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Tapferkeit hielt er für die höchsten Güter.
Sokrates selbst lebte äußerst mäßig. Er aß und trank nur das Allergewöhulichste, kleibete sich höchst einfach und ging fast immer barfuß. „Nichts bebürfen ist göttlich," sprach er, „und am wenigsten bebürfen nähert der Gottheit am meisten." Einst klagte ein vornehmer Athener bei ihm, daß boch viel Gelb dazu gehöre, in Athen zu leben. Er rechnete ihm vor, wie teuer der Purpur, die feineren Weine und atibere Kostbarkeiten seien. Sokrates ging mit ihm in verschobene Läden, wo Lebensrnittel verkauft wurden. Mehl und Oliven kosteten wenig. Dann führte er ihn in einen andern Laben, wo gewöhnlicher Kleiberstoff um geringen Preis zu -haben war. „Siehe," sagte er dann, „ich finbe es ganz wohlfeil in Athen."
Kein Vorfall konnte die Seelenruhe des Sokrates stören. Die meiste Übung der Gebnlb sanb er in seinem eigenen Hanse. Tantippe, seine Frau, war oft übler Samte und dann sehr zanksüchtig. Eines Tages schalt sie ihn tüchtig eins. Er blieb ganz gelassen. Da sie aber immer heftiger warb, ftanb er aus und ging aus dem Hause. Das erbitterte sie noch mehr. Im Eifer ergriff sie einen Topf mit Wasser und goß ihm den aus dem Fenster nach. „Ei," sagte Sokrates lächelnb, „nach solch einem Donnerwetter mußte es ' wohl regnen!"
Ungeachtet seines tngenbhaften Wanbels und seiner Weisheit
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— 11 —
klagten ihn seine Feinde an, er schmähe die Götter und sei ein Verderber der Jugend. Er verteidigte sich zwar glänzend, wurde aber
doch zum Tode verurteilt.
Seine Freunde wollten ihm zur Flucht verhelfen. Er ging aber auf ihre Pläne nicht ein, sondern trank mit ruhiger Miene den Giftbecher.
6. Akzibicrdes.
Gleichzeitig mit Sokrates lebte in Athen der berühmte Alzi-biades. Durch seinen Witz, seine Herrschsucht und seinen zügellosen Mutwillen zog er die Aufmerksamkeit der Athener auf sich.' Aus seiner Jugendzeit werden uns manche Beispiele seiner Keckheit und Geistesgegenwart erzählt. Einst spielte er in einer engen Gasse mit andern Knaben Würfel. Eben war der Wurf an ihn gekommen, als ein Wagen heranfchr. „Warte ein wenig!" rief er dem Fuhrmann zu. Der kehrte sich nicht daran und fuhr seinen Weg. Da
warf sich Alzibiades quer vor die Pferde nieder und der erschrockene Fuhrmann mußte halten. Darauf that er seinen Wurf und trat nun erst beiseite.
Einst kaufte er einen schönen Hund für schweres Geld. Allge-
mein sprach man von der Schönheit des Hundes und dem teuern
Preise. Da hieb er dem Tiere den Schwanz ab — nun war der
abgehauene Schwanz das Stadtgespräch.
Durch solche Streiche machte er von sich reden und hatte seine Freude daran, die Athener zu äffen.
Seinen Lehrern folgte er willig und lernte alles mit der lebhaftesten Wißbegierde. Besonderes Zutrauen und große Hochachtung hegte er zu seinem Lehrer, dem weisen Sokrates. „Von Sokrates
Rede werde ich so ergriffen," sagte er, „daß mir das Herz klopft und
die Thränen mir ans den Augen dringen."
Alzibiades war bei seinem Volke sehr beliebt und hatte grdßen
Einfluß auf dasselbe. Er beredete es zu einem Feldzuge nach Sizilien.
Eine reich ausgerüstete Flotte machte sich auf den Weg und eine Stadt »m die andere wurde erobert. Plötzlich rief man aber den Alzibiades nach Hause zurück. Hier hatte man ihn der Entweihung der Religion angeklagt. Er entfloh jedoch nach Sparta. Alzibiades gab den Spartanern kluge Ratschläge, und was sie unternahmen, gelang
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umwohnenden Völker. Sie machten mächtige Eroberungen und führten ihrem Lande ungeheuern Reichtum zu. Aber mit dem Reichtum wuchs die Üppigkeit und mit der Üppigkeit die Verderbtheit.
Der Aufwand einzelner Bürger ging über alle Beschreibung. Einer begoß sogar seine Bäume mit Wein. Ein Anderer hielt sich 10,000 Sklaven. Leute, welche 300,000 Mark besaßen, galten nicht als reich.
Schiffe und Karawanen brachten aus den entlegensten Ländern Leckereien und Kostbarkeiten. Man aß Reiher- und Flamingozungen, Nachtigalleuherzeu und Seekrebse. Ein einziger Fisch war oft teurer als ein fetter Ochse. Wie im Essen und Trinken, stieg auch der Luxus in Kleidern und Hausgeräten. Kopfbedeckung und Fußbekleidung strahlten von Edelsteinen; Gewänder schimmerten von eingewebtem Golde. An den Fingern trug man wertvolle Ringe, im Ohre Perlen oder kostbare Steine. Die Möbel waren mit den kostbarsten Teppichen bedeckt, die Gerätschaften mit Gold und Edelsteinen verziert, selbst die Küchengefäße meist aus Silber gearbeitet.
Nur nach einer Seite hin bietet das Leben der Römer ein angenehmeres, versöhnliches Bild, das ist in Bezug auf Kunst und Wissenschaft.
In religiöser Hinsicht befleißigten sie sich der Gottesfurcht im heidnischen Sinne. Sie opferten und beteten viel in ihren Tempeln.
16. Das
Seitdem das römische Reich sich zur Weltherrschaft ausgedehnt hatte, war bei dem Volke mit der Einfalt der Sitten die Ehrfurcht vor den alten väterlichen Göttern mehr und mehr geschwunden. Der vielgemischte Götterdienst war zum leeren Spiel herabgesunken. Ein sehr berühmter Schriftsteller jener Zeit legte über die Heillostgkeit der letztem das trostlose Bekenntnis ab: „Wir sind in eine Zeit geraten, wo wir weder unsere Verderbnis, noch die Mittel dagegen ertragen können."
In dieser Not, wo die heidnische Religion in ihrer Nichtigkeit erkannt war und sich auch das Gesetz der Juden als unzureichend erwiesen hatte, sehnten sich die Menschen nach reiner Gotteser-kenntnis, nach reiner Gottesverehrung.
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— 108 —
Für Deutschland brach eine traurige Zeit an. Napoleons Wille war überall Gesetz. Wer anderer Meinung war, wurde als „Hochverräter" bestraft. So ließ Napoleon den Buchhämer Palm ans Nürnberg, der eine Schrift: „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" versandt hatte, am 26. August 1806 in Braunau erschießen.
Kreutzens Unglück.
Seit 1797 regierte in Preußen König Friedrich Wilhelm Hi.*) Er war ein einfacher, sparsamer und gewissenhafter Regent. Um seinem Lande den Frieden zu erhalten, hatte er bisher an den Kämpfen gegen Napoleon keinen Anteil genommen. Seine Gemahlin war die durch Schönheit, Herzensgute und Geistesbildung ausgezeichnete Königin Luise.
Durch die Stiftung des Rheinbundes wurde es Friedrich Wilhelm klar, daß Napoleon mit Hilfe der schwächeren Fürsten die mächtigen in Deutschland demütigen und schließlich alle Frankreich unterwerfen werde. Als er gar verschiedene Kränkungen von Seite Napoleons erfahren mußte, da erklärte er an Frankreich (8. Oktober 1806) den Krieg. Nun fielen französische Heere in Deutschland ein. Bei Jena und Auerstädt kam es am 14. Oktober zur Schlacht. Die tapfer fechtenden Preußen wurden hier geschlagen. Die ganze Armee löste sich in wilder Flucht auf. In ganz kurzer Zeit ergaben sich die meisten Festungen ohne Widerstand. Eine rühmliche Ans' nähme machten Graudenz und Kolberg. In Graudenz erwiderte der tapfere Kommandant Coubiere (Kubiär) den Franzosen auf ihre Nachricht, es gäbe keinen König von Preußen mehr: „Nun, so bin ich König von Graudenz und werde mich zu verteidigen wissen!" In Kolberg entflammten die Generäle Schill und Gneisen au und vor allem der heldenmütige Bürgermeister Nettelbeck den Mut der Bürger und Soldaten zu siegreicher Verteidigung.
Unterdessen drangen die Franzosen bis nach Berlin vor und
Napoleon zog in die Hauptstadt Preußens ein. Die königliche
Familie war nach Königsberg, dann nach Memel geflohen. Wohl
vereinigte sich ein russisches Heer mit dem Rest der preußischen
*) Sein Ssattr Friedrich Wilhelm Ii. folgte auf Friedrich den Großen und regierte von 1786—1797.
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon August Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Napoleons Napoleons Nettelbeck Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Napoleons Buchhämer_Palm Nürnberg Braunau Rheinbundes Deutschland Frankreich Frankreich Deutschland Jena Kolberg Graudenz Kolberg Berlin Königsberg