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1. Der Regierungsbezirk Lüneburg - S. 5

1895 - Lüneburg : Herold & Wahlstab
— 5 — Grabow unweit Dannenberg häufig geschehen sein und daher dasselbe den Namen Jammerbruch führen. Im Ii. Jahrhundert herrschte im Wendenreiche der Fürst Gottschalk. Als Knabe war er im Kloster St. Michael zu Lüneburg gewesen. Kaum aber hörte er, daß sein Vater von den Sachsen erschlagen wäre, als in ihm das Wenden- blut auswallte. Er warf Glauben und Bücher fort, schwamm durch die Elbe und erschien wie ein Tiger, um seines Valers Tod an den Sachsen zu rächen. Gefangen mußte er bald Land und Leute verlassen. Nach zehn Jahren kehrte er mrück, vertrieb die Sachsen und beries christliche Prediger. Da aber diese einen Zehnten forderten, so entstand ein Aufruhr, in dem Gottfchalk am Altare der Kirche zu Lenzen erschlagen ward (1066). Wenn die Wenden auch nach und nach, nament- lich durch die Bemühungen sächsischer (Lüneburger) Herzoge, Christen wurden, so blieb doch der Haß gegen die Sachsen in ihren Herzen zurück. Der sreie Sachse betrachtete sich als hoch über dem Wenden stehend, weil dieser nicht das Unab- hängigkeitsgefühl und den Drang nach selbständiger Thätigkeit mit jenem teilte. Dem armen Volke wurden von den deutschen Gutsherrn schwere Lasten auferlegt. Die Folge war, daß es mißtrauisch, rachsüchtig, hinterlistig und abergläubisch blieb. Erst später erhielt es mehr Rechte. Heute, wo der wendische Bauer Herr seines eigenen Hofes ist, zeigt er sich fleißig und sparsam; aber der Eigensinn und die Abergläubigkeit sind noch seine Schattenseiten. 2. Hermann Billing. Zwei Stunden östlich von der Stadt Soltau liegt an der Eisenbahn, die hier die öde Heide durchzieht, der Hof Stübeckshorn. Derselbe gehört zu der Bauernschaft Hötzingen und besitzt große Gerechtfamkeiten und Freiheiten, die dem Hofe von Lüneburger Herzogen, die hier Jagden abhielten, verliehen sind. Er soll der Stammhof Hermann Billings fein, der ihn feinem Hausmeier als erbliches Eigentum schenkte. Noch immer heißen die Besitzer von Stübeckshorn „Meier", und der älteste Sohn muß

2. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 76

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
76 Erstes Buch. Vierter Abschnitt. Gemeine, den abgesetzten alten Rath wegen des erlittenen Schadens zu entschädigen, und setzte ein Gericht ein, welches die Urheber des Aufstandes mit Strenge bestrafte. Kein Verlust traf den Herzog so schwer, als der Tod seines Kaisers und Freundes Maximilian I. Seitdem blieb er ernst und in sich gekehrt, ohne durch die Gnade, welche ihm Kaiser Karl V. erzeigte, zu der frühem Thatkraft und Heiterkeit zurückgerufen zu werden. Immer fremder wurde ihm die Zeit mit ihren Ansprüchen, immer unverständlicher das heimliche Verständnis mancher deutschen Fürsten mit der französischen Krone. Dazu kam das beengte Leben, welches durch ganz Deutschland vermöge der Re- formation der Kirche hervorgerufen wurde. Es wurde dem alternden Erich unheimlich in diesem Gedränge. Doch wußte er die Größe eines Luther vollkommen zu begreifen, und trug kein Bedenken, dem in den Sätzen des Glaubens so sehr von ihm abweichenden Manne auf dem 1521 zu Worms gehaltenen Reichstage seine Theilnahme zu erkennen zu geben. Achtes Kapitel. Hildesheimische Stiftsfehde. Als Johann, Herzog zu Lauenburg, im Jahre 1504 zum Bischöfe über Hildesheim erkoren wurde, fand er das Stift dergestalt verschuldet und durch Verpfandungen seiner schönsten Aemter und Schlösser beraubt, daß ihm nicht entgehen konnte, wie er nur durch Sparsamkeit und weise Verwaltung das gesunkene Ansehen der bischöflichen Kirche wieder heben könne. Deshalb trachtete er vornehmlich darnach, die an den Stiftsadel verpfändeten Besitzungen wieder einzulösen. Diesem Beginnen aber wider- setzten sich die Junker, weil sie dadurch ihrer bisherigen Macht beraubt wur- den. Weil sie sich jedoch zu schwach fühlten, um ihrem Lehensherrn offen zu widerstreben, wandten sie sich mit der Bitte um Schutz an Heinrich den Jüngern von Wolfenbüttel und Erich den Aeltern von Göttingen-Ca- lenberg. Mancherlei Reibungen hatten zwischen Heinrich dem Jüngern, welcher 1514 nach dem Tode seines Vaters, des altern Heinrich, die Re- gierung von Wolfenbüttel übernommen, und dem Bischöfe stattgefunden, und eine verderbliche Spannung zwischen beiden erzeugt. Auf diese Stim- mung des Hofes zu Wolfenbüttel mochte deßhalb der Edle Hans von Sal- dern besonders rechnen, als er es wagte, seinem Lehensherrn, dem Bischöfe,

3. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 81

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
Neuntes Kapitel. 81 derlich machte. Sonnt war Peina abermals gerettet, und der Ruhm fei- ner Vertheidiger wurde durch Lieder im Volke verbreitet. Nachdem Bischof Johann sich durch eine Anzahl in Westphalen geworbener Knechte gestärkt hatte, brach er noch ein Mal verwüstend in das Land zwischen Deister und Leine ein. Aber seine Mittel waren zu sehr erschöpft, um den Forderungen der Söldner genügen zu können. Er sah sich gezwungen, dieselben in ihre Heimath zurückzusenden, und unfähig, den Kampf gegen die mächtigen Verbündeten fortzusetzen, konnte er nur noch in Friedens-Unterhandlungen Rettung finden. Endlich wurde 1523 durch Vermittelung mehrerer Gro- ßen des Reiches und der Abgeordneten einzelner Städte der Hanse der Friede zu Quedlinburg abgeschlossen. Den hier getroffenen Bestimmun- gen zufolge verblieben die Fürsten von Wolfenbüttel und Calenberg im Besitze sammtlicher dem Stifte entrissenen Aemter und Schlösser, welche sie darauf unter einander theilten. Das Stift Hildesheim aber, dessen Vor- steher früher zu den reichsten Fürsten des nördlichen Deutschlands gezahlt wurden, bestand seit dieser Zeit nur aus den Aemtern Steuecwald, Marien- burg und Peina und der Stadt Hildesheim. Voll Gram über das durch ihn herbeigeführte Unglück seines Landes, begab sich Johann 1527 der Re- gierung des Hochstiftes. Neuntes Kapitel. Uebersicht der inneren Verhältnisse. Ein schlichtes, treuherziges Verhältniß gestaltete sich wahrend dieses Zeitraums immer mehr zwischen dem Landesherrn und seinen Bürgern, an deren Lustbarkeiten und Festen er gern Theil nahm. Namentlich pflegte der Fürst in der fröhlichen Zeit des Faschings seine Städte zu besuchen. Andrerseits wußte der Bürger ein so glückliches Verhältniß zu seinem Herrn zu schätzen. Es war nichts Ungewöhnliches, daß der Rath bei Fürstenkin- dem Pathe sein mußte; dann zeugte das stattliche Angebinde, welches dem Täufling verehrt wurde, von dem Reichthum und der Freigebigkeit der Ge- meine. Wenn Fürsten in die Stadt einritten, wurden sie sammt ihrem zahlreichen Gefolge aus gemeinem Seckel beköstigt; Wein und Bier wurde alsdann in die Herberge in reichlichem Maße geliefert, und auf dem Stadt- hause wurden die Töchter und Frauen der Patricier und Zunftherren von den edlen Herren zum Tanze geführt. Aber auch mitten in diesen Lustbar-

4. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 82

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
82 Erstes Buch. Vierter Abschnitt. keilen vergaß der Rach nicht, über die Sicherheit der Stadt zu wachen und durch gewaffnete Bürger eine plötzliche Bewältigung von Seiten detz Lan- desherrn zu verhüten. Das bisher so einfache Leben am Fürstenhofe wurde nach und nach künstlicher und kostspieliger. Dort fand jeder einreitende Edle, jeder Bot- schaft bringende Reisige Obdach und Nahrung. Weil nun die Zahl der am Hoflager lebenden Ritter und Diener fortwährend zunahm, und dadurch die Kosten sich mehrten, schien es erforderlich, die Dienste und Ansprüche der Einzelnen durch die Hofordnung festzustellen. Durch diese wurden den höheren Beamten, als Marfchall, Drost, Schenke und Kämmerer, so wie den unteren Dienern ihre Obliegenheiten auf's bestimmteste vorgeschrieben. Selbst die Höfe der kleineren Fürsten glaubten einer Anzahl von ritterlichen Beamten nicht entbehren zu können, die fast ausschließlich zum Prunke dienten. So hatte sich Otto Cocles von Göttingen bei seiner Abdankung den nur unbedeutenden Jahrgehalt von 200 Gulden Vorbehalten, aber die Kleidung für ein stattliches Gefolge mußte ihm geliefert werden. Hierdurch und durch kostspielige Fehden wurden die Fürsten häufig zu Anleihen ge- zwungen, welche sie mit ihren Städten unterhandelten; die Folge davon war, daß der Ratb sich der Verlegenheit feines Herrn bediente, um neue Freiheiten für die Bürgerschaft zu erwerben. Wie bedeutend mußte in Folge dessen die Macht der Städte wachsen, als deren Bürger Grafen und Frei- herren sich einfchreiben ließen. Drohte ihnen Gewalt, wurde ihr Handel durch Wegelagerung gestört/ so fanden sie in ihren Bündnissen leicht die Mittel, sich Achtung zu verschaffen. Die Befestigungen der Städte ge- wannen an Umfang, die Bürger an Gewandtheit in Führung der Waffen, namentlich der großen eisernen Geschütze. Ein kriegerischer Sinn durch- drang die Zünfte; der zunehmende Handel mehrte den Reichthum. Da- mals galt Eimbeck durch seinen Verkehr für eine mächtige Stadt, Göttin- gen rühmte sich seiner Wollwebereien, und Hannover gewann durch die Er- findung des Breyhans einen erheblichen Erwerbszweig. Was die Bürger hob und belebte, war die Teilnahme an der Verwaltung und die dadurch erzeugte Liebe für das gemeine Wesen. Das Gefühl der Ehre adelte ihr Thun; die genaue Bekanntschaft mit der Geschichte der Vaterstadt flößte ihnen einen Stolz auf die Thaten der Vorfahren ein, der zum rühmlichen Nacheifer anfpornte. Die Häuser gewannen an Stattlichkeit und Bequem- lichkeit; mit seltener Freigebigkeit sorgte man für Arme, und die Menge der Siechhäuser und Hospitäler reden noch zu uns von dem frommen Sinne der Bürger des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts. Es war das fröhliche Jugendleben der Städte; überall herrschte Sitte, nirgends ein

5. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 83

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
Neuntes Kapitel. 83 ängstlich abgewogener Anstand; man gab sich der Freude mit ganzer Seele hin, und fühlte sich in derben, körnigen Späßen behaglich; überall strömte Kraft aus, die erst mit der spater um sich greifenden Verfeinerung welkte. Wie eigenthümlich war das unter dem Namen Grael bekannte Volksfest der Braunschweiger, von dessen Besuch sich der umwohnende Adel nie ab- halten ließ. Aehnliche Vergnügungen rief die Fastenzeit hervor. Bei die- ser frischen, lebhaften Jugend blieb das Schwert auch wahrend der Lustbar- keiten nicht immer in der Scheide, und es war viel Zeit und Unglück er- forderlich, um die rasche Kampflust und den überwallenden Muthwillen der Vürgersöhne zu ersticken. Es pflegt aber im menschlichen Leben das Haschen nach Genuß dem Streben nach dem Hohem und demzufolge der Entsa- gung weltlicher Freuden hart zu begegnen. Auf diese Weise können wir erklären, wie ein strenger Sittenprediger Gehör und Nachahmung bei der kräftigen Jugend fand. Von Erfurt hatte sich der Italiener Johann Ca- pistrano, aus dem Orden der Franciscaner, nach Göttingen begeben, wo er durch eine feurige Rede auf dem Marktplatze seine Zuhörer bewog, dem Kartenspiel wie den Würfeln zu entsagen und Schmuck und Zierrath den Flammen zu übergeben. Aber mit der Entfernung dieses merkwürdigen Mannes kehrte auch der alte Muthwille zurück, der sich im kecken Ergreifen der Gegenwart gefiel. — Auch jetzt noch ließ der Adel von seinem Fehdele- den nicht ab; selten ergab er sich den Wissenschaften; sein Genosse blieb das Schwert, und gegen Sold trat er in den Dienst v-m Fürsten oder Städten. Trotz der Strenge, mit welcher einzelne Herzoge ohne Ansehn der Person die Uebertreter des Landfriedens straften, glaubten die Junker der Selbsthülfe nicht entsagen zu dürfen > und trugen kein Bedenken, gegen die mächtigsten Städte in die Schranken zu treten. Freilich mußte es jetzt den an Macht wachsenden Fürsten und den von gleichem Interesse getriebenen Städten leichter werden als früher, über den vom Kaiser gebotenen Land- frieden zu wachen, besonders da erstere durch das Dingen von Söldnern sich von dem Dienste ihrer Lehensmanner mehr und mehr unabhängig machten. Diese Söldner, welche wir unter dem Namen der Landsknechte begreifen, entschieden die Schlachten, seitdem man von den Schweizern ge- lernt hatte, daß ein gut geordnetes Fußvolk vor den unbehülslichen Eisen- reitern den Vorzug verdiene. So geschah es, daß bald auch Edle in der Reihe der Fußknechte fochten, bis es ihnen gelang, selbst eine Rotte dieser unwiderstehlichen Krieger einem Fürsten gegen Sold zuzuführen. Daß bei diesen bunt zusammengesetzten Rotten keine strenge Zucht galt, mußten befreun- dete wie feindliche Lander erfahren, und oftmals kostete es dem Landesherrn viel Mühe, sich der in seinen Dienst gerufenen-Knechte wieder zu entledigen. 6 * v

6. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 84

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
84 Erstes Buch Fünfterabschnitt. Fünfter Abschnitt. Von der Beendigung der hildesheimischen Stists- fehde bis zum Aussterben des grubenhagischen Herzogshauses. Von 1523 bis 1596. Erstes Kapitel. Lüneburgische Linie. Die Reformation. Nachdem Heinrich der Mittlere in Folge der hildesheimischen Stifts- fehde 1520 die Regierung seinen Söhnen Otto, Ernst und Franz übertra- gen hatte, entsagte Otto seinem Antheil an der Herrschaft gegen Einräu- mung von Harburg, wohin er sich mit seiner Gemahlin Meta von Campe- Isenbüttel zurückzog. Seitdem finden wir in Harburg das kleine Hoflager eines Zweiges des lüneburgischen Fürstenhauses, welcher jedoch schon mit dem durch Gelehrsamkeit ausgezeichneten Wilhelm, einem Großsohne Otto's, 1642 erlosch. Wie nun auch Franz, gegen Abtretung von Gifhorn, 1539 dem väterlichen Erbe entsagte, regierte Ernst allein das Herzogthum Lüne- burg, mit welchem 1549, nach dem Tode von Franz, auch Gifhom wieder vereinigt wurde. Herzog Ernst empfing seine Erziehung am kurfürstlichen Hofe zu Sachsen; sodann besuchte er unter der Aufsicht des bekannten Spalatinus die Universität zu Wittenberg, woselbst er mit Eifer die Lehre von Martin Luther sich zu eigen machte. Schon lange hatten sich die Klagen über das sittenlose Leben der Geistlichkeit gehaust. Der Mönche Weltlust, der Bischöfe glanzende Hof- haltung, die Verderbniß vor allen Dingen, welche in Rom vorherrschte, ließ die Völker das Bedürfniß einer Verbesserung der Kirchenzucht lebhaft em- pfinden. Seit dem Schisma bereits war der Glaube an die Untrüglichkeit des Papstes größtentheils geschwunden. Als dann durch die Lehre von Jo- hann Huß der Widerwille gegen die Gewalt der Kirche und die zuchtlose Geistlichkeit sich mehrte, erkannte man auf dem Concil zu Basel die Noth- wendigkeit, zunächst die Bewohner der Klöster zu einer strengem Beobach- tung der Ordensgesetze anzuhalten. Demzufolge wurde einzelnen frommen

7. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 122

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
122 Zweites Buch. Erster Abschnitt. Fünftes Kapitel. Uebersichl der inneren Verhältnisse. Es hat kein Krieg dem deutschen Vaterlande so tiefe und bleibende Wunden geschlagen, wie der dreißig Jahre lang zwischen Evangelischen und Katholischen wüthende Kampf, wenn schon selbst aus diesem Ereignisse manche segensreiche Folgen sich ergaben. Schon gegen Ende des sechszehn- ten und im Anfänge des siebzehnten Jahrhunderts hatten Seuchen die Städte und Dörfer unsers Landes entvölkert, als der Krieg mit seinen Schrecken hereinbrach. Handel und Gewerbe erstarben, der Feldbau konnte zum Theil wegen Mangel an Zugvieh nicht bestritten werden. Kaiserliche und Liguisten, Schweden und dänische Soldner verschlangen die Kräfte des armen Landes, das unter den ausgeschriebenen Abgaben und Brandscha- tzungen erlag. Keine Stadt, kein Dorf entrann dem allgemeinen Unglück; Tilly's Horden begnügten sich nicht immer mit der Plünderung; überall bezeichneten rauchende Wohnungen den Weg, welchen sie gezogen waren. Bürger und Bauern gaben verzweifelnd sich selbst verloren, und wollten nicht von Neuem für Fremde bauen und erndten. Der Dienst der Kirchen und Schulen hörte auf, Zigeuner durchstreiften in Banden die Landschaft, bewaffnetes Landvolk glühte nach Rache, und fand durch die Söldner einen martervollen Tod; im Gebirge lauerten unverdrossen die Harzschützen; die alte Tüchtigkeit des Volksstammes zwischen Weser und Elbe schien in La- stern jeder Art erstorben zu sein; es hörten Zucht und Sparsamkeit und der kecke, frische Scherz an den Höfen der Fürsten auf. Im gleichen Grade, als die schlichte Sitte früherer Tage schwand, gewann die Regierung an Künstlichkeit; die Zahl der fürstlichen Diener mehrte sich; gelehrte Doctoren verdrängten mit ihrer Kenntnis des römi- schen Rechts den nach bestem Wissen und Gewissen sprechenden Edlen; Ti- tel und Würden wurden erfunden, die untere Dienerschaft vergrößert, selbst in den Tagen des Friedens ein Troß von Trabanten, Arkebusi'rern und Gardereitern gehalten, deren Löhnung die Kräfte der Landschaft verzehrte. Adel und Städte büßten die frühere Stellung gegen den Landesherrn ein. Auf eine ungewöhnlich rasche Art mehrte sich die Gewalt der Fürsten, für welche der Kaiser und das römische Recht sprachen. Das Streben des Landesherrn war häufig auf eine unumschränkte Herrschaft gerichtet. Aber noch war er nicht durch eine gesonderte Hofdienerschaft von der engen Be- rührung mit dem Volke geschieden, und Heinrich Julius trug kein Beden-

8. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 99

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
Fünftes Kapitel. 99 Fünftes Kapitel. Die Lande Braunschweig unter der Regierung des Herzogs Julius. Von 1568 — 1589. Weil Herzog Julius als Kind wegen einer Krümmung der Füße zum Ritterdienste untauglich schien, hatte ihn sein Vater, Heinrich der Jüngere von Wolfenbüttel, zum Geistlichen bestimmt. Auf den Hochschu- len zu Cöln und Löwen, an welchem letzteren Orte er von seinem Fußscha- den genas, machte sich Julius frühzeitig mit den Wissenschaften und den Lehren der katholischen Kirche, in denen er erzogen worden, vertraut. Doch regten sich bald Zweifel in dem Jünglinge an der Wahrheit dieses Glau- bens; er sah, mit welcher Begeisterung die Unterthanen seines Vaters dem von Wittenberg aus verkündeten Evangelium anhingen, und durch Ge- spräche mit verständigen Männern über das Verhältniß beider streitenden Kirchen zu einander, über ihre Forderungen und Lehren aufgeklärt, folgte er dem Drange seines Herzens und stellte sich auf die Seite der Protestan- ten. Seit diesem Augenblicke hatte er den unversöhnlichen Groll seines eifrig katholischen Vaters zu bekämpfen. Wenn auch Heinrich der Jüngere nicht Hand an den Sohn zu legen beschloß, wie er es anfangs zu thun gewilligt war, so mußte sich doch dieser mehr als ein Mal vor dem Zorne des Vaters verbergen und gleich einem Verstoßenen, welchem die Mittel zur Befriedigung der nothwendigsten Bedürfnisse versagt waren, war er dem Spott der Dienerschaft des Hofes zu Wolfenbüttel ausgesetzt. End- lich, vpn treuen Freunden gewarnt, überzeugt, daß ec leicht das Opfer der leidenschaftlichen Heftigkeit seines Vaters werden könne, floh Julius zu seinem Schwager, dem Markgrafen Hans von Brandenburg. Nun hätte derselbe allerdings, nachdem seine Brüder Karl Victor und Philipp Magnus in der Schlacht bei Sievershausen den Tod gefunden hatten, als einziger Sohn von Heinrich Ii. für den Erben der wolfenbüttelschen Lande gelten sollen; aber der Vater zürnte dem Sohne fortwährend dermaßen, daß er sich, in der Hoffnung, Erben zu gewinnen, zu einer zweiten Verbindung entschloß. Als jedoch diese Ehe kinderlos blieb und der Sohn der Eva von Trott verständig genug dachte, um den rechtmäßigen Erben nicht zu beein- trächtigen, ließ sich der alternde Heinrich Ii. endlich bewegen, seinem Sohne die Versöhnung anzubieten und ihn in die Heimath zurückzurufen. Also erschien Julius vor dem Vater, der jetzt einsehen lernte, daß der Glaube 7*

9. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 102

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
102 Erstes Buch. Fünfter Abschnitt. zogthums Lüneburg von einer Regentschaft geführt, die aus drei durch Rechtlichkeit ausgezeichneten Männern, dem Statthalter Thomas Grote, dem Großvoigte Jürgen von der Wense und dem Kanzler Clammer be- stand. Durch ste wurde der Frieden im Lande aufrecht erhalten, das Ge- deihen des Evangeliums gefördert. Nachdem der junge Friedrich in der Schlacht bei Sievershausen sei- nen Tod gefunden hatte, übernahm 1555 Franz Otto die Regierung-, aber auch dieser starb als Jüngling 1559, und die Verwaltung des Landes wurde nun von seinen beiden jüngeren Brüdern, Heinrich und Wilhelm, einer auf dem Landtage zu Celle getroffenen Verabredung gemäß, gemein- schaftlich besorgt. Durch sie wurden die Streitigkeiten, an denen es zwi- schen dem Rath der Stadt Lüneburg, der mit eifersüchtiger Wachsamkeit seine Gerechtsame hütete, und den Landesherren fast nie fehlte, glücklich ausgeglichen; eine von ihnen erlassene Kirchenordnung führte eine größere Einheit im Glauben und Gottesdienst der Anhänger der augsburgischen Confefsi'on herbei. Diese gemeinschaftliche Regierung der Söhne von Ernst dem From- men dauerte bis zum Jahre 1569, in welchem sich die Brüder dahin ver- glichen, daß die Aemter Dannenberg, Hitzacker, Lüchow und Scharnebeck sammt dem Schlosse zu Göhrde an Heinrich sielen, Wilhelm dagegen im Besitze des Herzogthums verblieb. So bildeten sich abermals zwei Linien des Hauses Lüneburg. In Dannenberg resi'dirte Heinrich, der Stammherr des jüngeren braunschweigischen Hauses; in Celle hielt Wilhelm, der Ahnherr der Könige von England und Hannover, seinen Hof. Gleich dem treffli- chen Julius von Wolfenbüttel, hörte Wilhelm freundlich auf die Klagen und Vorstellungen eines jeden seiner Unterthanen. Ueberzeugt, daß der Segen eines Landes vornehmlich auf einer gewissenhaften Seelsorge seiner Prediger beruhe, trachtete er mit einem Fleiße nach der zweckmäßigen Stel- lung der Geistlichkeit, welchem der Erfolg nicht fehlen konnte. Durch das Aussterben der Grafen von Hoya und Bruchhaufen er- hielt das Herzogthum Lüneburg (1582) einen stattlichen Zuwachs; nicht minder durch das Erlöschen des Grafenhauses von Diepholz (1585), dessen Besitzungen, einer schon früher vom Kaiser Maximilian ectheilten Anwart- schaft zufolge, ungetheilt an Wilhelm sielen. Als Wilhelm 1581 von einer Schwermuth befallen wurde, welche ihm die Führung der Geschäfte nicht gestattete, wurde von den Standen des Herzogthums die Regierung dem Herzoge Philipp Ii. von Grubenha- gen übertragen. Dieser war es, welcher an einem zu Lüneburg gehaltenen Fürstentage Theil nahm, woselbst man die Werbung eines Hülfsheeres zu

10. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 138

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
138 Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Grund von Furcht bewegt, daß der Landesherr von Jesuiten zur Unterdrü- ckung der herrschenden Kirche verleitet werden könne. Die Schloßkirche in Hannover wurde für den katholischen Gottesdienst eingerichtet, die vor lan- ger als hundert Jahren vertriebenen Mönche kehrten zurück, und die von zwei Bischöfen gelesene Messe wurde durch die Stimmen italienischer Sän- ger verherrlicht. Höhere und geringere Hofdiener, Bürger und Beamte, zum Theil weil die erhebende Feier des Meßopfers sie hinriß, zum Theil aus unlauteren Gründen, traten zu der Religion des Landesherrn über. Gewiß würde die Zahl der solchergestalt ihren früheren Glauben Verleug- nenden ungleich größer gewesen sein, wenn nicht Gerhard Molanus, Abt zu Loccum, mit rastloser Thätigkeit dem entgegen gewirkt hatte. In die- sen Bestrebungen wurde er auf's kräftigste durch den geschäftserfahrenen, vielvermögenden Otto Grote unterstützt. Nur durch den Eifer dieser Män- ner wurde verhütet, daß keine Katholiken zu einflußreichen Stellen erhoben wurden, daß die vom Fürsten beabsichtigte Stiftung von Klöstern unter- blieb, und dadurch einer drohenden Spaltung zwischen dem Volke und dem Regenten Raum gegeben wurde. Aber Grote's Bemühungen gingen noch weiter; er wußte zu verhindern, daß die wachsende, durch Franzosen und Italiener vermehrte Hofpartei den Fürsten nicht dem Interesse seiner evan- gelischen Brüder entfremde. , Johann Friedrich war ehrgeizig , stolz-, es schien ihm unverträglich mit der fürstlichen Gewalt, des Raths oder der Mitwirkung der Stande zu bedürfen; sein Streben war der Erwerb der kurfürstlichen Würde. Das stehende Heer wurde bis zu einem Grade vermehrt, der nothwendig das Land mit Schulden überhäufen mußte. Dafür hatte der Sohn Georgs die Genugthuung, daß ihm von dem großen Ludwig Xiv. ge- schmeichelt wurde, damit er diesem eine Schaar von 10,000 Calenbergern überlasse. Ueberdieß konnte der Herzog der fremden Hülfsgelder nicht ent- behren, da der Glanz seiner Hofhaltung, das von ihm angelegte Herren- hausen einen Aufwand erforderte, welchen das Land nicht zu bestreiten vermochte. Die Klagen der Stande verhallten vor Johann Friedrich, der eine jede Beschwerde von Seiten der Unterthanen für eine Verletzung der unbeschrankten Fürstengewalt betrachtete. Ihm schwebte Ludwig Xiv. zu sehr als Vorbild vor, als daß er, gleich seinem edlen Vater, den treuherzi- gen Worten der Stände hätte Gehör schenken können. Auf einer Reise nach Italien begriffen, starb Johann Friedrich 1679 in 'Augsburg. Georg Wilhelm, welcher seit 1665 seinen Hof von Hannover nach Celle verlegt hatte, huldigte allerdings der herrschenden Mode, indem er
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