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1. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 40

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
I .--------------------- 40 an den Schuhen. Hm Ende geriet«er gar unter die Werber, die ihn als Rekruten nach Wien lieferten. Sie ließen ihn jedoch bald wieder laufen, da sie merkten, daß er den Feinden nichts weniger als gefährlich werden dürfte- denn er war sehr schwächlich und fast immer krank, halbnackend kam er nunmehr nach Sachsen hinein, und weil er in seinem armseligen Hufzuge nirgends Hrbeit fand, mußte er endlich betteln. Da traf es sich, daß er eines Hbends in einem Dorfe einen Schmied um einen Zehrpfennig ansprach. Dem Meister, der mit vier Gesellen arbeitete, fuhr die Stimme durch alle Glieder. Lr sprang an die Tür, hielt dem Bettler das Sicht ins Gesicht und rief: „Je, Bruder, bist du's oder bist du's nicht?" Mit unbeschreiblicher Freude erkannte er seinen alten Freund. Der Schmied, der eine reiche Witwe geheiratet hatte, brachte den matten, frierenden Pilger in die Stube, legte ihm seine Sonntagskleider an, setzte ihn in den Lehnstuhl am warmen Gfen, rief alle seine Leute zusammen und sagte ihnen, das sei der liebe Bruder Schneider, von dem er ihnen so viel erzählt und dem er es nächst Gott zu danken habe, daß er nicht schon lange auf einem polnischen Kirchhofe liege. Die Meiste- rin, die dem unbekannten Wohltäter ihres geliebten Ehegatten schon oft Gottes Segen auf allen seinen wegen gewünscht hatte, war aus der Küche hereingesprungen, hatte eiligst ihre Hand abgetrocknet und sie unter freundlichen und herzlichen Grüßen dem werten Gaste hin- gestreckt. Sie eilte aber bald wieder hinaus um zwei fette Gänse abzuschlachten und ein festliches Mahl zu bereiten, wozu sie ihre ganze Freundschaft laden ließ. Der Schmied aber ries einmal über das andere: „Das soll mir ein Freudentag sein!" und herzte und küßte den treuen Kameraden, der noch immer ganz verstummt drein sah und die Sprache nicht recht finden konnte. Die Gänse wurden fertig und der hungrige Schneider erinnerte sich nicht, seit vielen Jahren so prächtig gespeist zu haben. Dabei erzählte ihm der Schmied seine seitherigen Schicksale, was dem Schnei' der wie die schönste Tafelmusik klang. Nachdem sich dieser satt ge- gessen, mußte er auch erzählen, wie es ihm ergangen sei. Hlle Hn- wesenden wurden gerührt und gewannen den Fremdling bei seiner offenherzigen Erzählung so lieb, daß sie verlangten, er solle bei ihnen seinen Wanderstab niederlegen, wer sehnte sich mehr nach einem Plätzchen der Ruhe als unser Schneider! E§ fror ihn noch, wenn er an die' Schneegestöber dachte, die er in manchem Winter hatte durchfechten müssen. Mit Freuden ging er daher auf den Vor-

2. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 44

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
44 34. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt. ie Glocke auf dem St. Georgenturme schlug die Mitternachtstunde. Ein schweres Gewitter war im Nnzuge. Mit der Wut des Tigers kam der Sturm geflogen. Rber bald wurde sein heulen und Brausen überdröhnt von der mächtigen stimme des Donners, der in heftigem, zürnendem Tone den zuckenden Blitzen Buhe zu gebieten schien. Lin Wetterschlag folgte dem anderen. Da erscholl in die Nacht hinaus der Feuerruf: ,,Es hat in den Turm von 5t. Georg eingeschlagen!" In kurzer Zeit war der Platz um die Kirche mit Tausenden von Menschen angefüllt. Nlle schauten beängstigt nach dem Turmdache. Welchen Gang wird das Feuer nehmen? 5türzt das Dachgebälk, so wird der 5turm den Brand in die dichte Häuser- masse tragen, die dort auf der Westseite hart an die Kirche herantritt, hier ist die feuergefährlichste Steile der ganzen 5tadt: zahllose höl- zerne Emporlauben in engen Höfen, bretterne Dachgiebel, schindel- gedeckte Schuppen und alles so zusammengepreßt, daß nirgends eine Löschmannschaft mit Erfolg einem Feuer wehren kann. Dazu kommt, daß das bedrohte Stadtviertel vor dem Winde liegt. Da bahnte sich der Schieferdecker Npollonius Nettenmair einen Weg durch die Menge. ,,Wenn einer helfen kann, so ist es Nettenmair!" ruft dort eine Stimme. Eine dunkle Nöte überzog die bleichen Wangen unseres Schieferdeckers,' seine schlanke Gestalt richtete sich hoch auf. ,,Bleib' ich," sagte er zu einem ihn begleitenden Freunde, „so denkt an meinen Vater und an meines Bruders Weib und an seine Kinder!" Mit großen Schritten eilte er die Turmtreppe hinauf, einige Bauhand- werker folgten ihm. Wie er am Dachgebälk anlangt, da zuckt es blau zu allen Turmluken herein und unmittelbar darauf rüttelt ein prasselnder Donner an dem Turme. Npollonius war wie betäubt. Ein dicker Schwefelqualm erstickte ihn. Er sprang nach der nächsten Dach- luke um frische Luft zu schöpfen. Die Werkleute waren vor Schrecken auf den obersten Treppenstufen stehen geblieben, „herauf!" ries ihnen Npollonius zu. „Schnell das Wasser! Die Spritze! In diese Seite muß es eingeschlagen haben, von da kam Luftdruck und Schwefelgeruch. Schnell mit Wasser und Spritze an die Nusfahrtür!" Der Zimmermeister rief schon auf der Leitertreppe hustend: „Nber der Nauch!" — „Nur schnell!" entgegnete Npollonius. „Die Nusfahrtür wird mehr Luft geben, als uns lieb ist." Der Maurer und der Schornsteinfeger folgten dem Zimmermann, der die Schläuche trug, so schnell wie möglich mit der Spritze die Leitertreppe hinauf. Die anderen brachten Wasser

3. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 45

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
45 in Eimern. Rpollonius hatte die Dachleiter in der Rechten und griff mit der Linken nach dem Riegel der Rusfahrtür. Rlle hatten die beste Hoffnung; als aber durch die geöffnete Tür der wind hereinpfiff, dem Zimmermann die Mütze vom Kopfe riß und heulend und rüttelnd den Dachstuhl auf und ab polterte und Blitz aus Blitz blendend durch die dunkle Öffnung brach, da war der Mutigste im Begriff die Hand von dem vergeblichen Werke abzuziehen. Rpollonius mußte sich mit dem Rücken gegen die Türe kehren um atmen zu können. Dann, beide Handflächen gegen die Verschalung oberhalb der Türe gestemmt, bog er den Kopf zurück um an der äußeren Dachfläche hinaufzusehen. ,,Roch ist zu retten!" rief er nach unten. Er ergriff den Zchlauch, dessen unteres Ende der Zimmermann einschraubend an der Zpritze befestigte, und wand sich den oberen Teil um den Leib. ,,wenn ich zweimal hintereinander den Zchlauch anziehe, dann drückt los! Meister, wir retten die Kirche, vielleicht die Stadt!" Die rechte Hand gegen die Verschalung gestemmt, bog er sich aus der Rusfahrtür, in der linken hielt er die leichte Dachleiter frei hinaus um sie an den nächsten Dachhaken über der Türe anzuhängen. Es kam Rpollonius zustatten, daß der wind die Leiter gegen die Dach- fläche drückte. Er fühlte, sie hing. Zeit war nicht zu verlieren, er schwang sich hinaus. Der Zturm schaukelte die Leiter samt dem Manne wie eine Glocke hin und her. Gben hüpften bläuliche Flammen mit gelben Zpitzen. Der Brand nahm noch einen kleinen Raum ein. Roch war zu retten! Dieser Gedanke gab Rpollonius Kraft und die brauchte er. Die Leiter schaukelte nicht mehr bloß herüber und hinüber, sie wuchtete zugleich auf und ab. was war das? Die Leiter hing ja gar nicht an dem haken; er hatte sie an ein hervorspringendes Eichenblatt der Blechverzierung eines Kranzes um die helmslange angehängt. Zein und der Leiter Gewicht wuchtete an dem Ztück und zog es immer mehr herab und bog die Zeite, an die er die Leiter gehängt, nach vorne. Roch einen Zoll tiefer — und das Blatt lag wagrecht und die Leiter glitt von dem Blatte herab und mit ihm hinunter in die ungeheure Tiefe. Jetzt mußte sich sein Lebensmut bewähren. Zcchs Zoll weit neben dem Blatte war der haken. Roch drei leichte Zchritte die schwankende Leiter hinauf und er faßte mit der linken Hand den haken, hielt sich fest daran und hob die Leiter mit der rechten von dem Blatte herüber an den haken — und jetzt stand er wieder auf der Leiter. Zwei Züge an dem Zchlauche und die Zpritze begann zu wirken. Zie erwies sich kräftig; wo ihr Ztrahl

4. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 46

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
46 unter den Rand der Schiefer sich einzwängte, splitterten diese krachend von den Nägeln. Endlich lag die Brandfläche schwarz vor ihm,- dem Strahl der Spritze antwortete kein Zischen mehr. Es schlug 2 Uhr,- er hatte seine Pflicht getan, wo Tausende sie nicht getan hätten,- er hatte die Stadt von der furchtbarsten Gefahr befreit. Nls der Mann die Leiter herabgekommen und in der Nusfahr- tür verschwunden war, da begann unten eine alterszitternde Stimme zu singen: „Nun danket alle Gott!" Nlle stimmten ein in den Ge- sang und die Töne des Dankes schwollen durch die ganze Stadt, über Straßen und Plätze, drangen in die Häuser hinein bis in das innerste Gemach und stiegen bis in die höchste Bodenkammer hinauf. Die ganze Stadt war eine einzige, große Rirche und Sturm und Donner die riesige Grgel darin. Und wieder erhob sich der Ruf: „Der Nettenmair! wo ist der Nettenmair? N)o ist-der Helfer? wo ist der Netter? Wo ist der brave Mann?" Er hatte sich im Türmerstübchen wohl eine halbe Stunde zur Nuhe gelegt, zuvor aber die Nusfahrtür geschlossen, die Lampen vorsichtig löschen, die Spritze leeren, die Schläuche in die Türmerstube bringen lassen. Nls er später den Heimweg antrat, begann unten eine große Not für Npollonius. Er wurde von Nrm in Nrm gerissen. Seine Hände wurden so gedrückt und geschüttelt, daß er sie drei Tage lang nicht mehr fühlte. Ein angesehener Mann hatte nach vollbrachter Rettung auf dem nahen Marktplatze eine Geldsammlung begonnen. Geld lohne frei- lich solch ein Tun nicht, wie der Brave es heute bewiesen,- aber man könne ihm wenigstens zeigen, daß man wisse, was man ihm zu danken habe. Eine namhafte Summe war rasch zusammengekom- men. — Die ihm übergebene Geldspende legte Npollonius Nettenmair in die Hände des Stadtrates als Grundstock zu dem Rapital, das ein städtisches Rrankenhaus erfordert. Nach Dtto Ludwig. 35. Johanna Sebus. Zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten aus dem Dorfe Brienen (unfern Kleve), die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgange des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Kleverham, Hilfe reichend, unterging. Der Damm zerreißt, das Feld erbraust, Die Fluten spülen, die Fläche saust.

5. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 47

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
„Ich trage dich, Mutter, durch die Flut; Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.“ — „Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind, Die Hausgenossin, drei arme Kind! Die schwache Frau! .... Du gehst davon!“ — Sie trägt die Mutter durchs Wasser schon. „Zum Bühle, da rettet euch! Harret derweil; Gleich kehr’ ich zurück, uns allen ist Heil. Zum Bühl ist’s noch trocken und wenige Schritt; Doch nehmt auch mir meine Ziege mit!“ Der Damm zerschmilzt, das Feld erbraust, Die Fluten wühlen, die Fläche saust. Sie setzt die Mutter auf sichres Land; Schön Suschen* gleich wieder zur Flut gewandt. „Wohin? wohin? Die Breite schwoll; Des Wassers ist hüben und drüben voll. Verwegen ins Tiefe willst du hinein?“ — „Sie sollen und müssen gerettet sein!“ Der Damm verschwindet, die Welle braust, Eine Meereswoge, sie schwankt und saust. Schön Suschen schreitet gewohnten Steg, Umströmt auch gleitet sie nicht vom Weg, Erreicht den Bühl und die Nachbarin ; Doch der und den Kindern kein Gewinn! Der Damm verschwand, ein Meer erbraust’s, Den kleinen Hügel im Kreis umsaust’s. Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund Und ziehet die Frau mit den Kindern zu’Grund Das Horn der Ziege faßt das ein', So sollten sie alle verloren sein! Schön Suschen steht noch strack und gut: Wer rettet das junge, das edelste Blut? Schön Suschen steht noch wie ein Stern; Docli alle Werber sind alle fern. Kings um sie her ist Wasserbahn, Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran. Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf, Da nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf. * Suschen, weil dem Dichter der Name Hannchen nicht gefiel.

6. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 1

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
fasset die Kleinen zu mir kommen! Erster Abschnitt. 3ur Pflege der Religiosität und Sittlichkeit. 1. Fang an mit öott! ii^iang an mit öott! Das ist ein schützend Wort - mw/Ji ^ni) roani) rc l-utzig deine Pfade fort ■ 3wll\ Und ziti're nicht vor untzeildrotz'nden wegen! Mit öott! Das ist ein Wort voll reichem Segen: Da roankt in deiner fjanb kein wanderstad. Du schreitest sicher dann bergauf, hergab Und findest leicht, voll Kraft und voller 6nade, Durch Sturm und Kampf allzeit die rechten Pfade. Mit öott! Da wird vor keiner Pacht dir dang, Das ist dein sicht auf jedes Pbgrunds fjang. Cs ist in Cis und Schnee wie fonn'ge Matten, tm Sonnenbrand roie kühler Waldesschatten. Cs hält des fjeils und auch des Segens viel. Fang an mit öott, du kommst ans rechte Ziel! Franz Xaver Seibl. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz. 1

7. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 2

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
2. Hlus der Schule ins Leben. Ojvr Tñg der Entlassung aus der Schule gilt der Jugend als ein ^ Freudentag. Er ist aber auch ein wichtiger Markstein, der den Garten der sorglosen Kindheit von dem Felde ernsten Lebens scheidet. Vielleicht erinnerst du dich noch, junger Leser, der Stunde, wo du an der Hand der lieben Mutter zum ersten Male die Schwelle des Schnl- hauses überschrittest und dem Lehrer entgegengingst, der mit freundlichem Worte dir die Hand zum Willkomm bot. Bald fühltest du dich heimisch in dem neuen Raum und der Kreis neuer Menschen, der dich jetzt um- fing, wurde dir lieb und wert. Außer dem Elternhause gibt es wohl keinen Ort, der dir so unvergeßlich bleiben wird wie die Statte, wo du die ersten Anfänge menschlichen Wissens bemeistern lerntest und wo du nach ernster geistiger Arbeit im frohen Spiele mit den Jugendfreunden soviele Stunden der Freude genießen konntest. Wie köstlich war es an den schulfreien Nachmittagen und in den Ferien, auf Wiese und Anger, in Busch und Wald zu spielen oder uuter Führung des Lehrers einen hohen Berg zu besteigen oder durch das stille Gemäuer einer verfallenen Burg zu schweifen! Diese glückliche Zeit bleibt dir ein unbezahlbarer Schatz, den dir niemand rauben kann und der dich in mancher Stunde des späteren Lebens mit Frohgefühl laben wird. Wem Gott eine heitere Jugend geschenkt hat, der trägt einen Sonnenstrahl im Herzen durchs ganze Leben. Aber der Knabe soll zum Manne reifen, das Mädchen zur Frau. Die Schulzeit hat ihr Ziel erreicht. Mit froher Zuversicht trittst du hinaus in die Welt um dir mit eigener Kraft dein Glück zu schmieden. Wohin auch immer das Leben dich ruft, sei es zu Pflug und Egge, zu Hammer und Zange, zu Dampf und Rad, zu Küche und Kammer, überall begehrt man von dir geschickte Hand, geschärften Verstand, Arbeitsernst und Lebensart. Schule und Kirche haben sich bemüht dir ihr Bestes zu geben: sie schärften deine äußeren Sinne für die Erscheinungen des Lebens, sie übten dein inneres Auge für alles, was gut, schön und wahr ist, sie senkten in dein Herz uneigennützige Nächstenliebe und festes Gottvertrauen, Tugenden, die dir ein sicherer Führer durch alle Stürme und Bedräng- nisse des Lebens sein sollen. Der Gedanke an Gott wird dich nicht bloß in den Tagen des Leids und Unglücks emporrichten, er wird dich auch von Menschenfurcht und den Schwächen deines Herzens befreien, wird dich bescheiden machen in der Schätzung deiner eigenen Kraft und Arbeit und dich heiter und zufrieden erhalten in allen Lagen des Lebens.

8. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 5

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
5 Die krausen Eiseubeschläge au den Türen der Wandschränke glänzten wie Silber; die schweren Messiugleuchter ans dem Gesimse des mächtigen Ofens und die Krüge, die Schüsseln und Teller von Zinn ans den Kandelbrettern blinkten und blitzten heute wie immer. Auf dem kleinen, mit einem buntgestickten Tuche belegten Tische zwischen den beiden Lehn- stühlen an der Fensterwand harrte ein blauer Steinkrng seines Blumen- schmuckes und über die längliche Truhe, die zugleich als Sitzbank diente, war eine weiche, dunkelfarbige Decke gebreitet. Zum Morgenimbiß gab es Sonntags feineres Brot, Wecksemmel und Schönroggen, und man blieb länger und ruhiger dabei sitzen als Werktags. Jeder mußte dazu im Feiertagskleid erscheinen und lauten Scherz und weltliche Kurzweil litt des Meisters frommer Sinn dabei nicht; dazu war nach der Kirche den ganzen übrigen Tag noch Zeit genug. Die Hausgenossen bewegten sich langsamer und gemessener, traten sachter auf, rückten die Stühle leiser und benahmen sich gegeneinander rücksichtsvoller als sonst, wo man sich in der knrzen Zeit zwischen der Arbeit nicht mit Förmlichkeiten ab- gab. Bloße Förmlichkeiten waren es aber auch heute nicht; es lag in diesem maßvollen Wesen nichts Gemachtes, sondern es war echte Soun- tagsstimmnng, die sich unwillkürlich den Gemütern aufprägte als eine würdige Vorbereitung für den Gottesdienst. Die Häuser selbst hatten ein ungewöhnliches Aussehen in dieser Sonntagsruhe; denn wenn sie auch nicht wie ihre Bewohner andere Kleider anziehen konnten, so standen sie doch, Giebel neben Giebel, still und ernst in den engen, gebogenen Gassen und kein Arbeitsgeränsch drang ans ihren feiernden Dielen. Die Schlagfenster der Kramläden und Werkstätten waren geschlossen, ebenso die Fleischschragen, die Brotbänke und die Kisten der Gewandschneider; denn Sonntags durfte nichts ver- kauft werden, es sei denn, daß man das erste oder das letzte Gewand für ein armes Menschenkind zu seinem Eingang ins Leben oder zu seinen: Ausgang daraus nötig hatte: eine Windel oder ein Totenhemd. Das sechstürmige Rathaus lag in einer unnahbaren Würde breit und mächtig da; es brauchte ja heute nicht zu regieren, die Treppen ruhten sich aus von den gewichtigen Schritten der Gestrengen und Hochgewaltigen und die Stuben waren gelüftet von all den weisen Gedanken und dumpfen Sorgen, die darin brüteten und schwelten. Die Glocken läuteten zur Kirche und die Andächtigen folgten dem feierlichen Rufe. Ernste Männer, Ratsherren und Handwerker, in pelz- verbrämten Schauben* oder in geschonten Leibröcken aus dunklem Tuche schritten langsam, bedächtig dahin. Geschmückte Frauen mit gold- und silbergestickten Schappeluch und schönen Gürtelketten, an denen die faltigen, samtbesetzten Kleider geschürzt waren, und sittsame Jungfrauen mit nieder- geschlagenen Augen, das Gebetbuch in den gefalteten Händen, wandelten an der Seite der würdigen Eheherren und Väter, während Knechte und Mägde sich ihnen bescheiden anschlössen. Auch im Böttcherhause war niemand zurückgeblieben. .____________ Julius Wolfs. * Schaube — langes, weites Obergewand. f Schappel — kranzförmige Kopfzierde.

9. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 7

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
7 7. Weihnachten. <"7vrs rührendste Fest der Christenheit ist das Weihnachtsfest. An dem ^ Tage, den wir da feiern, erfüllte sich das große Wort: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben." Weihnachten ist das Geburtsfest Jesu Christi, des Sohnes Gottes, unseres Herrn und Heilandes. Tiefer Winter liegt über der Welt, alles Leben in der Natur ist eingeschlummert, die längste Nacht des Jahres umhüllt die Erde; da kommt das Weihnachtsfest und in allen Christenherzen wird es licht und warm. Es ist, als ob ein goldener Frühlingstag voll Duft und Glanz und Liederklang mit einem Male aufgegangen sei; denn die Glocken in Stadt und Land läuten die alte, immer wieder neue Engelsbotschaft durch die Welt: „Freuet euch, denn der Heiland ist für euch alle da!" Wie sollte uns diese frohe Kunde nicht mit der innigsten Freude, mit dem seligsten Troste erfüllen? „Der Heiland ist euch heute geboren!" Dieses Wort gilt für alle Zeit und für alle Menschen, für die Kleinen und die Großen, für die Geringen und die Vornehmen, für die Armen und die Reichen. Wir alle haben in Christus dem Herrn den Erlöser aus Schuld und Sünde, den Retter aus dem Tode und ewiger Finsternis, den Lehrer der Wahrheit und Tugend, den Helfer in jeder Not, den Tröster in allem Leid, den Mittler und Fürsprecher bei Gott dem Vater, den Führer zum ewigen Leben. Das Kindlein in der Krippe zu Beth- lehem, das wir am Weihuachtsfeste im Geiste mit den frommen Hirten anschauen und anbeten, sagt uns immer wieder, wie lieb uns Gott hat und wie ihm alles daran gelegen ist, daß wir hienieden seine guten, drüben im großen Vcllerhause aber einst seine seligen Kinder werden. Wenn du nun weißt, mein liebes Christenkind, wie lieb dich Gott hat, und wenn du dich darüber freuest, wirst du in deiner Freude nicht auch deinen Mitmenschen gegenüber gütig und freigebig sein wollen? Das hohe Weihnachtsfest ist unter uns Christen zu einem Gabenfest geworden. Weil alle wissen, daß ihnen Gott das Beste, feinen vielge- liebten Sohn, schenkte, erfreuen sich alle gegenseitig mit Gaben. Und wenn wir im zarten Jugendalter frohlockend auf den lichtstrahlenden, reichgeschmückten Christbaum schauten und die Geschenke darunter bewun- derten und staunend hörten, daß das Christkind gekommen sei und uns bedacht habe, so war das eine große und tiefe Wahrheit, denn kein duftender Lichtbaum und keine Weihnachtsgaben würden uns beschert werden, wenn nicht das Christkind, der Heiland, uns wäre geschenkt

10. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 9

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
Wir feiern am hohen Osterfest das Gedächtnis der Auferstehung Jesu Christi aus dem Grabe. Der Heiland starb am Kreuze. Er war freiwillig in den bittersten Tod gegangen um die Schuld des sündigen Menschengeschlechtes zu büßen; er war gehorsam geworden bis zum Tode am Kreuze um unseren Ungehorsam gegen Gott zu sühnen. Indem er sich aus reinster Liebe zu uns der göttlichen Gerechtigkeit opferte, hat er uns den Zutritt zum Vater im Himmel wieder erschlossen. Er hat uns geliebt und sich für uns hingegeben, damit wir vom Tode erlöst würden und das ewige Leben hätten. Aber'hat der Vater im Himmel sein Opfer angenommen? Ist die Sünde getilgt und die Schuld gebüßt? Darüber können wir nur Ge- wißheit haben, wenn der Tod, der die Strafe der Sünde ist, aufgehoben, wenn der Tod wenigstens über jenen keine Macht mehr hatte, der für die Sünder gestorben ist. Jesus Christus hat sein Leiden und Sterben vorhergesagt, aber auch mit ebenso großer Bestimmtheit seine Auferstehung, seinen Sieg über den Tod. Und er ist am dritten Tage auferstanden. Einzig groß und wunderbar steht diese Tatsache in der Geschichte der Menschheit da; aber sie ist eine Tatsache, bezeugt von Augenzeugen, von den Jüngern Christi, die den Auferstandenen mit ihren Augen sahen, mit ihren Händen berührten, mit ihm verkehrten und aßen, die mit ihm redeten und von ihm Belehrungen und Aufträge entgegennahmen, bis er in ihrer Gegenwart zum Himmel fuhr. Auf der Tatsache der Auferstehung Christi beruht das ganze Christen- tum; auf diesem Grunde steht unser Glaube, baut sich auf unsere Hoff- nung, erblüht immer wieder unsere Liebe znm Heiland. Aber vergessen wir es nicht! Was nützte uns die glorreiche Auf- erstehung des Herrn, wenn wir im geistigen Tode blieben, wenn wir vom Banne des Bösen in der Sünde uns festhalten ließen, wenn wir nicht mit gutem, reumütigem Willen die Gnade Christi gebrauchen wollten? Es will Frühling werden in der Natur, es muß auch Frühling werden in unseren Seelen. Es muß in uns grünen und blühen, wir müssen nach der Wahrheit und nach dem Beispiele Christi leben: dann ist Ostern in unseren Herzen. Joseph Hecher. 10. Ostermorgen. Lerche stieg am Ostermorgen Empor ins klarste Luftgebiet Und schmettert’, hoch im Blau ver- borgen, Ein freudig Auferstehungslied. Und wie sie schmetterte, da klangen Es tausend Stimmen nach im Feld: Wach’ auf, das Alte ist vergangen, Wach’ auf, du froh verjüngte Welt! 2. Wacht auf und rauscht durchs Tal, ihr Bronnen, Und lobt den Herrn mit frohem Schall! Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen, Ihr grünen Halm’ und Blätter all! Ihr Veilchen in den Waldesgründen, Ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot, Ihr sollt es alle mitverkünden: Die Lieb’ ist stärker als der Tod.
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