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daß man nicht jedem glauben mag;
drum möchten wir von Angesicht
den sehn, von dem die Sage spricht,
und hören ihn mit eignen Ohren.
Die Mühe, denken wir, sei nicht verloren."
Der Fremde drauf mit Ernst versetzt:
„Zu Wittenberg ist er wohl nicht ansetzt,
das kann ich euch in Wahrheit sagen.
Nun aber laßt mich euch was fragen:
Wie spricht man denn im Schweizerland
von Luthern?" „Herr, gar allerhand
wird da gered't, gemeint, gestritten.
Von vielen ist er wohlgelitten,
sie rühmen ihn und preisen Gott den Herrn,
was er durch ihn geschaffen nah und fern;
doch andere schelten ihn als Ketzer,
als Lügengeist und Volksverhetzer —"
„Ha", spricht der Reiter, „merke schon,
das pfeifet auö der Pfaffen Ton."
Noch redet er viel hin und her,
als ob er gar ein Doktor wär';
von allem wußt' er gut Bescheid,
der Mann im roten Reiterkleid,
das Büchlein auch, in dem er las,
ein gut hebräisch Psalter was;
Hebräisch, Griechisch und Latein,
dem Reiter schien es ganz gemein,
daß drob die Jungen gar erstaunen
und dies und das ins Ohr sich raunen.
Und überdem tritt näher auch
der Gastwirt, nach der Wirte Brauch,
die Gäste wohl zu unterhalten
von neuen Dingen und von alten.
„Ja," hebt er an, „ihr lieben Jungen,
bald euren Augen wär's gelungen,
den Doktor Luther selbst zu schaun:
denn heute vor zwei Tagen, traun!
hat er an eben diesem Tisch
gesessen ganz gesund und frisch."
Das ärgert beide sonder maßen
und schalten ob der bösen Straßen,
die sie so lang in ihrem Lauf
nach Sachsenland gehalten ans.
Dann tritt der Wirt noch einmal für
und ruft den einen vor die Thür:
dem fängt das Herz gewaltig an zu pochen,
meint, hätt' in Unschuld was verbrochen,
ob dem der Wirt ihn strafen wollt' mit
Worten;
doch folgt er ihm vor der Stuben Pforten.
Der Wirt macht erst ein schlau Gesicht,
drauf heimlich er zum Jungen spricht:
„Was gebt ihr mir, mein junges Blut,
wenn ich euch sage kurz und gut,
was ihr zur Stunde noch nicht wißt,
daß der der Doktor Luther ist,
mit dem ihr drinnen ohne Scheu
gesprochen, glaubt's auf meine Treu!
Doch bitt' ich, haltet reinen Mund,
thut keinem das Geheimnis kund."
Das kann der Junge erst nicht glauben
und meint, der Wirt wollt nur auf Schrau-
den
ihm setzen den verwirrten Kopf,
wie mau es pfleget einem Tropf;
doch der verschwört sich hoch und schwer,
daß eben der der Luther wär'.
Nun wurmt dem Jungen das Geheim-
nis gar,
bis er's kann machen offenbar;
wohl hat er zwar versprechen müssen,
es soll kein andrer darum wissen,
allein dem Kameraden in das Ohr,
bleibt's ein Geheimnis nach wie vor.
Der Kamerade hört's und stutzt!
„Hast wohl die Ohren nicht geputzt,
verstehst die Sprach' nicht hie zu Landen
und hast den Wirt nicht recht verstanden;
hast du auch zweimal ihn gefragt?
Der Hutten hat er wohl gesagt,
der Hutten, ja, das mag sich passen,
der Hutten ist's, drauf kannst du dich ver-
lassen."
Dem andern kommt's nun selber vor,
als ob getäuschet ihn sein Ohr,
und beide werden eins gar bald,
der Hutten sei die fremde Mannsgestalt.
Indessen kommt die Essenszeit,
der Wirt die Speisen macht bereit,
der Luther-Hutten ladet ein
die Jungen, seine Gäst' zu sein.
Die lassen sich's nicht zweimal sagen,
denn hungrig worden war der Magen;
doch hungert wahrlich sie noch mehr
nach all der guten, feinen Lehr',
die ihnen zu der Seelen Heil
soll über Tische werden theil;
und ob der Wirt auch auf das beste
mit Speis und Trank bedient die Gäste,
sie achten nicht des Koches Kunst,
verdampfen muß der Schüssel Dunst
umsonst, nur Ohr und Herz allein,
die wollen heut' gesättigt sein.
Und weiter spricht der Reiter nun:
„Jetzt müßt ihr eins Bescheid mir thun.
Fort mit dem Bier! Der Schweizermageu
kann besser ein Glas Wein vertragen.
Herr Wirt, gebt Wein!" Gesagt, gethan!
„Wohlauf! ihr Jungen! stoßet an,
so lasset denn den Hutten leben,
mein'thalb den Luther auch daneben,
und kommt nach Wittenberg ihr 'nein,
so grüßet mir Philippum fein
und Doktor Schürfen, den Juristen,
samt allen andern guten Christen!"
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339
samkeit und glühend für die Freiheit, gewann er leicht die Herzen aller
deutschen Männer und Jünglinge und ward der Stifter eines großen
Bundes. In einer nächtlichen Versammlung im Walde schwuren sie allen
Römern in Deutschland den Untergang. So geheim indes das Unter-
nehmen betrieben wurde, so wurde es doch dem Varus verraten. Aber
Varus hielt die Deutschen für zu dumm und sich für zu mächtig, als daß
er irgend eine Gefahr hätte fürchten dürfen.
Als der Herbst des Jahres 9 n. Chr. gekommen war, schritt Hermann
zur Ausführung seines Planes. Varus wurde von seinem festen Lager-
plätze weg und immer tiefer in die deutschen Wälder hineingelockt. Er be-
fand sich mitten in den Wildnissen des Teutoburger Waldes in einem
Thale. Da ward auf einmal jeder Busch lebendig. Aus jeder Bergschlucht
raschelte es wie viele hundert Schlangen empor, und die uralten Bäume
schüttelten, wie sonst nach dem Wetter Regentropfen, jetzt Pfeile ohne Zahl
auf die Römer herab. Der Himmel wollte auch nicht feiern und half den
Deutschen mit Sturm und Regen. Von den Güssen unterwühlt, sank die
deutsche Erde unter den Füßen des Römers ein; im losen Erdreiche schwan-
kend, vom Sturm gerüttelt, stürzten die deutschen Eichen über die Unter-
drücker hin und zermalmten sie im Falle. Jetzt nahmen die Deutschen in
Weidmannslust so recht die fremden Eber aufs Korn, die ihnen die heilige
Erde des Vaterlandes so lange aufgewühlt. Pfeil an Pfeil, Fall an Fall!
Schritt für Schritt kämpft der Feind um den Boden, auf dem er steht,
um den Weg, um jeden Baum, um jeden Stein, und kommt nicht eher zu
Atem, als bis die Nacht hereinbricht. Da läßt Varus Lager schlagen, und
ermattet sinken die Römer hin; in jedem Augenblicke scheucht der Deutschen
Kriegsgeheul sie aus der kurzen Nachtruhe empor. Wie der Tag sich lich-
tet, entdecken sie erst, wie licht es in ihren Reihen geworden. Mann an
Mann geschlossen, brechen sie auf und kommen aufs offene Land. Da
sehen sie mit Grausen die ganze Macht der Deutschen vor sich entfaltet.
Rings umher Deutsche, nirgends ein Ausweg. Für alle Tapferkeit ist
nichts mehr seil als der Tod. Jauchzend stürzen jetzt die Deutschen in
der verzweifelten Römer starre Reihen. „Die Freiheit! die Freiheit!"
schallt es wie Donner des Himmels den Römern in die Ohren. Wie die
Saat unter Hagelschloßcn sinken die Tapfern unter den deutschen Hieben hin.
Hermann selbst ist überall. Hier ordnet er als Feldherr die Schlacht und
ruft: „Drauf, Brüder, drauf!" Dort kämpft er mit der Kraft von zehn
Männern, Stirn an Stirn; kein Deutscher, der nicht mit ihm um den
Preis wetteiferte. Des Feindes Scharen sind zersprengt; nur wenige
wilde Haufen ragen noch aus dem Meere der Schlacht empor. Jetzt wird
die Flucht allgemein; doch wer sich retten will, rennt wie blind gerade recht
in die Spieße der Deutschen. Da faßt den Varus Verzweiflung, und um
sein Unglück nicht als Schmach überleben zu müssen, stürzt er sich in sein
Schwert. Nur wenige von dem ungeheuren Römerheere entrinnen glücklich
nach der Feste Aliso, die meisten liegen auf dem Wahlplatze. Wer in Ge-
fangenschaft kam, ward entweder den Göttern zum Danke für die wieder
errungene Freiheit geopfert, oder zum gemeinen Frohndienste in die Gauen
der Deutschen geschleppt.
Das war die große Schlacht im Teutoburger Walde, die geschlagen
ward im neunten Jahre nach Christi Geburt. Als der Kaiser Äugustus
die Kunde erhielt, daß die drei Legionen gefallen, stieß er in Verzweiflung
22*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Extrahierte Personennamen: Varus Varus Hermann Varus Varus Hermann Varus
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Weidmannslust Christi
344
Gefallenen suchten sie den Leichnam des Gothenkönigs und hielten ihm ans
dem Schlachtfelde ein feierliches Leichenbegängnis unter Wehklagen und
Waffengetön, geschmückt mit Hunnenbeute, angesichts Attilas, der ' bte Be-
stattung nicht zu stören wagte. Attila kehrte unverfolgt über den Rhein
zurück.
Im folgenden Jahre machte er noch einen Ranbzug nach Italien, er-
oberte Aquileja und zerstörte die Stadt gänzlich. Damals flohen viele
Römer auf die kleinen sumpfigen Inseln des adriatischen Meeres und
legten daselbst den ersten Grund der Stadt Venedig. Attila zog gegen
Rom. _ Schon war man auf den Untergang bereitet, als plötzlich Rettung
vom Himmel kam. Leo, Bischof von Rom, ein gottbegeisterter Greis,
zog an der Spitze der römischen Geistlichkeit, in priesterlichcm Schmuck
und mit feierlichem Gesänge, einer Taube des Friedens oder einem gott-
gesandten Engel gleich, den wilden, mordbegierigen und bluttriefenden
Hunnen entgegen. Niemand wagte, die frommen Priester anzutasten. Sie
kamen ungehindert vor Attila selbst, und dieser ward durch den Anblick
und die Worte Leos bewogen, Rom zu verschonen und sogleich den Rück-
weg einzuschlagen. Die innere geistige Gewalt, womit die Erscheinung des
heiligen Greises auf den Helden wirkte, ist in der Sage dergestalt be-
zeichnet worden, daß Attila über dem Haupte des Greises einen ungeheuren
Riesen gesehen, der ihn drohend zurückgeschreckt habe.
Aus dem Rückwege aus Italien starb Attila plötzlich. Er wurde mit
großer Feierlichkeit zur Erde bestattet. Sein ganzes Heer ritt um seine
Leiche. Sie ward in einen goldenen Sarg gelegt, der wieder in einen
silbernen und dieser in einen ehernen. Alle, die an seinem Grabe ge-
arbeitet hatten, wurden umgebracht, damit niemand es entdecken könne.
Nach Kohlrausch.
7. Bonifacius, der Apostel der Deutschen.
1. Das Christentum in Deutschland. — Zur Zeit Pipins
herrschte das Christentum bereits bei den meisten deutschen Völkern. Die-
jenigen von ihnen, welche in fremde Länder eingewandert waren, hatten es
durch die Römer kennen gelernt und sich leicht und rasch von ihren alten
Göttern zu Christo, dem Heilande bekehrt. Unter den Franken war das
Christentum seit Chlodwig verbreitet. Im Innern Deutschlands dagegen
dauerte es länger, bis das Licht des Evangeliums das Heidentum besiegte.
Über das Meer her aus Irland und England kamen die Glaubensboten,
welche hier das Wort vom Kreuze verkündeten. Denn ans jenen Inseln
hatte das Christentum kräftig Wurzel gefaßt; es blühten dort zahlreiche
Kirchen und Klöster, und in den Mönchen lebte ein heiliger Eifer, die
Segnungen des Evangeliums auch andern Völkern zu bringen. Lo zogen
viele von ihnen nach Deutschland, wanderten unter mancherlei Mühselig-
keiten, Entbehrungen und Gefahren durch die dunkeln Wälder, verkündeten
den rohen Volksstämmen die Lehre von Christo und legten in der Wildnis
Klöster an, damit in ihnen das christliche Leben feste Stätten habe, von
denen aus es immer weiter dringe. Der thätigste unter allen diesen
Männern war der englische Mönch Winfried, der um seines wohlthätigen
Wirkens willen den Namen Bonifacius, d. i. Wohlthäter, erhalten hat.
Mit Recht wird er als der eigentliche Apostel der Deutschen gepriesen.
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Extrahierte Personennamen: Attila Attila Leo Attila Leos Attila Attila Bonifacius Apostel Christo Chlodwig Christo Winfried Winfried Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Attilas Rhein Italien Venedig Rom Rom Rom Italien Deutschland Deutschlands Irland England Deutschland
346
8. Bonifacius von einem Adler gespeiset.
kühler Waldesstelle
^Ajrsäss Bonifacius;
i^-r^les rollte Well' auf Welle
vor ihm der Ohrafluss.
6.
Der reichlich konnte schicken
einst in der Wüste Brot,
der wird auch uns erquicken
mit Speisen in der Not.“
2.
Ihn hungert auf der Reise,
und er bedurfte Ruh'.
,,Bereite schnell mir Speise!“
rief er dem Diener zu.
7.
Und als nach seinem Worte
der Diener schnell gethan,
da schwebte zu dem Orte
ein Adler schwarz heran.
3.
Der Diener aber senkte
kleinmütig seinen Blick;
,,ach,“ seufzt er, „warum schenkte
Gott solches Missgeschick?
4.
Das, was ich mitgenommen,
ist alles aufgezehrt;
kein Beerlein zu bekommen,
wohin der Blick sich kehrt.“
5.
Da winkt ihm zu der Fromme:
„Mein Lieber, decke frisch,
damit uns Speise komme
auf diesen Stein, den Tisch.
8.
Der trug in seinen Krallen
laut schreiend einen Fisch
und liess ihn niederfallen
auf den gedeckten Tisch.
9.
Des Frommen Auge glühte,
sobald er dies geschaut;
hoch pries er Gottes Güte,
auf die er fest gebaut.
10.
Der Diener schürte Flammen
und sott den Fisch sogleich;
dann speisten sie zusammen
und sättigten sich reich.
A. Bube.
9. Pipin
1.
, ipin der Kurze war nicht groß,
doch Karls des Großen Vater,
in aller Weise fehlerlos
ein treuer Volksberater,
der Kurze.
5.
Doch unser Held, der Kurze, schien
zu klein manch kleinen Geistern,
die maßen mit den Angen ihn
und hatten viel zu meistern.
2.
der beste Held im Frankcnreich,
der Kirche Wohlgefallen,
an Weisheit nur sich selber gleich,
an Tapferkeit vor allen,
3.
war nicht geboren auf dem Thron,
doch für den Thron geboren!
Zum Herrscher war des Hammers Sohn
von Gottes Gnad' erkoren.
6.
Des schwieg der Held, und ritterlich
sinnt er, den Hohn zu dämpfen,
und lädt zum Spiele männiglich,
wo wilde Thiere kämpfen.
7.
Schon eilt das Volk herbei mit Drang,
die stolzen Großen alle,
sie nahen beim Trompetenklang
mit lautem Waffenschallc.
4.
Papst Zacharias sprach dies Wort:
„Des Königs Würd' und Name
gebührt der Völker starkem Hort!"
Und alle Welt sprach: Amen!
8.
Still sitzt Pipin, gedankenschwer,
wie nahend Ungewitter
wirft er nur Blitze um sich her —
da rauscht herab das Gitter.
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TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Männern über die Vorzeit, über die Bücher der heiligen Schrift und über
göttliche Dinge; denn er dürstete nach Erkenntnis der Wahrheit. Noch in
späten Jahren lernte er fremde Sprachen und ließ sich in den Wissen-
schaften unterrichten. — Er schien für alles geboren. Derselbe Mann, der
vielen Völkern Gesetze gab und über ihr Wohl wachte, der Botschaften
empfing aus allen Theilen seines großen Reiches und gewaltige Kriege
führte znm Schutz gegen die Heiden und zum Beistände der schwachen,
er ließ sich aus seinen Gütern die Rechnungen vorlegen, in denen alles
bis auf die Anzahl der Eier eingetragen sein mußte. Dann überzählte er
Einnahme und Ausgabe, rechnete seinen Verwaltern nach und machte Ban-
anschläge, als wäre er nichts als ein Landmann. Darum nannten ihn
seine Zeitgenossen auch den Großen. Er aber nannte sich nicht so, sondern
er demütigte sich in seinem Herzen und sagte: „Gott allein ist groß; ihm
allein gebührt die Ehre!"
4. Den Gipfel menschlicher Größe erstieg er im Jahre 800. Der
Papst in Rom hatte ihn zum Schutzherrn angenommen; denn er hatte
dort die gestörte Ordnung wieder hergestellt und den Papst in seiner Würde
befestigt. Am Weihnachtsfeste des genannten Jahres kniete der große
Frankenkönig in der Peterskirche zu Rom betend dem Hochaltar gegenüber.
Da schritt plötzlich der Papst aus ihn zu, setzte ihm eine Krone ans das
Haupt und begrüßte ihn als römischen Kaiser und Herrn aller Christen-
heit, und die Kirche hallte wieder von dem freudigen Zurufen des Volks:
„Leben und Sieg dem von Gott gekrönten, frommen, großen und friede-
bringenden Kaiser von Rom!" Das war ein feierlicher Augenblick; es war
der Ursprung und Anfang des römischen Kaisertums deutscher Nation, das
tausend Jahre bestand und auf die Geschicke vieler Völker eingewirkt hat.
Karl nannte sich aber von nun an einen Kaiser von Gottes Gnaden und
achtete sich für einen Schirmherrn der Kirche und Vorsteher der Christen-
heit, dem Gott das Amt gegeben, daß er in Kirche und Reich zum
Rechten sehe.
5. Merkwürdig, wie er gelebt hatte, wurde er auch begraben. Im
vollen Kaiserschmucke, mit Krone und Schwert, ein goldenes Evangelien-
bnch ans den Knien, ein Stück des heiligen Kreuzes ans dem Haupte, die
goldene Pilgertasche um die Hüften, wurde er, sitzend auf goldenem Stuhle,
in die Gruft der von ihm gestifteten Marienkirche zu Aachen hinabgelassen.
Nach seinem Tode aber lebte der Name des großen Karl in den Sagen
und Liedern des Volkes fort, und wollte man einen Kaiser am höchsten
preisen, dann sagte man: „Er hat gewaltet wie Karl der Große!"
Anhalt. Lesebuch.
11. Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt.
1. Als Kaiser Karl zur Schule kam
und wollte visitieren,
da prüft' er schars das kleine Volk,
ihr Schreiben, Buchstabieren,
ihr Vaterunser, Einmaleins
und was man lernte mehr.
Zum Schlüsse rief die Majestät
die Schüler um sich her.
2. Gleichwie der Hirte schied er da
die Böcke von den Schafen:
zu seiner Rechten hieß er stehn
die Fleißigen, die Braven;
da stand im groben Linnenkleid
manch schlichtes Bürgerkind,
manch Söhnlein eines armen Knechts
von Kaisers Hofgesind.
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350 —
3. Da rief er mit gestrengem Blick
die Faulen her, die Böcke,
und wies sie mit erhabner Hand
zur Linken, in die Ecke;
da stand im pelzverbrämten Rock
manch feiner Herrensohn,
manch ungezognes Mutterkind,
manch junger Reichsbaron.
4. Da sprach nach rechts der Kaiser mild:
„Habt Dank, ihr frommen Knaben,
ihr sollt an mir den gnäd'gen Herrn,
den güt'gen Vater haben;
und ob ihr armer Leute Kind
und Knechtessöhne seid:
In meinem Reiche gilt der Mann
und nicht des Mannes Kleid!"
5. Dann blitzt' sein Blick zur Linken hin,
wie Donner klang sein Tadel:
„Ihr Taugenichtse, bessert euch,
ihr schändet euren Adel;
ihr seidnen Püppchen, trotzet nicht
auf euer Milchgesicht!
Ich frage nach des Manns Verdienst,
nach seinem Namen nicht!"
6. Da sah man manches Kinderaug'
in frohem Glanze leuchten,
und manches stumm zu Boden sehn
und manches still sich feuchten.
Und als man aus der Schule kam,
da wurde viel erzählt,
wen heute Kaiser Karl belobt
und wen er ausgeschmält.
7. Und wie's der große Kaiser hielt,
so soll man's allzeit halten
im Schulhaus mit dem kleinen Volk,
im Staate mit den Alten:
Den Platz nach Kunst und nicht nach Gunst,
den Stand nach dem Verstand,
so steht es in der Schule wohl
und gut im Vaterland. Gerok.
12. Roland Schildträger.
1. Der König Karl saß einst zu Tisch
in Aachen mit den Fürsten,
inan stellte Wildbret auf und Fisch
und ließ auch keinen dürsten.
Biel Goldgeschirr von klarem Schein,
manch roten, grünen Edelstein
sah man im Saale leuchten.
2. Da sprach Herr Karl, der starke Held:
„Was soll der eitle Schimmer?
Das beste Kleinod dieser Welt,
das fehlet uns noch immer.
Dies Kleinod, hell wie Sonnenschein,
ein Riese trägt's im Schilde sein
tief im Ardennerwalde."
3. Graf Richard, Erzbischof Turpin,
Herr Haimon, Naims von Baiern,
Milon von Anglant, Graf Garin,
die wollten da nicht feiern.
Sie haben Stahlgewand begehrt
und hießen satteln ihre Pferd',
zu reiten nach dem Riesen.
4. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach:
„Lieb Vater! hört! ich bitte!
Vermeint ihr mich zu jung und schwach,
daß ich mit Riesen stritte,
doch bin ich nicht zu winzig mehr,
euch nachzutragen euren Speer,
sammt eurem guten Schilde."
5. Die sechs Genossen ritten bald
vereint nach den Ardennen,
doch als sie kamen in den Wald,
da thäten sie sich trennen.
Roland ritt hinterm Vater her;
wie wohl ihm war, des Helden Speer,
des Helden Schild zu tragen!
6. Bei Sonnenschein und Mondenlicht
streiften die kühnen Degen;
doch fanden sie den Riesen nicht
in Felsen und Gehegen.
Zur Mittagsstund' am vierten Tag
der Herzog Milon schlafen lag
in einer Eiche Schatten.
7. Roland sah in der Ferne bald
ein Blitzen und ein Leuchten,
davon die Strahlen in dem Wald
die Hirsch' und Reh' aufscheuchten;
er sah, es kam von einem Schild,
den trug ein Riese, groß und wild,
vom Berge niedersteigcnd.
8. Roland gedacht' im Herzen sein:
„Was ist das für ein Schrecken!
Soll ich den lieben Vater mein
im besten Schlaf erwecken?
Es wachet ja sein gutes Pferd,
es wacht sein Speer, sein Schild und
Schwert,
es wacht Roland der junge."
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Gerok Roland_Schildträger Karl Karl Karl Karl Graf_Richard Erzbischof_Turpin Haimon Graf_Garin Roland Roland Roland Roland Roland
352
25. Graf Richard kam zu Fuß daher,
ging neben seinem Pferde;
das trug des Riesen schwere Wehr,
den Harnisch sammt dem Schwerte:
„Wer suchen will im wilden Tann,
manch Waffenstück noch finden kann;
ist mir zu viel gewesen."
26. Der Graf Garin that ferne schon
den Schild des Riesen schwingen.
„Der hat den Schild, des ist die Krön',
der wird das Kleinod bringen!"
„Den Schild hab' ich, ihr lieben Herrn,
das Kleinod hätt' ich gar zu gern,
doch das ist ansgebrochen."
27. Zuletzt that man Herrn Milon sehn,
der nach dem Schlosse lenkte;
er ließ das Rößlein langsam gehn,
das Haupt er traurig senkte.
Roland ritt hinterm Vater her
und trug ihm seinen starken Speer
zusammt dem festen Schilde.
28. Doch wie sie kamen vor das Schloß
und zu den Herrn geritten,
macht' er von Vaters Schilde los
den Zierrat in der Mitten;
das Riesenkleinod setzt' er ein,
das gab so wunderklaren Schein,
als wie die liebe Sonne.
29. Und als nun diese helle Glut
im Schilde Milons brannte,
da rief der König wohlgemut:
„Heil Milon von Anglante!
Der hat den Riesen übermannt,
ihm abgeschlagen Haupt und Hand,
das Kleinod ihm entrissen."
30. Herr Milon hatte sich gewandt,
sah staunend all die Helle:
„Roland! sag' an, du junger Fant!
wer gab dir das Geselle?"
„Um Gott, Herr Vater! zürnt mir nicht,
daß ich erschlug den groben Wicht,
derweil ihr eben schliefet!"
Uhland.
13. Rolands letzter Kampf.
1. Hoch überm Kamm der Pyrenä'n
ließ 'Kaiser Karl die Fahnen wehn,
zur Heiinat umgewandt:
Das schwarze Kreuz im Felde weiß
wie Adler über Schnee und Eis,
die Flügel ausgespannt.
2. Nun Roland, du mein Fleisch und Blut,
ich gebe's Heer in deine Hut,
dann hab' ich gute Ruh.
Bleib hinter mir mit deiner Schar!
Und kommt der Feind und kommt Gefahr,
ein Schwert und Horn hast du.
3. Der Kaiser Karl, da zog er hin;
mit manchem tapfern Paladin
hielt Roland gute Wacht.
Es war in einem grünen Thal,
im grünen Thale Rouceval,
da blieb er über Nacht.
4. Verflucht, wer je Verrat ersann!
Er hängt sich an die Helden an,
schasst ihnen frühen Tod.
Fluch dir, Verräter Ganelon!
Gott gebe dir Berräterlohn
in deiner letzten Not.
5. Die Sonne ging im Morgen auf,
da drang der wilde Heidenhanf'
von allen Seiten an.
Die Christenrecken huben sich,
ein jeder stritte ritterlich
wohl gegen hundert Mann.
6. Nun, Roland, zeige deinen Arni
und wirf in diesen Heidenschwarm
dein'n frischen Heldenmut!
Herr Roland, zog die Klinge ans
und machte eine Sense draus,
die schnitt die Garben gut.
7. Die Heiden stoben übers Feld,
doch todesmüd' auch stand der Held,
sein Helm und Haupt so wund.
Wie war sein Schild von Pfeilen voll,
sein Blut durch Panzers Ringe quoll:
es kam die Todesstund'.
8. Da faßte er mit seiner Hand
sein Schwert, Duranda war's genannt,
und schlug's auf eineu Stein.
Er that's zum zweiten, dritten Mal,
es dröhnte rings das Felsenthal,
keines Heiden sollt' es sein.
9. Das Schwert, wie gab es guten Schein!
es schnitt entzwei den Felsenstein
und blieb doch unversehrt.
In seine Klinge eingebrannt,
in Golde rot wie Feuer stand
der Name Jesus wert.
10. Nun nahm der theure Held Roland
sein Horn, mit Namen Olivant,
und setzt' es an den Mund.
Er stieß hinein mit aller Macht,
das hallte, wie der Donner kracht,
bis wo der Kaiser stund.
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Extrahierte Personennamen: Roland Karl Karl Roland Karl Karl Roland Roland Roland Panzers Roland
354
Ritter zu werden, von unten auf dienen und als Knecht oder Knappe
eine gewisse Lehrzeit durchmachen solle. Für die ausgebildeten Ritter führte
er glänzende Waffenspiele, sogenannte Turniere, ein, wo vor den Augen
edler Frauen und Jungfrauen zu Roß gekämpft ward und der Sieger aus
den Händen der Zuschauerinnen einen Preis erhielt. — Während dieser
Schöpfungen aber ließ Heinrich es auch nicht an kriegerischem Ernste fehlen.
Da die östlichen Nachbarn, die Slaven, vielfach an den Raubzügen der
Ungarn theilgenommen hatten, so brach er gegen sie auf, eroberte die
Sauptstadt Braunibor und gründete hier zur Bewachung der Mark oder
renze die Markgrafschast Brandenburg, indem er sächsische Bauern
unter die Besiegten verpflanzte und deutsche Bildung unter ihnen verbreitete.
Ebenso züchtigte er die räuberischen Dänen. Er eroberte das Land zwischen
Eider und Schlei und gründete auch hier eine Markgrafschaft mit der
festen Burg Schleswig.
Als darauf der Waffenstillstand mit den llngarn abgelaufen war,
erschienen ihre Gesandten vor dem König, den alten Tribut zu fordern,
Heinrich aber verkündigte ihnen Krieg auf Leben und Tod. Da brachen
die Ungarn ungesäumt in ungeheuren Massen in das Reich. Sie theilten
sich in zwei große Haufen, von denen der kleinere, 50 000 Mann stark,
bei Sondershausen auf den tapfern Heerbann der Sachsen und Thüringer
stieß und aufs Haupt geschlagen wurde. Das andere, noch größere Heer
stand an der Unstrut unweit Merseburg dem König selbst gegenüber.
Heinrich hatte sich auf einem Berge verschanzt. Sobald die llngarn die
Niederlage ihrer Brüder bei Sondcrshausen erfuhren, zündeten sie längs
dem Flusse hohe Feuer au, die zerstreuten Plünderer zu sammeln, und
am Morgen begann die große Schlacht. Heinrich hielt eine begeisternde
Rede an sein Volk, und alle schwuren mit ihm, den Feind der Christenheit
zu verderben oder unterzugehen. Das Bild des heiligen Michael, des
kriegerischen Engels, ward als das große Banner des Reichs vorausge-
tragen. Ein furchtbares Morden begann, die Ungarn schrien alle: „Hui,
Hui!" — die Deutschen: „Kyrie eleison!" Lange schwankte die Schlacht,
aber endlich siegte die neue Kriegskunst und die heilige Wut der Deutschen.
30 000 Ungarn blieben todt auf dem Platze, der Rest entfloh. Zahllose
christliche Sklaven wurden befreit. Sobald der Sieg entschieden war,
kniete der fromme Heinrich mit dem ganzen Heere aus dem Schlachtfelde
nieder und dankte betend dem himmlischen Schutzherrn. Das deutsche Volk
aber frohlockte und pries seinen König als Retter und Vater des Vater-
landes. Drei Jahre nach der Schlacht starb der treffliche Heinrich (936),
verehrt von der ganzen Christenheit. Er liegt in Quedlinburg, seiner
Lieblingsstadt, begraben. Nach Kappe und Keck.
15. Heinrich der Vogelsteller.
..^5-err Heinrich sitzt am Yogel-
ttüt herd
recht froh und wohlgemut;
aus tausend Perlen blinkt und blitzt
der Morgensonne Glut.
2.
In Wies’ und Feld und Wald und Au’,
horch, welch ein süsser Schall!
der Lerche Sang, der Wachtel Schlag,
die süsse Nachtigall!
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Michael Heinrich Heinrich Heinrich_( Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Wachtel
355
3.
Herr Heinrich schaut so fröhlich drein:
„Wie schön ist heut’ die Welt!
Was gilt’s? heut gibt’s 'neu guten
Fang!“ —
Er lugt zum Himmelszelt.
4.
Er lauscht und streicht sich von der
Stirn
das blondgelockte Haar:
„Ei doch! was sprengt denn dort
herauf
für eine Reiterschar?“
5.
Der Staub wallt auf, der Hufschlag
dröhnt,
es naht der Waffen Klang:
„Dass Gott, die Herrn verderben mir
den ganzen Vogelfang!“
6.
„Ei nun! — was gibt’s?“ es hält der
Tross
vorm Herzog plötzlich an.
Herr Heinrich tritt hervor und spricht:
„Wen sucht ihr Herrn? sagt an!“
7.
Da schwenken sie die Fähnlein bunt
und jauchzen: „Unsern Herrn!
Hoch lebe Kaiser Heinrich! — Hoch
des Sachsenlandes Stern!“
8-
Dies rufend, knien sie vor ihm hin
und huldigen ihm still
und rufen, als er staunend fragt:
„’s ist deutschen Reiches Will’!“
9.
Da blickt Herr Heinrich, tief bewegt,
hinauf zum Himmelszelt!
„Du gabst mir einen guten Fang! —
Herr Gott, wie dir’s gefällt!“ Vogl.
16. Otto der Große.
Heinrichs des Städtegründers Sohn und Nachfolger war der glän-
zende und prachtliebende Otto der Große. Er war zwar nur von den
Franken und Sachsen, die damals den eigentlichen Kern des deutschen
Reichs bildeten, gewählt worden, aber bei seiner feierlichen Krönung zu
Aachen huldigten ihm die Großen ans allen deutschen Landen, und bei dem
festlichen Königsmahle in der Pfalz Karls des Großen versahen die vier
übrigen Herzöge (die von Franken, Schwaben, Baiern und Lothringen) zum
ersten Male die Hofdienste als Truchseß, Mundschenk, Marschall und
Kämmerer. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Erzämter am kaiser-
lichen Hofe, welche bei der Krönung der folgenden Kaiser ein Vorrecht der
Wahl- oder Kurfürsten blieben.
Um sich mehr den Pflichten seines Herrscheramtes zu widmen und
besser für das ganze Deutschland zu sorgen, übertrug Otto sein Herzogtum
Sachsen dem tapfern Hermann Billnng, in dessen Familie es lange
erblich blieb. Er selbst hatte nicht nur im Innern seines Reiches ernste
Kämpfe mit den großen Fürsten zu bestehen, um sie in Gehorsam zu er-
halten, sondern auch nach außen mußte er fortwährend gegen die Slaven,
Dänen und Ungarn zu Felde liegen. Die ersteren machte er bis an die
Oder tributpflichtig; die Dänen aber züchtigte er durch einen Kriegszug,
der hoch bis in Jütland hinaufging, zwang ihren König Harald zur An-
nahme des^Christentums und stellte die von seinem Vater gegründete Mark-
grafschaft Schleswig wieder her. Den schwersten Kampf jedoch hatte er
gegen die Ungarn zu bestehen.
Im Jahre 955 fielen diese von neuem in Deutschland ein. Sie
drohten übermütig, daß ihre Rosse die deutschen Ströme austrinken sollten.
23*
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Gott Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Heinrichs Heinrichs Otto Karls Otto Hermann_Billnng Harald
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Aachen Pfalz_Karls Schwaben Baiern Lothringen Deutschland Sachsen Ungarn Deutschland
357
17. Otto und Heinrich.
1. Zu Quedlinburg im Dome ertönet Glockenklang,
der Orgel Stimmen brausen zum ernsten Chorgesang;
cs sitzt der Kaiser drinnen mit seiner Ritter Macht,
voll Andacht zu begehen die heil'ge Weihenacht.
2. Hoch ragt er in dem Kreise mit männlicher Gestalt,
das Auge, scharf wie Blitze, von goldnem Haar umwallt;
man hat ihn nicht zum Scherze den Löwen nur genannt,
schon mancher hat empfunden die löwenstarke Hand.
3. Wohl ist auch jetzt vom Siege er wieder heimgekehrt,
doch nicht des Reiches Feinden hat mächtig er gewehrt:
es ist der eigne Bruder, den seine Waffe schlug,
der dreimal der Empörung blutrotes Banner trug.
4. Zu Quedlinburg im Dome ertönt die Mitternacht,
vom Priester wird das Opfer der Messe dargebracht;
es beugen sich die Knie, es beugt sich jedes Herz,
Gebet in heil'ger Stunde steigt brünstig himmelwärts.
5. Da öffnen sich die Pforten, es tritt ein Mann herein,
es hüllt die starken Glieder ein Büßerhemde ein;
er schreitet auf den Kaiser, er wirft sich vor ihm hin,
die Knie er ihm umfasset mit tiefgebeugtem Sinn.
6. „O Bruder! meine Fehle, sie lastet schwer auf mir,
hier liege ich zu Füßen, Verzeihung flehend, dir;
was ich mit Blut gesündigt, die Gnade macht es rein;
vergib, o strenger Kaiser, vergib, du Bruder mein!"
7. Doch strenge blickt der Kaiser den sünd'gen Bruder an:
„Zweimal hab ich vergeben, nicht fürder mehr fortan!
Die Acht ist ausgesprochen, das Leben dir geraubt,
nach dreier Tage Wechsel da fällt dein schuldig Haupt!"
8. Bleich^ werden rings die Fürsten, der Herzog Heinrich bleich,
und Stille herrscht im Kreise gleich wie im Todtenreich.
Man hätte mögen hören jetzt wohl ein fallend Laub,
denn keiner wagt zu wehren dem Löwen seinen Raub.
9. Da hat sich ernst zum Kaiser der fromme Abt gewandt,
das ew'ge Buch der Bücher, das hält er in der Hand;
er liest mit lauter Stimme der Heilgen Worte Klang,
daß es in aller Herzen wie Gottes Stimme drang:
10. „Und Petrus sprach zum Herren: Nicht so? genügt ich hab',
wenn ich dem sünd'gen Bruder schon siebenmal vergab?
Doch Jesus ihm antwortet: Nicht siebenmal vergib,
nein, siebenzigmal sieben, das ist dem Vater lieb!" —
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
Extrahierte Personennamen: Otto Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Petrus