I
. .. : j. fl , ■ oif.,, -.ir .w N'iar Hu'j?
I. Das preußische Wölk im Jahre L8ls.
Süon Memel bis Dcmmin, von Colbcrg bis Glatz war in dem
unvergeßlichen Frühlinge und Sommer des Jahres 1813 unter
den Preußen nur eine Stimme, ein Gefühl, ein Zorn und
eine Liebe, das Vaterland zu retten, Deutschland zu befreien
und den französischen Übermuth einzuschränken. Krieg wollten die
Preußen, Gefahr und Tod wollten sic; den Frieden fürchteten sic,
weil sie von Napoleon keinen ehrenvollen und. preußischen Frieden
hoffen konnten. Krieg! Krieg! schallte es von den Karpathen
bis zur Ostsee, von dem Riemen bis zur Elbe; Krieg! rief der
Edelmann und Landbesitzer, der verarmt war; Krieg! der Bauer,
der sein letztes Pferd unter Vorspann und Fuhren todt trieb;
Krieg! der Bürger, den die Einquartierungen und Abgaben erschöpf-
ten; Krieg! der Tagelöhner, der keine Arbeit finden konnte; Krieg!
die Wittwe, die ihren einzigen Sohn ins Feld schickte; Krieg! die
Braut, die den Bräutigam zugleich mit Thränen des Stolzes -
und des Schmerzes entließ. Jünglinge, die kaum wehrhaft waren,
Männer mit grauen Haaren und wankenden Knien, Officierc,
die wegen Wunden und Verstümmelungen lange ehrenvoll entlassen
waren, reiche Gutsbesitzer und Beamte, Väter zahlreicher Familien
und Verwalter weitläufiger Geschäfte, in Hinsicht jedes Kriegs-
dienstes entschuldigt, wollten sich selbst nicht entschuldigen; ja so-
gar Jungfrauen unter mancherlei Verstellungen und Verlarvungcn
drängten sich zu den Waffen; alle wollten sich üben, rüsten und
für das Vaterland streiten und sterben. Preußen war wieder das
Sparta geworden, als welches seine Dichter es einst besangen;
jede Stadt, jeder Flecken, ^cdcs Dorf schallte von Kriegslust und
Kriegsmusik, und war in einen Übungs- und Waffcnplatz ver-
wandelt; jede Feueresse ward eine Waffenschmiede. Das war das
Schönste bei diesem heiligen Eifer und fröhlichen Gewimmel, daß
alle Unterschiede von Ständen und Classen, von Altern und Stu-
fen vergessen und aufgehoben waren; daß jeder sich demüthigte und
hingab zu dem Geschäfte und Dienste, wo er der brauchbarste
in. - 1
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Extrahierte Personennamen: Süon_Memel Colbcrg Glatz Napoleon Classen
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rung, und man im Stande ist, Gegenstände in beträchtlicher
Entfernung zu unterscheiden, ja grobe Schrift zu lesen. Im nörd-
lichen Theile Mittel - Europas ist ebenfalls die Natur in dicken
Schneemantcl gehüllt, und die blattlosen, weißstämmigen Birken,
die dunkeln, hoch mit Schnee überdeckten Nadelhölzer, die von
Schnee- und Eiskrhstallen flimmernden Buchen und Eichm, und
die jetzt ihrer Blätter beraubten übrigen Laubhölzer ragen aus der
Schneefläche, welche alles niedrige Gebüsch und Gesträuch über-
deckt hat, hervor. Das Wild kommt aus den dichten Wal-
dungen, und nähert sich dm menschlichen Wohnungen. In die
Gärten, oft über die unter Schnee bcgrabenm Zäune und Gehege
hinweg, kommen die Hasen, dem unter dem Schnee verborgenen
Kohl nachspürend, Füchse und Wölfe umschleichen die Dorfschaf-
ten, dem Geflügel und den Hausthierm nachstellmd. Krähen und
Raben lauern von Bäumen und Gebäuden herab auf Nahrung,
und die Goldammern und Sperlinge suchen ganz in der Nähe der
Häuser und Ställe, auf den Straßm und den dampfenden Dün-
gerhaufen nach Futter. Röthlich weiße Rauchsäulen steigen aus
den Schornsteinm lothrecht in die Luft, und der Hauch der Men-
schen zieht als grauer Rauch vom Gesichte weg, oder setzt sich als
Reif an Haare und Kopfbckleidung. Seen und Flüsse, welche
im Sommer die an ihren Seiten wohnmden Menschen trennten,
sind nun mit so dickem Eise bedeckt, daß schwer beladene
Schlitten und Wagm sicher über sie hinfahren, und sie bilden
dann nt diesen Ländern, welche an gebauten Stvaßen
so arm sind, vortreffliche Wege.
Im südlichen Theile Mittel-Europa's, in den vor den kalten
Ostwinden geschützten Ländern, fällt zwar auch Schnee, welcher auf
den Gebirgen eine beträchtliche Höhe erreicht, in den ebmen und
lieferen Strichen ist er aber von keiner langen Dauer. Nur die
langsamer fließenden Gewässer bedeckm sich, und das auf nicht lange
Zeit, mit Eis. Der Schnee schmilzt öfter weg und kehrt wieder,
und wenn auf eingetrermes Thauwetter plötzlich wieder Frost folgt,
wird die Oberfläche mit Eis (Glatteis) überzogen, welches aber
bald wieder entweder durch neu eintretendes Thauwetter, oder wie-
derum fallmdm Schnee beseitigt wird.
Im südlichen Europa werden nur die hohen Gebirge be-
schneit und die Gewässer in den nördlichsten und höchsten Gegmden
dieser Länder auf wenige Tage mit dünnem Eise belegt. In den
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TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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südlichsten und tief liegenden Gegenden sind Schnee und Eis den
Bewohnern fast unbekannt. Der Winter ist dort so, wie im mitt-
leren Europa der April und Mai; denn viele Pflanzen sind dort
grün, und ein großer Theil der Bäume verliert sein Laub nicht
ganz. Zugvögel, welche im Sommer im nördlichen und mittleren
Europa nisteten, kommen in großen Schaaren hierher, um den
Winter hier zuzubringen und die wärmere Jahreszeit zu erwarten,
bei deren Eintreten sic sich allmählig nordwärts begeben, um dort
den Sommer über zu bleiben und sich zu vermehren. Nur wenige
der im mittleren Europa nistenden Wandervögel verlassen Europa
ganz, das mittelländische Meer überfliegend und dem heißen Afrika
zueilend, z. B. mehrere Schwalbenarten, Störche und Kraniche.
Störche bleiben öfter den Winter im südlichsten Spanien, ebenso
die Nachtigallen; der Pirol aber zieht bis Indien. Großbritannien
und Irland, von Europa getrennt, vom Meere umgeben, haben
einen gemäßigten Winter, so daß in den niedrigen Strichen, selbst
im Winter, das Vieh im freien ausdaucrn und weiden kann.
Schnee fällt wenig und immer nur auf kurze Zeit.
Die Dauer des Winters ist in Europa um so länger,
je mehr die Länder nach Nordosten liegen, und um so kürzer, je
südlicher sie gelegen sind. Im äußersten Norden beginnt
der vollkommene Winter schon mit dem Anfange des
Oktobers, zu Umeo und Petersburg im Ende des Oktobers,
und dauert dort bis zu Ende, hier bis in die Mitte des Aprils.
Im nordöstlichen Rußland liegt der Schnee bis in die Mitte des
Maimonats. In Stockholm fängt der Winter erst in der Mitte
des Novembers an, und währt bis zum Ende des Märzes.
Das plötzliche Umwandeln der Natur im Frühlinge
kennen Europa's südlichste Länder nicht, indem ihnen grüne Bäume
und Fluren nicht fehlten, und sie die lange Winterruhc der schlum-
mernden Natur nicht vor Augen hatten. Je weiter nach Norden,
um so plötzlicher tritt der Frühling ein, und in den nördlichsten
Gegenden so schnell, daß man in einigen Tagen die beschneiten
Gegenden wie durch einen Zauberschlag mit frischem Grün und
Feldblumen bedeckt, das große Heer der Insekten sich entwickeln
und mehren, und die ausgewanderten Vögel schaarenweise wieder-
kehren sieht. Aber zwischen Blüthe- und Erntezeit ist nur
ein kurzer Zwischenraum. In den langen Sommertagen,
welche durch ihre Dauer drückend werdm und den Pfianzmwuchs
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Europa Europa Europa Afrika Spanien Indien Irland Europa Europa Petersburg Stockholm Blüthe-
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beschleunigen, wird die Luft so erwärmt, daß sie in den kurzen
Nächten, wo es nie ganz dunkel wird, weit nicht so ab-
gekühlt wird, als int südlichen Europa, und es in Italien vor
Aufgang der Sonne einem kälter vorkommt, als im mittleren Ruß-
land, ja daß man hier behaglicher die Nacht im Freien zubringen
kann, als dort. Im östlichen Theile des mittleren Ruß-
lands, wo das trockene Sibirien nahe und das Meer ferne ist,
wird die trockene Hitze im Sommer so groß, als im
südlichsten Europa, und daselbst, so gut als in Süd-Eu-
ropa, um die Mittagszeit die Arbeit eingestellt und
geruht.
Umgekehrt, wie der Frühling im Norden später, als südwärts
eintritt, kommt der Herbst dort früher und schneller, und währt
kürzere Feit. Der sogenannte Nachsommer im mittleren Europa
erinnert noch an die verflossene warme Jahreszeit. Mit dem
Reifen der Früchte und dem Gelbwerden des Laubes
nimmt die Zahl der Infecten ab, und die Zugvögel, welche
von ihnen sich nährten, wandern dem Süden zu. Das Laub
fällt ab, kalte Stürme bewegen der blattlosen Bäume leere Zweige,
bis Schnee und Eis das Dasein des Winters anzeigen.
(K. Fr. B.
Ix. Der S t a n b b a eh.
Staubbach heißt nach Wyß mit seinem ursprünglichen Na-
men der Plctschbach, und zwar von der Albe Pietschen, auf wel-
cher er aus sieben nahe beisammenliegenden Quellen entspringt.
Er fließt zwei Stunden von hier abwärts in einem tiefen Felsen-
bett, durch einen Tannenwald, bis zu einer hervorragenden Felsen-
wand, welche nach unten etwas gewölbt zurückweicht und die Staub-
bach-Balm heißt. Hier bildet sich der erste oder obere Wasserfall,
welcher, obschon an sich gar nicht unbedeutend, dennoch von dem
Zweiten oder unteren Fall, der den eigentlich so genannten Staub-
fall ausmacht, und an fünfzig Schritte von jenem entfernt ist, weit
übertroffen wird.
Dieser Letztere wurde sonst für 1100 Fuß hoch gehalten; er ist
jedoch nach sorgfältigen Messungen mit Schnüren, welche Wyt-
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Italien Europa Europa Plctschbach
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teñí»ad) und Wolf angestellt haben, nur 900 Berner Fuß, und
nad) Tralles barometrischen Messungen 925 fran$. Fuß hoch-
Wyß beschreibt die verschiedenen Erscheinungm dieses prachtvollen
Wasserfalles, weld)e er nach Verschiedenheit der Jahreszeiten und
der Wassermenge dem Beobachter darbietet. Wir hoffen, dem Leser
mit einem Auszuge aus seiner Beschreibung einen wahren Genuß
zu bereiten.
Zuerst sd)ildert er den Staubbachfall, wie er sich an einem
Sommertage darstellt. » Die erste Bedingung zum Dollgenuß « —
heißt es da — »ist Sonnenglanz, und dieser währt an den
längsten Sommertagen von ungefähr 7 Uhr des Morgens bis halb
1 Uhr des Mittags. Nicht nur die Regenbogen im Kessel, wo die
zerstobenen Wasser sich sammeln, auch die fliegenden Wasserflocken
in der Luft bedürfen des Sonnenscheins. Man schreitet gewöhn-
lich vom Gasthofe oder vom Pfarrhause zuerst nad) der Stelle
hin, wo der Bach zu Boden regnet, als wollte man erst ihn füh-
len, bevor man ruhiger ihn betrachte. Am linken Ufer des Ba-
d)es, durch Erlen, wandert man, von der Straße, die nad) dem
tiefern Thale führt, rechts abgehend, hinauf, und fühlt sich bald
auch bei wolkenlosem Himmel in einem Regenschauer, gegen den
man sich selbst mit Sd)irmen verwahren mag. Etwas mühsam
erklimmt mau den Hügel von Felstrümmern, den der Bach sich
links von seinem Niedersturze gebildet hat, und sd)aut hinab in
ein weites Becken, das unablässig von tausendfachem Schaumge-
kräusel wimmelt. Aud) jenseits erblickt »Mn Sd)utthaufen, die
voi» oben heruntergeworfen sind, und nicht ohne Verwunderung
sieht man den Bach zwischen diesen zwei aufgestapelten Bollwerken
im freien Durchgang davon rieseln. Kennbar rührt die Tiefe seines
Beckens und diese Öffnung nad) der Lütschme (*) von der Gewalt
der Wassermasse her, die nad) Gewittern und bei großer Schnee-
schmelze hier im Mittelpunkte des Falles Raum geschafft, ohne
doch die Hügel rechts und links zu vermindern.
Schreitet man auf die rechte Seite des Kessels, so sindet man
es leicht, dort hinab zu gelangen in den Umfang desselben, und
alsbald wird man von einem doppelten Regenbogen umringt, der,
gleich einem angeworfenen Nimbus, so genau mit uns verschmilzt,
daß er Schritt urn Schritt, so lange wir im Sonnenglanz und
*) So heißt der unten im Thale fließende Bach.
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im Thaunebcl bleiben, bald vorrückt, bald zurückweicht, wo wir
gehen und stehm. Ja die Wasscrtropfen hängen sich an die Klei-
der, und glühn einzeln wieder in unvergleichlicher Pracht; aber die
Nässe gestattet nicht, sich dieses Feengewandes lange zu freuen, und
ein fröstelndes Gefühl von Sterblichkeit treibt um so eher aus der
Tiefe wieder ans Ufer, da die Gefahr am Tage liegt, von irgend
einem zufällig herabgeschwemmten Steine plötzlich und selbst tödtcnd
verletzt zu werden.
In sicherer Entfernung dann lagern die Wanderer sich hin
und genießen sorglos, was ihnen bisher entgangen war. Mit
unermüdetem Staunen erhebt sich das Auge nach der hohen, im
Blau des Himmels scharfgezeichneten dunkelgrauen Kante, wo die
Najade zweitheilig ihr fliegendes Gewand in die Lüfte hängt. -—
Eine Hälfte des Baches, doch unmerkbar von der andern getrennt,
fällt beinahe senkrecht herab, und wiirde an der Felswand nicdcr-
gleitcn, wenn diese nicht von oben bis unter die Mitte sich leise
zurückzöge, und der Wassersäule freieres Fortschweben gestattete.
Mit der zweiten Hälfte ungefähr, etwas kühner vorspringend, zer-
splittert sich die Masse in jenm Gischt und Staub, der so duftig,
so ganz ätherisch niederwärts schwebt, und an den Bachsturz im
Salzburgischen erinnert, welchem das Landvolk den Namen des
Schleierfalls ertheilt. Die innere Partie des Staubbaches fällt
abwärts der Mitte ihres Weges, als wollte sie versuchen, sich
anzuhalten, auf eine schräg vorstehende Bank, und rieselt von da
in tausend blendenden Schaumstrahlcn vollends an dem dunkeln
Gestein nach dem Kessel hinab, während die äußere, durch Schnel-
ligkeit und Schwere die Luft unter sich pressend, in Millionen
Schaumbläschen immer mehr zerschillt, und weit herum einen ewi-
gen Thau zur Erde spritzt. Es ist unterhaltend, das Wasser von
seinem Ausströmen an der hohrn Felsrinne bis zu seinem Zerstie-
den mit dem Blicke zu verfolgen. Erst bricht es so wüthmd her-
vor, daß man erschrickt von dem furchtbaren Sturze, dm man er-
wartet; aber kaum hundert Schuhe gefallen, breitet sich's reichlich
aus, und die zusammmgedrängte Säule zergeht in einzelne schnee-
weiße Wölklein, die man nicht übel schon Wasserrakettcn benannt
hat, weil sie forteilend, gleich jenen stammenden, einen Schweif
zurücklassen, der eine halbe Secunde lang ihre Bahn bezeichnet,
bis sie völlig — ich möchte sagen in Wasscrfunken —, aus ein-
ander sprühend, sich zur Unsichtbarkeit verlieren.
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Die Grotte von Caripe behält in der genau gemessmcn Ent-
fernung von 472 Metres oder 1458 Fuß vom Eingänge, noch
ihre ursprüngliche Richtung, die nämliche Weite und die gleiche
Hohe von 60 — 70 Fuß. Mir ist auf beiden Festlanden keine
Berghöhle von fo einförmiger und regelmäßiger Bildung bekannt.
Wir hatten Mühe, die Indianer zu vermögen, über den Vordcr-
theil der Grotte, welchen sie alljährlich zur Linsammlung des Fet-
tes besuchen, tiefer einzugehen, und es bedurfte des Gewichts und
Ansehens der los Padnes, um sie zu der Stelle hinzubringen,
wo der Boden plötzlich unter einem Winkel von 60° in die Höhe
steigt, und wo der Waldstrom einen kleinen unterirdischen Wasser-
fall bildet. Die Eingeborncn verbinden mystische Vorstellungen
mit dem von Nachtvögeln bewohnten Raume. Sie glauben, die
Geister ihrer Vorfahren halten sich im Hintertheil der Grotte auf.
Der Mensch, sagen sic, soll eine heilige Scheu vor Orten tragen,
welche weder die Sonne, Zis, noch der Mond, Nana, bescheint,
gu den Guacharo's gehen, bedeutet, zu seinen Vätern gehen, oder
sterben. Auch nchmm die Zauberer, Piaclles, und die Giftmischer,
Imorons, ihre nächtlichen Gauklerkünste am Eingänge der Grotte
vor, um den Häuptling der bösen Geister, Ivorokiamo, zu be-
schwören. So gleichen sich einander unter allen Himmelsstrichen
die frühesten Dichtungen der Völker, vorzüglich jene, welche die
zwei weltregierendcn Grundsätze, das Leben der Seelen nach dem
Tode, das Glück der Gerechten und die Bestrafung der Sünder,
betreffen. Die verschiedensten und die rohesten Sprachen enthalten
eine Anzahl Bilder, welche sich einander überall ähnlich sind, weil
ihre Quelle in unserem Verstände und in unseren Empsindungcn
liegt. Die Finsterniß gesellt sich allenthalben der Vorstellung
vom Tode bei. Die Grotte von Caripe ist der Griechen Un-
terwelt (Tartan) und die über dem unterirdischen Fluß schwe-
benden, Klagetöne ausstoßenden Guacharo's erinnern an die stygi--
schm Vögel.
An der Stelle, wo der Fluß den unterirdischm Wasserfall bil-
det, stellt sich die der Grottenöffnung gegenüberliegende, reich
bewachsene Landschaft auf eine sehr malerische Weise dar. Man
erblickt sie am Ausgange eines geradlinigten, 240 Toisen langen
Canals. Die vom Gewölbe herabhängenden und in der Luft schwe-
benden, Säulen gleichenden Stalactiten stellm sich auf der grünen
Fläche wundersam dar. Die Öffnung der Grotte erscheint um
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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8
Der dritte, ein Richter des Volks, sagte: »Nie nahm ich
Geschenke; nie bestand ich starr auf meinen Sinn; im Schwersten
suchte ich mich jederzeit zuerst zu überwinden; darum hat mich
Gott mit meinem Alter gesegnet.«
Da traten ihre Söhne und Enkel 31t ihnen heran, küßten ihre
Hände und kränzten sie mit Blumen. Und die Väter segneten sie
und sprachen: »Wie eure Jugend sei auch euer Alter! Eure Kin-
der seien euch, was ihr uns seid, auf unserem greisen Haare
eine blühende Roscnkrone.«
Das Alter ist eine schöne Krone; man findet sic nur aus dem
Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit.
(Herder.)
Iv. Die Bäume.
Theobald und Julius, zwei fromme Jünglinge, waren mit
einander aufgewachsen von früher Kindheit an. Die ganze, fröh-
liche Knabenzeit war ihnen zusammen vcrschwebt, und alle harm-
losen Spiele der Jugend hatten sic gemeinschaftlich getrieben; und
es war kein Ort der süßen, heimathlichen Gegend, wo nicht ihre
jugendlichen Seelen in einander geflossen waren im holden Wechsel-
bund inniger Freundschaft und Liebe. Die Jahre gingen dahin;
aus den Knaben wurden Jünglinge. Da erweiterte sich ihre Brust;
bedeutungsvoller ward jedes Wort, das sie sprachen, reicher und
blühender ihre Phantasie, süßer und ahnungsvoller ihre Träume.
Und mit der wachsenden Kraft ihres inneren Lebens erstarkte auch
in hoher Fülle der feste Bund ihrer Freundschaft, also, daß sic
nie mit seligeren Gefühlen einander umschlangen.
Da nahete sich ihnen des Lebens ernster und schwüler Tag;
Theobalds Vater rüstete sich, mit all' den Seinigen das Land
der Heimath zu verlassen und über das Meer zu segeln. Und
als die Jünglinge das Wort vernahmen, das ihnen Trennung ge-
bot, da hielten sie sich umfaßt in schmerzlicher Rührung und wein-
ten einer an des anderen Brust. Am Abend vor dem bangen Ab-
schiedstage gingen sie zusammen in ein Gebüsch, nahe bei Theo-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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Daseins zurückzulassen. Unsere Hauswirthe erzählten, wie die er-
sten Ordensgeistlichen, die in diesem Berglande das kleine Dorf
Santa Maria gründeten, während eines Monats in der Höhle
wohnten, und wie hier, bei Fackelschein auf einem Felsstücke reli-
giöse Mysterien von ihnen gefeiert wurden. Der einsame Ort
diente den Missionaren zur Fluchtstätte gegen die Verfolgungen
eines an den Ufern des Rio Caripe gelagerten kriegerischen Anfüh-
rers der Tuapocans. <Al-,. ». Humboldt.)
Xi. Gin Tag unter dem Äguator.
Jnic glücklich bin ich hier, wie tief und innig kommt hier so
manches zu meinem Verständnisse, das mir vorher unerreichbar
stand! Die Heiligkeit dieses Ortes, wo alle Kräfte sich harmonisch
vereinen, zeitiget Gefühle und Gedanken. Ich meine besser zu ver-
stehen, was es heiße, Geschichtschreiber der Natur sein. Ich ver-
senke mich täglich in das große und unaussprechliche Stillleben
der Natur, und vermag ich auch nicht, es ganz zu erfassen, so er-
füllt mich doch die Ahnung seiner Herrlichkeit mit nie gefühlter
Wonne. Es ist drei Uhr Morgens; ich verlasse meine Hangmatte,
denn der Schlaf stiehl mich Aufgeregten; ich öffne die Läden, und
sehe hinaus in die dunkle, hehre Nacht. Feierlich flimmern die
Sterne, und der Strom glänzt im Widerscheine des untergehenden
Mondes zu mir herüber. Wie geheimnißvoll und stille ist alles
um mich her! Ich wandle mit der Blendlaterne hinaus in die
kühle Varanda und betrachte meine trauten Freunde: Bäume und
Gesträuche, die um die Wohnung her stehen. Manche schlafen
mit dicht zusammengelegten Blättern, andere aber, die Tagschläfer
sind, ragen ruhig ausgebreitet in die stille Nacht auf; wenige Blu-
men stehen geöffnet; nur ihr süß duftenden Paullinien-Hecken be-
grüßet mit feinstem Wohlgeruche den Wanderer, und du erhabene,
düsterschattende Manga, deren dichtbelaubte Krone mich gegen den
Nachtthau schützet. Gespensterhaft flattern große Nachtschmetter-
linge um die verführenden Lichter meiner Laterne. Immer stärker
durchnäßt der Thau die frisch aufathmenden Wiesen, und die Nacht-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
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Wipfel; aber die Rinde war zerfurcht und zersprungen. «Siehe,«
sprach Julius, »wie find unsere Namen verändert und peraltert■
Ach, du Lieber, wie ist es doch so ganz anders, denn ehemals!
Hat nicht auch die Fert unsere Wangen zerfurcht und die Züge
des Angesichts uns entstellt?«
»Laß uns nicht klagen, mein Bruder,« sagte Theobald da-
rauf, «mag auch die Schrift unserer Namen veraltet sein, sie wird
erst verwittern mit dem Leben des Baumes. Mag auch unser An-
gesicht nicht mehr jugendlich blühen; siehe, das heilige Leben un-
serer Freundschaft ist uns geblieben, und wir sind noch immer die
Nämlichen. Was mit heiligem Sinnr gezeichnet ist in die Rinde
des Baumes und in das reine, liebende Herz, das kann die Feit
wohl anders gestalten; aber das Wort selbst bleibt stehen mit un-
auslöscklicher Schrift.«
Also sprachen die Freunde, und einige Feit nachher starben sie
und wurden neben einander begraben unter den Schatten der hei-
ligen Bäume. Und mail betrachtete die Namen und die Bäume
lange mit zarter Ehrfurcht, und noch viele Jahre erhielt sich die
Sage von den beiden Freunden in der ganzen Gegend umher.
(I. H. Christ. Rönne.)
V. Geschwindigkeit.
Nichts ist groß, nichts ist klein, für sich betrachtet; alles beruht
auf Verhältnissen und auf dem Fweck, zu dem eine Sache bestimmt
ist. Etwas kann sehr klein und doch zu groß, sehr groß und doch
zll klein sein, nach den verschiedenen Absichten, zu dcneil es ange-
wandt werden soll. Für den Wallsisch ist der Ocean ein nicht
zu großer Tummelplatz, und Millionen Thierchen stnden in einem
Wassertropfcn Raum genug. Von dem großesten der Thiere bis
zu dem Ei oder den Äderchen des kleinsten Infcctcs, welcher Ab-
stand! Und wie verschwindet wieder alle Größe und Herrlichkeit
unserer Erde, ja unser Erdball selbst, gegen das Weltall! —
Diese Bemerkungen sind so oft gemacht, daß sie, ungeachtet ihres
erhabenen Sinnes, wenig Eindruck mehr machen, rmd doch muß
man einen von Eigendünkel verblendeten, oder einen sehr beschränk-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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Extrahierte Personennamen: Julius Theobald H._Christ