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Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
und phrasenreichen Litteraten mitgeteilt, aus der vor allem das hervorgeht, daß sich diese Studien gänzlich dem wirklichen — freilich sehr trübseligen — Leben entfremdet hatten und sich nur aus dem Boden der Schule bewegten. „Die Prosa war bis auf einen unerträglichen Grad erkünstelt; die gesuchte, kaum verständliche Schreibart auf die äußerste Spitze getrieben. Die Poesie diente säst nur dem Zeitvertreib der vornehmen Welt; durch Gelegenheitsgedichte suchten die Poeten die Gunst hoher Gönner, oder diese griffen auch selbst zur Feder und bewiesen ihre feine Bildung durch allerhand poetisches Spielwerk." Fast möchte man bedauern, daß unter diesen Wortpoeten auch hie und da ein wirklich dichterisch angelegter Mann auftaucht, wie Ausonius aus Bordeaux (um 310—393) im vierten und Apollinaris Sidonius aus Lyon (430—488) im fünften Jahrhundert; denn auch sie schwimmen im trüben Strome der Modepoesie; das Leben bietet ihnen keine Ausgabe, die sic zu herzlicher Begeisterung erwärmen könnte, und die Manier des Vortrags ist durch ihre Geziertheit auch bei ihnen meist unleidlich.
„Einst hatte Konstantin die fränkischen Gefangenen den wilden Tieren vorwerfen lasten,*) weil sie ihm zu wild und zu treulos erschienen, um sich wie andere Barbaren zum Anbau des Landes, zum Kriegsdienst oder als Sklaven verwenden zu lassen; nur der Schrecken, meinte er, vermöge sie zu bändigen. Aber die vielfache, wenn auch meist feindliche Berührung mit den Römern milderte allmählich diese Wildheit." Bald treten Franken in hohe römische Ämter; einzelne Teile der Völkerschaft werden von den Römern abhängig und führen deren Kriege. Als Bundesgenoß der Römer durchzog Childerich Gallien. Er kam dem Lande nicht mehr als wildester der Feinde, sondern als Retter und Beschützer. Und andrerseits wohnten daheim im Salierlande schon Römer als Gäste und Hausgenossen des Königs, und die Salier selbst zeichneten ihr altes Volksrecht in lateinischer Sprache auf. Die Vermischung der Franken mit den Provinzialen ging leicht von statten; man hatte sich beiderseits schon lange daran gewöhnt, miteinander zu leben und zu verkehren. So wie die Franken das römische Christentum sogleich mit Eifer ergriffen, so waren ste auch der übrigen römischen Bildung durchaus nicht feind. Ein Enkel Chlodowechs versuchte sich in lateinischen Versen.
Am bezeichnendsten für diese erste Zeit der Vermischung des Alten und Neuen ist die Persönlichkeit des Dichters und Legendenschreibers Ve-nantius Fortunatus. Er stammte aus Italien und kam um das Jahr 565 an König Sigiberts Hos, wo man viel Gefallen an seiner Poesie fand. Es war die altherkömmliche, rhetorisch gebildete Schulpoesie, un-
*) Siehe eben S. 197.
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Extrahierte Personennamen: Apollinaris_Sidonius Konstantin Childerich Chlodowechs
Aus dem Leben und Treiben in Stadt und Land im Merowingerreiche. 315
durch Hund und Horn bändigte, während langer Sommerzeit im Eichen-und Buchenwald. Dort baute er seiner Herde eine Baracke aus Baumrinde zum Schutz gegen Unwetter, und er und sein Hund hatten harte Kämpfe mit den Wölfen zu bestehen. Die größte Freude des Landmannes war die Zucht seiner Rosse. In sehr hohem Preis standen die Hengste, die zum Krieg tauglich waren; sie weideten, die Füße an Leinen gekoppelt. Schwer büßte', wer sie von der Weide stahl. Auch die Betrügereien der Roßtäuscher waren wohl bekannt, und das Gesetz suchte vor ihnen zu schützen. Allem Vieh banden die Süddeutschen tönende Schellen um den Hals, die Franken auch den Schweinen im Laubwald. Zahlreicher als jetzt flatterte in den Höfen das Geflügel. Obenan in Ehren stand mit seinen Hühnern der Haushahn, der durch besonderes Bußgeld geschützt war, außerdem Schwäne und sogar Kraniche, die bis zum dreißigjährigen Krieg als strenge Gebieter des deutschen Hühnerhofes geschützt waren. Im vornehmen Hofe fehlte auch das Falkenhans nicht, und unter den Vierfüßlern^ der Hofstätte liefen zahme Hirsche, die man zum Fange ihrer wilden Stammgenossen abzurichten verstand. Sorglich geschützt wurden die Bienenstöcke des Gartens, welche in verschiedenen Formen als Stämme oder Körbe eingerichtet waren. Wer einen Bienenstock stahl, hatte bei den Franken dasselbe Strafgeld zu entrichten wie für eine Kuh mit dem Kalbe. . . .
Der freie Eigentümer hatte nur einen Herrn über sich, den König, vor ihm neigte er das Haupt und beugte die Knie, sonst saß er auch neben Reicheren, den Beamten und Gefolgsleuten des Königs als gleichberechtigt; dock schon zahlte für einen Frevel, der an seinem Leibe geübt wurde, der Thäter geringeres Wergeld, als wenn der Beschädigte des Königs Diener war.*) . . . Die ganze Kraft des Volkes lag in der Masse der freien Landbewohner. Aber schon damals arbeiteten Könige, Grundherren, gewalttätige Beamte und die Kirche daran, die Zahl der Freien zu vermindern. Der Gemeinfreie war ein geldarmer Mann, und doch forderten die neuen Gesetzbücher der Könige bei jedem Unrecht, das er beging, von ihm eine Strafe in edlem Metall. Kaum ein Landwirt vermochte sich in der händelsüchtigen Zeit straflos zu halten, wenn der Graf des Königs ihn zu einer Buße zwingen wollte. Reichten Viehhäupter und Ernte nicht hin, das Geld zu schaffen, so mußte er sich seines Eigens entäußern. Auch dem Schuldlosen wurden die Forderungen der Könige zu schwer. Schon damals [in der späteren Merowingeqeit] muß die Lage des freien Bauern oft unerträglich gewesen fein; die Lasten, die ihm das Land auferlegte, der Zehnte, Waffendienst, Fuhren und Lieferungen bei Reifen des Königs und feiner Beamten, waren sehr groß. Gegen die Mächtigen fand er kein Recht;
*) Vgl. oben S. 224.
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280
Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
solche nicht vorhanden, dann folgt im Erbe die Mutterschwester. Und weiter folgt der als Erbe, der dann der nächste Blutsverwandte ist. Vom Grund und Boden aber erbt kein weibliches Wesen; dieser gehört stets nur einem Manne zu und geht (wenn keine Söhne vorhanden sind) an die Brüder über." Man erkennt daraus, daß nun doch schon gewisse weibliche Verwandte, nämlich Mutter, Schwestern und Mutterschwester (nicht aber Töchter) erbberechtigt waren, wenn auch nur an beweglicher Habe; denn aller Grundbesitz blieb in männlichen Händen, „weil auf ihm die Stellung in der Gemeinde beruhte, die Teilnahme an ihren Rechten und Pflichten."
Zum Schluß mögen noch einige Strafbestimmungen über verschiedene Vergehen angeführt werden. Wenn jemand einen andern einen unkeuschen Lüstling nennt, muß er es mit fünfzehn Schillingen büßen. Wer einen andern einen Fuchs oder Hasen schimpft, der wird mit drei Schillingen gebüßt; ebenso wer einem andern vorwirft, er habe seinen Schild weggeworfen, und den Beweis dafür schuldig bleibt. Mit fünfzehn Schillingen wird bestraft, wer einen andern einen Angeber oder Fälscher schilt, ohne es beweisen zu können. Wenn jemand einen andern einen Hexenknecht oder eine Frau öffentlich eine Hexe schimpft und den Beweis dafür schuldig bleibt, so wird er in jenem Fall zu dreiundsechzig Schillingen, in diesem zu der dreifachen Buße verurteilt.
Der Diebstahl eines säugenden Schweines wird wie der einer Gans, eines Schäferhundes, eines saugenden Kalbes, eines jährigen Widders ober dreier Ziegen mit drei Schillingen gebüßt; wer ein jähriges Rind stiehlt, bezahlt fünfzehn Schillinge; dagegen das Dreifache, wer den Stier stiehlt,
der die Herde führt und nie im Joch gewesen ist. Ebenso ist der Diebstahl
eines Bienenkorbes und der eines Zuchthengstes mit einer Strassumme von fünfundvierzig Schillingen bedroht. Man darf aber nicht etwa glauben, diese hohen Bußgelder seien dem Schätzwerte der gestohlenen Gegenstände gleich; dann wären es ja keine Strafsummen, sondern Kaufgelder. In welchem Verhältnis etwa der Wert zur Strassumme stand, ergießt sich aus einer
andern Stelle des Gesetzes, wo z. B. bestimmt ist, daß ein freier Franke,
der außer dem Hause etwas stiehlt, das zwei Pfennige (Denare) wert ist, dafür sechshundert Pfennige ober fünfzehn Schillinge zahlen muß; stiehlt er bei einem Einbruch etwas im Werte von zwei Pfennigen, so büßt er es sogar mit dem hoppelten Strasgelb. Daß die Bußgelber meist nicht in Münze, sonbern in Gelbeswert bezahlt würden, ist bereits bemerkt worben.
Der freie Räuber eines freigeborenen Mäbchens würde mit breiunb-fechzig Schillingen, der halbfreie mit dem ganzen Wergelb gebüßt; wenn ein freigeborenes Mäbchen einem Halbfreien freiwillig folgte, so verlor sie ihren Freienstanb; machte einer dem anbetn seine Braut abspenstig und vermählte sich mit ihr, so zahlte er breiunbsechzig Schillinge. Die gleiche
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
4
1. Land und Volk der alten Deutschen.
mit hohen Strohdächern, ein jedes von einem eingehegten Hof-
raum umgeben, die entweder ganz einzeln in der Einsamkeit
oder in weiteren Lichtungen als regellos angelegte, weitläufige
Dörfer dalagen. Die Wege waren freilich selten genug und
nur durch allmähliches Festtreten, nicht durch künstliche Anlagen
entstanden. Oft erschwerten ungeheure Wurzeln oder gestürzte
Baumstämme den Pfad. Und in dem Dickicht des Urwaldes
hausten allerlei dem Wanderer unheimliche Gäste, vor denen
er auf der Hut sein mußte; so das riesige Wisent, die stärkste
und bösartigste Büffelart, und der kaum weniger furchtbare
Ur- oder Auerochs, dazu grimmige Bären und Eber und
gefräßige Wölfe. Ferner, wenn auch nicht gerade gefürchtet,
der gewaltige Schelch oder Riesenhirsch, das häßliche Elen und
das wilde Pferd. Aber noch häufiger zeigten sich doch die
freundlichen Gestalten des Edelwilds und des sanften Rehs.
In der Lust kreisten Adler und Geier, Habichte und Falken;
im Sumpfrohr lebten Schwärme von wilden Gänsen, Schwänen
und Enten; in den feuchten Thalgründen stolzierten Kranich
und Storch. Neben den krächzenden Raben ließen Waldtauben,
Drosseln und unzählige kleinere Singvögel ihre traulichen
Stimmen erschallen. Und wenn der Wind durch die hohen
Wipfel der tausendjährigen Eichen und Buchen, Tannen und
Fichten strich, wenn all die heimlichen Stimmen des deutschen
Waldes flüsterten, summten und rauschten, dann glaubte der
Wanderer mit frommem Schauer das Raunen und Weben der
heimischen Götter zu vernehmen. Außer Sümpfen und gähnenden
Abgründen, außer hungrigen und blutgierigen Tieren konnten
ihm allerdings auch habsüchtige, ruchlose Menschen gefährlich
werden. Aber die Furcht vor feindseligem, lauerndem Gesindel
war im allgemeinen nicht sehr groß; denn im ganzen Lande,
überall, wo Germanen lebten, hielt man das Gastrecht heilig,
und der Fremde war ein Gegenstand frommer Scheu. Er
stand ja unmittelbar unter dem Schutze der Gottheit, und
diese zu erzürnen trug selbst der rohe Gesell Bedenken.
Die Herren dieses Landes zwischen Meer und Donau,
zwischen Rhein und Weichsel, zeigten schon durch ihr Äußeres
sowie durch besondere Vorzüge und Fehler, daß sie ein
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
18
3. Haustiere, Speise und Trank.
aß man auch Fische, die in unglaublicher Menge die Bäche
und Flüsse, Teiche und Seen anfüllten. Dazu gab es zahmes
und wildes Geflügel im Überfluß. Auf jedem Hofe waren
Gänse zu finden, die für schöne, liebliche Tiere galten und
an denen besonders die Hausherrin ihre Freude hatte. Nicht
minder ließ der „Hossänger" d. h. der Hahn mit seinem
lärmenden Völkchen vom ersten Morgengrauen an seine weit-
hinschallende Stimme ertönen. Schnatternde Enten ergötzten
sich in Pfützen und Teichen; auf dem Dachfirst wie in den
Bäumen des Waldes girrten die Tauben. Sogar Störche,
Schwäne und Kraniche wurden zuweilen als eßbare Haustiere
gehalten. Zur Jagd der wilden Vögel bediente man sich des
gezähmten Habichts, Sperbers oder Falken.
Aus Milch und Fleisch bestand zum größten Teil die
Nahrung unsrer Ahnen im deutschen Urwalde. Aber auch
einige Pflanzen lieferten ihnen Speise. Der Ackerbau konnte
freilich nur spärlich betrieben werden, weil man die Düngung
nicht kannte und der Boden fast überall mit Wald bewachsen
war. Die älteste und verbreitetste Getreideart, die man an-
pflanzte, war der genügsame Hafer. Das Hafermus war ein
alltägliches und beliebtes Gericht. Weizen, Roggen und Hirse
baute man nur selten, wogegen die Gerste weitverbreitet war,
aus der die deutschen Hausfrauen schmackhaftes Bier zu brauen
verstanden, und zwar ohne Hopfen, man weiß nicht, mit welcher
Würze. Das Backen war schon in der Urzeit bekannt. Freilich
aber hat man sich das altdeutsche Brot eigentlich nur als einen
gerösteten Mehlbrei, als flachen, ungesäuerten Kuchen vorzustellen.
Die ausgedroschenen Getreidekörner wurden von Knechten oder
Mägden auf Handmühlen, die aus zwei runden Steinen be-
standen, zerrieben, eine mühselige und verhaßte Arbeit.
Von Wurzelfrüchten wurde wenigstens am Rhein die
Mohrrübe oder Möhre und der Rettich gegessen, die beide
trefflich gediehen. Die Rettiche sollen manchmal die Größe
eines kleinen Kindes erreicht haben. Der Kaiser Tiberius ließ
sich alljährlich eine Sendung deutscher Möhren vom Nieder-
rhein kommen und brachte dadurch diese Wurzel in Rom zu
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
6. Tageslauf eines germanischen Hausherrn in Friedenszeiten. 35
nicht, so gab es wohl am Haus oder Hofzaun zu bessern,
wobei der Herr selber nur selten zugrifs, vielmehr die Knechte
anwies, lobte oder zum Fleiße antrieb. Oder er schaute eine
Weile mit behaglichem Lächeln den Kriegsspielen seiner Knaben
zu, oder er ging hinaus aufs Feld, den Stand der Saaten
zu prüfen, oder aus die Viehweide, um sich am Anblick seiner
Pferde, Rinder, Schafe und Schweine zu freuen, vielleicht
auch um einem Gaste selbstgefällig die stattlichen Herden zu
zeigen. Oder er zog mit Hunden und Knechten in den
grünen Wald, dem edlen Weidwerk obzuliegen, den Bären
aufzuspüren, der neulich ein Kalb geraubt, den Wolf zu
fällen, der unter den Schafen Vernichtung angerichtet, den
Ur zu erlegen, der lüstern nach leckerer Gerste den Acker
zerstampft hatte. Sowohl die Jagd aus Vierfüßler (Tier-
weide) wie die auf Vögel (Vogelweide) wurde mit Leiden-
schaft gepflegt. An den Jagden vornehmer Männer, zu
denen oft ein größeres Gefolge mitzog, beteiligten sich nicht
selten die edlen Frauen als Zuschauerinnen und Wirtinnen,
die im Waldesschatten den hungrigen Jägern ein fröhliches
Mahl bereiteten. Manche verstand wohl auch selbst Bogen
und Jagdspeer und den abgerichteten Falken zu lenken.
Die meisten dieser Beschäftigungen ließen sich freilich nur
bei freundlicher Witterung vornehmen; bei schlechtem Wetter,
namentlich im Winter, kam es öfters vor, daß der Hausherr
nach dem Imbiß sich verdrossen wieder aufs Lager streckte
und so auf der Bärenhaut liegen blieb, bis die Zeit der
Hauptmahlzeit hcrankam, die etwa um die Mitte des
Nachmittags, nicht allzulange vor Sonnenuntergang gehalten
wurde. „Es freuen sich die Hunde, und das Haus öffnet sich
von selbst, wenn ein Gast kommt." So lautet ein alt-
nordisches Sprichwort und bezeichnet damit schön und bündig
die Herzlichkeit, mit der der Deutsche den Gast willkommen
hieß. Und das that er gar oft. Außer solchen, die unter
seinem Dache übernachteten, kamen noch häufiger andere, die
geladen oder ungeladen an seiner Mahlzeit teilnahmen. An
ein solches Mahl schloß sich gewöhnlich ein scharfes Trinken,
stets, wenn der Wirt ein Gastgebot erlassen hatte. Die
3*
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
8. Vom Glauben und Götterdienst der alten Deutschen. 55
sich beide gegenseitig. Dem Donar gelingt es die Mittgart-
schlange zu erlegen; aber kaum ist er neun Schritte davon-
gegangen, da fällt er zur Erde, getötet von deni Gift, das
der Wurm auf ihn spie. Nun verschlingt der entsetzliche
Fenriswolf den verzweifelt kämpfenden Wodan. Aber indem
Wodan verschlungen wird, zerreißt er dem Wolfe den Rachen.
So sterben beide. Auch Loke und Heimdall töten einander.
Inzwischen haben die Flammen von Muspelheim die ganze Welt
ergriffen. Himmel und Erde und alle Unholde verschlingt
der ungeheure Brand. Aber aus den Wogen des Meeres,
durch die der Brand schließlich erlöscht und die alles über-
fluten, taucht eine neue Erde auf, grün und schön, und Korn
wächst daraus ungesät. Und nun kehren die guten Götter
wieder, verklärt und von aller Schuld gereinigt. Auch Balder
wohnt nun wieder unter ihnen. Und sie sitzen vereint auf
dem Felde, wo einst Asgart stand, und raunen zusammen von
den schaurigen Dingen, die sich vordem ereignet. Und auf
der Erde entsteht eine neue Menschheit, geistiger und besser
als die alte; Morgentau ist ihr Trank. Und vom Himmel
strahlt eine neue Sonne, eine Tochter der alten. Nicht
minder schön als jene, wandelt sie die Bahn der Mutter.
Heiliger Friede waltet unter allen lebenden Wesen. Ihr
seliges Dasein stört keine Sünde und kein Tod.
Zwischen den Göttern und den Menschen stehen nach dem
Glauben der Vorzeit vier Arten von halbgöttlichen Wesen:
Riesen und Zwerge, Helden und Walküren. Die Riesen,
auch Hünen oder Thursen genannt, sind zwar von ungeheurer
Größe und Kraft, aber an Verstand übertrifft sie der Mensch.
Nicht alle Riesen sind so bösartig und selbst den Göttern
gefährlich wie die Frost- und Feuerriesen. Manche vereinigen
mit der Dummheit eine große Gutmütigkeit, so lange nichts
ihre Ruhe stört. Gereizt aber werden sie leicht von un-
bändiger Wut ersaßt und sind dann furchtbar in ihrer rohen
Raserei. Weit unter dem menschlichen Wachstum bleiben die
kleinen Zwerge, Wichte, Alben oder Elsen, aber dafür sind
lie mit geistigen Kräften begabt, die den Menschen in solchem
Maße versagt sind. Ihr Außeres ist gewöhnlich alt, häßlich
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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3. Haustiere, Speise und Trank.
Hausfrau und war wohl zuweilen besonders eingehegt. In
dem übrigen Hofraum aber tummelten sich Hühner, Enten und
Gänse, wenn sie nicht im Freien ihre Nahrung suchten, wohl
auch zuweilen ein Teil des vierfüßigen Kleinviehs, da es weder
an Rasen noch an Wasserpfützen gefehlt haben wird. Knechte
und Mägde saßen oder standen hier und dort oder gingen
ab und zu, wie es das Tagewerk eines jeden mit sich brachte.
Zuweilen schlugen die Hunde an, die treuen Wächter des Hofes.
Dazwischen spielten, lachten und schrien die meist nackt umher-
laufenden, slachsköpfigen Kinder der Herrschaft und der ver-
heirateten Knechte, mit ihren unschuldigen blauen Augen und
hübschen, weiß und roten Gesichtern. Und über all dem
Treiben wachte das nimmer müde Auge der Hausfrau.
Nur Haus und Hof war erbliches Grundeigentum der
Familie, nicht so das Feld. Jeder Hausvater nämlich erhielt
durch Gemeindebeschluß einen Teil des Gemeindelandes zum
Anbau des nötigen Getreides bei der Äckerverteilung auf
gewisse Zeit angewiesen. Weideland wurde gar nicht verteilt
und nicht einmal vom Walde abgegrenzt, sondern es bildete
mit diesem zusammen den allgemeinen Änger, wo die Herden
aller Dorfbewohner weiden durften, und zugleich den gemein-
samen Jagdgrund. Diese Gemeindetriften und -wälder hießen
daher die Allmende d. h. der allgemeine Wald- und Weide-
boden, der allen Mitgliedern der Gemeinde zum Nießnutz
offen stand.
3. Haustiere, Speise und Trank.
Eine Anzahl von Haustieren war dem Deutschen von
jeher unentbehrlich, so der wachsame „Hoswart", der Hund,
dessen Anhänglichkeit, Klugheit, Schnelligkeit und Stärke ihn
in Haus und Hof, in Feld und Wald, ja selbst aus Kriegszügen
und Volkswanderungen zum hochgeschätzten Gefährten machten.
Dagegen galt die Katze, die nur in der Wildnis lebte, als ein
unheimliches, zauberkundiges Tier; ihre Stelle im Hause als
Mäuse- und Rattenvertilgerin vertrat das Wiesel. Die Pferde
der Germanen waren weder groß noch schön, dafür aber be-
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
3. Haustiere, Speise und Trank.
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saßen sie grüße Schnelligkeit und Ausdauer. Ein gut zuge-
rittenes Pferd galt als eine wertvolle Gabe; wenn der Vater
starb, so erbte der tapferste Sohn gewöhnlich dessen Streitroß.
Sättel und Steigbügel gab es nicht; sich ihrer zu bedienen
hielt man für unmännlich. Nur während des Winters standen
die Pferde in Ställen, sonst weideten sie als Herden auf um-
zäunten Rasenflächen im Walde. Gewisse schneeweiße Rosse
verehrte man als heilige Tiere; sie wurden aus Staatskosten
ernährt und gepflegt und zu gewissen Zeiten des Jahres im
Lande feierlich herumgeführl. Dabei versuchte man aus ihrem
Wiehern und Schnauben zu weissagen. Auch als wertvolle
Opsertiere wurden die Pferde benutzt. Das Fleisch aß man,
die Köpfe wurden den Göttern geweiht, an Stangen gesteckt
oder an geheiligten Stätten angenagelt, namentlich oft über
den Thüren der Häuser. Man glaubte, diese Pferdehäupter
schützten vor allerlei Ungemach, und daher findet man noch
heute in Norddeutschland an den Giebeln vieler Bauernhäuser
Pferdeköpfe aus Holz geschnitzt.
Den Hauptreichtum des deutschen Hofherrn bildete das
Rind, und die Zucht desselben stand in hohem Ansehen. Auf
den fetten Weidetriften, der „Waldweide", fanden zahllose
Rinder die köstlichste Nahrung, erst abends wurden sie heim-
getrieben. Natürlich genoß man nicht nur das Fleisch des
Rindes, sondern auch die Milch, die man am liebsten in
geronnenem Zustande als Sauermilch aß. Auch Butter und
weißer Käse oder Quark waren bekannte und beliebte Nahrungs-
mittel. Schafe, Ziegen und Schweine hielt man gleichfalls
als Haustiere. Besonders die Schweinezucht war beträchtlich,
weil die mästenden Früchte der Eichen und Buchen im Über-
fluß den Boden des Gemeindewaldes, in den man die Schweine
trieb, bedeckten. Die Kunst des Einsalzens, Räucherns und
Dörrens verstand man gar wohl.
Nahrung boten außer den Haustieren die eßbaren Arten
des Wildes, von denen der Wald wimmelte, wie der Bär,
das Renntier, der Eber, der Schelch, der Hirsch, das Reh,
das Wisent, der Auerochs und das Wildschwein, ferner Hasen,
Biber, Fischottern und anderes Kleinwild. Selbstverständlich
Klee, Die alten Deutschen. Z
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit]]
12 Zweites Buch. Europa.
und hat einige besonders gute Arten (Merinos) geliefert^) Ziegen haben
dort, namentlich in felsigen Gegenden, mit hartblättrigen Stauden ihre eigent-
liche Heimat gefunden, zerstören aber auch viele Pflanzungen, die Seiden-
zucht ist weit verbreitet, vereinzelt die Cochenille" eingeführt. Die rei-
ßenden Thiere sind in England ganz, sonst größtentheils ausgerottet, außer
im O., wo sie noch manch Unheil anrichten. Die kleinen Plagegeister neh-
men nach S. immer mehr zu. Eigentümlich europäisch sind Reh, Mouflou,
Steinbock (fast ausgerottet), Gemse, Damwild, Auerochs (nur noch
in Litthauen in zahlreichen Exemplaren!) und Murmelthier u. a.
§ 193. Bevölkerung. Europa der dichtest bevölkerte Erdtheil
(1738 E. auf Iq M.). Die dichteste Bevölkerung im W., namentlich
Belgien (über 10 000 E. auf 1 ^M.), die dünnste im N. (In Norwegen
314 E. auf 1 ^Hm., im Gouvernement Archangel nur 20 E.).
Die Bevölkerung im Ganzen einheitlicher als in irgend einem andern
Welttheil, dabei aber zugleich im Einzelnen mannigfaltiger^) (Fig. 73).
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Fig. 73.
Ethnographische Karle von Europa.
Abkürzungen: H.holländer, B. Vlämen, W. Wallonen, Cz. Ziechen, Wotj. Wotjaken, Tsch. Tscheremissen,
Tschuw. Tschuwaschen, Perm. Permiaken.
In Serbien, Griechenland, Spanien und Rumänien gibt es mehr Schafe als
Menschen, was nördlich nur in Großbritamen und Dänemark der Fall ist.
Zu § 193. i)Auch die Cultur in keinem Welttheil im Großen mehr iibereinstim-
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland]]
Extrahierte Ortsnamen: Europa England Mouflou Litthauen Europa Iq_M. Belgien Norwegen Griechen
Monzolisohe Europa Perm Serbien Griechenland Spanien