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Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 3

1908 - Altenburg : Bonde
3 und zuletzt vermass er sich sogar, wenn sich etwas Erkleckliches damit verdienen liesse, wolle er eigens das ganze Kunststück noch einmal machen. Von dem vielen Reden und Trinken ward er endlich müde, legte sich auf die Ofenbank und schlief ein. Als die letzten Gäste eben das Wirtshaus verlassen wollten, bemerkten sie, dass er allerlei ängstliche Gebärden machte und ein banges Stöhnen ausstiefs. Er fuhr mit den Händen in der Luft herum, als ob er sich an etwas halten wollte, dann schrak er wieder heftig zusammen. Es war offenbar, dass er den Fall noch einmal durchträumte, den er am Vormittag getan hatte, und die Gäste fanden eine grosse Belustigung darin, seine seltsamen Bewegungen anzuschauen, besonders als sie bemerkten, dass er jeden Augen- blick von der Bank hinunterfallen müsse. Endlich machte er wieder eine Bewegung und fiel wirklich unter schallendem Ge- lächter der Anwesenden von der Bank herab in die Stube. Sie erwarteten, ihn nun aufwachen zu sehen; aber er blieb liegen, ohne ein Glied zu rühren, und als sie herzutraten und ihn an- fassten , war er — tot. — Er hatte vergessen, dem die Ehre zu geb.en, der ihn am Morgen unversehrt den Sturz in die Tiefe hatte tun lassen, so hat er sich am Abend von einer Bank herab zu Tode gefallen. Caspari. 5. Bon Kleidern. Wenn du einen Flecken an deinem Kleide oder irgendwo einen Riß hast, denkst du oft: Pah! das sieht man nicht, und die Leute haben anders zu tun, als immer alles an mir auszumustern. Du gehst dann frank und frei herum, und es kann oft sein, du hast recht, es sieht niemand den Flecken und den Riß. Wenn du aber etwas Schönes auf dem Leibe hast, sei es nur ein schönes Halstuch oder ein frisches Hemd mit weißer Brust oder gar eine goldene Nadel und dergleichen, da gehst du oft mit herausforderndem Blicke hinaus und schlägst die Augen nieder, um nicht zu bemerken!, wie alle Leute, was sie in den Händen haben, stehen und liegen lassen und gar nichts tun, als deine Herrlichkeit betrachten. So meinst du; aber das ist auch gefehlt, kein Blick wendet sich nach dir und deiner Pracht. Das eine Mal meinst du, man sieht dich gar nicht, und das andere Mal, die ganze Welt hat auf dich gewartet, um dich zu beschauen; aber beides ist gefehlt. Gerade so ist es auch mit deinen Tugenden und Lastern.

2. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 35

1908 - Altenburg : Bonde
35 hin. Der Edelmann verwunderte sich sehr, noch mehr aber, als der Mann auch am folgenden Tage und ferner die ganze Woche und endlich die etlichen Jahre wieder kam, die der Edelmann noch lebte, und einen Mittag wie den andern eine volle Schüssel brachte und die leere dagegen holte. Es ist nicht auszusprechen, welch herzliches Verlangen der Edel- mann hatte, seinen unbekannten Wohltäter kennen zu lernen und ihm zu danken, so daß er endlich zu dem Diener sprach: „Sagt Euerm Herrn, daß mein Ende nahe ist. daß ich aber nicht ruhig sterben kann, ich habe denn zuvor meinem Wohltäter die Hand gedrückt und mich bedankt." Da nickte der alte Diener beifällig mit dem Kopfe, und noch denselben Abend erschien der Erzherzog Albrecht an dem Bette des Edelmanns, der die Hand seines Wohltäters mit Dankestränen benetzte und etliche Stunden darauf fröhlich von hinnen schied. Uns Menschenkindern aber ist der Wohltäter nicht unbekannt, der uns so viele Jahre her aus seiner Küche eine Schüssel um die andere zugeschickt, vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben und unsre Herzen erfüllet hat mit Speise und Freude. Und doch ist es manch einem zu viel, zu einem Tischgebet seinen Kopfdeckel zu rücken. Ahlfeld. 41. Der kleine Friedensbote. Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe und weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der Bäcker in seinem großen Obstgarten an Stelle eines ausgedienten Invaliden eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine schöne Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte, eine Pflaume oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem er auf diesen oder auf jenen Posten, auf einen fetten oder magern Platz gestellt werden sollte. — An Ostern, an Martini und am heiligen Abend kam die Bäckerin, welche keine Kinder hatte, immer mit einem großen Korb unter dem Arme zu den Nachbarsleuten hinüber und teilte unter die kleinen Paten aus, was ihr der Hase oder das Christkindlein selbst unter die schneeweiße Serviette gelegt hatten. Je mehr sich die Kindlein über die reichen Spenden freuten, desto näher rückten sich die Herzen der beiden Weiber, und man brauchte keine Zigeunerin zu sein, um zu prophezeien, daß sie einander immer gut bleiben würden. Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Gerber als Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker 3*

3. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 10

1908 - Altenburg : Bonde
s — 10 — sah an der Wand, und ein Donner schmetterte überm Hause, als ob dasselbe mit einem Streich in Millionen Splitter zerschlagen würde. „Herr Gott, es hat eingeschlagen!" rief der erste, der reden konnte. Alles stürzte zur Tür hinaus. In vollen Flammen stand das Haus; aus dem Dache heraus brannten bereits die eingeführten Garben. Wie stürzte alles durcheinander! Wie vom Blitz geschlagen war jede Be- sonnenheit! Die alte Mutter allein behielt klare Besinnung; sie griff nach ihren beiden Krücken, sonst nach nichts, suchte die Tür und einen sicheren Platz und betete: „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Dein und nicht mein Wille geschehe, o Vater!" Das Haus brannte ab bis auf den Boden, gerettet wurde nichts. Auf der Brandstätte aber stand der Bauer und sprach: „Ich Habs unter meinem Dach! Aber über deinem Dach ist des Herrn Dach, hat die Mutter gesagt." Gonhetf. 13. Die Einladung. Ein frommer Landmann in der Kirche saß; den Text der Pfarrer aus Johannes las am Ostermontag, wie der Heiland rief vom Ufer: „Kindlein, habt ihr nichts zu essen?" 5 Das drang dem Landmann in die Seele tief, daß er in stiller Wehmut dagesessen. Drauf betet er: „Mein liebster Jesu Christ! So fragest du? O wenn du hungrig bist, so sei am nächsten Sonntag doch mein Gast 10 und halt an meinem armen Tische Rast! Ich bin ja wohl nur ein geringer Mann, der nicht viel Gutes dir bereiten kann; doch deine Huld, die dich zu Sündern trieb, nimmt auch an meinem Tische wohl vorlieb." 15 Er wandelt heim und spricht sein herzlich Wort an jedem Tag, die ganze Woche fort. Am Samstagsmorgen läßts ihn nimmer ruhn. „Frau," hebt er an, „nimm aus dein bestes Huhn, bereit es kräftig, fege Flur und Haus, 20 stell in die Stub auch einen schönen Strauß; denn wisse, daß du einen hohen Gast auf morgen mittag zu bewirten hast.

4. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 40

1908 - Altenburg : Bonde
40 besser feiern als feiern, sagt das Sprichwort. Ich snche mir also eine Partie Wolle ans und gehe hin, um mein Geld zu holen. Da sagt mir der alte Frege, es sei gnt, daß ich komme, er habe nicht gemusst, wo ich wohne. Ich hatte das gern nicht gesagt, da ich wieder wie einst als Handwerksbnrsche in der Herberge wohnte. „Nun," sagte der Herr Frege, „essen Sie morgen mittag bei mir, Sie werden da noch große Gesellschaft sinden." Ich konnte nichts Rechtes daranf erwidern und ging weg. Ich erknndigte mich nnn, was man bei einer solchen Einladnng zu tnn hat und was dabei herauskommt. Man sagte mir, daß es Sitte sei, daß jedes große Handlungshaus seine Empfohlenen dnrch eine Einladung, wie man sagt, abfüttert, daß nicht viel dabei heranskommt, als daß man das Essen teuer bezahlen mnß, indem es mindestens 1^/2 Taler Trinkgeld an die Bedienten kostet. Das war mir nnn gar nicht lieb. Ich rechnete ans, daß mir von 1000 Talern nur noch 998*/.; blieben, und für ein Mittagessen konnte ich nicht soviel auf- wenden. Anderen Mittags war ich knrz entschlossen. Ich kaufe mir für 2 Groschen Gelbwurst, für sechs Pfennig Brot, stecke es zu mir und gehe hinans vor das Tor in das sogenannte Rosental. Mein Tisch war schnell gedeckt. Ich setze mich ans eine Bank und wickele meine Sachen herans, ich zerschneide die Gelbwurst in sechs Teile und lege sie neben mich hin. Das, sage ich, ist meine Suppe, das ist mein Fleisch, das mein Gemüse mit Beilage, das mein Fisch und das mein Braten und Salat. Ich glaube nicht, daß sie drinnen in der Stadt bei Frege mehr hatten und daß es ihnen besser schmeckt. Ich war eben an der süßen Schüssel, sie war sehr gut zubereitet, da seh ich einen Mann auf einem schönen Braunen daherreiten. Er, denke ich, macht sich noch ein bißchen Bewegung vor dem Essen, daß es ihm besser schmeckt. Ich wünsche ihm meinen gesunden Magen, ich brauchte kein Pferd müde zu reiten, um tüchtig einhauen zu können. Schneller, als ich dies sage und denke, ist der Reiter bei mir, und zu meinem Schrecken sehe ich, es ist der Herr Frege selber! In meiner Angst fällt mir der letzte Bissen von meiner süßen Speise ans der Hand, und der voransspringende Hund schnupperts gleich auf; ich wickle schnell mein Papier zusammen und weiß mir gar nicht zu helfen. „Ei Herr Keller!" sagte der Herr Frege, „was machen Sie da? Glauben Sie, Sie bekommen bei mir nicht genug zu essen?" Was soll ich daranf sagen? Ich denke, du bleibst bei der Wahrheit. Ich sag ihm nun, daß es sich bei mir sucht austragen will, gegen zwei Taler Trinkgeld für ein einziges Mittagessen zu geben, und so und so,.

5. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 50

1908 - Altenburg : Bonde
50 Schlachttage. „Ich lege mich in kein Bett," sagte sie, „die Kathrin will sitzend sterben!" Auf dem Militärfriedhofe im Ehrentale, an der Stätte, wo sie damals im heißen Kugelregen in barmherziger Liebe tätig gewesen war, wurde sie bestattet. Ihr Leben war Mühe und Arbeit. Was anders kann sie zu solcher Treue und solchem Mute getrieben haben als opfer- willige Nächsten- und Vaterlandsliebe? Die Bürger ihrer Vaterstadt Saarbrücken haben der Entschlafenen einen Grabstein gesetzt, damit ihr Name nicht vergessen werde. Bert. Ev. Sonntagsblatt. 52. Das Mittagessen im Hofe. Man klagt känfig darüber, wie schwer und unmöglich es sei, mit manchen Menschen auszukommen. Das mag denn freilich auch wahr sein. Indessen sind viele von solchen Menschen nicht schlimm, sondern nur wunderlich , und wenn man sie inwendig und auswendig nur immer recht kennte und recht mit ihnen umzugehen wüsste, nie zu eigensinnig und nie zu nachgehend, so wäre mancher wohl leicht zur Besinnung zu bringen. Das ist doch einem Bedienten mit seinem Herrn gelungen. Dem konnte er manchmal gar nichts recht machen und musste vieles entgelten, woran er unschuldig war, wie es oft geht. So kam einmal der Herr sehr verdriesslich nach Hause und setzte sich zum Mittagessen. Da war die Suppe zu heiss oder zu kalt oder keines von beiden; aber genug, der Herr war verdriesslich. Er fasste daher die Schüssel mit dem, was darinnen war, und warf sie durch das offene Fenster in den Hof hinab. Was tat der Diener? Kurz besonnen warf er das Fleisch, welches er eben auf den Tisch stellen wollte, mir nichts, dir nichts, der Suppe nach auch in den Hof hinab, dann das Brot, dann den Wein und endlich das Tischtuch mit allem, was noch darauf war. „Verwegener, was soll das sein?“ fragte der Herr und fuhr mit drohendem Zorne von dem Sessel auf. Aber der Be- diente erwiderte kalt und ruhig: „Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihre Meinung nicht erraten habe. Ich glaubte nicht anders, als Sie wollten heute auf dem Hofe speisen. Die Luft ist so heiter, der Himmel so blau, und sehen Sie nur, wie lieblich der Apfelbaum blüht und wie fröhlich die Bienen ihren Mittag halten!" — Diesmal die Suppe hinabgeworfen und nimmer! Der Herr erkannte seinen Fehler, heiterte sich beim Anblicke

6. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 52

1908 - Altenburg : Bonde
52 Während der Offizier seine Zeche bezahlte, schaute der Wirt ihm aus den Rock und dachte: Das ist ein sonderbarer Verdienstorden, den der Herr da anhängen hat. Der muß sich im Kampfe mit einer Krebs- suppe hervorgetan haben, daß er zum Ehrenzeichen einen silbernen Löffel bekommen hat, oder ists gar einer von meinen eigenen? Als der Offizier dem Wirte die Zeche bezahlt hatte, sagte er mit ernsthafter Miene: „Und der Löffel geht ja drein. Nicht wahr? Die Zeche ist teuer genug dazu." Der Wirt sagte: „So etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Wenn Ihr daheim keinen Löffel habt, so will ich Euch einen Blechlöffel schenken; aber meinen silbernen laßt mir da!" Da stand der Offizier auf, klopfte dem Wirte auf die Achsel und lächelte: „Wir haben nur Spaß gemacht," sagte er, „ich und der Herr dort in dem grünen Rocke. Gebt Ihr Euren Löffel wieder aus dem Ärmel heraus, grüner Herr, so will ich meinen auch wieder hergeben." Als der Löffelschütz merkte, daß er verraten sei und daß ein ehrliches Auge auf seine unehrliche Hand gesehen hatte, dachte er: Lieber Spaß als Ernst! und gab seinen Löffel ebenfalls her. Also kam der Wirt wieder zu seinem Eigentnme, und der Löffeldieb lachte auch, — aber nicht lange. Denn als die andern Gäste das sahen, jagten sie den verratenen Dieb mit Schimpf und Schande zur Tür hinaus, und der Wirt schickte ihm den Hausknecht mit einer Handvoll ungebrannter Asche nach. Den wackeren Offizier aber lud er noch zu einer Flasche Ungarwein ein auf das Wohlsein aller ehrlichen Leute. Hebel. 55. Untreue schlägt den eigenen Herrn. Als in dem Kriege zwischen Frankreich und Preußen (1806) ein Teil der französischen Armee in Schlesien einrückte, waren auch Truppen vom rheinischen Bundesheere dabei, und ein deutscher Offizier wurde bei einem Edelmanne einquartiert und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hingen. Der Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bei diesem Manne gewesen und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem Hauswirte, daß er ihm eins von diesen Gemälden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirt sagte, daß er das mit Vergnügen tun wolle, und stellte seinem Gaste frei, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte. Nun wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das vornehmste und kostbarste wegnehme. Daran schien dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden das schlechteste.

7. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 34

1908 - Altenburg : Bonde
34 39. Wer ist mein Nächster? Ein Handwerksbursche ging unweit Preßburg in Ungarn in der grimmigsten Kälte mit seinem Bündel auf dem Rücken über die Heide. Seine Kleider waren dünn und seine Strümpfe zerrissen. Ach da fror ihn sehr! Er weinte, und die hellen Tränen froren ihm an den Augenwimpern. „Lieber Gott," seufzte er, „weit und breit kein Dorf und keine Stadt, nicht einmal eine Köhlerhütte! Ich werde erfrieren. Ach was wird meine arme Mutter anfangen! Mein Vater ist schon tot, dann hat sie niemand mehr, der für ihren Unterhalt sorgt!" Er wollte laufen, um sich zu erwärmen, aber feine Glieder waren starr. Er wurde schläfrig, legte sich in den Schnee auf sein Bündel und schlief ein. — Ein Postknecht ritt vorbei und sah ihn starr daliegen. Da er indes noch einige Lebenszeichen an ihm bemerkte, ritt er schneller und zeigte es unter dem Tore der nächsten Stadt an. — „Was hilfts? Bis wir hinaus kommen, ist er längst tot," sagten die Ge- fühllosen. Ein armer Tagelöhner aber, welcher gerade in der Wachtstube war, um sich zu erwärmen, hörte es, und ihm brach das Herz vor Mitleid. Ohne ein Wort zu sagen, eilte er auf die Landstraße, trug den erstarrten Handwerksbnrschen in das nächste Dorf, rieb ihn mit Schnee, brachte ihn der Wärme immer näher und erweckte ihn endlich wieder. Darauf nahm er ihn mit in die Stadt und teilte sein Holz und seinen Tisch, ob er gleich selbst nicht viel hatte, mit ihm so lange, bis er imstande war, weiter zu reisen. Hebel. 40. Ein dankbares Herz. Ein Edelmann in den Niederlanden war durch den Krieg in große Armut geraten und lag an Händen und Füßen lahm von der Gicht in einem Dachstüblein und hatte niemand als eine alte Ausläuferin, die sich des Tages zwei- oder dreimal nach ihm umschaute. Und als er zuletzt auch von seinem alten Rittermantel die goldenen Spangen, Haken und Schnüre verkaufen mußte, geriet er in schwere Sorgen. An dem- selben Tage noch kam ein unbekannter Mann an fein Bett, der wie ein Diener eines großen Herrn aussah und stumm schien, weil er weder mit einem Worte grüßte noch auf eine Frage Antwort gab, sondern jedesmal seinen Finger fest an die Lippen drückte, womit er andeuten wollte, daß ihm sein Mund verschlossen sei. Der hatte ein schneeweißes Damasttuch an den vier Zipfeln in der Hand und in dem Tuche eine silberne Schüssel, die er mit Speise darin auf das Tischlein neben dem Bette stellte, worauf er wieder ging, ohne zu sagen, woher oder wo-

8. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 162

1908 - Altenburg : Bonde
2. Wie Kunz die Prinzen raubte. Kunz trachtete nun auf alle Weise, wie er dem Kurfürsten Ab- bruch tun möchte. Er hängte andere meißnische Edelleute an sich, vornehmlich Wilhelm von Mosen und Wilhelm von Schönfels. Auch beredete er einen bösen Buben an des Kurfürsten Hofe, den Küchen- jungen Hans Schwalbe, ihm allerlei Heimlichkeiten des Hofes und Landes mitzuteilen. Durch ihn erfuhr Kunz, daß der Kurfürst den 7. Juli früh mit großem Gefolge nach Leipzig reisen und der Kanzler am Abende desselben Tages ein Gastmahl ausrichten werde, bei welchem die meisten Hoflente zugegen sein würden. Da machte er sich denn mit 35 Pferden und 10 Fußknechten auf; des Nachts zwischen 11 und 12 Uhr kam er vor dein Schlosse an. Ans Steigleitern von starken Riemen kommt er über die hohen Mauern und den steilen Felsen hinan. Hans Schwalbe läßt ihn nebst 5 Gesellen durch ein Fenster bei der Küche herein. Der Gelegenheit wohl kundig, geht er stracks zu der Schlafkammer der jungen Herren Ernst und Albrecht, von denen der eine 14, der andere 12 Jahr alt war, und öffnet dieselbe ohne Mühe. Herzog Ernst erwacht, und als er die fremden Leute sieht, ruft er der alten Dienerin: „O Buhle, Buhle, Kunz von Kauffungen ist da und will uns erwürgen; sagt es bald der Frau Mutter, daß sie uns helfe!" Aber Kunz bedrohte diejenigen, die bei der jungen Herrschaft schliefen, mit heftigen Worten und bloßer Wehr, es sollte niemand ein Wort reden oder einen Fuß rühren, so lieb ihm sein Leben wäre. Er selber nahm nun den Herzog Ernst und führte ihn durch den Schloßhof davon; denn es war alles sicher, und er hatte guten Raum und Zeit, weil die Hofleute alle in der Stadt toll und voll waren. Seinem Gesellen Wilhelm von Mosen befahl er, den Herzog Albrecht nachzubringen. Mittlerweile aber hatte sich dieser als ein verschmitzt Herrlein unter das Bett verkrochen, und in der Eile ergreift Mosen einen jungen Grafen von Barby, welcher mit den jungen Herren erzogen und unter- richtet wurde. Da Kunz dies gewahr wird, erschrickt er und gibt Mosen das ältere Herrlein; er selbst geht nochmals über den ganzen Schloßhof bis in die Kammer, holt Herzog Albrecht auch und führt ihn auf dieselbe Weise zum Schlosse hinaus. Weil sie es aber doch auf die Länge so gar heimlich nicht machen konnten, so wurde die Kurfürstin aus den Lärm aufmerksam, sprang auf und eilte an das Fenster, als sie ihr Gemach von außen ver- schlossen fand. Da erblickte und erkannte sie Kunz, wie er eben den jungen Herrn über den Hof führte, und rief ihn an: „Lieber Kunz,

9. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 117

1908 - Altenburg : Bonde
117 des Dorfes an, die sie noch sehen konnten, denn die Nacht brach herein. Dann geboten sie durch Horn und Ruf Stillschweigen und zogen auf dem Wege nach Konstanz ab. Die Leute in der Burg aber meinten, daß das Kloster brenne, und verfolgten sie, als sie den Abzug erfuhren, auf Seitenwegen. Sie bekamen ihre Späher, die dem Haufen weit vor- auszogen, zu Gesicht, töteten einige und führten einen Verwundeten ge- fangen mit sich. Die übrigen retteten sich mit Mühe durch die Flucht und gaben dem Haufen durch das Horn ein Zeichen, man sollte sich wahren. Die Ungarn aber besetzten so schnell als möglich das Feld und die Ebene, rüsteten frisch znm Treffen, stellten Karren und den übrigen Troß im Kreise umher, teilten die Nacht in Wachen, lagerten sich im Grase und überließen sich schweigend dem Weine und dem Schlafe. Am ersten Morgen brachen sie in die nächsten Dörfer, suchten und raubten, was etwa die Flüchtlinge zurückgelassen hatten, und brannten alle Häuser aus, bei denen sie vorbeikamen. Weil man aus Erfahrung wußte, daß die Ungarn zuweilen zurück- kehrten, fällten die in der Burg die Bäume des Waldes auf dem Zu- gänge zur Höhe, warfen einen tiefen Graben auf und gruben an einer Stelle, wo Binsen wuchsen und Wasser anzeigten, einen tiefen Brunnen und fanden sehr reines Wasser. Auch den Wein, welchen die Ungarn dem Heribald zugeteilt hatten, trugen sie in Krügen und allerlei Gefäßen heimlich bei Tag und Nacht in schnellem Laufe herzu. Sie sahen den Himmel in der Runde bei Tag und Nacht vom Feuer gerötet und riefen unablässig den Herrn an. Engelbert wagte nicht mehr, Späher auszuschicken, und hielt sich in seiner Burg mit den Seinen fest. Nur zuweilen schickte er etliche Beherzte in das Kloster, dort Messe zu lesen, und mit Mühe bewahrte er seine Ruhe, bis sie zurückkehrten. Zwischen Furcht und Hoffnung ermutigte die Brüder sehr der eifrige Bericht des Heribald und des Geistlichen über die Feinde. Die klügeren Brüder freuten sich, daß der gute Gott so gnädig gegen die Einfalt gewesen war und daß er auch die Toren und Schwachen mitten unter Schwert und Spieß der Feinde zu schützen nicht unter- ließ. Wenn sie in der Ruhezeit den Heribald fragten, wie ihm so zahl- reiche Gäste des heiligen Gallus gefallen hätten, antwortete er: „Ei sehr gut; glaubt mir, ich habe nie in unserem Kloster lustigere Leute gesehen, denn sie sind ausnehmend freigebige Spender von Speise und Trank. Was ich bei unserem zähen Kellermeister kaum durch Bitten erlangen konnte, daß er mir auch nur einmal einen Trunk reichte, wenn ich dürstete, das gaben sie mir, wenn ich bat, im Überfluß." Und der Geistliche versetzte: „Und wenn du nicht trinken wolltest, zwangen sie

10. Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6 - S. 174

1908 - Altenburg : Bonde
174 d) Luthers Freigebigkeit. Freigebig war Luther wie selten ein Reicher. Als ihn einer seiner Freunde erinnerte, er möchte doch zum Besten seiner Familie ein kleines Vermögen sammeln, gab er zur Antwort: „Das werde ich nicht tun; denn sonst verlassen sie sich nicht aus Gott und ihre Hände, sondern auf ihr Gold." Notleidenden gab Luther, solange er noch etwas hatte, ja auch noch, wenn er nichts mehr hatte, wie folgende Beispiele beweisen. Einst karn ein Mann, der sich in Geldnot befand, auf Luthers Studierzimmer und bat um eine Unterstützung. Luthern gebrach es damals — und das mochte öfters der Fall sein — ebenfalls an Geld. Da er aber doch gern helfen mochte, besann er sich, holte das Patengeld eines jüngst geborenen Kindes und gab es dem Bittenden. Die Mutter, welche davon nichts wußte, merkte es doch bald an der Leere der Sparbüchse und war etwas ungehalten über die unbedachte Großmut ihres Mannes. Luther aber entgegnete ihr: „Laß es gut sein; Gott ist reich, er wird anderes bescheren." Ein anderes Mal kam ein armer Student zu ihm, welcher nach Vollendung seiner Studien Wittenberg verlassen wollte, und bat Luther um ein Reisegeld. Da aber Luther selbst ohne Geld war und vergebens bei seiner Frau darum angefragt hatte, so ward die Verlegenheit des Gebetenen fast größer als die des Bittenden. Plötzlich fiel Luthers um- hersuchender Blick auf den schönen vergoldeten Becher von Silber, den er vor kurzem vom Kurfürsten zum Geschenk erhalten hatte; er lief herzu, faßte das Kleinod und reichte es dem Studenten. Dieser war darüber bestürzt und wollte nicht zugreifen, und Katharina schien durch den Entschluß ihres Mannes nicht eben angenehm überrascht. Da das der Doktor sah, machte er den Überraschungen schnell ein Ende, drückte den Becher mit Kraft zusammen und sprach: „Ich brauche keinen sil- bernen Becher. Da nimm ihn, trag ihn zum Goldschmied, und was er dir gibt, das behalte!" e) Luther im Gebet. Wie ein Kind betete Luther alle Morgen und Abende, oft am Tage, ja während des Essens. Gebete, die er auswendig wußte, sprach er immer wieder mit heißer Andacht, am liebsten das Vaterunser; dann sagte er seinem Gott den kleinen Katechismus auf; den Psalter trug er als Gebetbüchlein immer bei sich. Wenn er in leidenschaftlicher Sorge war, dann wurde sein Gebet ein Sturm, ein Ringen mit Gott; denn unerschütterlich war seine Überzeugung, daß man durch Bitten
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