o
von sich, und gewaltsame Zuckungen verriethen, daß sie
der Tod ebenfalls schüttelte. So ein Unglücksfall war der
guten Frau noch nicht begegnet, seitdem sie wirthschaftete;
ganz betäubt von Schrecken, sank sie auf ein Bündlein
Stroh hin, hielt die Schürze vor die Augen, denn sie
konnte den Jammer der Sterblinge nicht ansehen, und
erseufzete tief: Ich unglückliches Weib, was fang ich an!
und was wird mein harter Mann beginnen, wenn er
nach Hause kommt? Ach, hin ist mein ganzer Gottes-
segen auf dieser Welt. — Augenblicklich strafte sie das
Herz dieses Gedankens wegen: Wenn das liebe Vieh dein
ganzer Gottessegen ist auf dieser Welt, was ist denn
Steffen und was sind deine Kinder? Sie schämte sich
ihrer Uebereilung. Laß fahren dahin aller We!t Reich-
thum, dachte sie, hast du doch noch deinen Mann und
deine vier Kinder. Ist doch die Milchquelle für den
lieben Säugling noch nicht versiegt, und für die übrigen
Kinder ist Wasser im Brunnen. Wenn's auch einen
Strauß mit Steffen absetzt und er mich übel schlägt,
was ist's mehr, als ein böses Ehestündlein? hab ich doch
nichts verwahrlost. Die Ernte stehet bevor, da kann ich
schneiden gehn, und auf den Winter will ich spinnen bis
in die tiefe Mitternacht; eine Ziege wird ja wohl wieder
zu erwerben sein, und hab' ich die, so wirds auch nicht
an Hipplein fehlen.
Indem sie das bei sich gedachte, ward sie wieder
frohen Muthes, trocknete ab ihre Thränen, und wie sie
die Augen aufhob, lag da vor ihren Füßen ein Blättlein,
das fütterte und blinkte so hell und hochgelb, wie gedie-
gen Gold; sie hob es auf, besah's, und es war schwer
wie Gold. Rasch sprang sie auf, lief damit zu ihrer
Nachbarin, der Judenfrau, zeigt ihr den Fund mit großer
Freude und die Jüdin erkannt's für reines Gold,
schachert's ihr ab, und zählt' ihr dafür zwei Dickthaler
baar auf den Tisch. Vergessen war nun all' ihr Herzeleid.
Solchen Schatz an Baarschaft hatte das arme Weib noch
nicht im Besitz gehabt. Sie lief zum Bäcker, kaufte
Strözel und Bntterkringel und eine Hammelkeule für
Steffen, die sie zurichten wollte, wenn er müde und hung-
rig auf den Abend von der Reise käm. Wie zappelten die
Kleinen der fröhlichen Mutter entgegen, da sie hereintrat
und ihnen ein so ungewohntes Frühstück austheilte. Sie
überließ sich ganz der mütterlichen Freude, die hungrige
Kinderjchaar abzufüttern; und nun war ihre erste Sorge,
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8
viel reinen Gewinn ihm seine Waare diesmal einbringen
würde und fand nach genauem Ueberschlag, daß, wenn
er keinen Groschen ins Haus verwendete und die fleißige
Hand seines Weibes für Nahrung und Kleidung sorgen
ließe, er gerade so viel lösen würde, um auf dem Markte
zu Schmiedeberg sich einen Esel kaufen und befrachten
zu können. Der Gedanke, wie er in Zukunft dem Grau-
schimmel die Last aufbürden und gemächlich nebenher
gehen würde, war ihm zu der Zeit, wo seine Schultern
eben wund gedrückt waren, so herzerquickend, daß er
ihm, wie natürlich, weiter nachhing. Ist einmal der
Esel da, dachte er, so soll mir bald ein Pferd daraus
werden, und hab ich nun den Rappen im Stalle, so
wird sich auch ein Acker dazu finden, darauf sein Hafer
wächst. Aus einem Acker werden dann leicht zwei, aus
zweien vier, mit der Zeit eine Hufe, und endlich ein
Bauerngut, und dann soll Ilse auch einen neuen Rock
haben.
Er war mit seinen Entwürfen beinahe so weit, wie
jenes Milchmädchen, da tummelte Rübezahl seinen Wirbel-
wind um den Holzstock herum und stürzte mit einemmal
den Glaskorb herunter, daß der zerbrechliche Kram in
tausend Stücken zerfiel. Das war ein Donnerschlag in
Steffens Herz; zugleich vernahm er in der Ferne ein
lautes Gelächter, wenns anders nicht Täuschung war und
das Echo den Laut der zerschollenen Gläser nur wieder
zurückgab. Er nahm's für Schadenfreude, und weil ihm
der unmäßige Windstoß unnatürlich schien, auch, da er
recht zusah, Klotz und Baum verschwunden war, so rieth
er leicht auf den Unglücksstister. O! wehklagt er, Rübe-
zahl, du Schadenfroh, was hab' ich dir gethan, daß du
mein Stückchen Brod mir nimmst, meinen sauern Schweiß
und Blut! Ach, ich geschlagener Mann auf Lebenszeit!
Hierauf gerieth er in eine Art von Wuth und stieß alle
erdenklichen Schmähreden gegen den Berggeist aus, um
ihn zum Zorn zu reizen. Hallunke, rief er, komm' und
erwürge mich, nachdem du mir mein Alles auf der Welt
genommen hast! In der That war ihm auch das Leben
in dem Augenblick nicht mehr werth, als ein zerbrochenes
Glas; Rübezahl ließ indessen weiter nichts von sich sehen
noch hören. — Der verarmte Steffen mußte sich ent-
schließen, wenn er nicht den ledigen Korb nach Hause
tragen wollte, die Bruchstücke zusammen zu lesen, um
auf der Glashütte wenigstens ein Paar Spitzgläser zum
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2. Ein Brief Doctor Martin Luthers an seinen
Sohn Hans.
Gnade und Friede in Christo, mein herzliches Söhn-
chen! Ich sehe gerne, dass Du wohl lernest, und
fleissig betest. Thue also, mein Söhnchen, und fahre
fort: wenn ich heim komme, so will ich Dir einen
schönen Jahrmarkt mitbringen. Ich weiss einen hüb-
schen, lustigen Garten; da gehen viele Kinder innen,
haben güldene Köcklein an und lesen schöne Aepfel
unter den Bäumen, und Birnen, Kirschen, Spilling und
Pflaumen, singen, springen und sind fröhlich; haben
auch schöne kleine Jterdlein mit güldenen Zäumen
und silbernen Sätteln. Da fragte ich den Mann, dessen
der Garten ist, wess die Kinder waren. Da sprach er: »Es
sind die Kinder, die gerne beten, lernen und fromm sind.«
Da sprach ich: »Lieber Mann, ich habe auch einen
Sphn, heisst Hänschen Luther, möchte er nicht auch in
den Garten kommen, dass er auch solche schöne Aepfel
und Birnen essen möchte und solche feine Pferdlein
reiten und mit diesen Kindern spielen?« Da sprach der
Mann: »Wenn er gerne betet, lernet und fromm ist,so soll
er auch in den Garten kommen, Lippus und Jost auch und
wenn sie alle zusammen kommen, so werden sie auch
Pfeifen, Pauken, Lauten und allerlei Saitenspiel haben,
auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten schiessen.«
Und er zeigte mir dort eine feine Wiese im Garten,
zum Tanzen zugerichtet, da hingen eitel güldene Pfeifen,
Pauken und feine silberne Armbrüste. Aber es war noch
frühe,dass die Kinder noch nicht gegessen hatten; darum
konnte ich des Tanzens nicht erharren, und sprach zu
dem Manne: »Ach, lieber Herr, ich will flugs hingehen,
und das Alles meinem lieben Söhnleinhänschen schreiben,
dass er ja fleissig bete und wohl lerne und fromm sei,
auf dass er auch in diesen Garten komme, aber er hat
eine Muhme Lene, die muss er mitbringen.« Da sprach
der Mann: »Es soll ja sein, gehe hin und schreibeihm also.«
Darum liebes Söhnlein Hänschen, lerne und bete
ja getrost, und sage es Lippus und Justen auch, dass sie
auch lernen und beten, so werdet Ihr mit einander in
den Garten kommen. Hiermit sei dem allmächtigen Gott
befohlen, und grüsse Muhme Lenen, und gib ihr einen
Kuss von meinetwegen.
Coburg, Dein lieber Vater
Anno 1530. ' Martinas Luther.
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Extrahierte Personennamen: Martin_Luthers Hans Hänschen_Luther Jost Martinas_Luther
22
wurden die Hellen Töne dumpf und immer dumpfer, wie
bei einer zersprungenen Glocke, und zuletzt sprang die
Tafel gerade in der Richtung des Kohlenstrichs mitten
entzwei. Ist es da so gegangen, dachte nun Benedikt, so
kann es bei den übrigen drei Seiten ebenso gehen. Und
hämmerte auch auf den zweiten Kohlenstrich eine Weile
vorwärts und rückwärts. Sein Schluß war richtig.
Nachdem er noch einige Minuten so fortgemacht hatte,
lag eine vollkommene viereckige Platte ans seinen Knieen.
Eine zweite gelang nicht minder und so fort. Früher schon
hatte er manchmal zwei Schiefertrümmer an einander ge-
rieben, um sie zu poliren, und gefunden, daß er damit
am schnellsten zu Stande kam, wenn er vonchem Sande,
womit seine Mutter handelte, dazwischen that und Wasser
dazu nahm. Diese frühere Erfindung wandte er nun auf
seine Pflastersteine an und gewann so einige sehr schöne
Platten.
Indeß trieb er dieß Alles als eine bloße Spielerei und
sagte davon Niemand etwas, selbst seiner Mutter nicht.
Seine schönsten Tafeln verbarg er da und dort unter einem
Busch, wie etwa ein Hirtenknabe an der Donau schöne
Kiesel, die er in ihrem Bette findet, in einem hohlen Weiden-
ftamme aufhebt. Eines Abends aber, als er eingetrieben
hatte und seiner Mutter gegenüber an der Suppenschüssel
saß, erzählte sie ihm, daß sie mit Sand in Eichstädt ge-
wesen und dort dem Bischof so nahe gekommen sei, daß sie
jedes seiner Worte verstanden habe.
„Was sagte er denn?" fragte Benedikt.
„Er stand," antwortete die Wittwe, „mitten unter
den Domherren in der neuen Kirche, die er hat bauen
lassen und berathschlagte mit ihnen, mit was für Stei-
nen der Fußboden belegt werden dürfte. Der Eine rieth
dieß und der andere das, bis der hochwürdige Herr der
Unterredung damit ein Ende machte, daß er sagte: „Nun,
morgen um die elfte Stunde haben wir die fremden Stein-
metzen hierher bestellt und wollen die Proben beschauen,
die sie von allerlei Sand- und Marmelsteinen bei sich haben.
Aber wir fürchten, ein solches Pflaster möchte für unsern
bischöflichen Beutel zu theuer kommen. Wir werden uns
wohl die Backsteine gefallen lassen müssen, die am wohl-
feilsten sind."
„So, so!" versetzte Benedikt, warf seinen Löffel von
Horn in die Tischlade, wünschte seiner Mutter eine gute
Nacht und ging unter das Dach hinauf in seine Schlafstätte.
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69
Eigenthümer des Gartens, der zufällig auch zugegen war,
„kommt und bedankt Euch bei dem wackern Fremdlinge.
Er hat im Vorbeigehen Eure zerbrochene Gartenthür wieder
zurecht gemacht." Nachbar Hans schmunzelte, sagte seinen
Dank, setzte sich neben dem Schulzen traulich zu dem Fremd-
ling, und alle Gäste lauschten auf ihr Gespräch. Es betraf
das Handwerk, die Wanderungen und Kundschaften desselben,
und in Allen erwachte der einmüthige Wunsch, ihn zum
Gemeindeschmied zu bekommen, weil Allen der Zug von
gemeinnütziger Denkart gefallen hatte.
Hämmerlein mußte bleiben; und da er schon am fol-
genden Morgen einen Beweis von seiner Geschicklichkeit in
der Vieharzneikunst und im Beschläge gab, so war nur Eine
Stimme für ihn: „Dieser und kein Anderer soll Gemeinde-
schmied werden." Dian schloß den Vertrag mit ihm ab, und
Meister Hämmerlein war unvermuthet Schmiedemeister eines
großen Dorfes, das er wenige Stunden zuvor auch nicht
einmal dem Namen nach gekannt hatte. Sage mir nur
noch Einer: „Wer ungebeten zur Arbeit geht, geht unge-
dankt davon."
Zu seiner Besoldung gehörte unter andern ein Grund-
stück, das er alljährlich mit Kartoffeln oder andern Gemüs-
pflanzen bestellte. Da er den Acker zum ersten Male in
Augenschein nahm, bemerkte er auf dem Fahrwege verschie-
dene Löcher, in welche die Wagen bald rechts bald links
schlugen. „Warum füllt Ihr doch die Löcher nicht mit
Steinen aus?" fragte Meister Hämmerlein die Nachbarn,
welche den Acker ihm zeigten. „Je," sagten diese, „man
kann immer vor andern Arbeiten nicht dazu kommen." Was
that aber Meister Hämmerlein? So oft er auf seinen
Acker ging, las er von ferne schon Steine zusammen und
schleppte deren oft beide Arme voll bis zu den Löchern.
Die Bauern lachten, daß er, der selbst kein Gespann
hielt, für Andere den Weg besserte; aber ohne sich stören
zu lassen, fuhr Meister Hämmerlein fort, jedes Mal
wenigstens ein paar Steine auf dem Hin- und Herweg
in die Löcher zu werfen, und in etlichen Jahren waren
sie ausgefüllt. — „Seht Jhrs?" sagte er nun. „Hätte
Jeder von Euch, der leer die Straße fuhr, auf dem
Wege die Steine zusammengelesen, auf den Wagen ge-
laden und in die Löcher geworfen,, so wäre der Weg
mit leichterer Mühe in einem Vierteljährchen eben ge-
worden."
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Extrahierte Personennamen: Hans Hämmerlein Meister_Hämmerlein Hämmerlein Meister_Hämmerlein
71
in der Hand, und sechs Gesellen mit eingefädelten Nadeln.
Das Maaß war schon genommen, das Futter schon zuge-
schnitten. Um sechs Uhr war der Rock gemacht und auf
dem Leib.
Merke: Durch Fleiß und Geschicklichkeit läßt sich oft
auch, was unmöglich scheint, möglich machen.
33. Der Wegweiser.
Weißt, wo der Weg zum Mehlfaß geht,
Zum vollen Faß? Im Morgenroth
Mit Pflug und Karst durch's Waizenfeld,
Bis Stern an Stern am Himmel steht.
Man schafft, weil's Tag ist, ohne Ruh,
Schaut sich nicht um, bleibt immer stehn;
Drauf geht's durch Scheun' und Tenne fort
Dem Brodschrank in der Küche zu.
Weißt du den Weg zum Gulden? Sieh',
Er geht dem rothen Kreuzer nach,
Und wer nicht um den Kreuzer sorgt,
Der bringt es auch zum Gulden nie.
Wo geht's zur frohen Sonntagszeit?
Folg' immerdar dem Werkellag
Hier durch die Werkstatt, dort durch's Feld,
Dann ist der Sonntag auch nicht weit.
Am Samstag ist er vollends nah.
Was deckt er wohl im Körbchen zu?
Ich denk', ein Pfündchen Fleisch ins Mus,
Wohl auch ein Schöppchen Wein ist da.
Wo geht der Weg zur Armuth hin?
Schau' nach den Wirthshausschildern nur,
Geh' nicht vorbei, der Wein ist gut
Und nagelneue Karten drin.
Im letzten Wirthshaus hängt ein Sack,
Und gehst du fort, häng' dir ihn um!
„Du alter Lump, wie steht so gut,
So zierlich dir der Bettelsack!*
Und drin von Holz das Becherlein —
Nimm's wohl in Acht, verlier' es nicht,
Und wenn du zu dem Bache kommst
Und trinken magst, so schöpfe drein.
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82
wort sagt: Ein Baum, der oft umgesetzt wird, und eine
Familie, die oft auszieht, gedeihen weniger als die, welche
auf ihrem Platze bleiben. Dreimal ausziehen ist so schlimm,
als einmal abbrennen. Verlass deine Werkstatt nicht, so
wird deine Werkstatt dich auch nicht verlassen. Willst
du deine Sache gut ausgerichtet haben, so gehe selbst, wo
nicht, so schicke nur darnach. Wer durch den Pflug
reich werden will, muss ihn selbst anfassen.
Das Auge des Herrn fördert mehr, als seine beiden
Hände. Mangel an Sorgfalt schadet mehr, als Mangel an
Einsicht. Wer nicht über seine Taglöhner wacht, der
lässt ihnen den Beutel offen. Zu viel Vertrauen auf An-
dere hat Manchen unglücklich gemacht: in dieser bösen
Welt täuscht Misstrauen weniger als Zutrauen. Für sich
selbst sorgen hat Keinen gereut, denn willst du einen
treuen und angenehmendiener haben, so diene dir selbst.
Eine kleine Verwahrlosung kann grosses Unheil anrich-
ten. Weil ein Nagel fehlte, ging der Huf verloren, aus
Mangel des Hufs das Pferd und aus Mangel des Pferds
der Reiter; der Feind holte ihn ein und brachte ihn um,
was nicht geschehen wäre, wenn er nach den Nägeln am
Hufe gesehen hätte.
So viel genug, lieben Freunde, von Fleiss und der
Acht auf unsere Geschäfte. Zu diesen beiden Dingen muss
noch Etwas, Mässigkeit, hinzukommen. Wer nicht eben
so gut zu sparen als zu verdienen weiss, der kann sich
zu Tode arbeiten, ohne einen Pfennig zu hinterlassen.
Eine fette Küche macht ein mageres Testament, sagt mau.
Wie gewonnen, so zerronnen, heisst es von manchem
schönen Thaler, seitdem unsre Weiber über den Thee das
Nähen und Stricken, und wir Männer über den Punsch
den Spaten und Hammer vergessen haben.
Willst du reich werden, so lerne nicht allein er-
werben, sondern auch sparen.
Schränkt euren thörichten Luxus ein, so dürft ihr
nicht über schwere Zeiten,drückendeabgaben und grossen
Aufwand im Hause klagen; denn Wein und Weiber,
Spiel und Betrug schmelzen das Vermögen und ver-
mehren die Bedürfnisse. Ein einziges Laster kostet so viel
zu unterhalten, dass man zwei Kinder davon ernähren -
könnte. Ihr glaubt vielleicht, eine Tasse Thee,ein Gläschen
Punsch, ein Leckerbisschen, etwas feinere Kleider, dann
und wann eine Lustpartie, haben so viel nicht auf sich;
aber erinnert euch, was das Sprichwort sagt: Viele Wenig
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TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
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63
seines Vorgängers, voll Misstrauen, Grausamkeit und Geiz;
Blutvergiessen schien ihn zu erquicken, wie den Durstigen
ein Trunk Wasser. So einen Oberherrn hatten Ali’sfeinde
erwartet, und ihr verborgener Neid wurde sogleich wie-
der sichtbar. Sie brachten täglich Verläumdungen gegen
den Schatzmeister an, auf die der König anfangs nicht
achtete, bis eine unerwartete Begebenheit diese An-
klagen wahr zu machen schien.
Der König nämlich verlangte einen kostbaren Säbel
zu sehen, den Schach Abbas vom türkischen Kaiser zum
Geschenk bekommen hatte, und dessen einige Hofleute
erwähnten. Der Säbel war nicht zu finden, ob er gleich
in dem nachgelassenen Verzeichnisse des grossen Abbas
eingetragen war, und so fiel Schach Sefi’s Verdacht auf
den Schatzmeister, dass er ihn veruntreut habe. Diess
war, was seine Feinde wünschten; sie verdoppelten ihre
Beschuldigungen und maltenihn als den ärgstenbetrüger.
„Er hat viele Häuser zur Bewirthung der Fremden ge-
baut,“ sagten sie, „und andere öffentliche Gebäude mit
grossen Kosten aufführen lassen. Er kam als ein nackter
Knabe an den Hof, und doch besitzt er jetzt unermessliche
Reichthümer. Wo könnte er alle die Kostbarkeiten, wo-
mit sein Haus angefüllt ist, her haben, wenn er den kö-
niglichen Schatz nicht bestöhle ?“ Ali Beg trat eben zum
König hinein, als ihn seine Feinde so verklagten, und mit
zornigen Blicken sprach der König: „Ali Beg, Deine Un-
treue ist kund worden; Du hast Dein Amt verloren, und
ich befehle Dir, in vierzehntagenrechnung abzulegen.“
Ali Beg erschrak nicht, denn sein Gewissen war rein;
aber er bedachte, wie gefährlich es sein würde, seinen
Feinden vierzehn Tage Zeit zu lassen, ehe er seine Un-
schuld bewiese. „Herr,“ sprach er, „mein Leben ist in
Deiner Hand. Ich bin bereit, die Schlüssel des könig-
lichen Schatzes und den Schmuck der Ehre, den Du
mir gegeben hast, heute oder morgen vor Deinem
Throne niederzulegen, wenn Du Deinen Sclaven mit
Deiner Gegenwart begnadigen willst.“
Diese Bitte war dem König um so willkommener: er
sagte sie ihm zu und besichtigte gleich des andern Tages
die Schatzkammer., Alles war in der vollkommensten
Richtigkeit, und Ali Beg überführte ihn, tlassschach Abbas
den vermissten Säbel selbst herausgenommen und mit den
Diamanten ein anderes Kleinod habe schmücken lassen,
ohne dass er es in seinem Verzeichnisse bemerket. Der
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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132
Nase platt, Gesichtsfarbe häßlich. Uebrigens lebte er sehr
nüchtern und mäßig. Seine Kleidung war einfach; denn
er liebte weder Pracht noch Ueppigkeit. An seinem Schwerte
und Pferdegeschirr war nicht das geringste Silber und an-
deres Putzwerk. In seinem Zelte saß er auf einem hölzer-
nen Stuhle. Nur für Andere war er prächtig. Seine Hun-
nen hatten kostbares Reitzeug. Bei seinen Gastmahlen
wurden allen Gästen goldene und silberne Gefäße vorgesetzt;
er selbst aß auf Holz. Auf seine Tafel kamen verschiedene
leckerhafte Gerichte; er selbst aß nur wenig und rauhe Spei-
sen. Seinen Gästen erlaubte er, lustig zu sein und zu la-
chen; er selbst lachte nie, war stets ernsthaft, und nicht ein-
mal sein Sohn getraute sich in seiner Gegenwart die Augen
zu erheben.
An der Spitze von 500,000 Mann drang Attila in
Ungarn ein und verstärkte seine Armee durch eine Menge
anderer Völker auf 6—700,000 Mann. Mit dieser unge-
heuren Macht brach er mitten im Winter auf, durchzog
Deutschland, ließ am Rhein ganze Wälder niederhauen und
baute Schiffe und Flöße, um seine Armee überzusetzen.
Alles wurde, wohin er kam, mit Feuer und Schwert ver-
wüstet, die Städte Straßburg, Speier, Worms, Mainz,
Trier und eine Menge anderer geplündert und dem Erd-
boden gleichgemacht. So zog er, Alles verheerend und sich
Alles unterwerfend, fort, bis er in dem heutigen Frankreich
an der Marne ein großes Heer zum Widerstande bereit fand.
Unter demselben waren auch Sachsen, die überhaupt an den
wichtigsten Begebenheiten immer Antheil genommen haben
und jetzt den berühmten Sieg über den Attila erfechten hal-
fen. Hier in den katalaunischen Feldern wurde eine gräß-
liche, ungeheuer hartnäckige Schlacht geliefert. Die Geschichte
erzählt nirgends eine ähnliche. Vor der Schlacht sprach At-
tila zu seinen Anführern: „Seid Männer, greift an, brechet
ein, werft Alles nieder! Wer angreift, ist immer der Kühnste.
Müßt ihr sterben, so werdet ihr sterben, auch wenn ihr
fliehet. Richtet eure Augen auf mich, ich schreite voran.
Wer mir nicht folgt, ist des Todes."
So begann eine wahre Völkerschlacht. Wenn man
den Augenzeugen Glauben beimessen_ darf, so war der
Bach in jenen Gefilden, in denen die Schlacht geliefert
wurde, und der in niederen Ufern hinfließt, durch das
Blut aus den Wunden der Erschlagenen, wie sonst durch
Platzregen, zu einem Strome angeschwollen. Diejenigen,
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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Extrahierte Personennamen: Attila Attila
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Deutschland Rhein Worms Mainz Frankreich Marne Sachsen
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laubte, klirr! klirr! die Chortreppe hinauf. Hier setzte er
sich, Athem schöpfend, auf eine Bank und rief mir gebieterisch
zu: Schulmeister, mach' Er die Orgel auf und geb'er mir
ein Gesangbuch! Ich that augenblicklich, was er verlangte;
meine Frau mußte die Bälge ziehen, der Husar hatte ein
Lied aufgeschlagen und sagte nun in einem weit mildern
Tone: Wie schön leuchtet der Morgenstern! Spiel' Er das,
lieber Schulmeister; aber so recht fein und ordentlich, Er
versteht mich wohl! —
Ich spielte mit Herzenslust, und nach geendeten: Vor-
spiel fiel der Husar mit seiner tiefen Baßstimme ein; meine
Frau hinter der Orgel und ich thaten ein Gleiches. Mein
Herz wurde so muthig, daß ich mich oft nach meinem Zu-
hörer umschaute und ihm ganz dreist in das Gesicht sah.
Er sang mit großer Andacht, hatte die Hände gefaltet, und
die hellen Thränen fielen über den eisgrauen Knebelbart
auf das Buch hinab. Jetzt war das Lied beendet; ich ging
auf ihn zu; er schüttelte mir recht treuherzig die Hand und
sprach: Großen Dank, Herr Kantor! Wo ist der Gottes-
kasten ?
Mein früherer Argwohn, daß es auf Plünderung ab-
gesehen sei, war nun gänzlich verschwunden. Ich holte
unsere Armenbüchse, und der Husar warf ein Achtgroschen-
stück hinein. „Wir beide aber, wir theilen den Rest, Herr
Schulmeister," sagte er dann, indem er noch zwei Acht-
groschenstücke aus der Tasche zog, „da nehm' Er das eine
für Seine Mühe!" Ich schlug es aus; aber er war so
ungestüm, daß ich es schlechterdings nehmen mußte. „Nehm'
Er, nehm' Er," sprach er, „es klebt kein Blut daran!" —
Jetzt verließ er das Gotteshaus, und wir begleiteten ihn.
Sowohl meine Frau, als ich, waren unglaublich bewegt; ich
konnte mich aber nicht enthalten, unsern wunderbaren Gast
auf dem Kirchhofe zu fragen, wie ihm denn der Gedanke
gekommen sei, hier seine Morgenandacht zu halten.
Das will ich Euch wohl sagen, Ihr lieben Leute,
antwortete er, indem er uns beide bei der Hand nahm.
Gestern Abend sollte ein verlorner Posten ausgestellt wer-
den, um mitten unter den Herumschweisenden Patrouillen
den Feind auf einem gewissen Punkte zu beobachten. Je-
der von uns wußte, was die Sache auf sich hatte; —
wir sind seid einigen Wochen brav daran gewesen. Un-
ser Rittmeister fragte nach Freiwilligen; Niemand be-
zeigte Lust. Endlich ritt ich fort, und meine drei Jun-
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