136
kam. Der Blick seines Auges, die ganze stolze Haltung
und ein gekrümmter Finger an der einen Hand, die er
ausstreckte, machten diesen aufmerksam. „Du bist nicht der,
der Du scheinen willst", sprach Karl zu ihm. „Ich bin
ein Fürst wie Du", antwortete unerschrocken Wittekind,
„ich bin der Herzog der Sachsen." Diese Weise gefiel dem
großen Könige wohl; er unterredete sich lange mit ihm über
die Gebräuche der christlichen Religion, die der Heide in
der Kirche des Lagers gesehen, und Wittekind erklärte sich
bereit, die Taufe zu empfangen. Man sagt, er habe in
seinem Wappen ein schwarzes Roß geführt und nach der
Taufe dasselbe in ein weißes verwandelt. Daher soll in
dem Braunschweigischen und Hannoverischen Landeswappen
das weiße Roß stammen.
Karl führte auch Krieg mit den Mauren (Arabern) in
Spanien, und es gelang ihm, das Reich durch Eroberung
der spanischen Mark bis an den Ebro hin zu erweitern.
Der Nachtrab seines Heeres, von seinem Neffen, dem wegen
seiner wunderbaren Stärke viel besungenen Roland geführt,
fiel in einen Hinterhalt. „Die Noncevalschlacht," eins der
herrlichsten Gedichte des Mittelalters, schildert diesen Unter-
gang. Karls Reich erstreckte sich also von dem Ebro im
Westen bis zu der Theiß in Ungarn und der Oder, von
dem Kanal, der Nordsee, der Eider, der Ostsee im Norden
bis zum Mittelmeer und der Tiber im Süden, umfaßte
also einen Theil von Spanien, ganz Frankreich, Niederland,
Deutschland, die Schweiz, halb Italien und einen Strich
von Ungarn.
Karls Lieblingssitze waren Aachen und Ingelheim.
Sein einziger Erbe war Ludwig. Als Karl die Abnahme
seiner Kräfte fühlte, berief er eine große Versammlung
nach Aachen. Und nachdem er feierlich die Großen des
Reichs ermahnt hatte, seinem Sohne treu zu bleiben,
ging er 813 am 16. November im kaiserlichen Schmuck
in die Kirche, wo er eine goldene Krone auf den Altar
hatte legen lassen. Nachdem er sein Gebet verrichtet, er-
mahnte er seinen Sohn mit lauter Stimme vor allem
Volk, Gott zu fürchten und zu lieben, für die Kirche zu
sorgen, sich gegen seine Schwestern und Halbbrüder all-
zeit gütig zu erweisen, sein Volk zu lieben, wie seine
Kinder, den Armen Trost zu verschaffen, getreue und
gottesfürchtige Beamte anzustellen, Keinen seiner Lehen
und Ehren ohne hinlängliche Ursache und Untersuchung
zu entsetzen, sich selbst aber vor Gott und den Menschen
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Roland Karls Karls_Lieblingssitze Karls Ludwig Ludwig Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Spanien Karls Ungarn Nordsee Spanien Frankreich Niederland Deutschland Italien Ungarn Aachen Aachen
137
jederzeit unsträflich zu erhalten. „Willst Du das Alles er-
füllen, mein lieber Sohn?" fragte zuletzt der gerührte Greis.
Ludwig versprach es mit Thränen. „Nun wohl, so setze
Dir selbst die Krone auf, und stets erinnere sie Dich an
Dein Versprechen." Ludwig that es unter lautem Weinen
und Rufen des Volks: „Das ist Gottes Wille."
Am 28. Januar 814 starb Karl im 72. Jahre seines
Lebens ruhig und gefaßt, mit auf der Brust gefalteten
Händen und den Worten: „Herr, in deine Hände befehle
ich meinen Geist."
70. Die Ungarnschlacht bei Merseburg.
Sobald Heinrich I. deutscher König geworden war,
so richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf jenes rohe,
barbarische Volk, welches vor etwa hundert Jahren in
Ungarn sich niedergelassen hatte und jetzt auch die Ungarn
genannt wird. Von da aus beunruhigten sie fast jährlich
Deutschland und waren ihrer blutgierigen Grausamkeit
wegen allgemein verabscheut und gefürchtet. Sie schienen
den Deutschen nicht ein menschliches, sondern ein teuf-
lisches Geschlecht zu sein. Verheerend durchzogen sie
Sachsen, Thüringen, Franken, Schwaben und Elsaß,
schlugen alle Mannspersonen, die sich wehren konnten,
todt, tranken, aus den Leichnamen der Erschlagenen
sitzend, einander ihr Blut zu, banden die Weiber und
Mädchen, im Angesichte ihrer Männer und Väter, mit
den Haaren und Zöpfen zusammen, trieben sie vor sich
her, erwürgten die Kinder vor den Augen ihrer Eltern
und zerschmetterten sie an den Wänden. Es blieb bei
solchen Einfällen den armen Leuten nichts Anderes übrig,
als in unterirdische Höhlen, in Felsenklüfte, in undurch-
dringliche Wälder und unzugängliche Moräste zu flüchten.
Höchst traurig war also damals der Zustand, in dem
sich unser deutsches Vaterland befand. Die Deutschen
waren wohl geschickt im Streit zu Fuße, aber wenig
geübt im Dienst zu Pferde, da hingegen der Ungar auf
seinem leichten Rosse wohnte und nie in der Nähe focht,
sondern in der Entfernung seine Pfeile abschoß, die
Flucht ergriff, dann sich gleich wieder umwendete, um
von Neuem seinen Pfeil abzuschicken. Die Deutschen
konnten in ihrer schwerfälligen Rüstung diesen ausge-
lernten, leichtberittenen Ungarn wenig Widerstand leisten,
indem diese im offenen Felde aus ihren schnellen Pferden
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig Karl Karl Heinrich_I.
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Merseburg Ungarn Deutschland Sachsen Schwaben Ungarn
139
„Die Zeit ist gekommen, wo Ihr die Wahl habt zwischen
Knechtschaft und Krieg. Ihr mögt entscheiden. Bisher
habe ich nur Eure Wohnungen plündern müssen, um einen
entehrenden Tribut an die Barbaren abzutragen; jetzt muß
ich, wie ein Tempelräuber, das Haus Gottes durchsuchen
und seine Heiligthümer der schändenden Hand der Heiden
überliefern, um von ihnen noch einige Tage Ruhe für meine
Unterthanen zu erkaufen. Was wählt Ihr, das Schwert
oder die Schande?" Das wirkte, und allgemein erscholl
das furchtbare Wort: „Krieg!"
Bald erschienen die Gesandten der Ungarn, um in
einer gebieterischen Sprache den bestimmten jährlichen Tribut
zu fordern. Statt dessen (so lautet die Sage) ließ ihnen
Heinrich zum Spott einen alten, räudigen Hund zustellen
mit den Worten: „Bringet diesen Hund Euerm König als
Tribut von den freien Deutschen, Ihr Räuber seid Leines
bessern werth."
Das war das Losungswort zu einem fürchterlichen
Kampfe. Die Ungarn standen mit einem Heereshaufen von
300,000 Mann zur Rache auf und wälzten sich gegen das
Ende des Jahres 932 in Sachsen hinein. Ihr Weg war
mit Gräuel und Verwüstung bezeichnet. Priester wurden
auf den Altären geschlachtet, Kinder mit siedendem Wasser
getauft, Greise lebendig begraben, Jungfrauen und Weiber
in Wagen gespannt, die sie wie Pferde ziehen mußten, und
überall unmenschliche Grausamkeiten ausgeübt. Besonders
wurde an der Mulde, Saale und Elbe Alles verheert, ge-
plündert und in Asche gelegt. - An die Häupter der Sorben-
wenden in dem Meißnerlande wurden von den Ungarn
Abgeordnete geschickt, die das Heer derselben zu dem ihrigen
rufen und führen sollten; sie erhielten aber verneinende Ant-
wort, indem sich die Sorben mit den im vorigen Jahre er-
littenen Niederlagen entschuldigten. Die Ungarn glaubten die
Sachsen unvorbereitet zu finden und strömten daher, wie ein
Heuschreckenheer, nach Thüringen zu. Der geringe Wider-
stand, den sie bis jetzt gefunden hatten, veranlaßte zum
Glück für Deutschland die ungarischen Anführer, das
Heer zu theilen. Eine Abtheilung von 50,000 Ungarn,
welche die Stadt Sondershausen belagerte, wurde von
den Thüringern geschlagen, ihre Anführer gefangen und
die Fliehenden aufgerieben. Was sich in einsame Wälder
gerettet hatte, kam vor Hunger und Kälte um oder fand
den Tod in Sümpfen. Kaum blieben einige Wenige
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Ungarn Sachsen Ungarn Sachsen Deutschland Ungarn Sondershausen
[135
Karl ruhete nur drei Stunden; dann .stand er auf und
berief seinen Hof zu Reichsverfügungen. Der lateinischen
und selbst auch der griechischen Sprache kundig, hing er
doch vor Allem an der Sprache seines deutschen Vater-
landes. Er dichtete selbst Lieder und sammelte die im
Munde des Volkes verbreiteten Gesänge von den Schlach-
ten und Königen der Vorzeit. Er hatte eine Gesellschaft
von Gelehrten um sich, mit denen er, den Kaiser ablegend,
oft freundlich zusammen kam, um über Kunst und Wissen-
schaft und die Mittel, das Volk zu bilden, sich mit ihnen zu
besprechen. Unsere deutschen Monatsnamen: Hornung, Lenz-
monat, Brachmonat, Heumonat, Wonnemonat u. s. w.
rühren von ihm her. Selbst eine deutsche Grammatik soll
er verfaßt haben. Die Sternkunde, der er ganze Nächte
widmete, zog ihn vor Allem an. Christ war er mit Herz
und Seele, war Freund des Gottesdienstes und verbesserte
den Kirchengesang durch die Einführung besonderer Sänger-
chöre. Die Geistlichkeit ermahnte er zu reiner Frömmig-
keit und thätigem Christenthum. In Mainz nahm er
einem Domherrn den Gold- und Seidenhut vom Kopfe, als
eine Soldatenzier, und hieß ihn den psäffischen Hochmuth
ablegen.
Auch das Schwert zog Karl für das Evangelium,
um die heidnischen Sachsen zum Christenthum zu bekehren.
Mit ihnen mußte Karl 33 Jahre streiten, und am Ende
war die Unterwerfung doch keine freudige. Die ange-
betete Jrmensäule war zwar vernichtet, aber Karl konnte
doch nicht verhindern, daß im Geheim noch den Götzen
geopfert wurde. Besonders zahlreich eilten die Schaaren
nach dem Blocksberg (der höchsten Spitze des Harz-
gebirges), um in der Nacht auf den 1. Mai (Walpurgis)
feierliche Opfer und Tänze zu veranstalten. Karl ließ
zwar Wachen um den Berg stellen; aber diese ließen,
wenn die schlauen Heiden in den abenteuerlichsten Ver-
kleidungen auf sie zutanzten, dieselben voll abergläubi-
scher Furcht vorüber. Sie fürchteten in den heidnischen
Götzen den Teufel, daher noch jetzt die scherzhafte Sage
von der Walpurgisnacht. Die völlige Aussöhnung der
Sachsen, sagt man, sei auf folgende Weise ermittelt wor-
den. Herzog Wittekind, ihr tapferer Führer, schlich sich,
um Karl, seinen furchtbaren Gegner, doch einmal in der
Nähe zu sehen, in Bettlertracht gehüllt, ins königliche
Lager an der Elbe und drängte sich unter dem Bettler-
haufen an den Kaiser heran, als dieser eben aus der Kirche
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Hochmuth Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
138
chnen überlegen und dabei vortreffliche Bogenschützen waren.
Daher hatten die deutschen Fürsten, um vor den furchtbar
wilden Ungarn Ruhe zu haben, ihnen einen jährlichen Tri-
but zu zahlen versprochen, den auch Heinrich eine Zeit
lang bewilligte.
Heinrichs Hauptsorge war nun darauf gerichtet, die
Grenzen seines Reichs gegen diese verderblichen Anfälle der
Barbaren sicher zu stellen, und seiner Klugheit und Tapfer-
keit gelang es, sie von den deutschen Grenzen entfernt zu
halten. Einst führte ihm der Zufall bei einem solchen ver-
heerenden Zuge der Ungarn einen ihrer Anführer in seine
Gewalt, den sie sehr liebten und für dessen Befreiung sie
große Summen boten. Heinrich gab ihn aber nicht eher
frei, bis die Ungarn einen neunjährigen Waffenstillstand
eingingen, jedoch unter der Bedingung, daß nach Endigung
desselben ihnen der zeitherige Tribut von Neuem gezahlt
werden sollte.
Diesen neunjährigen Waffenstillstand benutzte nun Hein-
rich dazu, die ganze schwerfällige Kriegsart der Deutschen
umzuschaffen, diese an leichtere Bewegung mit Pferd und
Waffen zu gewöhnen, und ließ dann seine Truppen im
Kampfe mit den Slaven sich üben und bewähren. Auch
das offene Land sicherte er dadurch, daß er nicht nur allent-
halben Schanzen, sondern auch Städte anlegte, die er mit
Wällen und Gräben umgab, in welche theils Truppen, theils
der neunte Mann vom Lande gelegt, und wohin in Kriegs-
zeiten alles Getraide, Hab und Gut der Landleute geschafft
wurde. So entstanden viele neue Städte in Sachsen und
Thüringen, z. B. Gotha, Nordhausen, Duderstadt, Goslar,
Merseburg, Quedlinburg, Bremen und andere, welche stark
mit Wällen, Mauern und Gräben befestigt wurden. Solche
feste Plätze hießen Burgen und ihre Bewohner Bürger, die-
jenigen aber, welche auf dem Lande wohnten und das Feld
baueten, hießen und heißen noch Bauern. So konnten
die stürmischen Reiterschaaren der Hunnen, der Belage-
rung unkundig, den Städten nichts anhaben, und im
offenen Land fanden sie wenig, weil bei einem neuen
Einfalle Alles in die Städte flüchtete und Hab und Gut
dahin schaffte.
Als unter diesen guten Anstalten der neunjährige
Waffenstillstand zu Ende gehen wollte, berief König Hein-
rich der ungarischen Angelegenheiten wegen die Vor-
nehmsten des Reichs zu sich und sprach zu ihnen also:
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich B._Gotha König_Hein-
76
\
I. 451 n. Chr. bis nach Frankreich vor und drohten unter
dem König Attila Alles zu verheeren. Indeß Attila wurde
in dem genannten Jahre in den katalaunischen Feldern von
Deutschen (Westgolhen) und Römern geschlagen *), und als er
im Jahre 453 starb, so zerfiel sein Heer. Im I. 476 wurde
Rom selhst von Teutschen in Besitz genommen und dem welt-
lichen Theile des römischen Reichs ein Ende gemacht. Rur das
oströmische Reich (auch das griechische genannt) mit kur Haupt-
stadt Konslantinopel erhielt sich noch (bis 1453).
17) Unter den erwähnten deutschen Stämmen war der
fränkische allein dazu berufen, auf die Dauer ein großes Reich
zu stiften. Anfänglich wohnte derselbe an beiden Leiten des
Niederrheins. Sein Kitzlig .ülodmig (48! bis 5!!) dehnte
jedoch die Grenzen v.s fränkischen Reichs über fast ganz Frank-
reich aus, indem er den Resten des römischen Reichs in Frank-
reich durch die Schlacht bei Soissons (spr. Soassong) ein Ende
machte und auch die Westgothen, einen andern deutschen Stamm,
der im südlichen Frankreich und in Spanien ein eigenes König-
reich gestiftet hatte, zurückdrängte. Auch machte er dem alema-
nischen Reiche am Rhein ein Ende. Klodwigs Nachfolger waren
ihm nicht gleich an Tüchtigkeit und Einsicht. Statt ihrer führ-
ten indeß die obersten Beamten des Reichs, die Hausmeier, die
Herrschaft, von denen Karl Martell in, I. 732 die auch nach
Frankreich vordringenden Muhamedaner an der Loire bei Poitiers
(spr. Poatjeh) zurückschlug, und dessen Sohn, Pipin der Kleine,
endlich im I. 752 zu dem Wesen auch den Namen eines Königs
hinzufügte.
18) Es hatte nämlich in Arabien (s. 0. § 51) Mn Ha-
in ed, geb. 569, gest. 632, eine neue Religion gestiftet, welche
mit deni Judenthuine und Ehristeathume den Glauben an
Einen Gott gemein hatte, dagegen in andern Stücken von
diesem wie von jenem wesentlich verschieden war. Durch die
Lehre von einem unabänderlichen Schicksal jedes Mensel.en und
dadurch, daß sie dem Frommen, namentlich dem, welcher im
Kampfe für sie sterben würde, große irdische Genüsse im jen-
seitigen Leben versprach, entzündete sie ihre Anhänger zu großer
Tapferkeit. So war cs den Mnhamedancrn gelungen, Persien,
Syrien, Palästina, Aegypten und die Nordküste von Afrika zu
erobern, und von hier aus waren sie im I. 711 auch nach
Spanien übergesetzt, welches sie durch die Schlacht bei Teres
de la Frontera eroberten. Als sie aber von Spanien aus
*) S. Nr. 68 des Lesebuchs.
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Extrahierte Personennamen: Attila_Alles Attila Klodwigs Karl_Martell Karl
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Rom Niederrheins Frank- Frankreich Spanien Rhein Frankreich Poitiers Persien Syrien Palästina Afrika Spanien Spanien
77
auch nach Frankreich vordrangen, wurde ihren ferneren Eroberun-
gen durch die genannte Schlacht das Ziel gesetzt*).
19) Tie Erhebung Pipins aus den Königsthron gelang
besonders durch Unterstützung des Papstes und seines Apostels
Bonisacius. Als nämlich das Christenthum sich immer weiter
ausdehnte, so erhoben sich die Bischöfe über die andern Geist«
licheir und unter ihnen nahm wiederum der Bischof von Nom
(weil angeblich das dortige Bisthum durch den Apostel Petrus
gegründet worden) den obersten Platz und das Necht, die
Kirche zu regieren, in Anspruch, worin derselbe hauptsächlich
auch durch Bonisacius (eigentlich Winfried genannt) unterstützt
wurde, welcher von 718—755 nicht nur das Christenthum
da, wo dasselbe im fränkischen Reich noch nicht angenommen
war, ioabeni mit ihm auch die Lehre von der Oberboheit des
Papstes verbreitete. Als daher Pipin die Königskrone wünschte,
wandte er sich an den Papst mit der Frage, ob ihm mit der
königlichen Macht nicht auch der königliche Raine gebühre, und
dieser gab dein Bonisacius Auftrag, ihn zu salbe», und that es
auch 2 Jahre nachher noch einmal selbst.
20) Auf Pipin folgte sein Sohn Karl der Große (768
bis 81-1), welcher durch den Sachsenkrieg (772 bis 803 und
durch andere siegreiche Kriege das Frankenreich dergestalt ver-
größerte, daß es alle diejenigen europäische» Länder umfaßte,
welche einst das weströmische Reich gebildet hatten, nur mit
Ausnahme eines Theils von Cpairien. Auch letzte ihm der
Papst, dem er gegen die Longobarden in Italien Hülfe ge-
leistet hatte, die römische Kaiserkrolie aus im I. 800. Zugleich
wußte er durch weise Einrichtungen Ruhe und Ordnung in
seinem rveiteu Reiche herzustellen und zu erhalten, so wie er
auch für die Bildung seines Volkes Alles t.-at, was die dama-
ligen Verhältnisse erlaubten **).
21) Karls Sohn, Ludwig der Fromme, gab durch seine
Schwäche Anlaß, d.,h seine Söhne sich unter einander bekrieg-
ten und sogar gegen ihren Vater die Wafsen kehrten. Der
Krieg wurde auch nach seinem Tode (840) fortgesetzt, und
nachher durch den Vertrag zu Berdün (spr. Werdöng) im
I. 843 dahin beendiat, daß das Reich unter die 3 Söhne
getheilt wurde. Lothar erhielt Italien und einen Landstrich
an Rhone und Rhein bis an die Schelde (Lothringen genannt),
Karl den westlichen Theil (Frankreich), Ludwig den östlichen
Theil, d. h. Deutschland. Seitdem bildete Dentschland ein bc-
*) Auch Spanien wurde ihnen nach und nach bis jui» 15. Jahr-
hundert durch C»c wenigen Cbnsien wieder entrissen die in den Georgen
Ane Zuflucht getuchl harren und von da aus erobernd wieder vordrangen.
**) S. Nr. 69 de» Lesebuchs.
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Extrahierte Personennamen: Apostels Apostel Petrus Winfried Winfried Karl_der_Große Karl Karls Ludwig_der_Fromme Ludwig Lothar Karl Karl Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Bonisacius Sachsenkrieg Italien Karls Italien Rhein Lothringen Frankreich Deutschland Spanien
79
mit dem Beinamen Nothbart oder Barbarossa. Eben diese
Macht reizte aber auch den Widerstand der Päpste, welche sich
mit den nach völliger Unabhängigkeit strebenden Städten Ober-
italiens gegen die Kaiser verbanden. Nach langem Widerstand
unterlagen die Hohenstaufen, deren letzter Sprößling, Konradin,
im I. 1268, als er sein Erbreich, Neapel und Sicilien, gegen
den vom Papste eingesetzten König Karl von Anjou (spr. Angschuh)
wieder erobern wollte, in Neapel auf dem Schafsot starb.
26) Das Nitterthum hat seinen Ursprung in der ältesten
Zeit des deutschen Volkes, indem schon damals die Fürsten sich
mit einem zahlreichen Gefolge von Edlen zu umgeben pflegten,
welche zu Roß kämpften und dafür von den Fürsten, wenn Er-
oberungen gemacht worden waren, vorzugsweise mit Geschenken
an Ländereien bedacht wurden. In jener Zeit war der Ritter-
stand fast der einzige Bestandtheil des Volkes, welcher die
Waffen führte und auf Bildung Anspruch machte (die übrigens
damals in Bezug auf Künste und Wissenschaften fast ausschließ-
lich in der Ausübung der Dichtkunst bestand, der aber gerade
jetzt durch Geschicklichkeit in Führung der Waffen, durch Tapfer-
keit und Heldenmuth, und dabei zugleich durch einen hohen edlen
Sinn sich mehr als je auszeichnete.
27) Die bedeutendste Unternehmung dieser Zeit sind die
Kreuzzüge, welche den Zweck hatten, das Land, welchem die
Fußstapfen unseres Heilandes eingeprägt waren, namentlich das
heilige Grab den Ungläubigen zu entreißen. Sie wurden her-
vorgerufen durch die Frömmigkeit des Volkes und den Thaten-
drang der Ritter, und wurden fast 200 Jahre (1096 bis 1291)
in immer wiederholten Zügen, deren man, nur die größten
rechnend, sieben zählt, fortgesetzt. Der erste wurde im I. 1096
unternommen und hatte die Eroberung von Jerusalem zur Folge.
An dem dritten nahm auch Kaiser Friedrich I. Theil, der jedoch
unterwegs in einem Flusse in Cilicien ertrank. Auch ein an-
derer hohenstausischer Kaiser, Friedrich Ii., führte im I 1229
einen solchen Zug. Das Endergebniß war, daß das dort ge-
gründete Königreich und nach und nach auch die einzelnen dort
gegründeten Besitzungen wieder an die Ungläubigen verloren gingen.
28) Nach dem Untergange der Hohenstaufen (s. § 25)
folgte für Deutschland eine schwere, unglückliche Zeit, in der
es keinen Kaiser gab (daher Interregnum genannt), und wo
statt des Rechts die Gewalt (Faustrecht) herrschte (1254 bis
1273). Endlich wurde Rudolph von Habsburg (1273—1291)
gewählt *), welcher im I. 1290 allein in Thüringen 66 Raub-
burgen brach und so der Unordnung ein Ende machte. Jn-
*) S. Nr. 76 des Lesebuchs.
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Extrahierte Personennamen: Barbarossa Barbarossa Konradin Konradin Karl_von_Anjou Karl Friedrich_I. Friedrich_Ii Friedrich Rudolph_von_Habsburg
Extrahierte Ortsnamen: Neapel Sicilien Neapel Cilicien Deutschland Thüringen
if
Golhen.
Dauer der
verjchiedc-
nen germ.
Reiche.
112 Mittlere Geschichte.
hat man bald von Sachs (einer Waffe), bald von Sassen (als feste Wohn-
sitze habend) ableiten wollen. Allgemein galten sie für treffliche Seeleute.
In kleinen Kähnen fuhren sie weit hinaus ins wogende Meer und suchten
wiederholt die Küsten Galliens und Brittanienö als Seeräuber heim. Später
zerfielen die Sachsen in 3 Stämme: in Ostfalen, Westfalen und En-
gern. — Merkwürdig, daß die Finnen noch heute alle Deutsche „Sachsen"
nennen.
4. Die Gothen zwischen Weichsel und schwarzem Meer. Sie theilten
sich in Ost- und Westgothen. Verwandt mit ihnen waren andere suevische
Kriegerschaarcn, so die Gepiden, die Longobarden, die Heruler und Rugier,
die Vandalen und Burgunder. Die Herrschaft der Gothen war im vierten
Jahrhundert am ausgebreitetsten; ihrem Könige Hermanrich gehorchten
Moldau, Walachei, Ungarn, Polen und Preußen. Das Vordringen der
Hunnen machte ihrem Reich ein Ende und gab zugleich den Anstoß zu
der großen Völkerbewegung, in welcher die Germanen eine hervorstechende
Rolle spielten.
46. Europa nach der Völkerwanderung.
Kurze Dauer der meisten während der Völkerwanderung entstandenen Reiche. Das
Vandalenreich (429) wird 534 durch Belisar zerstört. Die Sueven (409) unterliegen
585 den Westgothen (415), diese selbst 711 den Arabern. Die Franken (410) un-
terwerfen 496 die Alemannen, 530 die Thüringer, 534 die Burgunder und 803
die Sachsen. Die Ostgothen zerstören 493 das Reich Odoakerö, werden aber 554
von den Oströmern (Narses) bezwungen. Die Longobarden erobern 568 Italien,
fallen jedoch 774 an das fränkische Reich. Die angelsächsische Heptarchie wird 827
ein Königreich. Einwanderung finnischer und tatarischer Stämme ins östliche Eu-
ropa. Fortdauer des oströmischen Reiches.
Durch die Völkerwanderung wurden die Germanen Herren von fast
ganz West-Europa, indem die Kelten sich nur in Schottland, Irland,
Wales und der Bretagne unvermischt erhielten. Die errichteten germani-
schen Reiche hatten jedoch nur einen kurzen Bestand, da sie alle (mit Aus-
nahme des fränkischen und angelsächsischen) schon in den ersten Jahrhun-
derten entweder vernichtet oder dem großen Frankenreiche einverleibt wurden.
1. Das an der Nordküste von Afrika 429 gestiftete Vandalenreich
wurde 534 durch Belisar,^den Feldherrn des griechischen Kaisers Justi-
nian, zerstört.
2. Die im nordwestlichen Spanien seit 409 wohnenden Sueven unter-
lagen 585 den Westgothen, deren 415 gegründetes Reich das ganze
übrige Spanien und das südwestliche Gallien umfaßte und 711 durch die
Araber zerstört wurde.
3. Im nördlichen Frankreich und am Niederrheim bestand seit ungefähr
410 das Reich der Franken; im südöstlichen Frankreich das der Bur-
gunder (Nibelungen), welche 534 den Franken unterworfen wurden.
4. Die in Brittanien 449 gestiftete angelsächsische Heptarchie
wurde 827 zu einem Königreiche vereinigt.
5. Die Alemannen im südwestlichen Deutschland wurden 496, die
Thüringer 530, die Bojaren oder Vaiern 788 und die Sachsen
803 von den Franken unterworfen.
6. Dieost g o th e n wohnten bis 490 in Ungarn und zogen dann nach
Italien, wo sie das Reich Odoakers zerstörten und bis 554 herrschten.
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk]]
Extrahierte Personennamen: Sachs
Extrahierte Ortsnamen: Galliens Sachsen Ostfalen Westfalen Walachei Ungarn Polen Europa Sachsen Reich_Odoakerö Italien West-Europa Schottland Irland Wales Afrika Spanien Spanien Gallien Frankreich Niederrheim Frankreich Deutschland Sachsen Ungarn Italien
Das Christenthum im innern Deutschland.
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einem Garten gewesen sein und viel mehr Einwohner gehabt haben, als
jetzt. — Zur Zeit der Kreuzzüge, wo die Berührung mit den Muhameda-
nern unter den germanischen Nationen ein höheres Geistesleben erweckte, ver-
sank die muhamedanische Welt in orientalische Ueppigkeit und Erschlaffung.
49. Das Christenthum im innern Deutschland.
I. Frühzeitige Bekehrung der Gothen, Burgunder, Vandalen und Lougobardeu zum
Christenthum. Zähes Festhalten der Bewohner des innern Deutschland am Heidem
lhnm. Geringe Missionsthätigkeit der „bekehrten" Franken. Bedeutende Wirksamkeit
nordischer Glaubenöboten: des Kolumban und Gallus bei den Alemannen (610), des
Kilian bei den Franken (680), des Willibrord bei den Friesen (680). Der Zwischen
fall mit dem Herzog Ratbod. Winstied, später Bonifacius genannt, ver-
dient sich (7)5—55) den Namen „des Apostels der Deutschen". Er wird (723)
Bischof von Deutschland, legt verschiedene Bisthümer an «Salzburg, Freisingen, Re-
gensburg, Passau, Würzburg, Eichstädt, Erfurt), hält (7421 die erste deutsche Kir-
chenversammlung und salbt als Erzbischof von Mainz (seit 745) den Majordom Pipin
den Kl. ziml König der Franken (752). Winfried's Tod (755); seine Bestattung
zu Fulda; die ihm errichteten Denkmale. 2. Vortheilhafter Einfluß des Christenthums
auf die Deutschen. Nutzen der Klöster. Betreibung von Gewerben und Handel. Be-
rühmte Klosterschulen jener Zeit (Fulda, St. Gallen, Hirsau, Reichenau) Bibelüber-
setzung des Mönchs Kero.
1. Während die Gothen, Burgunder, Vandalen und Longobarden
schon zu der Zeit, als sie in die Provinzen des römischen Reiches einwan-
derten, zum Christenthume bekehrt waren, hingen die Bewohner des eigent-
lichen Deutschlands, auch als sie durch Klodwig und seine Nachfolger mit
dem Frankenreiche vereinigt worden waren, immer noch dem alten Heiden-
thume an. Erst mit Beginn des 7. Jahrhunderts wurde auch zu ihnen
das Licht des Evangeliums gebracht. Doch geschah dabei von den Franken,
welchen cs am nächsten gelegen hätte, wenig; es schien, als wenn sie das Chri-
stenthum, welches sie im Getümmel der Schlacht angenommen hatten, auch
nur durch das Schwert auszubreiten verständen. Das Meiste leisteten
vielmehr begeisterte Glaubenöboten aus dem Norden: aus England, Schott-
land und Irland, wo die neue Lehre schon seit Jahrhunderten festen Fuß
gefaßt hattet). Ums Jahr 610 verkündeten die Irländer Kolumban
und sein Schüler Gallus 2) den Alemannen das Evangelium; gegen
680 wirkte der Schotte Kilian für Bekehrung der Franken. Der Angel-
sachse Willibrord (st 691) wandte sich fast in derselben Zeit zu den
Friesen und predigte da nicht ohne Erfolg. Schon war es ihm gelungen,
den wilden Herzog Ratbod zur Annahme des Christenthums zu bewegen.
Als dieser jedoch die heilige Taufe empfangen sollte, da fragte er unver-
mutet, was aus seinen ungetansten Vorfahren geworden sei. „Die sind
in die Hölle gekommen!" „Nun", erwiederte R at b o d, „da will ich lieber
mit ihnen in der Hölle, als mit euch Christen in dem Himmel sein!" und
zog sich zurück. — Aber alle Glaubensboten jener Zeit, zu denen man
auch die fränkischen Bischöfe Emm er an in Baiern und Rupertus2)
0 In _ Irland war das Christenthum durch den Schüler des heiligen Patrick
(um 430), in Schottland von irischen Glaubenöboten (um 505) und in England durch
die Missionsbemühungen des Papstes Gregor des Großen (590—604) und nament-
lich durch den von ihm dahin gesandten römischen Abt Augustinus verbreitet worden.
*) Von Gallus ist das Kloster St. Gallen gegründet, von Rupertus das Bis-
thum Salzburg.
Kolumban
und Gallus
610.
Kilian 680.
Willibrord
691.
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Christenthum Deutschland Heidem Gallus Deutschland Würzburg Erfurt Mainz Fulda Fulda Reichenau Deutschlands England Schott- Irland Gallus Baiern Irland Schottland England Gallus Salzburg Gallus