Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
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der, Häuser oder Waaren kaufte, so hätte er ja das Geld
nicht mehr; wäre §r alsdann nicht mehr reich?" — O das
wird wol nichts machen, sagte Karl, das ist ja eben so
gut, als Geld. Richtig, sagte der Vater. Man nennt
ihn daher auch einen begüterten Mann. Der Vater
legte nun Karln einige Fälle vor. Unser Herr Nachbar
Müller dort drüben nimmt jährlich sehr viel Geld ein, aber
er behält doch nichts übrig, er braucht das Meld. Er ist
ein vornehmer Manner must viel aufklöidung und Haus-
geräth und ans manche andere Dinge wenden, er hat viel
Kinder, er must ein paar Bedienten halten. Was meinst
Du, ist er reich? — Herr Freund, der neben ihm wohnt,
hat lange nicht so viel Einnahme, aber er braucht das
kaum halb, was er einnimmt, ist dieser reich? — Nun
aber Meister Martin, unser Schneider, hat lange nicht so
viel, als diese beiden Leute, und kann nicht so kostbare
Dinge kaufen, aber er hat doch alles, was er braucht;
kommt recht gut ans; kann immer noch Einiges erübrigen.
Ist er arm, oder reich, oder wohlhabend?
Karl sahe jetzt ein, daß es nicht allein darauf ankomme,
wie viel einer habe und einnehme, sondern ob er damit
für alle die Dinge, welche er nöthig habe, auskommen
könne. Er sahe nun wol, was das heiße, wenn die Leute
sagten: Der oder jener ist in seiner-Art ein wohlha-
bender oder ein reicher Mann; und dasi zwei Leute gleich
viel haben könnten, und der eine arm, und der andere
wohlhabend dabei sein könnte.
Vater, fragte Karl eines Tages, was ist denn Ehr-
geiz. Ich habe eben von einem Menschcll gehört, daß
er einen ansterordentlichen Ehrgeiz gehabt habe.
Möchtest Du wol, erwiederte der Vater, daß Deine El-
tern, Lehrer, Mitschüler, und alle andern, welche Dich
kennen, Dich für artig, fleißig, gefällig n. s. w. hielten,
oder nicht? — Wenn sie Dich dafür hielten, hätten sic eine
vortheilhaftc oder nachtheilige Meinung von Dir ? — Karls
Antwort auf beide Fragen war leicht zu errathen. — Nun,
fuhr der Vater fort, wenn sie Dich für einen solchen gesitte-
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Martin Schneider Karl Karl Karl Karls
446 Uebersicht der brandenburgisch-preußischen Geschichte.
den Ländern Brandenburg und Preußen wie aus einem Doppelkerne
erwachsen, die ursprünglich mit einander in keiner Verbindung standen.
Daher wird es zweckmäßig sein, ehe wir das Nähere über die Erhebung
Preußens zum Königreiche mittheilen, einen kurzen Rückblick auf die
Geschichte sener beiden Hauptbestandtheile des neuen Königreichs zu
werfen.
Uebersicht der brandenburgischpreußischen Geschichte.
I. Brandenburg bis zur Bereinigung mit Preußen — 1618.
§. 143. Die älteste Zeit bis auf Albrecht den Bär — 1133.
1. Der Th eil des norddeutschen Tieflandes, welcher, im Osten von
der Oder und im Westen von der Elbe begränzt, noch setzt mit den
Namen der Marken oder der Mark Brandenburg bezeichnet wird, bil-
det den Ausgangs- uild Mittelpunkt des preußischen Staates. In der
Zeit, ans welcher die ältesten Nachrichten über diese Gegenden stam-
men, wohnten daselbst germanische Völkerschaften, welche der Gesammt-
uame Semnonen umfaßte. Als diese zur Zeit der großen Völkerwan-
derung nach Süden wanderten, rückten von Osten her sarmatische oder
slavische Völkerschaften, welche unter verschiedenen Namen austreten,
in die verlassenen Sitze ein. Vom Erzgebirge nach Norden an beiden Sei-
ten der Saale und Elbe bis zur Havel und Ohre wohnten die Sor-
den (Soraben), ein vielfach getheilter, aber mächtiger Stamm; im
Meißnischen saßen Daleminzier; nach Norden und zur Oder hin die Leu-
tizen, mächtig und tu mehrere Stämme getheilt, als Heveller (Häveler)
a. der Havel, Redarier und Barten (Bretenzer) in der Priegnitz; dann
die Witzen, die Obotriten ltnb Polaben in Mecklenburg.
2. Diese wilden slavischen Völkerschaften machten, theils von
eigner Raubsucht getrieben, theils von andern stammverwandten Völ-
kern von Osten her gedrängt, nicht selten kriegerische Einfälle in das
Land ihrer westlichen Nachbarn, der Sachsen und Thüringer, und als
der ausgewanderte Franke Samo zur kräftigen Abwehr der Avaren
aus den slavischen Stämmen, welche zwischen Donau, Havel und Spree
saßen, ein Reich gebildet hatte, wurde dieses sogar den Franken gefähr-
lich, deren König Dagobert I. bei Wogaftiburg tm Jahre 632 durch fene
Slaven eine Niederlage erlitt.
3. Als Carl der Große die kriegerischen Sachsen zu unterwerfen
suchte, leisteten die Milzen den Sachsen Hülfe, während die Obotriten
aus Seite der Franken standen. Daher drang der Frankenkönig wie-
derholt in das Land der Witzen vor, zwang sie nach dem hartnäckigsten
Widerstande zu einem jährlichen Tribute und errichtete gegen dieselben
Markgrasschasten. Allein das von Carl dem Großen gegen die Sla-
ven begonnene Werk zerfiel durch die Uneinigkeit und Schwache seiner
nächsten Nachfolger. Die Slaven erholten sich nicht allein von den
erlittenen Niederlagen bald wieder, sondern entledigten sich auch der
ihnen auferlegten Verpflichtungen, als Swatopluck, der König der
Mähren, Böhmen und Sorben, gegen das Ende des 9. Jahrh. nach
Nordwesten hin sein Reich ausdeynte. Die Slaven machten Züge nach
Westen und gewannen an der Saale und E-be ihre frühern Su.e wie-
der, obgleich der Herzog Ludolf von Sachsen und seine Söhne, Bruno
und Otto der Erlauchte, (880'—912) Alles aufboten, um ihren Angriffen
einen festen Damm entgegen zu setzen. Erst dem Letztern und dann
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Carl_der_Große Carl Ludolf_von_Sachsen Bruno Otto
Die Sucven und Wcstgothcn in Spanien und die Burgunder in Gallien. 71
nach dem schönen Italien, das ihnen nicht unbekannt war; denn die Lan-
gobarden waren einst von Narses zu Hülfe gerufen und hatten den ost-
gothischen König Totilas besiegen Helsen. Rasch ging der Zug vor-
wärts und in kurzer Zeit war das wenig vertheidigte Land bis zum
Po hin unterworfen. Nur die stark befestigte Stadt Pavia leistete drei
Jahre hindurch einen so hartnäckigen Widerstand, daß der erbitterte Low-
gobardenkönig sich verschwor, die Stadt zu vertilgen und alle Einwohner
niederzuhauen. Als er endlich in die eroberte Stadt einzog, stürzte sein
Roß unter ihm zu Boden. Einer aus seinem Gefolge deutete das als
ein Zeichen des göttlichen Zorns und bewog den König, seinen Schwur
unerfüllt zu lassen.
7. Schon nach wenigen Jahren wurde Alboin, nachdem es ihm ge-
lungen war, sich auch der Westküste von Mittel- und Unter-Italien zu
bemächtigen, auf Anstiften seiner Gemahlin Rosamunde ermordet. Diese,
eine Tochter des Gepidenkönigs, den Alboin mit eigener Hand erschlagen
hatte, war dadurch zu dieser Frevelthat getrieben, daß Alboin sie einst
in höhnendem Uebermuthe gezwungen hatte, aus dem Schädel ihres Va-
ters zu trinken. Sie bewog deshalb einen jungen Waffenträger des
Königs, Helmigis, seinen Herrn zu erschlagen, indem sie ihm ihre Hand
versprach und dadurch Hoffnung auf den-Besitz der Königskrone gab.
Aber die Longobardcu, erbittert über- die Ermordung des Königs, nöthig-
ten beide zu schneller Flucht zum griechischen Exarchen in Ravenna, wo
sie bald darauf durch Gift ihren Tod fanden.
8. Nach Alboin's Ermordung wählten die Langobarden den Kleph,
einen ihrer Herzöge, zum Könige, welcher das Reich über den größten
Theil Unter-Italiens ausdehnte und das Herzogthnm Benevent gründete.
Aber schon nach 18 Monaten wurde er seiner Grausamkeit wegen er-
schlagen und das Reich blieb zehn Jahre hindurch ohne König, indem es
in eine Anzahl kleiner Districte zerfiel, deren jedem ein Herzog Vorstand.
Seit der Zeit ist Italien getheilt geblieben bis auf den heutigen Tag.
Nach zehnjährigem Interregnum wurde Kleph's Sohn Anthari zum Kö-
nige ernannt, welcher die Bhzautiuer noch mehr zurückdrängte und den
Exarchen in Ravenna sogar zu einem jährlichen Tribute zwang. Unter
den folgenden Königen sind die berühmtesten Luitbrand (712-—743),
ausgezeichnet als Gesetzgeber, und Aistulf, der Ravenna eroberte und dem
Exarchate dadurch fast völlig ein Ende machte. Als er auch Rom be-
drohte, gerieth er in einen Krieg mit den unterdessen zu großer Macht
emporgestiegenen Franken, welche im I. 774 den Untergang des Longobar-
denreichs herbeiführten. Wir verlassen daher jetzt Italien und wenden
uns zu den Franken und ihren Nachbarn, den Sueben, Westgothen und
Burgundern.
8. 33. Die Sucven und Westgothen in Spanien und die Burgunder in Gallien.
1. Nachdem die Vandalen sich südwärts gewendet und bald darauf
H429) mit dem Reste der Alanen Spanien ganz geräumt hatten (s. oben
S. 59), verbreiteten die Sueven, nun allein von den wandernden Völ-
kern noch übrig auf der Halbinsel, von Galläcia, dem nordwestlichen Ge-
birgslande aus, ihre Herrschaft nach und nach fast über das ganze Land,
und wenn sie auch den Waffen der Westgothen, namentlich unter deren
Könige Theodorich Ul., allmälig wieder weichen mußten, so behaupteten
sie doch ihre Selbstständigkeit und Herrschaft in ihrem Gcbirgslande noch
TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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72
Die Westgothen in Spanien.
längere Zeit, bis sie, um 585 den Westgothen unterworfen, aufhörten,
als besonderes Volk in der Geschichte aufzutreten.
2. Das im I. 409 von Wallia gestiftete Westgothenreich war
nämlich unterdessen zu großer Macht und Bedeutung gelangt. Der zweite
König, Theodorich 1., hatte dasselbe befestigt und durch den Sieg über
die Hunnen auf den Eatalaunischen Feldern, wo er selbst fiel, den West-
gothen großen Einfluß bei den übrigen Völkern errungen. Sein zweiter
Sohn, Theodorich Ii., welcher nach Thorismund (s. oben S. 64) den
Thron bestieg (453—466), war es, der die Sueven in den nordwest-
lichen Winkel Spaniens zurückdrängte und einen bedeutenden Theil der
Halbinsel eroberte. Theodorich's Nachfolger, Ellrich (466—484), brei-
tete das wcstgothische Reich noch weiter aus. In Frankreich eroberte
er die Provence, sowie alles Land bis an die Loire. Jenseits der Py-
renäen unterwarf er alle noch nicht unterjochten Landstriche mit Aus-
nahme Galliciens, welches den Sueven verblieb. Eurich's Sohn,
Alarich Ii., welcher mit einer Tochter des ostgothischen Königs Theo-
dorich des Großen vermählt war, wurde von den Franken besiegt und
verlor in der Schlacht sein Leben, und wahrscheinlich würden damals
die Westgothen von den Franken völlig unterworfen worden sein, hätte
sich nicht Theodorich der Große seines Enkels Amalarich angenommen
und das westgothische Gebiet den Franken wieder entrissen. Spanien und
einen Theil Galliens verband er mit seinem Reiche; die übrigen westgothi-
schen Besitzungen verwaltete der Ostgothe Theudes für den minderjährigen
Amalarich. Als der letztere nach seines Großvaters Tode die Regie-
rung übernommen und Spanien wieder mit seinem Reiche vereinigt
hatte, erlag er den Angriffen der Franken, und Theudes, der sich nach
Amalarich's Tode zum Könige der Westgothen auswarf, wurde nach der
Besetzung des westgothischen Reichs diesseits der Pyrenäen durch die
Franken im I. 531 genöthigt, seinen Sitz nach Spanien und zwar zu-
nächst nach Barcellona, später nach Toledo zu verlegen.
'3. Seit dieser Zeit blieb das westgothische Reich, mit Ausnahme
eines unbedeutenden Landstriches im südlichen Gallien, auf Spanien
beschränkt. Um sich in seiner Herrschaft zu befestigen, ließ sich Theu-
dcs die königliche Würde von "den geistlichen und weltlichen Großen
förmlich übertragen und seit der Zeit blieb das Reich der Westgothen
ein Wahlreich bis zu seinem Untergange. Die Ungewißheit der Thron-
folge führte nicht selten innere Unruhen und Bürgerkriege herbei und
diese waren die Veranlassung, daß endlich die Araber aus Afrika her-
übergerufen wurden, von welchem die Westgothen im I. 711 hei Teres
de la Frontera besiegt und in die nördlichen Gebirge zurückgedrängt
wurden.
4. Viel früher, als das Reich der Westgothen, wurde das der Bur-
gund er aufgelöst. Die Burgunder, durch dte Wanderungen der Alanen,
Vandalen und Sueven in Bewegung gesetzt (s. oben S. 59), erscheinen
im I. 412 in der Gegend von Mainz, auf beiden Ufern des Rheines,
aber in ihrem größeren Theile noch auf dem Ostufer in dem vorher
alamannischen Gebiete. In dem folgenden Jahre treten sie als Be-
wohner des westlichen Rheinufers auf. Gegen zwanzig Jahre später
suchten sie ihr Gebiet weiter nach Westen hin auszudehnen, wurden
aber durch den römischen Feldherrn Aetius daran gehindert. Wenige
Jahre nach ihrer Niederlage durch die Hunnen (451) erhielten sie, es
ist unbekannt, aus welcher Veranlassung, neue Sitze am westlichen
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Extrahierte Personennamen: Toledo
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Wallia Spaniens Frankreich Spanien Galliens Ostgothe_Theudes Spanien Spanien Barcellona Gallien Spanien Afrika Westgothen Mainz Rheines Rheinufers
Die Franken unter Chlodwig.
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Abhange der Alpen. Von dort haben sie sich in kurzer Zeit über das
umliegende Rhoneland ausgebreitet und am Fuße der Alpen ein mäch-
tiges Reich gebildet, das sich bis zum mittelländischen Meere, den Se-
vennen und den Vogesen ausdehnte. Ihre Könige residirten bald zu
Genf, bald zu Lyon, und wurden bei großen Unglücksfällen abgesetzt.
Der Burgunder Name hat sich dort erhalten, wenn auch ihr Land (533)
eine Beute der übermächtigen Franken wurde und ihre Masse, unter die
Eingebornen gemischt, aufhörte, ein selbstständiges Volk zu bilden.
§. 34. Die Franken unter Chlodwig.
1. Unter allen Reichen, welche von germanischen Völkerschaften auf
den Trümmern des weströmischen Reiches gegründet wurden, war das
Reich der Franken nicht allein das mächtigste, sondern auch das am
längsten bestehende, so wie das einzige, welches auf die Stellung und
Bildung der in Deutschland zurückgebliebenen Stämme eine Rückwirkung
ausübte. Die Franken waren auch unter allen deutschen Völkern die
wildesten und unbändigsten, äußerst tapfer und kühn bis zur Verwegen-
heit. Ihre Lebensweise war, wie ihre Kleidung, sehr einfach. Ihre
Waffen bestanden in einem kurzen Schwerte (francisca), einer gewalti-
gen zweischneidigen Streitaxt und einem eisernen Speere, der mit einem
Widerhaken versehen und zum Werfen wie zum Stoßen brauchbar war.
Von den verschiedenen Stämmen der Franken hatte jeder seinen eigenen
König. Der älteste derselben, den die Geschichte kennt, ist Chlodio,
der König der salischen Franken, welcher um die Mitte des 5. Jahrhun-
derts Belgien bis zur Somme eroberte; der berühmteste aber ist Chlo-
dio's Urenkel und Enkel des Meroväus, (nach welchem seine Nachkommen
Merovinger genannt werden), Chlodwig, welcher von 481 bis 511
regierte. Anfangs beherrschte er nur einen Theil der salischen Franken und
ein kleines Gebiet zwischen der Schelde und Maas; aber während seiner
dreißigjährigen Regierung vereinigte er nicht allein die salischen und ri-
puarischen Frauken zu einem Ganzen, sondern eroberte auch ganz Gallien.
Dadurch ward er der Stifter eines Reiches, welchem damals kein anderes
in Europa gleich kam. Die Mittel, deren er sich zur Erweiterung seiner
Herrschaft bediente, waren Krieg, Gewaltthaten und Verbrechen
jeder Art.
2. Der erste, welcher als Opfer der Eroberungslust Chlodwigs
fiel, war der römische Statthalter Shagrius, welcher, unbekümmert
um den Untergang des abendländischen Reiches, den letzten Ueberrest des-
selben zwischen der Seine und Loire behauptet und ein selbstständiges
Reich gegründet hatte. Unter einem nichtigen Vorwände griff Chlodwig,
unterstützt von anderen fränkischen Königen, ihn an, schlug ihn (486) bei
Soissons auf's Haupt und nahm sein Land in Besitz. Zwar gelang es
dem Besiegten, nach Toulouse zum Könige der Westgothen zu entkommen,
aber dieser, durch Chlodwig's Drohungen bewogen, lieferte ihn aus und
der Frankenkönig ließ ihn heimlich im Gefängnisse ermorden.
3. Kurze Zeit nach diesem Kriege vermählte sich Chlodwig mit der
burgundischen Prinzessin Chlotilde, welche, in der katholischen Religion
erzogen und geschmückt mit Tugend und Frömmigkeit, ihren noch heid-
nischen Gemahl dem Christenthume allmälig zwar näher brachte, aber
zur Annahme desselben nicht bewegen konnte. Was jedoch ihre Vor-
stellungen und Bitten nicht vermochten, bewirkte ein Krieg, den Chlod-
wig gegen die Alamannen unternahm.
Giefers, Deutsche Geschichte. ^
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Die Franken unter Chlodwig.
4. Die Alamannen waren nämlich in das Gebiet der ripuarischen
Franken eingefallen, welche damals Siegbert beherrschte, der zu Cöln
residirte und mit Chlodwig verwandt war. Daher rief er den Chlod-
wig zu Hülfe. Beide Könige lieferten den Alamannen im I. 496 eine
blutige Schlacht in der Nähe von Zülpich (Tolbiacum). Nach einem
äußerst hartnäckigen Kampfe neigte sich der Sieg schon auf die Seite der
Alamannen, als Chlodwig die Hände zum Himmel flehend emporstreckte
und den Gott der Christen anrief, indem er zugleich gelobte, sich taufen
zu lassen, wenn er ihm Hülfe und Sieg verleihe. Der König fühlte
sich nach dem Gebete wundersam gestärkt; noch einmal führte er seine
Franken gegen den Feind und errang den Sieg. Der Kern der Ala-
mannen mit ihrem Könige wurde niedergehauen, die übrigen unterwar-
fen sich dem Sieger, dessen Herrschaft dadurch wahrscheinlich über den
Landstrich zwischen dem Rheine und den Vogesen ausgedehnt wurden
5. Chlodwig erfüllte sein Gelübde noch in demselben Jahre, indem
er sich vom Bischöfe Remigius mit dreitausend Franken feierlich zu Rheims
taufen ließ. „ Beuge dein Haupt in Demuth, Sigambrer", redete ihn
der Bischof an; „bete an, was du verbrannt hast, und verbrenne, was
du vordem angebetet hast!" Dann taufte er ilmund salbte ihn müdem
h. Oele, welches der Sage nach eine Taube in einer Flasche
vom Himmel gebracht hatte und mit welchem später auch die Könige von
Frankreich zu Rheims gesalbt wurden. Allein Chlodwig's Uebertritt
zum Christenthume hatte auf seine Denk- und Handlungsweise einen
äußerst geringen oder gar keinen Einfluß: er blieb so grausam und roh,
als er vorher gewesen war; aber für seine christlichen Unterthanen, so-
wie für die ganze Stellung und Bildung seines Reiches war Chlodwigs
Bekehrung von größter Bedeutung. Ihm selbst diente die neue Religion
zunächst zum Vorwände, um neue Eroberungen machen zu können.
6. Nachdem die katholischen Bewohner von Armorica (Bretagne)
sich ihm freiwillig unterworfen hatten, mischte er sich in die Angelegen-
heiten des Burgunderreichs, über welches damals zwei Könige herrschten,
Godegisel in Genf und Gundobald in Lhon. Beide Könige, sowie der
größte Theil der Burgunder waren Arianer; die alten gallischen Be-
wohner hingegen, welche von jenen unterworfen waren, huldigten dem
katholischen Glaubensbekenntnisse. Diese wandten sich nun an Chlodwig
mit dem Gesuche, sie von der Bedrückung, welche sie von den Burgun-
dern zu erdulden hätten, zu befreien. Sogleich brach dieser gegen die
Burgunder auf; beide Könige rückten ihm entgegen, aber Godegisel ging
sogleich zu den Franken über. Gundobald wurde (501) bei Dijon ge-
schlagen, vertheidigte sich aber in Avignon so tapfer, daß Chlodwig die
Bürger zwar zinspflichtig machte, aber auf ihre völlige Unterwerfung
verzichten mußte.
7. Größeren Erfolg hatte der Krieg, welchen Chlodwig bald darauf
gegen die Westgothen unternahm, die schon lange müden Franken allerlei
Händel gehabt hatten. Unter dem Vorwände, die katholischen Untertha-
nen des arianischen Westgothenkönigs Alarich Ii. zu beschützen, fiel er,
über die Loire setzend, indessen Gebiet ein. Beivouglü, nicht weit von
Poitiers, kam es 507 zur Schlacht, in welcher die Gothen eine große
Niederlage erlitten und Alarich selbst von Chlodwig's eigener Hand nie-
dergestoßen wurde. _ In Folge dieses Sieges eroberte Chlodwig das
südliche Gallien, mit Ausnahme eines schmalen Küstenstriches, von dem
Fuße der Alpen bis zur unteren Rhone (Septimania). Er würde auch
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75
Die Franken unter Chlodwig.
dieses noch an sich gerissen haben, wenn nicht Theodorich der Große den
Siegeslauf des kühnen Eroberers gehemmt hätte.
8. Nach diesen glücklichen Erfolgen seiner Waffen besaß Chlodwig
ein Reich, das vom Rheine bis zum atlantischen Meere, von dem Ca-
nale bis nahe an das mittelländische Meer reichte. Sein Ruhm und
Ansehen stieg immer höher, so daß selbst der Kaiser in Constantinopel
sich um seine Freundschaft bewarb, indem er ihn zur Würde eines Con-
suls und Patricius erhob. Damit stieg auch sein Selbstvertrauen und
seine Eroberungssucht, und er beschloß, den letzten Schritt zu wagen,
nämlich alle fränkischen Stämme zu einem Reiche zu vereinigen. Auch
dieses sein letztes Ziel erreichte er; aber die Mittel, deren er sich zur
Erreichung desselben bediente, waren Hinterlist und Verrath, Grausam-
keit und Mord. Der erste, welcher seiner Herrschsucht als Opfer fiel,
war der alte König der Ripuarier, Siegbert, der in Cöln seinen Sitz
hatte. Chlodwig wußte nämlich dessen herrschsüchtigen Sohn Chloderich
zu bereden, seinen alten Vater zu ermorden, damit er selbst zur Herr-
schaft gelange. Aber kaum war die Schandthat vollbracht, als Abge-
sandte Chlodwig's in Cöln erschienen und den Vatermörder hinterlistig
niederstießen. Darauf erschien Chlodwig selbst in einer großen Versamm-
lung der Ripuarier und brachte es leicht dahin, daß sie ihn, den mäch-
tigen Herrscher, zu ihrem Könige wählten. Auf ähnliche Weise ließ
Chlodwig auch die übrigen fränkischen Fürsten, den einen nach dem andern
aus dem Wege räumen.
9. Nachdem viel Blut geflossen war, sah sich Chlodwig endlich
im Besitze der Alleinherrschaft über alle fränkischen Stämme, und sein
Reich erstreckte sich nun auch über bedeutende Gebiete ans dem rechten
Rheinufer, so daß es die Grenzen der Friesen, Sachsen und Thüringer
berührte. Seitdem schwand der alte Name Gallien immer mehr und
Chlodwig's Reich wurde nun Reich der Franken, Frankenreich oder
Frankreich genannt. Wahrscheinlich würde selbst dieser Umfang des
Reiches dem herrsch« und eroberungssüchtigen Frankenkönige nicht genügt
haben, wenn nicht der Tod seiner Eroberungssucht unerwartet ein Ziel
gesetzt hätte. Er starb im Jahre 511 zu Paris, nach einer dreißigjäh-
rigen Regierung, noch nicht volle 45 Jahre alt, und hinterließ das Reich
seinen 4 Söhnen, welche sich in dessen Herrschaft theilten. Es läßt sich
nicht läugnen, daß Chlodwig ein eben so großer Herrscher, als Krieger
war, daß ihm geistige Kraft eben so wenig fehlte, als persönlicher Muth
und Entschlossenheit; aber wahre Tugend war ihm fremd, kein Mittel,
wenn es auch noch so verwerflich war, verschmähete er, wenn es nur
zur Befriedigung seiner Ehr- und Herrschsucht diente. Mag man auch
Manches, was er verübt, mit der Rohheit und Gewaltthätigkeit jener
Zeit entschuldigen; so ist er doch nicht frei zu sprechen von unerhörter
Grausamkeit und Treulosigkeit, von Hinterlist und wilder Rachbegierde.
Und dieser Charakter Chlodwig's scheint gleichsam durch Erbschaft auf
seine Nachfolger übergegangen zu sein; denn die Geschichte derselben ist
angefüllt mit Freveln und Verbrechen jeglicher Art, und nach Chlodwig's
Tode beginnt eine Zeit neuer Barbarei und greuelvoller Bürgerkriege,
welche länger als ein ganzes Jahrhundert hindurch die Länder des
Frankenreichs verheerten und zerrütteten.
§. 85. Die Franken unter Chlodwig's Nachfolgern (Merovingern).
1. Nach Chlodwig's Tode theilten sich seine 4 Söhne nach der da-
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76 Die Franken unter Chlodwig's Nachfolgern.
mals Lei den germanischen Stämmen herrschenden Sitte in die Herr-
schaft über das noch einige Frankenreich. Der älteste und tüchtigste,
Theuderich, welcher seinen Sitz zu Metz aufschlng, erhielt die östlichen
Länder, nämlich die älteren Wohnsitze der Franken in den Niederlanden
und Deutschland, sowie die den Alamannen entrissenen Landstriche, welche
zusammen das austrasische Reich bildeten. Die übrigen von Chlodwig
eroberten, westlich gelegenen Länder, in der Folge Neustrien genannt,
erhielten seine drei jüngeren Söhne, Chlodemir, Childebert und Chlotar,
welche zu Orleans, Paris und Soissons residirten. Diese Theilung des
Reiches hatte unzählige Zwistigkeiten zur Folge, wodurch jedoch Chlod-
wig's Söhne nicht abgehalten wurden, sein Werk fortzusetzen.
2. Theuderich und sein Bruder Chlotar verbanden sich mit.den
Sachsen und griffen die Thüringer an, welche damals zwischen der Werra,
Saale und dem Harze wohnten und verheerende Einfälle in das frän-
kische Gebiet gemacht hatten. Die Thüringer wurden in einer blutigen
Schlacht an der Unstrut (529) geschlagen und von ihrem Gebiete der
nordöstliche Theil den Sachsen überlassen, der übrige, größere aber dem
Reiche Theuderich's einverleibt. Fast um dieselbe Zeit hatte Childebert
den Westgothen einen bedeutenden Theil ihres Landes entrissen. Einen
noch größeren Erfolg hatte der Krieg, welchen Chlotar und Childebert
gegen die Burgunder unternahmen, nachdem ihr Bruder Chlodemir im
Kampfe gegen dieselben gefallen war. Der burgundische König Godo-
mar wurde besiegt und gefangen genommen, sein Reich aber (533)
mit dem fränkischen verbunden. Jedoch behielten die Burgunder
ihre Rechte und Einrichtungen und Burgund blieb als ein besonderes
Ganze bestehen.
3. Doch damit war die Reihe der fränkischen Eroberungen noch
nicht geschlossen; die Franken benutzten den Zustand des ostgothischen
Reiches in Italien, welches die Byzantiner bedrängten, und erhielten
von den ostgothischen Königen die Provence und bald darauf auch die
Herrschaft über die Alamannen (von den Vogesen bis zum Lech, vom
Lech bis nach Wien), ja sogar über Landstriche jenseits der Alpen. Die
fränkische Monarchie bestand jetzt aus folgenden Hauptreichen:
a) Aufträgen, das östliche Reich, mit der Hauptstadt Metz, zu
welchem außer dem nordöstlichen Gallien auch Theile von Deutsch-
land, nämlich Franken, Thüringen, Alamannien (Schwaben) und
Bayern gehörten.
d) Neu st ri en, die westlichen Länder, mit der Hauptstadt Sois-
sons, und
c) Burgund, oder das südliche Reich, mit der Hauptstadt Orleans.
4. Die gedachten Eroberungen hatten Chlodwig's Söhne zu Stande
gebracht, obgleich sie sich gegenseitig mit grimmigem Hasse verfolgten.
So machte Theuderich einen Anschlag aus das Leben seines jüngsten
Bruders Chlotar, welcher jedoch mißlang; Theuderichs Sohn, der seinem
Vater (534) in Austrasien folgte, verband sich mit seinem Oheim Chil-
debert, um Chlotar in's Verderben zu stürzen, dem er nur mit genauer
Noth entging; selbst Chlotar's Sohn trachtete seinem Vater zwei-
mal nach dem Leben und wurde von diesem dafür mit Weib und
Kind verbrannt. Chlotar entging glücklich allen Nachstellungen und über-
lebte nicht allein seine drei Brüder, sondern auch deren Nachkornmen,
wodurch es ihm möglich wurde, die ganze fränkische Monarchie, wenn-
gleich nur auf kurze Zeit (558—561), wieder zu einem Reiche zu ver-
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Extrahierte Personennamen: Chlodwig
Extrahierte Ortsnamen: Niederlanden Deutschland Paris Sachsen Sachsen Burgund Italien Wien Gallien Schwaben Burgund
Die Majorcs domus bei den Franken. 77
einigen. Chlotar starb nämlich schon (561) drei Jahre nach jener Ver-
einigung und das Reich wurde wiederum, da er vier Söhne, Chilperich,
Charibert, Guntram und Siegbert, hiuterließ, in eben so viele Lheile
getheilt, als nach dem Tode Chlodwig's. Diese Theiluug rief neue
Zwistigkeiten und Greuelthaten hervor, namentlich nach dem im Jahre
569 erfolgten Tode Charibert's, wo eine neue Theilung vorgenommen
wurde. Chilperich erhielt Neustrien und residirte in Soissons, Siegbert
bekam Austrien mit der Hauptstadt Metz, und Guntram, der zu Orleans
seinen Sitz hatte, erhielt das burgnndische Reich. Die Kriege, welche
bald zwischen den drei Brüdern ausbrachen, hatten theils ihren Grund
in dem verschiedenen Volkscharakter der Bewohner der drei Reiche, da
Austrien rein germanisch war, in den beiden übrigen Neichen dagegen
das romanische Element vorherrschte, theils in dem unversöhnlichen
Hasse, mit welchem Brunhilde, die Gemahlin Siegbert's, und Frede-
gnndis, die Gemahlin Chilperich's, sich gegenseitig verfolgten.
5. Nach langwierigen blutigen Kriegen, nach einer fast endlosen Reihe
von Ausbrüchen unerhörter Rohheit und Grausamkeit, von Freveln und Ver-
brechen jeglicher Art, von denen wir mit Schauder unser» Blick hinweg-
wenden, gelang es endlich (613) einem Urenkel Chlodwig's, Chlotar Ii., nach
Besiegung der Brunhilde, welche er gefangen nahm und durch ein wil-
des Pferd zu Tode schleifen ließ, die gesammten fränkischen Länder wie-
der zu einem Reiche zu vereinigen. So war die Einheit des Reiches
zwar wieder hergestellt, aber keineswegs auch die Eintracht unter den
Gliedern des königlichen Hauses; diese verfolgten einander nach wie
vor mit unversöhnlichem Hasse. Dessenungeachtet war die Regierungs-
zeit Chlotars Ii. und seines Sohnes Dagobert, welchem er schon im
Jahre 622 Austrasien abtrat, ruhiger und glücklicher, als die verflosse-
nen und nachfolgenden Zeiten. Es gelang ihnen, namentlich durch die
Bemühungen des Bischofs Arnulf von Metz und des Majordomus
Pippin von Landen, die inneren Angelegenheiten des Reiches zu ordnen
und eine Kräftigung desselben herbeizuführen, sowie die Grenzen gegen
äußere Feinde zu schützen. Aber nach Dagoberts Tode (637) wurde
die königliche Macht mit jedem Jahre unbedeutender. Seine Nachfol-
ger waren ohne Ausnahme schwach und unthätig, die meisten gelangten
minderjährig zur Regierung und blieben auch ihr ganzes Leben hindurch
in einer wenigstens geistigen Unmündigkeit. Bei dieser geistigen Unfä-
higkeit der Herrscher erlangten die Großen des Reichs eine immer größer
werdende Macht und Selbstständigkeit, und namentlich diejenigen, welche
das Amt eines Majordomus bekleideten.
§. 36. Die Majores domus bei den Franken.
1. Die Majores domus (Haushofmeister) hatten ursprünglich nur die
Verwaltung des königlichen Haus- und Hoswesens und die Anführung
der königlichen Vasallen im Kriege, brachten es aber unter den meistens
unfähigen und schwachen Königen dahin, daß ihnen die Leitung aller
Reichsangelegenheiten überlassen wurde, während die Könige, unbekümmert
um die Verwaltung des Reichs, der Trägheit, Wollust und Lastern
aller Art sich Hingaben. So waren die Majores domus die eigent-
lichen Herrscher; sie besetzten alle öffentlichen Stellen, führten das Heer
an und regierten fast unumschränkt. Die Schattenkönige erschienen nur
einmal im Jahre auf der großen Reichsversammlung, Märzfeld genannt,
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Die Majores domus bei den Franken.
um sich dem Volke zu zeigen und das von demselben dargebrachte Ge»
schenk in Empfang zu nehmen.
2. Schon unter Chlotar Ii. und seinem Sohne Dagobert hatten
sich die Majores domus zu großer Macht und Bedeutung emporge-
schwungen, namentlich Pippin von Landen, Major domus in Austrasien;
doch eine ungleich größere Macht erlangte P i p p i n v o n H e r i st a l, welcher
ursprünglich nur Major domus von Austrasien war, aber in Folge eines
Sieges über den König der Neustrier bei Testri, in der Nähe von St.
Quintin, im I. 687 die Majordomus-Würde über die ganze fränkische
Monarchie erhielt und von da an den Titel Herzog und Fürst der
Franken führte. Pippin wußte sein Ansehen statt des königlichen geltend
zu machen und regierte mit seltener Klugheit und Kraft. Seine Nach-
kommen behaupteten sich nicht allein im Besitze der höchsten Reichswürde,
sondern traten auch ein halbes Jahrhundert nach Pippin's Tode völlig
an die Stelle der entthronten Merovinger. Carl Martell nämlich,
Pippin's Sohn (717—741), folgte seinem Vater in Austrasien als Ma-
jor domus und bewirkte durch einen Sieg über die Neustrier und Aqui-
tanier, daß er auch in Neustrien und Burgund als Major domus aner-
kannt wurde. Nachdem er im Innern des Reiches die Ruhe wieder
hergestellt und seine Herrschaft befestigt hatte, wandte er seine Thätig-
keit nach außen und unternahm eine Reihe von Feldzügen gegen die an
der Ostgrenze des Frankenreiches sitzenden deutschen Völkerschaften, von
welchen die einen sich der fränkischen Herrschaft entziehen wollten, wie
die Thüringer, Alamannen und Bayern, die andern Raubzüge in's frän-
kische Gebiet unternahmen, wie die Sachsen und Friesen. Alle wurden
gedeüthigt und von neuem unterworfen, nur gegen die Sachsen konnte
er wenig ausrichten.
3. Nach Beendigung dieser Kriege erschien ein viel furchtbarerer
Feind im Süden des Frankenreichs, durch dessen Besiegung Carl Martell
sich unsterblichen Ruhm erworben hat. Es waren die Araber, welche
auch. Mauren genannt wurden, weil sie aus Mauretanien nach dem
westlichen Europa kamen. Diese drohten nicht allein dem Frankenreiche
den Untergang, sondern traten als Feinde der ganzen Christenheit auf.
Im fernen Arabien hatte nämlich in dem ersten Drittel des 7. Jahr-
hunderts n. Chr. Muhamed, der Sohn Abdallah's, eine neue Religion,
Islam genannt, gestiftet, welche durch Feuer und Schwert in kurzer
Zeit fast über das ganze Morgenland und die Nordküste Afrikas verbreitet
wurde. Von den Westgothen herbeigerufen, hatten die Araber den westgo-
thischen König Roderich bei Xeres de la Frontera im I. 711 völlig ge-
schlagen (s. S. 72) und fast ganz Spanien erobert, indem die West-
gothen in die asturischen Gebirge zurückgedrängt wurden. Nach der
Eroberung Spaniens faßten die Araber den Plan, mit großer Heeres-
macht die Pyrenäen zu übersteigen, Frankreich, Deutschland und Italien zu
unterwerfen, dann das byzantinische Kaiserthum zu vernichten und über
Constantinopel nach Arabien zurückzukehren. Schon seit dem I. 718
hatten sie einzelne Streifzüge in das südliche Frankreich ohne bleibenden
Erfolg unternommen.
4. Aber im Jahre 732 stieg der muhamedanische Statthalter
von Spanien, Abderrhaman, mit einer furchtbaren Heeresmacht über
die/ Pyrenäen und erfüllte Alles mit Schrecken. In kurzer Zeit
wurden alle Städte an der Garonne erobert und selbst das wichtige
Bordeaux mußte sich dem furchtbaren Sieger ergeben. Vergebens trat
ihm an der Dordogne der Herzog Endo von Aquitanien entgegen; sein
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