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Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Lernbuch der Staatsbürgerkunde - S. 31

1915 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
Landtag und Reichstag. — Geschäftsordnung. 31 Preußen. Deutsches Reich. 27. Wie ist die Geschäftsordnung im Landtag? im Reichstag? 1. Die Kammern wählen nach der Eröffnung durch den König ans ihrer Mitte das Präsidium. 2. Der Präsident leitet die Sitzun- gen, erteilt das Wort, ruft zur Ord- nung, entzieht das Wort und schließt von der Sitzung aus. 3. Über jedes Gesetz finden — um nicht übereilt zu handeln — drei — im Herrenhaus nur zwei — Lesungen statt. Bei der ersten Lesung ist nur all- gemeine Erörterung — keine Ab- stimmung. Bei der zweiten Lesung wird der ganze Entwurf im einzelnen durch- berateu und dann über die einzelnen Paragraphen abgestimmt. Vorher haben meist die Kommissionen, die die Hauptarbeit leisten, den Entwurf durch- berateu und abgeändert. Bei der dritten Lesung ist Debatte über beides und Abstimmung. 4. a) Die Beschlüsse werden nach absoluter Mehrheit gefaßt. d) Die Abstimmung erfolgt durch Aufstehen oder Sitzenbleiben. e) Das Herrenhaus ist beschluß- fähig bei Anwesenheit von mindestens 60 Mitgliedern. Das Abgeordnetenhaus ist be- schlußfähig bei Anwesenheit von min- destens 222 Mitgliedern. 1. wie in Preußen. 2. 3. wie in Preußen. 4. a) Die Beschlüsse sollen nach absoluter Mehrheit gefaßt werden, d) 1. Wie in Preußen. 2. Ist diese zweifelhaft, so ver- lassen die Mitglieder den Saal und kehren durch zwei gegenüberliegende Türen zurück, wobei sie gezählt werden („Hammelsprung"). 3. Auf Antrag von 50 Mitgliedern erfolgt namentliche Abstimmung durch Abstimmkarten. o) Der Reichstag ist eigentlich nur bei Anwesenheit von 199 Mitgliedern beschlußfähig — tatsächlich wird meist nicht darnach gefragt, um vorwärts zu kommen.

2. Abriß der allgemeinen Weltgeschichte bis auf die neueste Zeit - S. 139

1802 - Halle Leipzig : Ruff Ruff
bis aufs Eerde des Abendland Röm- Ññiserrh. tzy Zweite Unterabtheilung. Von Theodos dem Großen bis auf das Ende des Abendlandl sehen Römischen Kaiserthums von 395 bis 4^6- §. i. theodos der Große hinterläßt zwei unmündige Prinzen, den Hoi>orrus und den Arcadius. Das Reich wird völlig getrennt; 'Honorrus erhält das westliche, Äccavius das östliche Kalscrchüm. Die Germanischen Völker dringen immer zahl- reicher an; die östlichen Kaiser schließen zur rech« ten Zeit mir ihnen Verträge; der ganze Sturm fallt auf das westliche Reich, dess-n Heere größ- teniheils aus solchen Barbaren bestehen. Und die Kaiser — die überlasten Männern aus die^ sen fremden Völkern die Mtnisterftellen im Ka- binet, und das Kommando im Felde. Des -Ho- nocnrs Vormund war Gtiltko, ein Vandale» Dieser schlägt dreimal die in Italien einbrechen- den Gothen; muß aber doch endlich die Einfalls des wcftgvthischen Alarichs mit Gelde abkau- fen. Er wird der Verrätherei beschuldiget, und getödtet. -Honorius verweigert dem Älarrch die vom Strliko bedungenen Gelder; Alarich geht auf Rom los; -Honorius ñüchtet nach Ravenna. Die Römer kaufen.die Belagerung durch einen Vertrag ab; den will Honorius nicht bestätigen; Alarich geht zurück, nöthiget die Einwohner von Rom, den Arralus als Kaiser anzuerkennen; und wie dieser ins Gedränge kommt, nimmt er Rom

3. Neuntes Schuljahr - S. 1

1912 - Halle a.S. : Schroedel
I. Ans dem häuslichen und Berufsleben. 1. Der Dorfschmied. (Gekürzt.) 1. In einem wasserdurchrauschten Gebirgstal schritt ich durch späte Mondnacht, als in mein Träumen ein fremder Ton drang. Es war das Hämmern einer Schmiede. Nur von Zeit zu Zeit, wie lauschend, schwieg der nächtliche Glöckner, und die Mainacht um mich herum atmete allein weiter. Als ich um eine Ecke der Landstraße bog, sah ich in hellem Feuerscheine die Schmiede vor mir stehen, und nähertretend sah ich auch den Schmied. Mitten in einem Funkenregen stand der Mann. Die Linke mit der Zange hielt das glühende Eisen gefaßt, und Schlag auf Schlag fuhr aus der kräftigen Rechten auf den dröhnenden Amboß. Ein herzstählendes Bild! Ein Bismarck auf dem Dorfe! Groß und breit stand er mit hoher, kahler Stirn, das männliche Antlitz durch buschige Brauen und einen kurzen Schnurrbart verfinstert. Den Hals nackt, die Hemdärmel bis unter die Schultern zurückgestülpt, das Schurzfell umgehängt, — so steht er heute noch vor meiner Seele: ein Mann, der seine Pflicht tut! 2. „Grüß' Gott, Meister Schmied!" rief ich frohgemut, „noch so spät an der Arbeit?" Mein Mann sah auf, brummte einen „Guten Abend" und fuhr dann gleichmütig fort, aus seinem roten Eisen Funken herauszuhämmern. Der macht nicht viel Worte, dachte ich und setzte mich auf einen leeren Amboß. Einem Schmiede mag ich gern zuschauen. Es ist ein ur- deutsches, kräftiges Handwerk, das Schmiedehandwerk. War's nicht in einem Zweige meiner Familie Erbsitte, daß der Älteste Schmied würde? Ich wäre wohl auch an die Reihe gekommen, aber — — nun, grüß' dich Gott, Waldschmied! 3. Der Meister tat noch ein halb Dutzend Schläge, steckte dann das Eisen in die Esse und setzte den Blasebalg in Bewegung. Dann drehte er Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. Teil Iiib 1912. 1

4. Neuntes Schuljahr - S. 8

1912 - Halle a.S. : Schroedel
8 5- wie Glockenklang vom Meeresgrunde ein Wort durch meine Seele zieht, so wehmutsvoll wie Abendstimmen, so mild als wie ein Schlummerlied. Und kann ich keine Ruhe finden, wenn Gram und Sorge mich umspinnt, dann hör' ich's raunen, Frieden bringend: Gute Nacht, Mutter! — Gute Nacht, Rind! Jakob Lo wrnbcrg. 4. Frau 5arge. Frau Sorge, die graue, verschleierte Frau, herzliebe Tltern, ihr kennt sie genau; sie ist ja heute vor dreißig Jahren mit euch in die Fremde hinausgefahren, da der triefende Novembertag schweratmend auf nebliger Heide lag und der wind in den Weideuzweigen euch pfiff den Hochzeitsreigen. Als ihr nach langen, bangen Stunden im Litauerwalde ein Nest gefunden und zagend standet an öder Schwelle, da war auch Frau Sorge schon wieder zur Stelle und breitete segnend die Arme aus und segnete euch und euer Haus und segnete die, so in den Tiefen annoch den Schlaf des Nichtseins schliefen. Ts rann die Zeit. — Die morsche wiege, die jetzt in: Dunkel unter der Stiege sich freut der langverdienten Rast, sah viermal einen neuen Gast. Dann, wenn die Abendglut verblichen, kam aus dem Winkel ein Schatten geschlichen und wuchs empor und wankte stumm erhobenen Arms um die wiege herum. was euch Frau Sorge da versprach, das Leben hat es allgemach in Seufzen und weinen, in Not und Plage, im Mühsal trüber werkeltage, im Jammer manch durchwachter Nacht ach! so getreulich wahr gemacht. Zhr wurdet derweilen alt und grau, und immer noch schleicht die verschleierte Frau mit starrem Aug' und segnenden Händen zwischen des Hauses armen vier wänden vom dürftigen Tisch zum leeren Schrein,

5. Neuntes Schuljahr - S. 11

1912 - Halle a.S. : Schroedel
11 in der Weihnachtsausstellung erzählt, so hille hätte es der Vater wirklich noch nie gehabt, auch nicht bei der Orgelweihe vor sechs Jahren. Keinen Mittagsschlaf mehr. Nicht mehr satt äße er sich abends. Die Backen wären ihm ganz eingewelkt. Kaum hätten sie ihm abends drei Pellkartoffeln abgepellt, so hole er schon wieder die Stimmgabel aus der Westentasche ’raus und aus dem Korbsessel und prustend hinein in die Schulstube. Und das Üben dann mit den stock- dummen Posaunern — solchen greulichen Lärm sollte man mal ’n andrei- unter seinem Dache erleben! Und vernünftig über was reden, könne man mit dem Vater schon lange nicht mehr, er habe wirklich noch nicht ’mal gefragt, wie der Butterkuchen ausgefallen wäre, und ob die bereits vorgestern ausgenommene Weihnachtsgans ordentlich Flohmen gehabt habe. 2. Massenhaft sind die Leute in die Kirche geströmt. Von auswärts sind sie mit großen Stallaternen in der Faust durch den Steinsink und den Haarsahler Wald gekommen. Mit Schultereinstemmen haben die Erbeingesessenen durch das Gedränge der nicht sitzberechtigten Außendörfler sich an ihre Platz- nummern durchgearbeitet. Als das Geläute verhallt ist, spielt Kantor Konring zuerst das liebliche, innige F-Dur-Pastorale von Johann Sebastian Bach, sein Christabend-Vorspiel, seit er im Amte ist. Heiß wird ihm das Herz dabei. Seine Augen leuchten auf. Das Christkindlein auf Mariä Schoß, von Himmelslicht umflossen, lächelt holdselig ihn an, winkt und nickt ihm freundlichen Gruß aus den fried- vollen Harmonien, aus den still selig wallenden Rhythmen; und ihm ist, als säßen dicht neben ihm, rund um die Orgelbank, buntbeflügelte, kleine, muntre, pausbäckige Englein, und die begleiteten ihn ganz sacht und heimlich auf alten Lauten, Flöten, Schalmeien und Zimbeln. Zu einer eignen, gar stolzen und stattlichen Fughetta über den Weihnachtschoral „Vom Himmel hoch da komm’ ich her" moduliert er darauf hinüber, und als der Cantus firmus zuletzt im Pedal erledigt ist, schlägt Meister Konring zufrieden die Arme übereinander, um sich eine Weile zu verschnaufen. Die Gemeinde darauf scharf im Winkel- spiegel fixierend, singt er sodann vor, herzhaft, aus voller Brust. 3. Christeldierk, der Großknecht von der Häeseler Mühle, steht auf seinem Erbplatz Numero 8 schon längst auf der Lauer, die Lunge zum Platzen aufgepumpt. Seine Prieche und die vordem Reihen auf der Prieche gegenüber hat er noch jedesmal mit seinem Nebelhornbaß sofort in Schwung gebracht. Na und unten im Schiffe fassen sie ja denn auch allmählich Ton,

6. Neuntes Schuljahr - S. 13

1912 - Halle a.S. : Schroedel
strahlenden Gesichtes und halten ihre blitzblank geputzten Instru- mente so, daß sie weitherum in der Kirche zu sehen sind. Durch die Gemeinde geht eine rauschende Bewegung. Alles war aufgestanden und setzt sich nun wieder. Nach der Liturgie am Altar singen die Schulkinder im Chor, vom Kantor leise auf der Violine begleitet das Weihnachtslied: „Es ist ein Reis entsprungen aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen: aus Jesse war die Art, und hat ein Blümlein bracht, mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht.“ Und danach predigt Pastor Barthels in schlichten, kernigen Worten, daß es der gemeine Mann fassen kann, von Weihnachten, dem heiligen Fest der Liebe. Seiner Predigt hat er den Lobgesang der himmlischen Heerscharen in der heiligen Nacht zugrunde gelegt: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Und als er „Amen" gesagt hat, noch einen langen treuväterlichen Blick auf die Gemeinde wirft und darauf die Kanzel verläßt, da stimmen die Kinder auf dem Chor frisch und hell und herzhaft eine dreistimmige Motette auf die schönen Lobgesangworte an, die hat Kantor Konring selber extra für heute komponiert. 5. „Na, wat is denn, will de Kanter noch jümmer nich sin Vör- speel tau’n Utgangsgesang anfangen? —" „Wat kroeppelt un drängt sei sich haben up’n Kur? — Nee, wo sei alle reckhalst un kiekt! Ok de Posauners rückt bi tau un makt Platz?" „Herrje, dat is woll gor de neue Hankensbütteler Dokter, de ja woll so'n groten russischen Pelz hat, un sine junge Fru?" „Herr du mein, sünd 't nich desülwigten, de bi Kanters hüt ut de swarte Kutsch affst —" „Nee, 'ne geele Halwschäse was’t —" „Och, hat sich wat: geel — ick heww't ja sülwen van unsen Hoff mit ankeken: 'ne swarte, un 'n grisen Kuffert wör achter upbunnen." „Na nu, rann an 'n Vörbalken pedd’t sei bet vor? Witt Poppir hewwt sei all beid’ in de Hand, groote Bagens? —- Nee, Deubel, wat is düt? — Dat Frugensminsch rakt den Bleuer tau Höcht. — Wirk- lich, tau singen fangt de beiden an, tausam, an de Kanter speelt jüm dortau ganz dusemang up de Ördel! Och Kinners, nee, hewwt de

7. Neuntes Schuljahr - S. 15

1912 - Halle a.S. : Schroedel
15 Wahrhaftig, Pastor Barthels kommt nun auch noch, aus der Sa- kristei, im Talar. Der Respekt vorm Pastor im Talar bringt die alten Pinselers end- lich auf die Beine. Hinter dem Pastor tritt Kantor Konring, feierlich langsam, mit triumphierenden Blicken, aus der Sakristei. Den Fritz führt er an der einen Hand und die schöne, junge Frau an der andern. „Da, Pinselers, habt ihr euern Jungen wieder und eine Tochter daneben. Ich kenn' den Fritz, ich wußte, daß er euch keine Schande machen würde. So nehmt nun endlich Vernunft an, Meister, der liebe Gott hat alles zum Guten gefügt. Geht heim und feiert in Frieden zusammen Weihnachten. In Frieden! In Diebe!“ Karl Soelile. 7. pankraz der Zchmoller. (Gekürzt.) 1. Auf einem stillen Seitenplätzchen, nahe an der Stadtmauer, lebte die Witwe eines Seldwylers, der schon lange fertig geworden und unter dem Boden lag. Er hinterließ seiner Witwe ein kleines, baufälliges Häuschen, einen Kar- toffelacker vor dem Tore und zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Mit dem Spinnrocken verdiente sie Milch und Butter, um die Kartoffeln zu kochen, die sie pflanzte, und ein kleines Witwengehalt, den der Armen- pfleger jährlich auszahlte, nachdem er ihn jedesmal einige Wochen über den Termin hinaus in seinem Geschäfte benutzt, reichte gerade zu dem Kleiderbedarf und einigen andern kleinen Ausgaben hin. Besagte Kinder aber zeigten verschiedene Eigenschaften. Der Sohn war ein unansehnlicher Knabe von vierzehn Jahren, mit grauen Augen und ernsthaften Eesichtszügen, welcher des Morgens lange im Bette lag, dann ein wenig in einem zerrissenen Geschichts- und Ceographiebuche las und alle Abend, Sommers wie Winters, auf den Berg lief, um dem Sonnen- untergange beizuwohnen, welches die einzige, glänzende und pomphafte Begebenheit war, welche sich für ihn zutrug Sie schien für ihn etwa das zu sein, was für die Kaufleute der Mittag auf der Börse; wenigstens kam er mit ebenso abwechselnder Stimmung von diesem Vorgang zurück, und wenn es recht rotes und gelbes Gewölk gegeben, welches gleich großen Schlachtheeren in Blut und Feuer gestanden und majestätisch manövriert hatte, so war er eigentlich vergnügt zu nennen. Dann und wann, jedoch nur selten, beschrieb er ein Blatt Papier mit seltsamen Listen und Zahlen, welches er dann zu einem kleinen Bündel legte, das durch ein Endchen alte Goldtresse zusammengehalten wurde. In diesem Bündelchen stak hauptsächlich ein kleines Heft, aus einem zu-

8. Neuntes Schuljahr - S. 19

1912 - Halle a.S. : Schroedel
19 mittags-Unterhaltung und zu einem fröhlichen Gelächter während des Vesperkaffees, der schon aus allen Häusern duftete. Diese hatten endlich gelernt, sich aus wenigem einen Spaß zu machen. Da kam in dies Ver- gnügen herein ein fremder Leiermann mit einem schön polierten Orgel- kasten, was in der Schweiz eine ziemliche Seltenheit ist, da sie keine ein- geborenen Leiermänner besitzt. Er spielte ein sehnsüchtiges Lied von der Ferne und ihren Dingen, welches die Leute über die Maßen schön dünkte und besonders der Witwe Tränen entlockte, da sie ihres Pankräzchens gedachte, das nun schon viele Jahre verschwunden war. Der Schuh- macher gab dem Mann einen Kreuzer; er zog ab, und das Plätzchen wurde wieder still. Es dauerte nicht lange, bis das allergrößte Schauspiel sich mit großem Lärm näherte unter dem Zulauf aller Binder des Städtchens. Denn ein mächtiges Kamel schwankte auf den Platz, von mehreren Affen bewohnt; ein großer Bär wurde an seinem Nasenringe herbeigeführt; zwei oder drei Männer waren dabei; kurz, ein ganzer Bärentanz führte sich auf, und der Bär tanzte und machte seine possierlichen Künste, indem er von Zeit zu Zeit unwirsch brummte, daß die friedlichen Leute sich fürchteten und in scheuer Entfernung dem wilden Wesen zuschauten. Estherchen lachte und freute sich unbändig über den Bären, wie er so zierlich umherwatschelte mit seinem Stecken, über das Kamel mit seinem selbstvergnügten Gesicht und über die Affen. Die Mutter dagegen mußte fortwährend weinen; denn der böse Bär erbarmte sie, und sie mußte wiederum ihres verschol- lenen Sohnes gedenken. Als endlich auch dieser Aufzug wieder verschwunden und es wieder still geworden, indem die aufgeregten Nachbarn sich mit seinem Gefolge ebenfalls aus dem Staube gemacht, um da oder dort zu einein Abendschöppchen unterzu- kommen, sagte Estherchen: „Mir ist es nun zumute, als ob der Pankraz ganz gewiß heute noch kommen würde, da schon so viele unerwartete Dinge geschehen und solche Kamele, Bären und Affen dagewesen sind!" Die Mutter ward böse darüber, daß sie den armen Pankraz mit diesen Bestien sozusagen zusammenzählte und auslachte, und hieß sie schweigen, nicht inne werdend, daß sie ja selbst das gleiche getan in ihren Gedanken. Dann sagte sie seufzend: „Ich werde es nicht erleben, daß er wiederkommt!" 5. Indem sie dies sagte, begab sich die größte Merkwürdigkeit des Tages, und ein offner Reisewagen mit einem Ertrapostillon fuhr mit Macht aus das stille Plätzchen, das von der Abendsonne noch halb bestreift war. In dem Wagen saß ein Mann, der eine Mühe trug, wie die französischen Offiziere sie tragen, und ebenso trug er einen Schnurr- und Kinnbart und ein gänzlich gebräuntes und ausgedörrtes Gesicht zur Schau, das überdies einige Spuren von Kugeln und Säbelhieben zeigte. Auch war er in einen Burnus gehüllt, alles dies, wie es französische Militärs aus Afrika mit- 2*

9. Neuntes Schuljahr - S. 20

1912 - Halle a.S. : Schroedel
20 zubringen pflegen, und die Füße stemmte er gegen eine kolossale Löwen- haut, welche auf dem Boden des Wagens lag; auf dem Rücksitze vor ihm lag ein Säbel und eine halblange arabische Pfeife neben andern fremd- artigen Gegenständen. Dieser Mann sperrte ungeachtet des ernsten Gesichtes, das er machte, die Augen weit auf und suchte mit denselben rings auf dem Platze ein Haus, wie einer, der aus einem schweren Traume erwacht. Beinahe tau- melnd sprang er aus dem Wagen, der von ungefähr auf der Mitte des Plätzchens stillehielt; doch ergriff er die Löwenhaut und seinen Säbel und ging sogleich sicheren Schrittes in das Häuschen der Witwe, als ob er erst vor einer Stunde aus demselben gegangen wäre. Die Mutter und Estherchen sahen dies voll Verwunderung und Neugierde und horchten auf, ob der Fremde die Treppe heraufkäme; denn obgleich sie kaum noch von Pankrazius gesprochen, hatten sie in diesem Augenblick keine Ahnung, daß er es sein könnte, und ihre Gedanken waren von der überraschten Neu- gierde himmelweit von ihm weggeführt. Doch urplötzlich erkannten sie ihn an der Art, wie er die obersten Stufen übersprang und über den kurzen Flur weg fast gleichzeitig die blinke der Stubentür ergriff, nachdem er wie der Blitz vorher den lose steckenden Stubenschlüssel fester ins Schloß ge- stoßen, was sonst immer die Art des Verschwundenen gewesen, der in seinem Müßiggänge eine seltsame Ordnungsliebe bewährt hatte. Sie schrien laut auf und standen festgebannt vor ihren Stühlen, mit offenem Munde nach der aufgehenden Türe sehend. Unter dieser stand der fremde Pan- krazius mit dem dürren und harten Ernste eines fremden Kriegsmannes; nur zuckte es ihm seltsam um die Augen, indessen die Mutter erzitterte bei seinem Anblick und sich nicht zu helfen wußte, und selbst Estherchen zum erstenmal gänzlich verblüfft war und sich nicht zu regen wagte. Doch alles dies dauerte nur einen Augenblick; der Herr Oberst, denn nichts Geringeres war der verlorene Sohn, nahm mit der Höflichkeit und Ach- tung, welche ihn die wilde Not des Lebens gelehrt, sogleich die Mütze ab, was er nie getan, wenn er früher in die Stube getreten. Eine unaus- sprechliche Freundlichkeit, wenigstens wie es den Frauen vorkam, die ihn nie freundlich gesehen, noch also denken konnten, verbreitete sich über das gefurchte und doch noch nicht alte Soldatengesicht und ließ schneeweiße Zähne sehen, als er auf sie zueilte und beide mit ausbrechendem Herzens- weh in die Arme schloß. 6. Hatte die Mutter erst vor dem martialischen und vermeintlich inaner noch bösen Sohne sonderbar gezittert, so zitterte sie jetzt erst recht in scheuer Seligkeit, da sie sich in den Armen dieses wiedergekehrten Sohnes fühlte, dessen achtungsvolles Mützenabnehmen und dessen aufleuchtende, nie gesehene Anmut, wie sie nur die Rührung und die Reue gibt, sie schon wie mit einem Zauberschlage berührt hatten. Denn noch ehe dar Bürsch-

10. Neuntes Schuljahr - S. 26

1912 - Halle a.S. : Schroedel
26 hatten," — und die Erzählerin reichte ihrem Gaste die Hand, der sie schweigend drückte; „ich habe den Spruch seitdem nicht mehr vergessen. Es stand nun fest in mir, daß ich das Geld geben mußte. — Aber als ich dann aus dem hellen Sonnenschein in unser großes, dunkles Haus trat, fiel es mir doch wieder schwer aufs Herz, so daß ich's nicht von mir bringen konnte bis auf den Abend. Als die Herren in der Oberstube an ihrem L'hombre saßen, ging ich hinab in den Laden. Ehrenfried stand an der Bank und zählte Nägel in Pakete, was sonst der Lehrling zu tun hatte, aber der war zu seinen Eltern über Land. Ich erschrak fast, da ich seine Stimme hörte. „Nun, Meta," sagte er, „wo hast du denn gesteckt! Der Steinmetz ist bei mir gewesen von wegen dem Hause, und morgen — wird alles in Richtigkeit kommen." — Es schoß mir in die Knie, und ich zitierte; denn er sah so seelenvergnügt dabei aus. Ich vermochte nur stumm den Kopf zu schütteln. „Was fehlt dir, Meta?" fragte er. „Nichts fehlt mir, Ehrenfried; aber wir dürfen das Haus nicht kaufen." Und als er mich erstaunt ansah, erzählte ich ihm alles, und was ich zu tun entschlossen war. Aber währenddessen wurde sein Gesicht immer ernster und strenger; und als ich zufällig niederblickte, sah ich, daß er sich mit dem Eisenstifte, den er in der Hand hielt, den Dau- men blutig gerissen hatte. „Und du willst das Geld geben?" fragte er, und seine Stimme klang so gleichgültig, als gehe das ihn selber gar nicht an. „Ja, Ehrenfried, ich kann nicht anders." — „Nun freilich, Meta; dann reicht's nicht mehr." — Er schwieg und begann wieder seine Nägel einzuzählen. „Ehrenfried," sagte ich, „sprich doch zu mir; wir hatten's für uns beide bestimmt, du mußt dein Wort mit dazu geben!" Aber ich bat umsonst, er sah nicht auf, „Wenn dir dein Bruder näher ist," sagte er und begann seine Pakete einzuschlagen und wegzupacken. Inden: wurde ich nach oben gerufen, und als ich nach einer Stunde wieder in den Laden hinabging, war Ehrenfried in seine Kammer gegangen. — Nur der Allmächtige weiß, was ich die Nacht mit mir gerungen habe; eine Stunde um die andre hörte ich unten vom Flur herauf die Wand- uhr schlagen. 6. Ich konnte mein Leben nicht für meine Freunde hingeben, aber das bißchen Silber, Herr Lehrer, das konnte ich doch. Es war ja auch nicht um mich, ich sah wie eine Wage vor mir; auf der einen Schale war der Name Ehrensried und auf der andern der meines Bruders. Ich sann und sann, bis mir das Hirn brannte, aber es wurde nicht anders, wenn die eine Schale sank, so stieg die andre. — Ich mag wohl endlich eingeschlafen sein; denn als ich die Augen aufschlug, kam schon die Morgen- dämmerung durch die kleinen Scheiben, und als ich mich ermunterte, hörte ich draußen vor der Kammer auf dem Gange einen Schritt. Mitunter blieb es eine Weile an der Tür; dann ging es wieder vorsichtig auf
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