22'
Mittlere Geschichte. 1. Periode. Bonifacius.
Anderes zu lehren, als was mit der Meinung der katholischen
Kirche übereinstimmte, und weihte ihn zum Bischof ein. So ging
er nach dem damals noch sehr rauhen, mit vielen Wäldern be-
deckten Deutschland, und zog, das Evangelium predigend, unter
vielen Mühen, Entbehrungen und Gefahren bei den Thüringern,
Hessen, Sachsen und Friesen umher. Einst kam er ins Land der
Hessen. Hier traf er (in der Gegend des nachherigen Hofgeis-
mar) eine Eiche von ausnehmender Dicke, die von den einfälti-
gen Leuten als ein Hauptsitz des Donnergottes verehrt wurde.
Bonifacius belehrte sie über den einigen Gott, den unsichtbaren
und doch allgegenwärtigen, über Jesus, den Sohn Gottes, und
über das Heil der Welt, das durch ihn den Menschen dargebo-
ten sei. Aufmerksam hörten sie zu, aber die Meisten schüttelten
noch zweifelnd den Kopf. Da ließ sich der kühne Mann eine
Axt bringen und machte Anstalt, die Eiche zu spalten. Wie ent-
setzten sich nicht die Hessen über den vermeintlichen Frevel, und
wirklich umringte ihn schon ein Haufen und drohte, ihn umzu-
bringen. Aber Andere hielten sie zurück und meinten, der Gott
im Baume würde sich schon selbst helfen und den Frevler nieder-
schmettern. Da trat Bonifacius mit festem Schritte heran und
vollführte einen starken Schlag auf den Baum, und voll Ver-
wunderung sahen sie den Mann noch immer unversehrt da-
stehen. Nun fiel Schlag auf Schlag, und mit jedem Schlage sank
der Aberglaube der Leute immer mehr. Endlich stürzte die Eiche
krachend zu Boden und zugleich schwand auch der Aberglaube
der Hessen. Gläubig wandten sie sich nun zu den Lehren des
Christenthums und nahmen willig die heilige Taufe an. — Der
Papst, dessen geistlicher Obergewalt Bonifacius das bekehrte Deutsch-
land unterworfen hatte, belohnte den treuen Glaubensboten mit
der Würde eines Erzbischofs von Mainz. Recht passend heißt
er der Apostel der Deutschen. Noch in seinem hohen Alter (er
war schon 70 Jahre alt) gönnte er sich keine Ruhe, sondern un-
ternahm noch eine Bekehrungsreise zu den Friesen. Diese aber
schlugen den wackern Mann todt, der schon auf Erden sich den
Himmel durch seinen edlen Eifer verdient hatte. Er lebte zu
der Zeit Karl Martells und starb 755. In Fulda liegt er
begraben.
Es ist eben bei Bonifacius des Papstes erwähnt worden.
Man merke sich über denselben Folgendes. In den ältesten Zei-
ten des Christenthums standen jeder christlichen Gemeinde Auf-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Bonifacius Bonifacius Bonifacius Bonifacius Apostel Karl_Martells Karl
Karl der Große.
29
verbergen vor dem wüthenden Antlitze eines so grimmigen Fein-
des." Daraus sprach Otker: „Wenn du eine Saat auf dem Felde
wirst starren und einen eisernen Po und Tessino (zwei Flüsse,
die sich nicht weit von Pavia vereinigen) die Mauern der Stadt
mit schwarzen Fluthen wirst überschwemmen, sehen, dann fürchte,
daß Karl komme!" — Und kaum hatte er ausgesprochen, als sich
von Abend her wie eine düstere Wolke zeigte, die den Hellen Tag
verdunkelte. Wie sie näher heranzog, erblickte man den eisernen
Karl im eisernen bebuschten Helme, in eisernen Schienen an den
Armen, im eisernen Panzer um die eherne Brust und die gewal-
tigen Schultern, mit einem eisernen hoch aufgehobenen Spieß in
der Linken, den unbezwungenen Stahl in seiner Rechten schwin-
gend. So sah man auch am Schilde nichts als Eisen, und selbst
sein Roß war wie von Eisen an Muth und Farbe. Fast sein
ganzes Heer war gleichmäßig gerüstet, so daß das Feld und die
Straße mit Eisen wie bedeckt war und die Schwerter in der
Sonne blitzten. „Da ist er," rief Otker aus, „den du zu sehen
begehrt hast!" und stürzte fast sinnlos zu Boden; denn er fürch-
tete Karls Rache.
Karl ließ Desiders Hauptstadt Pavia einschließen und reiste
selbst nach Rom, um hier das Osterfest zu feiern. Vor den
Thoren der alten Kaiserstadt empfingen ihn jauchzend und lob-
singend alle Schulen mit ihren Lehrern und Knaben, mit Palm-
und Oelzweigen in den Händen. Als Karl das vortragene
Kreuz erblickte, sprang er mit seinem ganzen Gefolge vom Pferde
und ging zu Fuß nach der Peterskirche, an deren Thüre ihn
der Papst und das römische Volk erwartete. Der fromme König
küßte jede Stufe, die hinaufführte, umarmte den heiligen Vater,
der ihn unter der Kirchenhalle, umgeben von seiner ganzen
Geistlichkeit, würdevoll empfing, und als beide in das Kirchen-
gewölbe traten, rief das Chor und alles Volk stimmte ein: „Ge-
benedeiet ist, der da kommt im Namen des Herrn!" — Indessen
ergab sich Pavia nach 10 Monaten. Dem gefangenen Desiderius
wurden die Haare abgeschoren und er ins Kloster geschickt. Das
Langobardenreich aber vereinigte Karl mit seinem Reiche, so daß
ihm nun Deutschland, Frankreich und Ober-Italien gehorchten.
Als Karl sich wegen des Sachsenkrieges in Paderborn auf-
hielt (777), kam eine sonderbare Gesandtschaft dahin, die großes
Aufsehen erregte. Es waren Mauren aus Spanien, in langen
Kaftans und mit Turbanen auf den Köpfen. Solche Leute hatte
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Karl Otker Karl Karl Karl Karl Muth Karls Karl_ließ_Desiders Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Pavia Karls Pavia Rom Peterskirche Pavia Deutschland Frankreich Paderborn Spanien
30
Mittlere Geschichte. 1. Periode. Franken.
man in Deutschland noch nie gesehen, und Jung und Alt stürzte
herbei, die Fremden zu betrachten. Es war ein arabischer Fürst
aus Saragossa, Jbn el Arabi, der bei einem Bürgerkriege aus
Spanien vertrieben war, und Karl, den mächtigen Karl, dessen
Name also schon bis jenseit der Pyrenäen gedrungen war, um
Hülfe bat. Karl sagte zu und zog wirklich im folgenden Jahre
schon über die steilen und beschneiten Gipfel der Pyrenäen, er-
oberte Pampelona und Saragossa, setzte hier seinen maurischen
Freund ein und zog wohlgemuth wieder zurück. Er war schon
über das Gebirge wieder hinüber, nur sein Gepäck zog noch auf
den geschlängelten Bergpfaden, da stürzten die feindlichen Berg-
bewohner im Thale Ronceval plötzlich aus den Schluchten
hervor, überfielen den Troß und erschlugen alle Begleiter, so
daß auch nicht Einer entkam. Unter den hier Erschlagenen wa-
ren auch der Pfalzgraf Anselm, der Seneschall Eckart und
Rußland oder Roland, Karls Liebling und Sohn.*)
Bald nach Bezwingung der Sachsen ward auch Baiern
dem Reiche einverleibt. Im Sommer 787 forderte Karl den
*) Die Heiden, besonders der große Roland, sind nachher in den Gedich-
ten des Mittelalters in deutscher, französischer, italienischer und spanischer Sprache
einfach besungen worden. Besonders von Rolands Thaten sind diese voll, und
haben dieselben ins Romanhafte ausgeschmückt. Da wird erzählt von dem Kam-
pfe, den er gegen den Riesen Ferrant bestanden; wie er durch Verrath mit
seinem Streitroß gefallen; wie sein Helm Venerant sein Haupt nicht mehr ge-
schützt; wie er in grausamer Noth in sein elfenbeinernes Wunderhorn Olifante
gestoßen, dessen Schall über eine Tagesweite gehört wurde; wie von dem hef-
tigen Blasen ihm die Adern am Halse gesprungen, und Karl in Frankreich bei
dem gehörten Tone die Noth seines Lieblings geahnet; wie jener unter vielen
Klagen sein köstliches Schwert Durindana oder Durendarte, weil er es Keinem
gönnte, an einer Marmorsäule zerschlagen wollen, wie aber diese zersprungen,
die Klinge dagegen unversehrt geblieben, und er endlich aus dieser Welt gewichen
sei. Das schönste Gedicht, welches von Roland handelt, ist das Heldengedicht
Orlando furioso (der wüthende Roland) von Ariost, einem herrlichen Dichter-
aus Ferrara in Italien, wo er 1533 starb. Zwanzig Jahre hatte er daran ge-
arbeitet. Es ist auch ins Deutsche übersetzt, aber für Mädchen noch zu schwer
zum Verstehen. Zum Andenken des großen Roland errichtete man in den mei-
sten Städten des nördlichen Deutschlands Bildsäulen von Stein, Erz oder Holz
und stellte sie auf den Marktplätzen aus. Unter ihnen pflegte man sonst die
Blutgerichte zu halten, weil er mit einem Schwerte in der Hand immer vor-
gestellt wird. Noch flndet man viele dieser Bildsäulen in unsern deutschen Städ-
ten. Sein Grab wird noch in Ronceval in Spanien in einer Kapelle gezeigt,
in welcher er in der Mitte von dreißig seiner Gefährten ruht; aber die von den
Mönchen gerühmte riesenmäßige Größe der Knochen hat Niemand finden können.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T99: [Frankreich Loire Stadt Rhone Gebirge Pyrenäen Paris Meer Garonne Lyon]]
TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T45: [Spanien Stadt Portugal Granada Madrid Valencia Königreich Ebro Provinz Hauptstadt]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Anselm Eckart Roland Karls Karl Karl Roland Karl Karl Roland Orlando Roland)_von_Ariost Roland
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Saragossa Spanien Saragossa Karls Sachsen Frankreich Ferrara Italien Deutschlands Ronceval Spanien
Otto der Große-
53
der Erde herumzog. Zuletzt wurde die Arme in das Schloß
Gar da am Gardasee als Gefangene gebracht. Hier saß sie in
einem dunkeln Kerker einsam und verlassen, von aller mensch-
lichen Hülfe weit entfernt. Aber Gott war ihr mit seiner Hülfe
nahe und sandte ihr in dem braven Kaplan Martin einen Ret-
ter. Dieser Mann, ein treuer Diener ihres verstorbenen Gatten,
gerührt von dem Unglücke der Gefangenen, verschaffte ihr Manns-
kleider, grub einen Gang unter der Mauer ihres Gefängnisses
aus und führte sie in einer dunkeln Nacht in einem Nachen über
den See. Hier am andern Ufer verbarg er sie bald im Korne,
bald im Gebüsch, bis er einen guten Fischer bewog, sie in einer
einsamen Hütte aufzunehmen. Dann ging er zu einem alten
Freunde des verstorbenen Lothar, einem Bischöfe (von Reggio,
Adelhard), und bat ihn um eine sichere Freistätte für Adelheid.
Der Bischof ließ sie sogleich nach dem Schlosse Canossa im Mo-
denesischen, welches ein ihm befreundeter Markgraf (Azzo) inne
hatte, bringen, und nun eilte der treue Martin nach Deutschland
zu Kaiser Otto, den Adelheid recht dringend um kräftigen Bei-
stand gegen Berengars Verfolgungen bitten ließ. Otto ließ sich
nicht zwei Mal bitten, um so mehr, da er schon vorher die Ab-
sicht hatte, nach Italien zu gehen. Er rief schnell seinen Heer-
dann aus und zog über die Alpen (951). Es war auch die
dringendste Noth; denn Berengar belagerte schon Canossa, wo der
Hunger bereits zu wüthen anfing. Da flog eines Tages ein
Pfeil in die Festung, an welchem sich ein Brief und ein Ring
befand. Beides war voni Kaiser Otto; sein Bote hatte nicht
durch die Wachen Berengars dringen können und daher Brief
und Ring an jenen Pfeil gebunden und so über die Mauer ge-
schossen. Im Briefe stand, daß Otto schon in der Nähe sei, und
der Ring sollte die Echtheit der Handschrift beweisen. Berengar
hob nun die Belagerung auf. Von Otto erschien in Canossa ein
Bote: der Kaiser werbe um Adelheids Hand; denn er war seit
mehreren Jahren Wittwer. Adelheid reichte ihrem Retter mit
Freuden ihre Hand, und in Pavia wurde eine fröhliche Hochzeit
gefeiert. Sie brachte ihm das Königreich Italien (die Lombardei)
als Brautschatz mit, eine Erwerbung, die damals dem Otto und
den Deutschen ein Glück schien, aber in der Folge eine Reihe bluti-
ger Kriege verursacht hat, wie wir uns denn oft über Das freuen,
was sich nachher als ein Unglück zeigt. Berengar knirschte zwar
vor Wuth, mußte stch aber dem Kaiser unterwerfen und erhielt
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Otto Martin Fischer Lothar Reggio Martin Otto Otto Otto Otto Berengar Otto Wittwer Adelheid Otto Berengar
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Canossa Pavia Italien
104 Mittlere Geschichte. 3: Periode. Kreuzzüge.
funkelnden Augen und einem hinreißenden Feuer der Beredtsam-
keit von dem unglücklichen Zustande der Christen im heiligen
Lande: wie er früherhin ein Einsiedler gewesen; wie es ihm in
seiner Zelle zu enge geworden; wie ihn der Drang, das heilige
Grab zu sehen, nach Jerusalem getrieben; wie er dort mit In-
brunst am Grabe des Erlösers gebetet, aber mit herzzerreißendem
Jammer den Uebermuth der Ungläubigen und die Mißhandlun-
gen der armen Christen gesehen habe; und wie endlich der feste
Wille in ihm entstanden sei, zurückzugehen nach Europa und alle
Völker und ihre Fürsten aufzufordern, daß sie das Grab des Heilan-
des von der Schmach befreiten, von den Ungläubigen entehrt zu
werden. Urban hörte mit Erstaunen den flammenden Worten
des Feuerkopfes zu und erkannte bald, daß das der rechte Mann
sei, um die Völker zu einem solchen Zuge nach Jerusalem auf-
zuregen. Er sah ihn freundlich an, befahl ihm, Italien und
Frankreich zu durchziehen und die Gemüther auf einen solchen
Zug vorzubereiteil; er selbst würde dann schon das Uebrige thun.
Kukupeter bestieg seinen bescheidenen Esel und reiste damit
durch Italien und Frankreich. Von allen Seiten strömten die
Leute herbei, wenn sie seinen sonderbaren Aufzug sahen. Wirk-
lich hatte inan einen so seltsamen Mann noch nicht gesehen. Auf
einem kleinen Esel saß ein kleines, halbvertrocknetes Männchen,
welches fast nur aus Haut und Knochen bestand, obgleich erst
41 Jahre alt. Ein graues Pilgerkleid, mit einem Stricke zuge-
bunden, hing ihm bis auf die nackten Füße herab, dasselbe, in
dem er nach Jerusalem gepilgert war. Hinten am 'Nacken hing
daran eine elende Kapuze, die er, wenn es regnete, über den
Kopf zog, um welchen herum seine schwarzen ungekämmten Haare
flatterten. So sah das Männchen aus, das den Leuten wie ein
Gespenst vorkam. Aber ans seinem hagern Gesichte leuchteten
ein Paar Augen hervbr, die wie Sterne blitzten, wenn er seine
Rede begann. Sah er einen Haufen Menschen um sich, dann
hielt er seinen Esel an, hob das Crucifix, das er immer in der
Hand trug, hoch in die Höhe und schilderte ihnen nun mit hin-
reißendem Flusse der Rede die Noth der Christen im Gelobten
Lande. Er erzählte ihnen, wie er in der Stille der Nacht vor
seiner Abreise nach dem heiligen Grabe gewandert sei; dort habe
er, umweht von den Schauern der geweihten Stätte, mit heißer
Inbrunst stundenlang knieend gebetet und sei endlich vom Schlum-
mer überfallen worden. Da sei ihm im Traume der Erlöser er-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Urban
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Europa Jerusalem Italien Frankreich Italien Frankreich Jerusalem
Heinrichs Iv. letzte Tage. Konrad, dessen isohn.
91
wer den Sieg habe. „Ihr, Herr!" sagten die Umstehenden.
Darauf sank er zurück und sprach: „Nun leide ich freudig lebend
und sterbelid, was der Herr will; nun -kümmert mich der Tod
nicht, wenn ich ihn mit der Ehre des Triumphs empfange!" —
So starb er. Sein Grabmal sieht man noch in der Domkirche
von Merseburg, wo auch seine freilich nun sehr verdorrte Hand
noch gezeigt wird.
Rudolphs Tod war für Heinrich ein großes Glück. Viele
seiner Feinde verlöret! nun den Muth; andere hielten den Tod
des Gegenkaisers für ein Strafgericht Gottes und schlossen sich
wieder all den rechtmäßigen Kaiser an. So nahm Heinrichs Par-
tei mit jedem Tage zu, und endlich war er so mächtig, daß er
nach Italien gehen und dort seinen Todfeind, den Papst, angrei-
fen kotinte. Er erklärte diesen für abgesetzt und ließ einen Erz-
bischof zum Gegenpapste wählen. Dennoch blieb der eiserne Gre-
gor unerschüttert, und je weiter Heinrich gegen Rom vordrang,
desto wüthender schleuderte er den Bannstrahl auf ihn. Dies
Mal half es aber nichts. Heinrich belagerte wirklich Rom; aber
bis ins dritte Jahr lag er davor, ehe er es einnehmen konnte,
und nun ließ er geschwind seinen Papist einweihen. Gregor da-
gegen zog sich itl die Engelsburg (das Grab Hadriansj zurück,
und schon glaubte Heinrich ganz sicher, daß er ihm nicht entrin-
nen könnte — als er ihm plötzlich entführt wurde. Die Nor-
männer nämlich, d. i. die Dänen und Norweger (rauhe, kühne
und in der Seefahrt gewandte Männer) hatten tiach der Zeit
Karls des Großen verwüstende Einfälle in niehrere Länder ge-
macht und sich in einzelnen Schwärmen da und dort, z. B. in
England und Nord-Frankreich, angesiedelt. Ein solcher Schwarm
war gar bis Neapel geschifft und hatte sich zum Herrn von ganz
Unter-Italien geniacht. Diese Normannen waren es, die jetzt
plötzlich unter ihrem ritterlichen Herzoge Robert Guiscard
in Rom erschienen, den Papst in ihre Mitte nahlnen und ihn
nach dem Neapolitanischen in Sicherheit brachten, nachdem er
noch einmal den Bannstrahl auf deu Kaiser, den Gegenpapst
und dessen Anhänger geschleudert hatte. Bald darauf (1085)
starb Gregor Vii. in Salerno; die heftigen Bewegungen seines
Gemüths mochten den Lebensfaden schneller zernagt haben. Als
er seinen Tod sich nahen fühlte, rief er die ihm getreuen Bi-
schöfe herbei und sprach: „Geliebteste Brüder, ich will keine mei-
ner Thaten sehr rühmen; aber darauf vertraue ich, daß ich stets
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Heinrichs Heinrichs Konrad Konrad Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Gregor Heinrich Heinrich Karls Robert_Guiscard Gregor_Vii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Domkirche Merseburg Gottes Italien Rom Engelsburg England Neapel Rom Salerno
120
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
verhungerten Kreuzfahrer horchten hoch auf; denn nur vom Him-
mei konnte ihnen Errettung aus der großen Noth kommen. Alle
brannten vor Ungeduld, zu wissen, ob der Traum Barthelemy's
sich bestätigen würde. Zwölf Männer wurden dazu erwählt.
Sie traten in die Kirche, verschlossen sie hinter sich, während
draußen ungeduldig das Volk harrte, und ließen an der von dem
Mönche bezeichneten Stelle eingraben. Man grub vom Morgen
bis in die Nacht; zwölf Fuß tief war man schon gekommen und
Allen sank nun der Muth. Da stieg Barthelemy barfuß und im
Bußhemde selbst hinunter und bat alle Umstehenden, in heißem
Gebete zu Gott zu flehen. Plötzlich stieg er wieder hinauf und
— hatte die heilige Lanze, die so heiß ersehnte, in seiner Hand.
Ein lautes Frohlocken durchhallte das Gewölbe des hohen Doms;
die Thüren flogen ans; die ganze Menschenfluth stürzte herein
und labte den trunkenen Blick an der theuern Reliquie.
Dieser Fund war es, der den abgezehrten Menschengestalten
eine neue Kraft einflößte. Alle lechzten nach Sarazenenblnt und
konnten den Augenblick kaum erwarten, wo sie hinausgeführt
würden. Ein Tag wurde ihnen zur Erholung bestimmt; sie möch-
ten, hieß es, nur alle ihre übrigen Vorräthe aufzehren und ihren
Pferden das letzte Futter geben; denn morgen würden sie siegen
und Alles im Ueberfluß haben; vor dem heiligen Eisen könnte
kein Feind bestehen; die Feinde müßten schon bei seinem Anblicke
in den Staub zusammensinken. Das ließen sich die hungrigen
Kreuzfahrer nicht zwei Mal gesagt sein; Alle stärken sich durch
Speise und Trank, so gut es möglich war, und während die
Einen ihre Waffen rüsten, ziehen die Andern in Processionen um-
her, beichten und versöhnen sich mit ihren Widersachern. So brach
der von Allen ersehnte Tag an.
Langsam, wie ein Leichenzug, zogen mit dem Aufgange der
Sonne die Kreuzfahrer mit abgezehrten Gliedern und wankenden
Schritten hinaus, dem Feinde entgegen. Der Sultan lachte, als
er sie so Heranwanken sah, und wirklich hatte er auch noch ein-
mal so viele Menschen. Aber hier sah man recht, welche Stärke
ein Gedanke giebt,, der das ganze Gemüth innigst ergriffen hat.
Die Kreuzfahrer warfen den ersten Angriff mit Alles zermalmen-
der Kraft zurück. Doch setzt stürzten die Sarazenen mit solcher
Uebermacht ans sie los, daß schon ihre Reihen zu weichen anfin-
gen. „Sehtff' rief in dem entscheidenden Augenblicke einer der
vornehmsten Bischöfe (Ademar, Bischof von Puy) mit lauter
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
132 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
nua und Pisa, Schiffe zum Ueberfahren, und schifften sich in
Marseille und Genua ein. Aber — Engländer und Franzosen
haben sich ttie vertragen können, und das zeigte sich auch hier
bald. Wo sie schon unterwegs zusammenkamen, entstanden
Streitigkeiten, und als sie endlich an der Küste von Palästina ans
Land stiegen und die Seestadt Acre (jetzt St. Jean d'acre) dort
belagerten, fing der Unfriede erst recht an. Denn Richard ver-
richtete so tapfere Thaten, daß er den Namen Löwenherz erhielt.
Darüber aber ärgerten sich Philipp August und seine Franzosen
so, daß sie ihm alle nur mögliche Schwierigkeiten in den Weg
legten. Endlich wurde zwar Acre erobert, aber Philipp August,
der Mühseligkeiten müde, schiffte nach Frankreich zurück, und
während der edle Richard für die Eroberung des heiligen Grabes
sich abmühte, verband sich jener mit dem schlechtdenkenden Bru-
der Richards, Johann ohne Land, der seinen Bruder vom Throne
stoßen wollte. Das zwang den Richard auch wieder nach Eu-
ropa zurückzugehen, nachdem er noch unglaubliche Thaten ver-
richtet hatte*); aber es war ihm hier eine harte Prüfung auf-
bewahrt. Bei der Eroberung jener Seestadt nämlich hatte er sich
mit dem Herzoge Leopold von Oestreich sehr erzürnt. Dieser
hatte seine Fahne aus einem Thurme, den er erobert, auf-
gepflanzt; Richard aber wollte es nicht dulden, weil Leopold ihm
nicht ebenbürtig war, und ließ, unbesonnen genug, die Fahne
herunterreißen und in den Graben werfen. Da schwur Leopold
Rache und verließ augenblicklich das Heer. Richard mußte für
seinen Stolz schwer büßen. Als er auf dem mittelläudlischen
Meere fuhr, erhob sich ein Sturm und trieb ihn ins adriatische
Meer hinein, wo sein Schiff scheiterte, und er sich genöthigt sah,
*) In einer Reiterschlacht hieb er einem Emir, der ihn zum Kampfe for-
derte, auf einen Hieb den Kopf, die rechte Schulter und den rechten Arm ab,
und erregte solchen Schrecken unter den Feinden, daß sich ihre Haare auf der
Stirne sträubten. Mehrere seiner Gefährten waren in das dicke Gedränge der
Feinde gerathen; er aber arbeitete sich bis zu ihnen hindurch, warf die Feinde
auseinander und befreite sie. Endlich stürzte er sich ganz allein in das feind-
liche Gewühl, und die Seinigen gaben ihn schon verloren, da sie nichts mehr
von ihm sahen, und schon glaubten sie ihn todt; da kehrte er plötzlich mit blu-
tigem Schwerte zurück, und sein Roß war mit Staub und Blut bedeckt, sein
Panzer aber starrte von Pfeilen, wie ein mit Nadeln bestecktes Kissen. Einer
der Emire selbst sagte von ihm zu Saladin: „Niemand kann die Streiche ab-
halten, die er führt; sein Ungestüm ist schrecklich, das Zusammentreffen mit. ihm
tödtlich und seine Thaten übersteigen die menschliche Natur." t
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Palästina Jean Philipp_August Philipp August Philipp_August Philipp August Johann Leopold_von_Oestreich Leopold Leopold Leopold Leopold
Rache Leopold
178
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Italien.
bitter zu machen. Das Urtheil wurde ihnen hier nochmals vor-
gelesen, und — so war es sonst bei Verbrechern iiblich — der
Stab über ihnen gebrochen. Eine ungeheuere Menge von Men-
schen war versammelt, Kops an Kops, alle Fenster dicht besetzt,
die Dächer selbst mit Zuschauern bedeckt. Unter Allen war eine
feierliche Stille, Alle starrten mit beklommenen Herzen nach den
unglücklichen Jünglingen; mir König Karl von Anjou freute
sich; er sah selbst von einem Balcon dem Morden zu. Zuerst
trat Konradino vor. Er legte sein Oberkleid ab und streckte
seine weißen Arme gen Himmel. „Ach! meine Mutter! meine
Mutter!" rief er, „welch eine schreckliche Nachricht wirst du von
mir hören!" Dann zog er seinen Handschuh ab und warf ihn
mitten unter das umstehende Volk. Ein Ritter nahm ihn
auf und brachte ihn nachmals dem Könige von Aragonien, einem
weitläufigen Verwandten Konradino's. Nun hielt Konradin
feinen Nacken dem Schwerte hin. Friedrich von Baden schrie
laut auf, als er den Kopf seines Freundes fallen sah und rief
Gott zum Zeugen seiner Unschuld aus. Danll kam die Reihe an
ihn. Eben so starben mehrere andere Häupter der Hohenstausen-
schen Partei. Konradino war der Letzte seines Hauses; denn mit ihm
starb das erlauchte Hans der Hohenstaufen aus (1268).
Karl von Anjou wüthete nun gegen Alle, die diesem unglück-
lichen Hause angehangen hatten. Vielen ließ er die Füße ab-
hauen, und da Alle über diese Grausamkeit murrten, ließ er die
Verstümmelten in ein hölzernes Hans sperren und verbrannte
sie. Auch in Sicilien verübten seine Söldlinge die unerhörtesten
Grausamkeiten, und alle Gemüther brannten vor Unmuth über
die abscheulichen Franzosen. ,Lange unterdrückte Karl durch
Härte jede Aeußerung der Unzufriedenheit; da brach plötzlich,
14 Jahre nach Konradino's Hinrichtung, im Jahre 1282, der
lang verhaltene Groll in Sicilien los. Man nennt diese Em-
pörung die sicilianische Vesper.
Es war am zweiten Osterfeiertage, als sich die Einwohner
von Palermo, der Hauptstadt von Sicilien, aufmachten, um nach
einer eine Stunde weit gelegenen Kirche, dem Gebrauche gemäß,
zu wallfahrten und dort die Vesper (Abendgottesdienst) zu feiern.
Die ganze dorthin führende Wiese war mit fröhlichen Menschen
bedeckt, die hier Blumen pflückten, dort spazieren gingen, oder
mit frohem Gesänge den Frühling begrüßten. Unter ihnen ging
eine junge Dame, durch Geburt und Schönheit ausgezeichnet, von
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Karl_von_Anjou Karl Konradino Konradin Konradin Friedrich_von_Baden Friedrich Konradino Karl_von_Anjou Karl Karl
226
Mittlere Geschichte. 3. Pcrirde. Italien.
Volksfahne und trat so auf den obern Balcon. Er winkte Stille-,
aber ein wüthendes Geschrei übertäubte seine Rede: das Volk
wollte ihn nicht hören, und da er fortfuhr, Versuche zum Reden
zu machen, warf man mit Steinen nach ihm; am Arme ver-
wundet, floh er zurück in den Palast. Noch einen Versuch wollte
er machen, das Volk durch feine Worte zu besänftigen. Er ließ
sich, weil die Treppe schon brannte, an Tüchern aus einen tiefer
gelegenen Balcon hinunter, wo er vor Steinwürfen durch ein
höheres Geländer gesichert war. Aber auch hier ließ man ihn
nicht zu Worte kommen. Er zog sich zurück, legte die Rüstung
ab, warf alle Zeichen seiner Würde von sich, hüllte sich in den
Mantel seines Pförtners und nahm Betten aus den Kopf. So
drängte er sich unter den Haufen der Plünderer und eilte, indem
er sie ermunterte, auch dorthin zu gehen, woher er komme, nach
dem Ausgangsthore zu. Er durchschritt, ohne erkannt zu werden,
die zwei ersten Thore und eilte die Treppe hinunter; schon glaubte
er sich gerettet; da trat ihm am letzten Thore ein Römer in den
Weg und packte ihn beim Arme mit dem Ruse: „Wohin eilst
du?" Cola leugnete nicht, daß er es sei. Er warf die Betten
vom Kopfe und Alles stürzte herbei, ihn zu greißen. Man riß
ihn die Treppe des Capitols herab, bis auf die Stelle, wo er so
oft zum Volke gesprochen, aber auch die Strasurtheile hatte vor-
lesen lassen. So stand er da, die Arme über die Brust gekreuzt,
umdrängt vom Volke, Alle in tiefem Schweigen. Jetzt wollte er,
die Unschlüssigkeit der Menge benutzend, seine Stimme erheben,
da drängte sich ein Mensch heran und stieß ihm den Dolch in
den Leib. Das Volk stürzte nun auf ihn; man hieb ihm, dem
einst so hoch Verehrten, den Kops vom Rumpfe, durchbohrte die-
sen mit unzähligen Stichen und schleifte ihn durch die Stadt.
So endete Cola di Rienzi, der Großes wollte, aber durch
seine Eitelkeit sein eigenes Werk zerstörte (1354), und Rom kehrte
fürs erste wieder zur bisherigen Gesetzlosigkeit zurück.
Karl ließ sich durch das Beispiel seiner Vorfahren warnen,
nach Italien zu ziehen, ob ihm gleich bald zu Anfange seiner
Regierung der berühmte Dichter Italiens, Petrarca, einen
Brief schrieb, in dem er ihn dringend zu einem solchen Zuge
aufforderte. „Nie hat Italien sehnsuchtsvoller nach der Ankunft
eines auswärtigen Fürsten geseufzt. Eile also, seine Wünsche zu
erfüllen, ehe es durch langes Warten erkaltet. Die Rechtschaffenen
sind begierig, sich in großen Schaaren unter deinen Fahnen zu
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste]]
TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Pcrirde Karl Petrarca
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Italien Italiens Italien