Aurelianus 270—275.
Tacitus 275—276.
131
der Wüste bezeugen das Dasein der herlichen Stadt. Nun erhob sich in Ägyp-
ten ein Usurpator Namens Firmus, aber wiederum wie im Fluge besiegte
und tödete ihn der mächtige Kaiser. Wo dieser erschien, überall fand er Kampf,
überall Sieg. Nach Gallien rief ihn geheime Botschaft von Tetricns
(§ 32, 5) selbst. Sollte dieser Herschaft und Leben an sein meuterisches Heer
und dessen Aufwiegler Faustinus verlieren, oder von dem siegreichen überall
anerkannten Kaiser sich suchen? Als die Heere sich gegenüberstanden, floh er
zu Aurelianus über und erhielt von diesem ein ehrenvolles Amt in Lucanien.
Der Triumph, welcher 274 in Rom gefeiert ward, glich einem glänzenden
Lichbtlick nach langem nächtlich grollendem Gewitter.
4. Ruhe war dem rastlosen Kaiser weder möglich, noch beschieden. Die
Zurückscheuchung der Augusta Vindelicorum (Augsburg) belagernden Deut-
schen geschah schon auf dem Marsch nach Gallien, aber neue Einfälle riefen
nach der Donau. Den tiefen staatsmännischen Blick beweist, daß er, was
schon Hadrianus wol noch zu frühzeitig gewollt, das nicht mehr zu schützende
Dacicn aufgab. Die Einwohner H wurden in einem Teile Mösiens ange-
siedelt und dieser unter dem Namen Dacia Aureliani eine besondere Provinz.
Gegen die Perser die östlichen Grenzen sicher zu stellen ward nicht vergönnt.
Auf dem Marsch ward Aurelianus in der Nähe von Byzantion durch eine Ver-
schwörung Anfang des I. 275 meuchelmörderisch getödet.
Tncitus 275—276.
5. Wenn auch Mistrauen der einflußreichsten Führer unter sich und der
Soldaten gegen sie gewaltet haben mag, so bekundet es doch den durch Aure-
lianus bewirkten Umschwung der Gesinnung, daß kein Feldherr die Hand nach
dem Purpur auszustrecken wagte, aber auch kein Heer einen solchen zu ernen-
nen. Der Senat kam plötzlich wieder zu seiner ihm längst entrissnen Ehre, in-
dem ihm das Heer die Wahl des Kaisers überwies. Das Bewustsein seiner
Ohnmacht bestimmte ihn abzulehnen und dreimal ward hin - und hergesandt,
so daß acht Monate ohne Kaiser und doch ohne Ruhestörung vergiengen. End-
lich wählte er, gab aber einen Beweis seiner politischen Unfähigkeit, indem
er den 75jährigen Senator M. Claudius Tacitus') zur Übernahme der
Last, welcher kaum jüngere Schultern gewachsen waren, ausersah. Es ist zu
verwundern, daß ein Sieg über die Goten errungen wurde; daß dieser aber
nicht des Kaisers Verdienst gewesen, beweist der Überdruß, aus welchem die
Soldaten sich seiner im Apr. 276 entledigten^).
Probus 276 — 282.
6. Taeitus' Bruder Florianus nahm den Thron als sein rechtmäßiges
Erbe in Anspruch und fand allenthalben Anerkennung. Nur das im Orient
stehende Heer rief seinen Feldherrn M. Anrelius Probus aus, aus der
Gegend von Sirmium gebürtig und durch Kriegsthaten berühmt. Ehe es in
Kilikien zur Schlacht kam, ward Florianus von seinen Soldaten getödet. Die 1 * 3
1) Daß römische Leute auch unter den fremden Ansiedlern zurückbliebeu, beweist
augenscheinlich die Folgezeit. — 2) Er rühmte sich ein Nachkomme des großen Ge-
schichtschreibers zu sein, befahl deshalb auch dessen Werke in allen Bibliotheken auf-
zustelleu, auch sie jährlich in 10 Exemplaren auf Staatskosten abzuschreiben. —
3) Nach den einen ward er von den Soldaten erschlagen, nach den andern tödete er
sich selbst, um diesem Schicksal zu entgehn.
9*
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13
aus natürlichem Fels gehauen, jetzt durch Sand halb
verschüttet.^)
2300 König Möris (Amenemha) erbaut das Laby-
rinth und laßt den See Möris ausgraben.
Das Labyrinth bei der ,,Stadt der Krokodile"
war ein Reichspalast mit 3000 Gemächern (theils
über, theils unter der Erde) und 12 Höfen. -— Der
See Möris diente zur Regelung und Verbreitung
der segensreichen Ril-Ueberschwemmungen.
2100 —1600 D ie Herrschaft der Hyksos oder Hirten-
könige.
Die Hyksosx) stammten aus Kanaan und dem
nördlichen Arabien. Ihre Hauptstadt war Memphis,
während in Theben sich einheimische Könige unab-
hängig hielten. Von dieser thebanischen Dy-
nastie werden die Hyksos (durch Tuthmosis) ver-
jagt.
1600—1200 Blüthezeit des ägyptischen Reiches mit
der Hauptstadt Theben.
Großartige Bauten in Theben: Paläste, Tempel,
Säulengänge, Sphinxalleen. Kolossalstatue des Ame-
nophis (Memnon).^) Ruinen bei Karnak u. Luxor.
(1400) Sesostris der Grosse (R am ses).
Er macht bedeutende Eroberungen in Asien und Ae-
thiopien und beginnt den Verbindungskanal
zwischen dem mittelländischen und rothen Meere.
Unter seinen Bauwerken zeichnet sich das Rames-
seum aus mit der größten Kolossalstatue Aegyptens,
dem Bilde des Ramses.^) Auch bei Memphis liegt
noch eine gestürzte Statue desselben. — Tempel zum
Theil in den Fels gearbeitet.
7oo Rach Vertreibung einer äthiopischen Dyna-
stie tritt eine Zwölfherrschaft (Dodekarchl'e) ein.
V) ®et Sphinx war Symbol der königlichen Macht, ein Männer-
kopf auf einem Löwenleibe. Lange des Gesichts 26 F., des
Leibes 9o F.
r) Unter ihnen wanderten die Israeliten ein.
y) Erzähle die griechische Sage von der klingenden Memnonssäule.
Noch jetzt läßt das Gestein, von der Morgensonne nach kalter
Nacht erwärmt, ein seines Knistern und Klingen hören.
z) Auf einem Postament von 18 F. Höhe erhob sich die 54 F.
hohe Statue, deren Schulterbreite 21 F. betrug. Noch jetzt
in Trümmern vorhanden.
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Extrahierte Personennamen: Amenemha Memnon Kolossalstatue_Aegyptens Ramses
29
Athen ab. Der Spartanerkönig P leist oanax fällt
in Attica ein, zieht sich aber bei Eleusis, von Pericleö
bestochen, w) zurück. In dem darauf abgeschlossenen
Frieden verzichtet Athen auf die Hegemonie zu Lande.
434—432 Krieg zwischen (Somit!) u nd Corcyra we-
gen E p i d a m n us.x)
Epidamnus, von den vertriebenen Aristokraten beun-
ruhigt, wendet sich vergebens an Corcyra, dann aber
mit Erfolg an Corinti) um Hilfe. Nun unterstützt
Corcyra die Aristokraten und schlägt die Corin-
t h er bei Actium.
Athen schloß mit Corcyra ein Schutzbündniß (hu-
fiuyja), und als die Corcyräer in der Schlacht bei
Sybota (432) schon wichen, halfen ihnen die Athe-
ner gegen die Corinther.
432 Potidäay) fällt von Athen ab.
Dies geschah auf Anreizen Corinth's, der Mutterstadt
von Pouckäa. Die Athener schicken ein Heer, schlagen
einen peloponnesischcn Heerhaufen und schreiten zur
Belagerung der Stadt.
Die Peloponnesier, Sparta an der Spitze, beschlie-
ßen den Krieg gegen Athen, welches die über-
müthigen Anforderungen Sparta's zurückweist, z)
431—388 4. Die Zeit des Verfalles.
431—494 Der peloponnesische Krieg.
A th e n's Bundesgenossen waren: Macedonien, Pla-
tää, die Inseln des Archipelagus und die asiatischen
, Cotonieri. Auf Seiten Sparta's stand, mit Aus-
nahme des neutralen Argos, der ganze Peloponnes,
ferner im Hellas die Landschaften Megara, Phocis,
Locris und Böotien.
431 König Archidamus fällt mit 60000 Mann in At-
tica ein. a) Die Athener plündern die Küsten
des Peloponnes.
w) Wie wurde er bestraft? — Rathgebcr Cleandridas.
x) In Jllyrien am adriatischen Meere gelegen.
y) Auf rer Halbinsel Chalcidice gelegen.
z) So z. B sollten sie Potidäa und Aegina aufgeben.
a) Kurz zuvor wurde Melesippus als Herold nach Athen geschickt.
Welche Worte rief er aus, als er ungehört wieder über dir
Grenze ging?
/
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anderen etwas zurückgebliebenen Schiffen die herrliche Ent-
deckung. Alle erwarteten mit ungeduldiger Sehnsucht den an-
brechenden Tag. Endlich röthete sich im Osten der Himmel
und siehe! da lag vor ihrem staunenden Blicke ein lieblich
grünendes Eiland, vom Glanze der ausgehenden Sonne erhellt;
und mit rauschender Musik, fliegenden Fahnen und anderem
feierlichem Gepränge ruderten die glücklichen Abenteurer fröhlich
Ln die neue Welt hinüber. Mit einer Fahne in der einen
Hand und einem Degen in der anderen, sprang Columbus
zuerst an's Land unter die erstaunten Insulaner, die sich am
Ufer versammelt und nie solche Menschen, solche Schiffe gesehen
hatten. Sie zeigten durch ihre Geberden, daß sie die Spanier
für höhere vom Himmel gekommene Wesen hielten. Sie selbst
erregten bei den Spaniern nicht geringeres Erstaunen. Sie
waren ganz nackt, von einer röthlichen Kupferfarbe; viele tru-
gen zum Zierrathe Goldbleche in Nase und Ohren. Sie riefen:
„Guanahani!", welches man für den Namen der Insel
hielt. Columbus jedoch nannte sie zum Danke seiner Rettung
San Salvador, d. i. die Erlöser-Insel. Sie gehört zu
den Bahama-Jnseln. Die Spanier gaben den Wilden Scher-
den, Glaökorallen, Nadeln und andere blinkende Kleinigkeiten,
und erhielten dafür Gold in Menge zurück. Zugleich zeigten
die Insulaner, als sie die sonderbaren Gäste so begierig nach
Gold greifen sahen, nach Süden. Dahin richtete deshalb
Columbus seinen Lauf und entdeckte am 27. Oktober die Insel
Cuba. Auch hier waren die Einwohner nackt und standen
wie versteinert beim Anblicke der fremden Menschen und ihrer
Schiffe. Die Natur war überaus reizend, überall der üppigste
Pflanzenwuchs; und aus den hochbelaubten Bäumen umher
schaueten ganze Scharen von Vögeln in der buntesten Farben-
pracht wie verwundert hernieder, und hüpften und zwitscherten
und sangen in fröhlicher Regsamkeit durcheinander, als wollten
sie die fremden Gäste zu ihrer glücklichen Ankunft begrüßen.
Auf dieser Insel bemerkte Columbus zuerst die Gewohnheit
des Tabakrauchens, die sich nachmals über den ganzen Erdkreis
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95
Lärm war der kranke Greis schnell aufgestanden; man fand ihn
an die Wand gelehnt. „Bist du Coligny?" schrie Besme,
ein junger Offizier, ihn an. „Ich bin es," sprach der Ad-
miral, „aber du, junger Mann, habe Ehrfurcht vor diesen
grauen Haaren!" — Ein Stoß mit dem Degen war die Ant-
wort, viele Hiebe und Stiche folgten nach; ein anderer Mörder
schoß ihm eine Kugel in den Leib. Dann stürzten sie den zer-
fleischten Leichnam zum Fenster hinaus auf die Straße.
Alsbald begann auch das Morden in den Straßen. Die
Glocke des Palastes gab den Parisern, die durch vorher aus-
gestreute Gerüchte von Verschwörungen der Hugenotten waren
aufgereizt worden, das Zeichen zur Ermordung der anwesenden
Hugenotten. Ein weißes Tuch um den Linken Arm und ein
weißes Kreuz vor dem Hut hatten sie als äußere Merkzeichen
gewählt, an welchen sie sich einander kennen könnten. Aufge-
schreckt durch den plötzlichen Lärm stürzten die Hugenotten aus
den Häusern und fielen so ihren Feinden in die Hände. Von
allen Seiten ertönte das Brüllen der Mörder, das Schreien
und Flehen der Verfolgten, das Winseln der Sterbenden,
dazwischen das Knallen der Gewehre und das Geklirre der
Schwerter. Kein Geschlecht, kein Alter, kein Stand fand Gnade.
Der Marschall Tavannes ranme von Wuth entbrannt durch
die Straßen und schrie unaufhörlich: „Lasset Ader, Bürger,
es ist im August so heilsam als im Mai!" Von den Straßen
drang man in die Häuser und setzte hier das entsetzliche
Gewürge fort.
i
Ueber dem blutigen Gemetzel stieg die Sonne empor und
beleuchtete die Gräuel der verwichenen Nacht. Ueberall lagen
die Leichen in den Straßen umher, viele auch wurden aus
den Fenstern gestürzt und durch die Straßen nach der Seine
geschleppt. Noch zwei schreckliche Tage hindurch währte das
Gemetzel. Dann durchzog Karl mit seinen Höflingen wie im
Triumphe die leichenerfüllten Straßen. Auch Colignp's Leich-
nam fand er; der wüthende Pöbel hatte ihn auf alle Art be-
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Extrahierte Personennamen: Coligny August Karl Karl
187
begleitete ihn. Er wurde durch die lange Gallcrie seines
Schlosses, auf der zu beiden Seiten Soldaten standen, nach
der in die Mauer eingebrochencn Oeffnung geführt, durch die
er auf das Blutgerüst trat. Dieses war schwarz behängen;
an dem jenseitigen Ende sah man die beiden verlarvten Scharf-
richter, den Block und das Beil, ringsum mehrere Regimen-
ter zu Roß und zu Fuß unter Waffen, und so weit das Auge
reichte, wogte eine dichte, unzählige Volksmenge. Auch Crom-
well war unter den Zuschauern. Er befand sich am Fenster
eines gegenüber gelegenen Hauses, auf ein seidenes Polster
gestützt. Ruhig und unerschüttert stand der König mitten un-
ter den Schrecknissen des nahen Todes. In seinen Zügen lag
der heitere Muth, in seiner Haltung die würdevolle Ruhe,
die seine königliche Großmutter Maria in der Halle von For-
theringhai gezeigt hatte. Er wünschte zu dem Volke zu spre-
chen, aber die Schwerter der Soldaten hielten dasselbe zurück.
Er konnte deshalb seine Worte nur an die Wenigen richten,
die mit ihm auf dem Blutgerüste standen: „Er sterbe unschul-
dig an seinem Volke; das Parlament habe zuerst die Rechte
der Krone verletzt, indem es den Befehl über das Heer ge-
fordert. Aber er habe Allen vergeben, selbst denen, die ihn
in den Tod geschickt, und er bitte Gott, er möge es nicht an
ihnen heimsuchen, daß er der Märtyrer des Volkes sei." Als
er nun den Kopf auf den Block legen wollte, sagte der Bi-
schof: „Sire, jetzt bleibt nur noch ein Schritt übrig, er ist
beschwerlich und schmerzlich, aber kurz; er entrückt Sie von
der Erde in den Himmel, Sie vertauschen eine irdische gegen
eine ewige Krone." — „Ja, ich weiß es," antwortete Karl,
„ich gehe von einer vergänglichen zu einer unvergänglichen
Krone über, dahin, wo kein Kummer mehr wohnt." Dann
beugte er seinen Nacken auf den Block und streckte nach kurzer
Pause zum Signale die Hände aus. In demselben Augen-
blicke fiel das Beil, das Haupt rollte hin, und ein tiefes
Stöhnen entwand sich der zuschauenden Menge. Ganz Europa
schauderte ob der gräuelvollen That.
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204
Noch größer kehrte die Gefahr unseres Vaterlandes im Jahre
1683 zurück. Damals herrschten große Unruhen in Ungarn.
Das Land klagte über Verletzung seiner verfassungsmäßigen
Rechte, und es kam zu einer Verschwörung unter einem groß-
ßen Theile des ungarischen Adels, wobei man nichts Gerin-
geres zu beabsichtigen schien, als Ungarn von Oesterreich los-
zureißen. Allein die Verschwörung wurde entdeckt, und vier
der Haupträdelsführer hingerichtet. Der Aufruhr währte je-
doch fort, besonders weil Religionshaß zwischen Katholiken
und Protestanten in Ungarn hinzutrat. Sowohl der König
von Frankreich, Ludwig Xiv., als auch der türkische Sultan,
Mohammed Iv., schürten sorgfältig die Flamme des Auf-
ruhres zu einem großen verheerenden Brande an.
An die Spitze der mißvergnügten Ungarn — „Kurutzen",
d. i. gediente Krieger, genannt nach dem türkischen Worte
Kurudschi — stellte sich der Graf Emmerich von Tököly
und rief die Türken zu Hülfe. Dieser Ruf kam ihnen äußerst
willkommen; denn das uneinige, durch die langwierigen schwe-
dischen und französischen Kriege erschöpfte Deutschland schien
ihnen eine ebenso sichere als leichte Beute zu werden. Der
Großwesir Kara Mustapha hatte schon in seinem stolzen
Sinne das schöne Wien sich zu seiner Residenz erkoren. Ein
einziger rascher Marsch werde ihn — meinte er — ohne Schlacht
vor die Thore führen, und eine mächtige aber kurze Anstren-
gung ihm dieselben öffnen.
Sonst waren die Türken, zumal die Asiaten, spät im
Felde erschienen, und eben so zeitig rief sie der Winter aus
demselben zurück. Jetzt aber brach der Großwesir gleich mit
dem Anbruche des Frühlings 1683 an der Spitze von zwei-
mal hundert tausend Mann gerades Weges auf Wien los,
ohne sich auf seinem Zuge mit Belagerung der Festungen auf-
zuhalten. Die Bestürzung der Kaiserstadt war grenzenlos.
Leopold's Heer zählte kaum drei und dreißigtausend Mann,
über welches der Herzog Karl von Lothringen den Ober-
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv. Ludwig_Xiv. Mohammed_Iv. Mohammed_Iv. Emmerich_von_Tököly Kara_Mustapha Karl_von_Lothringen Karl
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Oesterreich Ungarn Frankreich Ungarn Deutschland Wien Wien
229
auf Sokownill los und schwang ihm die geballte Faust in's
Gesicht. Gerade jetzt, mit dem Schlage elf, trat der Haupt-
mann mit seinen Soldaten ein. — „Heran!" schrie der Czar,
„bindet mir diese Hunde." Das geschah. Aber auch dem Haupt-
mann der Leibwache gab er zornig einen derben Schlag in's
Gesicht, weil er um eine ganze Stunde zu spät gekommen sei.
Da aber der unschuldige Mann seinen schriftlichen Befehl vor-
zeigte, bereuete Peter seine Ucbereilung, küßte ihm freundlich
die Stirn und erklärte ihn für einen braven Offizier. Dann
fuhr er zu Le Fort zurück und verkündete der staunenden Ge-
sellschaft, was vorgefallen, welch' großer Lebensgefahr er ent-
gangen sei. Die Verschworenen wurden hingerichtet.
Nachdem die Ruhe hergestellt war, entschloß sich Peter,
eine Reise in's Ausland zu machen, aber nicht mit dem Pompe
eines Czar, sondern bloß als Mitglied einer Gesandtschaft,
welche nach altrussischcr Sitte die auswärtigen Höfe besuchen
sollte, und unter dem Titel eines Großcommandeurs. Le Fort
war der Anführer dieser Gesandtschaft, die aus mehr als zwei-
hundert und siebcnzig Personen bestand. Im April 1697 tra-
ten sie die Reise an. Der Zug ging über Königsberg. Hier
wurden sie von dem prachtliebenden Kurfürsten Friedrich Iii.
von Brandenburg auf das glänzendste empfangen. Peter gab
sich alle Mühe, um nicht erkannt zu werden, aber eben dieses
verrieth ihn. Bei einem glänzenden Gastmahle, das der Kur-
fürst zur Ehre dieser Gesandtschaft gab, übernahm sich Peter
so sehr im Trünke, daß er beinahe seinen Freund Le Fort ge-
tödtet hätte, weil er sich durch einige Worte von ihm beleidigt
hielt. Als er wieder zu Vernunft kam, empfand er tiefe Reue
darüber. „Ach!" rief er schmerzlich aus, „ich will mein Volk
gesitteter machen und vermag mich selbst nicht zu zähmen!"
Schon in Königsberg besuchte er die Werkstätten der Handwerker
und Künstler und erkundigte sich mit großer Lernbegierde nach
allem, was ihm neues vorkam. Dann ging die Reise weiter
über Berlin und Cleve nach Amsterdam. Amsterdam war
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Extrahierte Personennamen: Peter Peter Friedrich_Iii Friedrich Peter
so
Extrahierte Ortsnamen: Königsberg Brandenburg Königsberg Berlin Amsterdam Amsterdam
292
ständen in Stockholm. Auch gegen den König hegten sie Ver-
dacht und trafen Vorkehrungen der Sicherheit.
Jetzt war die größte Eile nöthig, sollte der Plan nicht
vereitelt werden. Der König bestimmte deshalb den 19. Au-
gust 1772 zur Ausführung. Am Abende zuvor wohnte er
noch mit der größten Ruhe und Heiterkeit — so wenigstens
schien cs — der Oper bei. Am Morgen darauf begab er sich
nach einem Spazierritte auf's Schloß in den Reichsrath, wo
er absichtlich einen heftigen Wortwechsel mit einigen Reichs-
räthen veranlaßte. Im höchsten Unwillen verließ er ihn und
ritt nach dem Zeughause, wo die Garde zur Parade stand.
Sogleich versammelten sich die ihm ergebenen Offiziere um ihn
und begleiteten ihn nach dem Schlosse zurück, wo eben die
Wache wechselte, und sowohl die abziehende, als auch aufzie-
hende anwesend war. Der König versammelte in der Wacht-
stube die Offiziere um sich, eröffnete ihnen seinen Plan und
forderte sie zur Unterstützung auf. Alle schwuren ihm Bei-
stand; nur die drei Aeltesten verweigerten ihn. Es wurde
ihnen sogleich der Degen abgenommen. Alle andern aber
banden sich um den linken Arm ein weißes Tuch, als Zeichen,
an welchem sie sich einander als Freunde erkennen wollten.
Hierauf ließ er die Zugänge zu dem Versammlungssaale des
Reichsrathes besetzen und eilte nach der Parade zurück, wo er
durch eine kräftige Rede auch das Artillerieregiment nebst den
übrigen Truppen, die sonst gewohnt waren, nur die Befehle
des Reichsrathes zu befolgen, für sich gewann. Es entstand
ein allgemeines freudiges Zujauchzen, das von dem Volke mit
Begeisterung wiederholt wurde. Dann ritt der König mit
bloßem Degen durch die Straßen und versicherte freundlich,
er habe nur die Absicht, das Vaterland zu retten. Von allen
Seiten strömten ihm die Scharen des Volkes jauchzend und
frohlockend nach. Gleich am anderen Tage leistete ihm der
Magistrat unter dem allgemeinen Zurufe des Volkes den Eid
der Treue. Dann ging er, nachdem er den Schloßhof mit
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315
niedergerissen. Alle geistliche Orden, alle Gelübde wurden
aufgehoben, alle Güter der Kirche und der Krone für Eigen-
thum der Nation erklärt und verkauft. Um den Verkauf zu
erleichtern, wurde ein Papiergeld eingeführt, welches man
Assignate nannte, weil es auf die eingezogenen Güter
assignirt oder angewiesen war. Selbst die Assignate leisteten
der Revolution Vorschuch; denn die Käufer schlossen sich schon
ihres Vortheiles wegen an dieselbe, um ihr neues Besitzthum
zu sichern. Da aber die Assignate in der Folge in unendli-
cher Masse geschaffen wurden, so verlor endlich der Werth
derselben so sehr, daß z. B. ein Paar Stiefel gegen 20,000
Franken (über 5000 Thlr.) zu stehen kam. Die alte Einthei-
lung Frankreichs in Provinzen hörte auf; eine neue in 83
Departements, die ihre Abmarkung und Benennung von na-
türlichen Grenzen und Gegenständen, in der Regel von
Bergen und Flüssen, erhielten, trat an ihre Stelle und hob
somit alle früheren Vorrechte einzelner Provinzen auf. Der
König wurde auf ein Jahrgehalt gesetzt, der gesammte Erb-
adel abgeschafft und mit ihm Alles, was an Auszeichnung
oder Knechtschaft erinnern konnte. Selbst die unbedeutenden
Titel „Monsieur“ und „Madame“ hörten auf; Jeder ohne
Unterschied sollte nunmehr bloß Bürger (Citoyen) und Bür-
gerin heißen.
Pas Dandcsfest am 14. Juli 1790. — Unter diesen und
ähnlichen Neuerungen war der 14. Juli 1790, der Jahrtag
der Zerstörung der Bastille, erschienen. Das Andenken an
diese erfolgreiche That gab Veranlassung zu einem großen
Bundes feste, welches auf dem Marsfelde, einer geräumi-
gen Ebene am westlichen Ende von Paris, feierlich begangen
wurde. Schon in der Nacht zuvor hatte sich die weite Ebene
mit Menschen angefüllt. Die Nationalgarde war aufgezogen,
und beim ersten Strale der Morgensonne verkündete der Don-
ner der Kanonen und das Geläute der Glocken den festlichen
Tag. Des Morgens 10 Uhr erschienen in der Mitte von
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