Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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ton der Hoheit, die aus ihren Augen strahlte, warf ich mich thr zu Füßen und küßte den Saum ihres Kleides : fte aber hieß mich aufstehen und ermunterte mich, ihr zu lagen, was mein Herz bedrückte, und ermutigt durch ihren mrlden Zuspruch sagte ich ihr den Zweck meiner Reise. Aufmerksam hörte sie mir zu; als ich aber geendet,
schüttelte sie traurig das Haupt und ihre Augen füllten
jtch mit Thränen. „Armer, armer Knabe", sprach sie, ^warnm bist Du nicht einige Tage früher gekommen? Stehe, die Du hier suchst, weilt nicht mehr unter den Gebenden; heute morgen haben wir ihren sterblichen Leib unter dem grünen Rasen gebettet. Das Geheimnis, nach welchem ^u forschest, hat sie mit ins Grab genommen: aber noch in ihrer letzten Stunde hat sie Dein gedacht:
mtt Deinem Namen auf den Lippen ist sie hinüberae-
ichlnmmert zu einem besseren Leben".
Wie ein Donnerschlag trafen mich diese Worte der würdigen Klosterfrau. Mit einem lauten Schrei sank ich nieder zu ihren Füßen und eine tiefe Ohnmacht umfing meine Sinne. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem hohen, hellen Zimmer; mehrere Schwestern, auch die würdige Priorin, umstanden mein Lager. „Gottlob, er lebt!" hörte ich sie sagen, als ich mit innigem ^ank die Augen zu ihr aufschlug. Eine heftige Krankheit hatte mich befallen, nachdem ich die Trauerbotschaft aus dem Munde der Priorin gehört hatte; mehrere Wochen hatte ich zwischen Tod und Leben geschwebt. Die Anstrengungen der weiten Reise, die Entkräftung, die bittere Enttäuschung, alles hatte dazu beigetragen, meinen Zustand nahezu hoffnungslos zu machen. Aber nun siegte doch die Jugend über die tückische Krankheit, und dank der liebevollen Pflege der frommen Schwestern erholte ich mich rasch. Als ich ganz genesen war, sagte die edle Frau eines Tages zu mir: „Mein lieber Sohn, durch Gottes Gnade bist Du wieder gesund geworden, und es ist nun Zeit, daß wir über Deine fernere Zukunft reden. Hier kannst Du nicht bleiben; aber ich möchte Dich nicht wieder in die Welt zurückschicken. Du hast Deinen
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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in der Luft blitzen. Da erhob sich einer der Heidenpriester, Walo mit Namen, und sprach: „Ihr Männer, unsere Götter sinb gelästert, mögen die Götter über sich selbst richten. Werfet das Los! Liegen die heiligen Zeichen oben, so muß Landolf, so muß auch der Billung sterben; liegen aber die Zeichen unten, so befunben bamit die Götter, daß ihre Macht vorbei ist und daß fortan ein anderer Gott hier verehrt werden soll!" Lauter Beifall folgte diesen Worten; einer der Jünglinge schnitt sieben Würfel von länglicher Form, und auf einer Seite wurden dieselben mit heiligen Runenzeichen versehen. Dann nahm Walo die Würfel in die Hand, schüttelte sie und warf sie hoch in die Luft. Lautlose Stille herrschte. Als aber die Würfel zur Erde gefallen waren, siehe, da lagen sie alle mit den weißen Seiten nach oben. Walo verkündete dies Ergebnis und die Sachsen riefen: „Der Chriftengott und der Billung Habens gewonnen, die Götter haben gegen sich selbst gerichtet!" Als der Lärm sich gelegt hatte, schüttelte Harm Landolf die Hand und sagte: „Nun gehe aus und ein im ganzen Lande, niemand wird Dirs wehren, den Namen Deines Gottes zu verkünden. Heute aber kehre mit mir zurück nach Stübeckshorn; ich will ein Christ werden!"
Nun wurde die Versammlung entlassen und jeder kehrte heim in seine Hütte. Landolf ging mit Harm und feinen Leuten; aber auch Walo, der Priester, folgte ihnen. Am fclgenben Sonntage empfing Harm und fein ganzes Hausgesinbe nebst Walo die Taufe. Dann aber zog Lanbclf mit Walo, welcher fein treuer Gehülfe würde, im ganzen Lanbe umher, und in kurzer Zeit war der ganze Lohengau dem Christentum gewonnen. Mitten im Laube aber baute Lanbolf das erste Kirchlein, und nannte den Ort, seinem Freunde Billung zu Ehren, Hermannsburg. Es war dasselbe Kirchlein, welches vor einigen Jahren, wie ihr wißt, die räuberischen wendischen Horden zerstört haben.
So wurde vor ungefähr hundert Jahren unser Vorfahr Harm Billung ein Christ. Die Kunde davon ver-
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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jedermann sie sehen könne. Es waren lauter kräftige, wohlgestaltete Jünglinge, mit blonden Locken und kühnblickenden blauen Augen, vierundzwanzig an der Zahl, unter ihnen der jugendliche Hermann Billung. Alsdann traten sie vor das größte der sieben Steinhäuser, wo der Gaugraf auf erhabenem Sitze Platz genommen hatte; neben ihm lagen vierundzwanzig neue Schwerter mit glänzendem Riemenzeug, um ihn herum saßen acht Greise, die Aeltesteu der Gaugenossenschaft. Jeder einzelne der Jünglinge legte hier in die Hand des Gaugrafen und der Greise das Gelübde ab, das Schwert, welches er heute empfangen sollte, zu führen zur Verteidigung des Vaterlandes, zum Schutz der heiligen Kirche und ihrer Diener, der Witwen und Waisen, zur Erlösung der Unterdrückten, zur Bekämpfung der Ungläubigen, niemals aber es zu mißbrauchen zur Unterdrückung der Schwachen, oder um sich in schnödem Eigennutz durch dasselbe zu bereichern. Nachdem von allen dies Gelübde abgelegt war, sagte der Gaugraf mit lauter Stimme: „Ist jemand in dieser Versammlung, welcher gegen einen dieser Jünglinge eine Klage hat, oder welcher bezeugen kann, daß er nicht als freier Sachse geboren ist, der trete vor und rede". Als sich niemand meldete, fuhr er fort: „So nehme ich Euch denn, im Namen der heute hier tagenden Versammlung der freien Männer aus dem Lohengau, auf in unserer Mitte als vollberechtigte Glieder unserer Gaugenossenschaft. Empfanget aus meinen Händen das Schwert; traget es als den schönsten Mannesschmuck zur Ehre Gottes und seiner heiligen Kirche, verteidiget mit demselben Euer Vaterland, Haus, Hof und Herd, beflecket es niemals mit dem Blute der Unschuld. Machet Eurem Namen als sächsische Krieger Ehre, wohin Ihr auch kommen möget, zeiget Euch wert Eurer Väter, deren Äugen heute mit Wohlgefallen aus Euch ruhen". Darauf reichte er jedem der Jünglinge ein Schwert, welches vorher vom Pater Wichmann mit geweihtem Wasser besprengt worden; und nachdem dasselbe von den Greisen den Jünglingen umgegürtet war, knieten sie alle nieder und jeder empfing von
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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gelobt. Mit gleichem Glücke wie der Herzog in Westfalen,^ kämpften seine Bundesgenossen im östlichen Teile Sachsens. Quedlinburg wurde nach kurzem Widerstande genommen, und auch die Feste Heimburg, unweit Blankenburg, fiel in die Hände der Sieger. Nach und nach ergaben sich auch die übrigen Burgen mit kaiserlicher Besatzung, und frei wie ein König herrschte jetzt Lothar
im ganzen deutschen Norden. Die schwarze Mirska im
Lande der Lutizeu hatte recht; er war schon jetzt ein
König, und es fehlte ihm zu dieser Würde nichts als der
Name.
Wer vermöchte die Freude zu schildern, die überall im ganzen Sachfenlande und besonders auf Süpplingenburg herrschte, als nach beendetem Kriege der Herzog mit den Seinen wieder zurückkehrte in die Heimat? Richenza und Bertha, Wilbrand und Rodbert und viele, viele andere gingen dem _ Helden entgegen, als er nun der Burg sich nahte, die von jetzt an der Mittelpunkt des ganzen Sachsenlandes sein sollte. Fast zu klein schien dieselbe jetzt für den königlichen Sieger, der aus dem unbedeutenden Grafen zum Herrn von ganz Norddeutschland sich emporgeschwungen. Aber er vergaß nicht, Gott die Ehre zu geben. Im Verein mit seiner Gemahlin Richenza gründete er unweit der Stelle, wo die Klause Wilbrauds sich befand, am Fuße des lieblichen Elmgebirges, ein Kloster nach der Regel des heiligen Benediktus von Nursia, und den frommen Klausner machte er zum ersten Abt desselben. Auch Rodbert fand später auf seinen Wunsch Aufnahme in diesem Kloster, und weihte ihm als dienender Bruder seine Kräfte. Ein Fest war es jedesmal für die beiden würdigen Alten, wenn der Herzog mit seiner Gemahlin und Bertha dem Kloster einen Besuch machten. Dann brachte Rodbert, was Küche und Keller zu leisten vermochten, in das kühle Refektorium, und ließ es sich nicht nehmen, bei Tische selbst die vornehmen Gäste und seinen verehrten Abt zu bedienen. So schwanden den beiden Greisen die letzten Lebensjahre, gleich einem sanften Bächlein, friedlich ~ dahin, und oft
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
Zweites Kapitel:
Ne Erinnerungen des Paters Wilbrand.
Wilbrand war einem vornehmen sächsischen Geschlechte entsprossen. Seine Wiege hatte ans einer stolzen Ritter-bnrg unweit Hildesheim gestanden, seine Neigung aber hatte ihn schon früh ins Kloster geführt, wo er sich durch Frömmigkeit und Gelehrsamkeit so sehr auszeichnete, daß Herr Heinrich, des tapfern Otto von Nordheim ältester eohn, ihn an feinen Hos zog. Siebten es doch damals die vornehmen Herren, obgleich sie meistens selbst der Wissenschaften unkundig waren, sich mit gelehrten Ordensleuten zu umgeben, gleich als wollten sie dadurch bezeugen, wie hoch sie die Gelehrsamkeit schätzten.
Herzog Heinrich, der Fette zubenannt, hielt damals in Braunschweig Hos, da er mit Gertrud, der Erbin der weiten brunonischen Besitztümer, vermählt war. Hier war es auch, wo ihm seine Tochter Richenza geboren wurde. Doch nicht lange sollte er das Glück genießen, welches durch die Geburt dieses Kindes in fein Haus eingekehrt war. Richenza war noch nicht der zartesten Kindheit entwachsen, als ihr Vater in der Blüte feiner Jahre von einer heimtückischen Krankheit dahingerafft wurde, sterbend übertrug er dem getreuen Wilbrand, über die Jugend des Kindleins zu wachen, und treulich unterzog sich dieser der ihm gestellten Aufgabe. Eine Mutter konnte nicht mehr für das Wohl ihres Kindes besorgt fein, als Wilbrand es war bei Richenza. Keine Mühe, im Dienste des geliebten Kindes angewendet, war ihm zu groß, keine Arbeit zu gering; und mehr als die eigene Mutter, aus deren Schultern nach dem Tode des Gemahls die gesamte Regierungslaft ruhte, kümmerte er sich um das Kind. Schon frühzeitig legte er die Keime des Guten in die empfängliche Seele des Mägdleins. Sie war ihm eine gehorsame Tochter, eine gelehrige und fleißige Schülerin; er unterwies sie in allen Wissenschaften, und es war nicht zu verwundern, daß sie eine über
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Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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spielten auf der Laute oder übten sich in der edlen Kunst des Schachspiels. Vom hohen Turmzimmer spähte dann wohl Richenza hinaus in die Ferne, ob noch keine Staubwolke ihr die Heimkehr des geliebten Gemahls ankündige; und wenn dann der Burgwart ins Horn stieß und die schwere Zugbrücke sich rasselnd senkte, so war sie die erste, die den Heimkehrenden bewillkommte. Mit eigener Hand nahm sie ihm den schweren Eisenhelm vom Haupte, lüftete den Panzer und wischte mit ihrem zarten Tüchlein ihm den schweiß aus dem wettergebräunten Gesicht. Wilbrand aber stand dabei und freute sich der Liebe und des Glückes des edlen Paares.
Da plötzlich drohte dieses Glück mit rauher Hand vernichtet zu werden. Der König Tod hielt seinen schauerlichen Siegeszug durch Deutschland; vor ihm her ritt sein schnellster Bote, die fürchterliche Pest. Kein Stand, kein Alter, kein Geschlecht wurde verschont; in den Hütten der Armut sowohl als auch in den Burgen der Ritter hielt er seinen Einzug. Städte und Dörfer wurden entvölkert, unbegraben blieben die Leichen in den Häusern liegen. Abgezehrte Gestalten, mit den Spuren des Wahnsinns in den blöden Augen, schlichen durch die wüsten, menschenleeren Straßen, und wer sie sah, floh entsetzt davon und verriegelte die Thüren.
Auch durch das Burgthor von Snpplingenbnrg fand die Pest ihren Weg; Richenza, die jugendliche Herzogin, wurde von der furchtbaren Seuche ergriffen. Wilbrand wich nicht von thron Lager; er benetzte ihre heißen, brennenden Lippen mit Wasser und versuchte es, den Herzog, welcher händeringend neben dem Schmerzenslager der geliebten Gemahlin stand, zu trösten. Aber es schien, als wenn all die heißen Bitten um Genesung der teuren Kranken ohne Erhörung bleiben sollte; selbst das Gelübde des Mönches, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und für den Rest seines Lebens ein Einsiedler zu werden zur Ehre Gottes und seiner Heiligen, hatte nicht den erwünschten Erfolg. Immer schneller mehrten sich die Anzeichen des nahen Todes; der Himmel blieb verschlossen,
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Extrahierte Personennamen: Wilbrand
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Snpplingenbnrg Gottes
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Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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Wenn man dem Herzog die Botschaft gebracht, daß die Harzberge plötzlich versunken und an ihre Stelle ein tiefer See getreten wäre, er hätte kaum mehr überrascht sein können, als er es war, nachdem er die Erzählung seiner Gemahlin vernommen. Ein Zweifel an der Wahrheit des Erzählten kam ihm nicht in den Sinn,, denn er kannte die Wahrheitsliebe Wilbrands und wußte, daß er sich auf sein Wort verlassen konnte. Daher sagte er zu dem Mönch, nachdem er sich von seinem Staunen erholt: „Habet Dank für Eure willkommene Botschaft, ehrwürdiger Vater; mit Freuden werde ich die Gelegenheit, die Gott mir bietet, ergreifen, um an der Tochter meiner armen Schwester wieder gut zu machen, was ich einst durch zu große Härte gefehlt. Doch sprecht, warum hat Rodbert nicht schon früher das Kind gebracht? Warum hat er nicht schon früher ein Bekenntnis abgelegt über sein vergangenes, wild bewegtes Leben und dadurch sich Ruhe verschafft vor seinem Gewissen und vor den ihm mißtrauenden Laudleuteu? Wie, wenn Ihr, ehrwürdiger Vater, nicht hinzugekommen wäret, als die wilde Schoder-stedter Rotte, mit dem fanatischen Priester an der Spitze, seine Hütte stürmen wollte? Dann wäre Bertha, das unschuldige Kind, jetzt wohl nicht mehr unter den Lebenden und niemals hätte ich von ihr erfahren. O, er hat unrecht gethan, daß er mir so lange das Kind, an das ich doch die nächsten Rechte habe, vorenthalten hat. Womit habe ich ein solches Mißtrauen verdient? Bin ich denn in meinem Herzogtum als ein Tyrann verschrien, daß er es nicht wagte, zu mir zu kommen? Wußte er nicht, daß ich ihm Dank schuldete, und daß ich schon deswegen geneigt gewesen, seine Bitte um Aufnahme der Verwaisten zu erfüllen? Den Verrat, den er als unerfahrener Jüngling an meinem Volke verübt, verzeihe ich ihm gern; noch heute habe ich diese That vor den versammelten Rittern hingestellt als das, was sie war, als die That eines mitleidigen Herzens, welches sich gedrungen fühlt, dem Verfolgten beiznstehen. Aber daß er mir so lange das Kind meiner Schwester vorenthalten hat, das verzeihe
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Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
— 13 —
und keine Antwort ward dem treuen Greis auf fein banges, verzweiflungsvolles Schreien.
In dieser höchsten Not wurde dem Herzog gemeldet, daß ein Köhler aus dem nahm Elm auf's Schloß gekommen fei und sich erbiete, die Herzogin zu retten.
Lothar hatte schon von diesem Köhler gehört; es war Rodbert, dessen Bekanntschaft auch wir bereits gemacht haben. Aber Lothar und Wilbrand wußten auch, welche Gerüchte über den geheimnisvollen Mann, dessen Herkunft niemand kannte, verbreitet waren. In dieser Zeit ging er von Haus zu Haus; er begrub die Toten, so viel er konnte, er reichte den Kranken feine felbstgefertigte Arznei; aber obgleich er täglich mit den Kranken verkehrte, so verschonte ihn dennoch die Seuche. Konnte es da wunderbar erscheinen, daß das unwissende Volk glaubte, er stehe mit höheren, unheimlichen Machten im Bunde? Selbst Lothar und Wilbrand konnten sich von diesem Aberglauben nicht frei machen, denn auch sie waren Kinder ihrer Zeit, und daher hatten sie bis jetzt nicht gewagt, feine Hülfe
in Anspruch zu nehmen. Als aber nun die Not auf’s Höchste gestiegen war, ergriffen sie dennoch die angebotene Hülfe, wie ein Ertrinkender wohl in der höchsten Not nach einem Strohhalm greift. Mit flehenden Blicken schaute Lothar auf Wilbrand, welcher gebrochen neben dem Lager feiner geliebten Herrin stand und ihre fieberheißen Hände in den Seinigen hielt. Wilbrand verstand den Herzog, ohne daß dieser ein Wort sagte. „Laßt den Mann herein kommen", rief er ihm zu; „Teufelskünste zwar soll er hier nicht üben, aber feinen Trank wollen
wir nicht zurückweisen". Bald darauf trat Rodbert in das Zimmer und schritt sogleich an das Lager der Kranken. Aber Wilbrand trat ihm entgegen. „Saget mir", rief er ihm zu, „vermöget Ihr mit Eurer Kunst die Herzogin vom Tode zu retten?" Mit fester Stimme antwortete
der Köhler: „Ich kann die Herzogin nicht retten, denn das kann nur Gott allein; aber vielleicht vermag mein Trank, wenn Gott mir gnädig ist, dies verlöschende Lebenslicht aufs neue anzufachen, und mit feiner gnädigen
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Inhalt: Zeit: Mittelalter
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
Gesandte der noch halbwilden Völker, den mächtigen Zaren von Deutschland zu beglückwünschen zu seinen Erfolgen. Eine solche Machtentfaltung, wie sie jetzt Lothar zeigte, hatte Deutschland nicht gesehen seit der ruhmreichen Zeit der Ottonen, und wiederum wurde es aller Welt offenbar, daß der sächsische Stamm an erster Stelle berufen war, die Führerrolle in Deutschland zu übernehmen.
Als die festlichen Tage von Halberstadt vorüber waren, machte sich der Kaiser ans, um in seinem Sachsenlande die Stätten, die ihm besonders teuer waren, zu besuchen, und den Welfen, der ihn begleitete, dem Volke vorzustellen. In Lüneburg verweilte er längere Zeit; er besuchte das Michaeliskloster, diese fromme Stiftung des unvergeßlichen Hermann Billuua, und ließ feinen Eidam am Grabe dieses herrlichen Ahnherrn geloben, in dessen Sinn und Geiste dem treuen Sachsenvolke ein milder und gerechter Herr zu sein allezeit. Auch Bardowiek, die reiche Handelsstadt, besuchte er, und das aufstrebende Hamburg, das schon damals ein Sammelpunkt war für die Schiffe aller Länder. Bis an den fernen Grenzwall in Jütland lenkte er seine Schritte, jedoch nicht als ein Kriegsmann, sondern als ein Friedefürst. Dann kehrte er zurück nach Braunschweig, wo er das von seiner Schwiegermutter Gertrud gegründete Egydienkloster mit reichen Geschenken bedachte; auch Steterburg, die Gründung der frommen Gräfin Frederunde von Oelsbnrg, erfreute sich der Ehre des kaiserlichen Besuches. Am meisten aber lag ihm das Kloster am Herzen, welches er einst selbst am Fuße des Elmgebirges am Lutterbach gegründet. Rasch war dasselbe aufgeblüht und bereits ein lebendiger Mittelpunkt geworden für das geistige Leben der ganzen Umgegend; denn der Abt Eberhard, welchen nach dem Tode des wackern Wilbrand Lothar auf Anraten des Erzbischofs Norbert aus dem Johanniskloster in Magdeburg berufen, verstand es, tüchtige und gelehrte Mönche aus ganz Deutschland dort versammeln. Bald nach seiner Rückkehr aus Italien legte der Kaiser neben dem Kloster den Grundstein zu einer prächtigen Kirche, welche
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Inhalt: Zeit: Mittelalter
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der Kerzen, die auf dem Sarge seiner Gattin brannten, die Vorladung, laut welcher der Priester Gottschalk von Berne, angeklagt der Gotteslästerung und des Mordes, sich nach drei Tagen auf der Dingstätte zu Berne vor dem heiligen Gericht der Feme stellen sollte. Diese Vorladung überreichte er dem Fronvogt, damit er sie noch in derselben Nacht an der Wohnung des Priesters anheftete.
Aber so heimlich die Versammlung im Hanse des Freischöffen auch abgehalten war, so sorgfältig auch jeder nicht Eingeweihte fern gehalten war von derselben, so waren die Männer doch bei ihrem geheimnisvollen Thun belauscht worden.
Vom Kloster Hude herüber kamen an demselben Tage zwei Mönche, welche im Aufträge ihres Priors nach Osterstade wollten. Die Nacht hatte sie ereilt, ehe sie die Weser überschreiten konnten, und sie sahen sich nun nach einer Herberge um, wo sie des Nachts bleiben möchten. Die meisten Häuser lagen schon im Dunkeln, als sie nach Bardenfleth kamen; nur aus dem Hanfe des Freischöffen drang noch heller Lichtschein. „Laßt uns", sprach deshalb der eine Mönch zu dem andern, „nach dem Hause des Freischössen gehen; sein frommes Weib wird uns wohl aufnehmen, uns Speise und Trank reichen, und morgen in der Frühe setzen wir unsern Weg fort." Denn die frommen Brüder wußten noch nichts von dem, was sich in den letzten Tagen im Stedingerlande und besonders im Hause des Freischöffen begeben hatte. Wohlgemut schritten sie auf das gastliche Haus zu; wie erstaunten sie aber, als sie die Thüren desselben fest verschlossen fanden! Durch ein niedriges Fenster konnten sie aber in das Haus hineinblicken, und was sie dort sahen, erfüllte sie mit Granen und Entsetzen. Was hatte diese geheime Versammlung in dem Hause zu nächtlicher Zeit zu bedeuten? Wer war es, der regungslos iu dem offenen Sarge lag? Wer war der bleiche Mann, bei* wie ein Erzbilb an der Seite des düster flackernden Herbfeuers staub, zu dem jetzt alle herantraten und ihn mit den
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