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1. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 438

1913 - Wittenberg : Herrosé
438 besitzt nicht den Ehrgeiz mancher Herrscherinnen, in die Geschicke der Völker einzugreifen. Desto mehr weiß ihre Familie von ihr zu erzählen, desto besser kennen sie die Kirchen, die Krankenhäuser, die Hospitäler und Waisenanstalten. Wie ein stiller Engel er- scheint sie in deren Räumen, um ihrem frommen und guten Herzen genugzutun. Richt rauschende Hymnen begleiten ihre Liebeswerke, aber die Dankesworte und Segenswünsche der Armen und Leidenden, denen sie Helferin und Trösterin ist. Nach A. Willenberg. 247. Deutsche Worte. Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an. das halte fest mit deinem ganzen Herzen, hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft; dort in der fremden Welt stehst du allein, ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt. Schiller. Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt. Fürst von Bismarck. Deutsch der Rhein und deutsch der Wein, deutsche Sprach' und deutsche Sitte von dem Throne bis zur Hütte. Alois Schreiber. Treue Liebe bis zum Grabe schwör' ich dir mit Herz und Hand, was ich bin und was ich habe. dank' ich dir, mein Vaterland! £ offmann von Fallersleben. 248. Die Auswanderer. 1. Ich kann den Blick nicht von euch wenden, ich muß euch anschaun immerdar; wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen dem Schiffer eure Habe dar! 2. Ihr Männer, die ihr von dem Nacken die Körbe langt, mit Brot be- schwert, das ihr aus deutschem Korn ge- backen, geröstet habt auf deutschem Herd. 3. Und ihr im Schmuck der langen Zöpfe, ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank, wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe auf der Schaluppe grüne Bank! 4. Das sind dieselben Töpf' und Krüge, oft an der Heimat Born gefüllt! wenn am Missouri alles schwiege, sie malten euch der Heimat Bild:

2. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 415

1913 - Wittenberg : Herrosé
415 immer größer. Trotzdem besorgte sie die Pflege lange allein. Ihre Hingabe an diese Lebensaufgabe kannte keine Grenzen. In allen Ortschaften des Tales richtete sie die Bewahranstalten selbst ein. Dabei scheute sie nicht die schlechten Wege. sie ließ sich von ihren Gängen durch keine Witterung abhalten. Erschöpft und durchnäßt, von Kälte erstarrt, kehrte sie oft von diesen Wegen der Barmherzigkeit ins Pfarrhaus zurück und ließ es sich nicht nehmen, hier noch bei der Arbeit behilflich zu sein. Für die Kinder des Hauses sorgte sie, als ob es ihre eignen Geschwister wären. In den schweren Zeiten der Revolution, in den Schrecken eines Hungerjahres, in Krankheit und Leid stand sie treu zu ihrer Herr- schaft. Und als ihre gütige Herrin starb, da wurde sie den sieben Kindern eine zweite Mutter. Und für die seltene Hingebung nahm sie nichts an. als was zur Bestreitung der leiblichen Bedürf- nisse notwendig war. Ihr schönes Herz. ihre edle Uneigennützigkeit spricht sich am rührendsten in dem Briefe aus, den sie nach dem Tode der Frau Oberlin zum Neujahr 1797 an ihren geistigen Führer schrieb. Er lautet: Lieber und zärtlicher Vater! Erlauben Sie mir, daß mit dem Beginn des Jahres ich von Ihnen eine Gnade begehre, nach welcher ich schon lange trachte. Da ich nun ganz frei stehe. d. h., da ich meinen Vater und dessen Schulden nicht mehr zu tragen habe, so bitte ich Sie. lieber Vater, versagen Sie mir die Gnade nicht, mich ganz zu Ihrem Kinde an- zunehmen; geben Sie mir nicht den geringsten Lohn in Zukunft. Da Sie mich in allem wie Ihr Kind halten, so wünsche ich es auch in dieser Hinsicht zu sein. Ich brauche wenig zu meinem körper- lichen Unterhalte: was einige kleine Ausgaben verursachen könnte, sind Kleider. Strümpfe. Holzschuhe, und wenn ich solcher bedarf, so will ich es Ihnen sagen, wie ein Kind seinem Vater. O ich bitte Sie, lieber Vater, gewähren Sie mir diese Gnaden, und sehen Sie mich an als ihr treu ergebenes Kind Luise. Oberlin nimmt sie freudig als Tochter ün. sucht ihr aber für ihre ausgezeichneten Dienste auf Umwegen Geld zukommen zu lassen. Luise merkt aber gar bald die List und bittet inständig, davon abzustehen. Dem guten Oberlin bleibt nichts übrig, als die Bitte zu erfüllen, und nun jubelt Luise über das große Glück, die freie Tochter eines guten Vaters zu sein. Luise wirkte so jahrelang in der engen Welt. die von Fels- wänden abgeschlossen war. Die Welt hinter den Bergen kannte sie nicht. Aber der Ruf von der frommen Gründerin der Kinder- bewahranstalten schwang sich über die Vergspitzen hinweg, drang immer weiter in das Land und erreichte auch die glänzende Stadt Paris. Da hatte ein reicher Graf eine ansehnliche Summe Geldes gestiftet, die unter besonders brave und tugendhafte Mädchen des Volkes verteilt werden sollte. Die französische Akademie, der die Verteilung oblag, erkannte einstimmig der edlen Luise einen

3. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 424

1913 - Wittenberg : Herrosé
— 424 — freundlichen Eigenschaften in Weimar geliebt und verehrt. In den schweren Kriegszeiten, die damals Deutschland heimsuchten, nahm sie sich in ihrem Ländchen besonders der Verwundeten, der Kranken und der Armen an, so daß sie als der „Friedensengel der im Kampfe Verwundeten" gepriesen ward. Als sie dann das Glück hatte, noch eine lange Friedenszeit zu erleben, führte sie mit ihrem Gemahl ein stilles, glückliches Familienleben, umgeben von blühenden Kindern und einem Kreise hervorragender Männer. Die vortrefflichen Eigenschaften der Mutter sind später in ihrer Tochter A u g u st a wieder aufgelebt. Sehr jung. am 11. Juni 1829, war diese Gemahlin des damaligen Prinzen Wil- helm von Preußen geworden; aber sie war noch kein Jahr in der neuen Heimat, als man schon von ihrer offenen Hand zu er- zählen wußte. Schon damals hat sie manche Träne getrocknet, viel Elend gemildert und namentlich auch vielen kränklichen Kindern geholfen. Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms Iv. im Jahre 1840 erhielt Prinz Wilhelm den Titel eines Prinzen von Preußen, er war der Nächste am Throne; mit ihm fühlte sich seine Gemahlin als die Nächste in den Pflichten dieser erhabenen Stellung. Wo es eine Sammlung galt zu wohltätigen Zwecken, ein rasches Geben bei plötzlichen Unglücksfällen, da war die Prinzessin von Preußen die erste, die gab, die reichlich gab, oft über ihre Mittel. Nicht selten mußte sie sich selbst einen Lieblingswunsch versagen, um nur geben zu können, wie ihr Herz es wünschte. Und wo die Mittel nicht zureichten, verkaufte sie von ihren Schmucksachen. Öfters wohl scherzte der spätere Kaiser Wilhelm I. mit ihr über ihre Passion des Gebens. Sie nahm die erstaunten Blicke ihrer Schwägerin, der Kaiserin von Nußland. über ihre bescheidene Kleidung hin und tröstete sich mit ihrem guten Bewußtsein. Lange Jahre weilte Augusta am Rhein, da ihr Gemahl damals den Posten eines Gouverneurs der Rheinlande bekleidete. Koblenz ward ihr Lieblingsaufenthalt, und bis in ihr letztes Lebensjahr kehrte sie gern dahin zurück. Hier begann sie auch zu- erst in bezug auf barmherzige Liebe schöpferisch vorzugehen. Hier konnte sie zum erstenmal in größerm Umfange betätigen, daß sie fest gewillt sei. als Wohltäterin der Armen und Kranken in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und die Mahnworte zu erfüllen, die der Oberhofprediger Röhr bei der Konfirmation ihr zugerufen hatte: „Wo auch dereinst Ihr Wirkungskreis sein möge. immer mögen Sie sich bemühen. Tränen zu stillen, Wunden zu heilen. Kummer zu lindern und frohe und glückliche Menschen zu machen." In Koblenz rief Prinzessin Augusta wohltätige Anstalten ins Leben. Sie kannte hierbei keinen Unterschied des Bekenntnisses; allen Kranken- und Waisenhäusern wandte sie gleichmäßig ihre Gunst und ihre Unterstützungen zu. Was aber noch wertvoller war und ihr bald aller Herzen gewann, das waren die Besuche, die sie selbst den Notleidenden und Hilfebedürftigen abstattete.

4. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 426

1913 - Wittenberg : Herrosé
— 426 — Bestrebungen zu schaffen. So trat 1864 zum erstenmal das „Zentralkomitee des Vereins zur Pflege verwundeter und er- krankter Krieger" ins Leben und entfaltete unter der begeisternden und anfeuernden Führung der Königin eine überaus segensreiche Wirksamkeit. Die Königin trat an die Spitze der gesamten deutschen Krankenpflege, in den Dienst des Roten Kreuzes der Genfer Konvention, das jetzt mit einem Male von allen Laza- retten. von allen Arbeitsstuben der Barmherzigkeit wehte. Un- ermüdlich sorgte die Königin für die Ausbildung von tüchtigen Pflegern und Pflegerinnen, und sie ermunterte die Ärzte zur Verbesserung der Behandlung Verwundeter. Auf den Dänischen Feldzug 1864 folgten zwei Jahre des Friedens. Man benutzte sie dazu, das weiter auszubauen, was man im Kriege erprobt hatte. Als dann im Jahre 1866 der Deutsche Krieg ausbrach, der Preußen an die Spitze Deutschlands stellen sollte, da erwies sich von neuem die hohe Bedeutung einer richtig geleiteten freiwilligen Krankenpflege. In allen deutschen Staaten hatten sich inzwischen Vereine und Verbände gebildet, und es war ein glücklicher Gedanke der Königin Augusta, sie alle, deren Zahl sie noch auf 715 anwachsen sah. zu einem „Zentral- verein vom Roten Kreuz" zusammenzufassen, der, wie ein Geschichtsschreiber jener Zeit treffend sagte, und wie es auch Kaiser Wilhelm I. offen ausgesprochen hat. „die deutsche Einheit barmherziger Liebe schuf, als die politische Einheit noch ein Ziel frommer Wünsche war." Wie das Reich alle Zeit gerüstet sein muß. einem Angriff von außen zu begegnen, so muß auch die Liebe gerüstet sein für den Tag. da die Wunden und Kranken ihrer Hilfe begehren. Das war der Gedanke der Königin, und ihre Pläne gewannen Gestalt zu- erst durch die Stiftung des „Vaterländischen Frauen- vereins" unmittelbar nach dem Kriege von 1866. Dieser Ver- ein, der sich bald über ganz Preußen erstreckte, erhielt als Auf- gabe, in Kriegszeiten die Verwundeten und Kranken zu pflegen, in Friedenszeiten aber nach Möglichkeit jeder Rot und Bedräng- nis zu begegnen und die Erziehung der Kinder der untersten Volkskreise sowie die Fortbildung der Mädchen und Frauen zu fördern. Als wirklicher Nothelfer erwies sich der neue Verein zum ersten Male im Jahre 1868 bei dem großen Notstand in Ost- preußen. der bis zum Hungertyphus führte. Die Königin selbst veranstaltete im Berliner Schlosse einen großen Bazar zum Vesten der Notleidenden. Und dann kamen die unvergeßlichen Tage 1870/71, da auf den französischen Schlachtfeldern die Blume der deutschen Einig- keit erblühte. König Wilhelm 1. richtete den Orden vom Eisernen Kreuz wieder auf. Fürst Pleß ward an die Spitze der freiwilligen Krankenpflege gestellt. Das Oberkommando aber sozusagen übernahm die Königin. Auch sie bot ihren Heerbann auf: Der

5. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 428

1913 - Wittenberg : Herrosé
— 428 — Hospitäler werden gegründet oder unterstützt. Näh- und Flick- schulen. Volks- und Schulküchen sowie Suppenanstalten werden aus Vereinsmitteln unterhalten. Armen Kindern wird der Weihnachtsbaum angezündet und der Weihnachtstisch mit Gaben bedeckt, und arme Kommunionkinder und Konfirmanden werden zum ersten Gange an den Tisch des Herrn mit Kleidung versehen. Wo immer Not zu lindern oder im Unglück Hilfe zu bereiten war. da hat man sich nie vergeblich an das weiche, warm fühlende Herz der Kaiserin Augusta gewandt, das fremdem Leide stets zu- gänglich war. Eine sinnige Huldigung brachte Kaiser Wilhelm I. seiner Gemahlin und den von ihr so wirksam geförderten Be- strebungen dadurch dar, daß er an seinem 74. Geburtstage, nach- dem er tags zuvor den ersten deutschen Reichstag eröffnet hatte, das Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen stiftete, die sich unter der Oberleitung der Kaiserin der Pflege der verwundeten Krieger gewidmet hatten. Verehrt das deutsche Volk in der Königin Luise die Märtyrerin auf Preußens Thron, der das schwere Schicksal des Vaterlandes das Herz gebrochen, so wird es in der Kaiserin Augusta verehren die barmherzige Samariterin. die zu allen Zeiten, selbst in den Tagen des eignen Unglücks, nur die eine Absicht hatte, das Elend zu mildern und die Tränen der Un- glücklichen zu trocknen. An ihrem Sarge im Januar 1890 sprach der Hofprediger u. a. folgende Worte: ..Wie sie vorlieb nahm mit den Wegen Gottes, auch wenn dieselben auf steile Höhen oder in dunkle Tiefen führten, wie sie sich umfangen wußte von Gottes Barm- herzigkeit und Geduld, reingewaschen durch das Blut des Lammes, das der Welt Sünde trägt, so war in ihr ein Zug des Mitleids und der Barmherzigkeit rege für alles, was elend und siech, was wund und verloren ist . . . Neben dem alten Kaiser, dem Ritter des Eisernen Kreuzes, steht sie, die Samariterin von Gottes Gnaden, mit dem Zeichen des Roten Kreuzes, beide ein ebenso schlichtes wie großes Kaiserpaar mit der Signatur: vom Dienst zum Diadem, vom Diadem zum Dienst; wenn das Leben köstlich gewesen ist. so ist es Mühe und Arbeit gewesen." Nach Ernst Schreck. 242. Das Rote Kreuz. 1. Du rotes Kreuz auf weißem Grunde — ' der ew'gen Liebe hehres Bild — wie leuchtest du so göttlich mild in wutdurchraster Schlachtenstunde, wenn auf dem blutgetränkten Feld der Rettungsengel Rundschau hält. 2. Wie manches Auge, schmerzumnachtet. hob' nie die Wimpern mehr empor.

6. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 227

1913 - Wittenberg : Herrosé
227 — oder in einem Schuppen, vielleicht auch in einem Stalle oder auf freiem Felde sein mühseliges Leben beschlicht. Die jüngste Statistik über die Zahl der Verkrüppelten hat ergeben, daß in Deutschland eine halbe Million Menschen diesem unsäglichen Elend preisgegeben sind. Die Möglichkeit dieser traurigen Tatsache aber wurzelt erwiesenermaßen fast ausschließ- lich darin, daß bisher im allgemeinen wenig, noch sehr wenig für die Ärmsten der Armen geschehen ist. Zu helfen, wenn auch nur bessernd, wäre in jedem, selbst dem schwersten Falle gewesen; nur waren die Wege, in so vielen Fällen man solche zu diesem Zwecke überhaupt eingeschlagen hatte, nicht die richtigen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Orthopädie — d. h. die ärztliche Wissenschaft und Kunst, Verkrümmungen und Verun- staltungen der Wirbelsäule und der Gliedmaßen durch eigentüm- liche Verbände, entsprechende körperliche Übungen, Zerschneidung und Streckung von Muskeln. Anwendung der Elektrizität usw. zu heilen — nach und nach zu einer so vollendeten Gestaltung ent- faltet, daß es heute wirklich gelingt. „Lahme gehen zu machen". Spezialärzte für Krüppelheilkunde haben sich bereits in vielen größern Städten niedergelassen und durch ihre erfreulichen Er- folge bewiesen, daß die meisten orthopädischen Leiden einer gänz- lichen Heilung fähig sind, wenn sie nur frühzeitig genug zur Behandlung kommen, oder doch wenigstens gebessert werden können, solange sie überhaupt noch einer Behandlung fähig sind. Die Krüppelfürsorge, die -sich auf die Krüppelheilung, -aus- bildung und -pflege erstreckt, ist naturgemäß in erster Reihe Auf- gabe des Elternhauses, der Familie. Für die Krüppelheilung gilt als erstes Erfordernis, daß die Kinder, die mißgestaltet zur Welt kommen oder infolge von Krankheit Krüppel zu werden drohen, rechtzeitig dem Arzte zur Untersuchung vorgestellt werden. Ist nach ärztlichem Gutachten Aussicht auf Heilerfolg vorhanden, so soll das Kind unverzüglich in eine orthopädische Anstalt geschickt werden. Unbemittelte Eltern wenden sich vorteilhaft an den zuständigen Armen- oder Kreisarzt um Ausstellung eines Attestes, um auf Grund desselben die Unterbringung des Kindes in eine Anstalt auf Gemeindekosten bei der Armenverwaltung beantragen zu können. Ergibt die ärztliche Untersuchung, daß jede Aussicht auf Heil- erfolg ausgeschlossen ist. so gibt es für den Krüppel nur die eine Frage: Was soll aus ihm werden? In diesem Falle empfiehlt es sich, den Prospekt eines Krüppelheims kommen zu lassen, der über die auch für Krüppel geeigneten Berufe Aufschluß gibt. Der Krüppel soll einen Beruf ergreifen, der ihm nach seinem eignen Willen als der passendste und liebste erscheint, und dem er in bezug auf seine körperlichen Fähigkeiten gewachsen ist. Für diejenigen Krüppel, deren Zustand derart ist. daß sie sich selbst und andern zur Last fallen, hat die menschliche Nächstenliebe erfreulicherweise Mittel und Wege gefunden, ihnen ihre Heimat 15*

7. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 324

1913 - Wittenberg : Herrosé
324 und Leidende noch viel reicher entfaltet. Wo Christi Geist Leben weckte unter den mancherlei Vekennern seines Wortes, da gilt auch die Tugend der Barmherzigkeit als schöne Pflicht und zeigt sich als rechte Liebesäuberung aller Jünger des Herrn. Aus der großen Schar dieser edlen Nachfolger des Heilandes ragen besonders folgende hervor: Vinzenz de Paula. Er war 1576 im südlichen Frankreich geboren und wurde in einem Alter von 25 Jahren zum Priester geweiht. Bald darauf nahmen ihn bei einer Küstenfahrt See- räuber gefangen und schleppten ihn nach Tunis, wo man ihn als Sklaven verkaufte. Sein Herr, ein früherer Christ, war zum Islam übergetreten. Die christliche Ergebenheit und aufrichtige Frömmigkeit des neuen Sklaven machten aber auf seinen Herrn einen so tiefen Eindruck, daß er mit dem freigegebenen Vinzenz nach Frankreich zurückkehrte und das Christentum wieder annahm. Vinzenz wurde Pfarrer in einem armen Städtchen und ließ es sich besonders angelegen sein, der leiblichen Not der Armen ab- zuhelfen. Er ordnete die Verteilung der Almosen und gründete einen Unterstützungsverein, in dem fromme Frauen die Bedürf- tigen aufsuchten und ihnen liebreich halfen. In einem andern Orte baute er für die unsäglich elenden Galeerensklaven ein Krankenhaus. Im Vurgundischen bildete er eine Genossenschaft, die das Vetteln bekämpfte, die Hilfsbedürftigen unterstützte und sie aus leiblichem und sittlichem Elend herausriß. Für arme Reisende und zeitweilig Obdachlose gründete er eine wohltätige Herberge, überall verstand er es, seine Mitchristen zur Mithilfe bei solchen Liebeswerken heranzuziehen. Zahlreiche Frauen suchten nach seinem Beispiel die Not zu lindern in Dachstuben und Kellern und in Gefängnissen. Sooft er auch Undank, ja Widerstand erfuhr, nimmer ließ er sich abschrecken, nimmer wurde er müde, zu helfen. Im Jahre 1634 stiftete er die Genossenschaft der Barm- herzigen Schwestern. Unverheiratete Frauen, die sich nur der Aufgabe widmeten, Kranke zu pflegen, vereinigte er zu die- sem Liebeswerke. Mehrere ähnliche Vereinigungen gingen im Laufe der Zeit aus diesen Vinzentinerinnen hervor, die gewöhn- lich wegen ihrer grauen Kleidung „Graue Schwestern" genannt werden. Wo Hilfe not ist. da erscheinen sie im Aufträge ihrer Obern und pflegen mit größter Sorgfalt, Hingebung und Selbst- verleugnung. Sie wachen bei Schwerkranken und vollziehen pünkt- lich die Anordnungen des Arztes; nichts ist ihnen zu schwer, zu abstoßend, zu mühsam. Sie dienen ihrem Heiland in den Kran- ken, nehmen für sich keinen Lohn und stärken sich an dem Worte: „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen." — Heute beträgt die Zahl der Barmherzigen Schwestern mehr als 50 000. Sie arbeiten in allen Ländern, unter allen Nationen und Religionen; von jedem, der ihr segensreiches Wirken kennt, sind sie hochverehrt, wes Glaubens er auch sein mag.

8. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 325

1913 - Wittenberg : Herrosé
'1 — 325 — Vinzenz de Paula widmete sein ganzes Leben solcher Liebes- tätigkeit. 1660 entschlief er. Siebzig Jahre nach seinem Tode hat die Kirche ihn heilig gesprochen. Theodor Fliedner. Er ist der Begründer des evangelischen Diakonissen -Amtes. Er war im Jahre 1800 geboren und kam schon mit 22 Jahren ins Pfarramt der armen, kleinen Ge- meinde Kaiserswerth am Rhein. Auf Reisen in Holland und England sammelte er milde Beiträge für seine Armen; zunächst stiftete er (1833) ein Zufluchtshaus für aus dem Gefängnis ent- lassene Frauen, denen es nicht selten durch allerlei unchristliche Vorurteile schwer gemacht ist. ein besseres Leben zu beginnen. Bald darauf (1835) gründete er in Düsseldorf die erste Klein- kinderschule in Deutschland, in der Kinder, die das schulpflichtige Alter noch nicht erreicht haben, von sogenannten Schulschwestern behütet und zu Spiel und leichter Arbeit angeleitet werden. Mit der (1836) zu Kaiserswerth errichteten Kleinkinderschule ver- band er eine Anstalt zur Ausbildung von Kleinkinderlehrerinnen. Sein Hauptwerk aber ist die Gründung der evangelischen Dia- konissenanstalt zu Kaiserswerth. Die Diakonissen (d. h. wörtlich „Dienerinnen", weil sie dem Heiland dienen wollen) verfolgen dieselben Zwecke wie die Grauen Schwestern, es sind die barmherzigen Schwestern der evangelischen Kirche; sie stehen in ihrer Liebestätigkeit ihren katholischen Vor- bildern nicht nach, sind aber im Gegensatz zu jenen nicht auf Lebenszeit an ihren Beruf gebunden, sondern dienen ihrem Herrn ohne den Zwang eines Gelübdes in freier Liebestütigkeit bei Kranken. Armen und Elenden aller Art. Zahlreiche ähnliche Anstalten (über 60) haben sich nach dem Muster der Kaisers- werther an vielen Orten gebildet, und die Zahl der Schwestern, die in allen Teilen der Welt arbeiten, beträgt gegen 10 000. — In Kaiserswerth schließen sich an die genannten Anstalten noch an: ein Krankenhaus, ein Seminar für Lehrerinnen, ein Waisen- stift für Mädchen, eine Heilanstalt für weibliche Gemütskranke u. a. Im Jahre 1861 starb Pfarrer Fliedner; sein Gedächtnis lebt nicht nur in diesen seinen Liebeswerken, sondern auch in zahlreichen erbaulichen Schriften fort. In England wirkte in reichem Segen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine edle Frau, die sich zur besondern Auf- gabe gemacht hatte, das Wort des Herrn in Erfüllung zu bringen: „Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen." Es war Elisabeth Fry (sprich Frei), aus reicher Familie gebürtig und verheiratet mit einem Londoner Kaufmann. Die Rot der Gefangenen, vorzugsweise die der gefangenen Frauen, war ihr zu Herzen gegangen. Sie besuchte diese nicht nur in den Ge- fängnissen. sondern gründete Vereine, die den bis dahin un- beschäftigt ihre Haft Verbüßenden Arbeit gaben; sie gründete Schulen für Gefangene und deren Kinder. Auf jede Weise wirkte sie belehrend und bessernd auf die Unglücklichen ein. j

9. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 326

1913 - Wittenberg : Herrosé
— 326 — Bei ihrer unermüdlichen Tätigkeit nach außen versäumte Elisabeth Fry doch nicht die Pflichten, die ihr als Hausfrau. Gattin und Mutter oblagen. Sie starb im sechsundsechzigsten Lebensjahr (1845), hochgeehrt von Fürsten und dankbar beweint von Tausenden, die sie vor tiefem Fall bewahrt und auf den Weg des Guten gewiesen hatte. Der „Engel der Gefängnisse", das war der Ehrenname, den das Volk ihr gab. August Hermann Ñrancke, der Gründer des H a l l e s ch e n Waisenhauses (1698), nahm sich besonders der armen, ver- waisten Kinder an. Mit sieben Gulden, die ihm einmal eine fromme Frau für die Armen spendete, fing er sein Werk an. und heute umfaßt die Anstalt in Halle zahlreiche Gebäude mit vielen Pfleglingen und Lehrern. Viele Waisenhäuser wurden seit Franckes Zeit gestiftet, so z. V. zu Königsberg, Potsdam (Militärwaisenbaus), zu Züllichau (1719), zu Stettin (1730), zu Vunzlau (1754). Iobann Heinrich Wichern, 1808 zu Hamburg geboren, wurde schon als Jüngling von dem heißen Verlangen erfaßt, dem Heilande in seinen armen Brüdern zu dienen und mit dem Worte Gottes den Verirrten und Verlornen nachzugehen. Das Elend der verwahrlosten und verwilderten Kinder ging ihm zu Herzen. Ein frommer Hamburger Rats- herr überaab ihm im Dorfe Horn bei Hamburg ein altes Haus mit Strohdach, das nach seinem frühern Besitzer Rüge den Ramen ..Ruges Haus" führte. Daraus wurde der Name „Rauhes Haus". Hier zog der junge Pfarrer Wichern. begleitet von seiner Mutter und seiner Schwester, im Jahre 1833 mit 12 verwabrlosten Knaben ein. Das war der Anfang des weltbekannten Rauben Hauses. Um in weitern Kreisen zu wirken, bedurfte es hingebender Männer, die christlich gesinnt, treu und zu diesem Berufe ge- schickt waren. Deshalb unternahm Wichern die Heranbildung solcher Gehilfen. Sein Rettungshaus wuchs. Gehilfen wurden erzogen. Aus allen Gegenden flössen reiche Beiträge zur Er- haltuna d^ese^ christlichen Werkes, und heute umfaßt die Anstalt zu Horn ein Rettunoshaus für sittlich verwahrloste Kinder, eine Erziehungsanstalt für Kinder höherer Stände. Bildungsanstalten für Kranken- und Eefangenenpfleger. für Erzieher in Rettungs- häusern: zahlreiche Lebrer und Geistliche sind hier tätig, und reich ist der Segen, der sich durch Vorbild und Schrift von Wicherns Tätigkeit über die ganze Erde verbreitet hat. Er starb 1881, im Jahre 1858 hatte der König von Preußen ihn in Anerkennung seiner Verdienste zum Oberkonsistorialrat ernannt. Wenn die eben geschilderten, von kleinem Anfange ausgehen- den und mühsam begonnenen Werke der Barmherzigkeit durch den göttlichen Segen, der jeder guten Tat anhaftet, solche Aus- breitung fanden, dann wird der ohne Beispiel dastehende Erfolg werktätiger Nächstenliebe, die von einer erlauchten Herrscherin auf dem Throne in überreicher Fülle sich über ihr ganzes Volk

10. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 327

1913 - Wittenberg : Herrosé
327 ergoß, uns nicht wundernehmen. Die Fürstin ist keine geringere als die Gemahlin des Heldenkaisers Wilhelm I.. die Kaiserin Auqusta, deren Strahlenkranz der Barmherzigkeit an andrer Stelle enthüllt werden soll. So sind in der Gegenwart Tausende von frommen Christen bemüht, einzelne und in Vereinen, ohne Ansehung der Abstammung und Religion den ins Elend und Unglück Geratenen aufzuhelfen und sie zu retten aus leiblicher und geistiger Not. Christliche Liebestat hilft aber auch vielfach noch in andrer Weise: Blinde und Taubstumme finden Aufnahme, liebevolle Behandlung und geeignete Erziehung und Unterweisung in musterhaft geleiteten Anstalten; Geisteskranken und Blödsinnigen, entlassenen Sträf- lingen und Arbeitslosen werden Heil- und Zufluchtsstätten ge- währt. Christi Geist ist es, der da wirkt auf allen Wegen, öffent- lich und im Verborgnen. Der Same aber, den jene „Fürsten im Reiche der Liebe", von denen wir oben einige nannten, aus- gestreut. trägt tausendfältige Frucht, so daß. je länger, je mehr. immer weitere Kreise des Volkes dem leuchtenden Vorbilde jener Pfleger der Barmherzigkeit nachfolgen zum Segen der Brüder. N. Waeber. (Gekürzt.) 204. Ein Tag aus dem Leben einer Krankenschwester. 1. Der Tag beginnt zu grauen. Im Garten des Kranken- hauses pfeift die Drossel und verkündet vielen der Leidenden, die in dem geräumigen Gebäude auf Genesung warten, daß die Nacht zu Ende geht. Gar manche Brust hebt sich da unter einem Seufzer der Erleichterung; denn die Nacht, die dem Gesunden den erquickenden Schlaf bringt, bedeutet für nicht wenige Kranke nur eine Vermehrung ihrer Leiden. Auch auf der Krankenstation, auf der Schwester Elisabeth ihre stille, segensreiche Tätigkeit entfaltet, sind nur einige Augen noch geschlossen. Hin und wieder hebt schon eine Kranke den Kopf aus den Kissen, um nach der Tür zu blicken, durch die die treue Pflegerin bald eintreten mutz. Und richtig! Kaum hat die Uhr im Hausflur mit weichem Klange das Ende der sechsten Stunde verkündet, als sich die Tür geräuschlos öffnet und Schwester Elisabeth eintritt. Ihr Blick gleitet von einer Kranken zur andern, und traurig lächelnd schüttelt sie den Kopf. Die gute Schwester ist betrübt, so viele ihrer lieben Pfleglinge bereits wach zu finden. Weiß sie doch. datz der Schlaf für die armen Kranken heilkräftiger ist als alle Arzneien. Jetzt tritt sie an das Krankenbett, das der Tür zunächst steht, und beugt sich teilnehmend über die Kranke. „Wieder eine schlechte Nacht gehabt?" flüstert sie ihr dabei zu. „Verlieren Sie nur den Mut nicht! Hoffen Sie das Veste von der neuen Arznei, die Ihnen der Arzt heute geben will. Sie hat schon vielen unsrer Kranken geholfen. Vorhin bei der Morgen-
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