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modern Schuppen und Schmieden. Das dichte Gestrüpp geht uns bis ans
Knie; wir waten darin, indem wir die schmalen Pfade verlieren. Mir
ahnt, daß es hier von Giftschlangen wimmele, und ich habe unvorsichtiger-
weise meine niedrigen, weißen Schuhe anbehalten. Doch ich will nicht
zurückbleiben, und so waten wir bei sengender Glut weiter, indem wir uns
trotz der Kürze der Entfernung zeitweilig verirren und hin- und her sucheu
müssen.
(6. Der Nicaraguasee.) Der Nicaraguasee oder See von Granada,
wie ihn die Einheimischen nennen, hat Süßwasser von einer graugrünlichen
Färbung; dieser Ton beeinträchtigt die Schönheit des Wassers etwas, das
sich mit dem unserer norddeutschen Seen, nicht mit dem blauen oder grünen
Kristall unserer europäischen Gebirgsseen vergleichen läßt. Der See ist von
nordamerikanischen Marineoffizieren ausgelotet und in seiner ganzen Be-
fchaffenheit wohlbekannt. Eine außerordentliche Merkwürdigkeit sind seine
zahlreichen und gewaltigen Haifische, die genau den Haien des salzigen
Atlantic gleichen. Vielleicht sind deren Ureltern bei der Bodenhebung
zurückgeblieben und haben sich dem brackig und dann süß werdenden Wasser
angepaßt. — Ein Krokodil strich durch die Wellen, Fidelin! Der alte
Alligator befand sich offenbar auf weiter Reise nach den Inseln hinüber;
er schwamm, etwas über die Oberfläche ragend, prächtig. Auf einen Schuß
hin erschrak er und verschwand. Man nimmt dann schmeichelhafterweise
immer an, daß man ihn getroffen habe. Am interessantesten bleibt der
Blick auf die im Ferndunst aufsteigenden Juselvulkaue Madera (1268 m)
und Ometepe (1720 m). Nach nordöstlicher Richtung glitzert der uu-
begrenzte Meereshorizont, uns zur Seite erstrecken sich mit Urwald bedeckte
Bergzüge; Urwald auch rückwärts auf deu Llaüuras vou Costarica mit
der darüberragenden und auf Nicaraguagebiet zum Pacific streichenden
Vulkankette. Die Landschaft zur Rechten würde ohne die Palmen etwas
Europäisches gehabt haben. Wir steuerten zwischen anmutigen Gruppen
von Küsteuinseln durch, wobei wir viele weiße Reiher sahen. Dann tauchte
das Dorf San Miguelito an sanft ansteigendem grünen Plan auf, in der
Höhe von einer weißen Bretterkirche gekrönt. Als Anfangspunkt der gerade
in Absteckung begriffenen Bahn, die vom See hinüber nach Monkey Point
(Puerto Zalaya) am Karibenmeer führen soll, wird das Dörfchen vielleicht
zu einem bekannten Ort. Auf den Ausbau des Hafens von Monkey Point
scheint die Regierung große Hoffnungen zu setzen. Die Bucht besitzt Schutz
gegen die gefürchteten Norder und gute Wassertiefe. Die Bahn ist als
Glied der Nicaragua-Querbahn gedacht, die von Weltmeer zu Weltmeer
führt. Die Weststrecke Granada—managua—corinto befindet sich bereits
längere Zeit im Betrieb. Über die Seestrecke ist Trajektverbindung geplant,
die aber später einer Gürtelbahn um das nördliche Ufer weichen soll. Wir
erleben die Nicaraguasee-Umzirkelung durch ein Bahnnetz vielleicht nicht
mehr; aber kommen wird sie! Die große zentralamerikanische Senkung wird
auch ohue Kanalbau dereinst sich zu einem Durchgangsgebiet des Weltverkehrs
gestalten.
(7. Ein Stiergefecht in Guatemala-Stadt.) Zum ersten Male
besuchte ich ein Stiergefecht, das in der sonntäglich gefüllten Arena als
eine „Wohltätigkeits-Vorstelluug" stattfand. Die roten Stufen harmonierten
gut zum grünen Grunde. Viele Frauen saßen auf den Bänken. Der
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Ausführung ebenso wie die Tatkraft, die erforderlich war, um in so öden,
zur Zeit des Baues noch so dünn bevölkerten, wüsten und wilden Gebieten
ein solches Werk in solcher Nollendung durchzuführen, neidlos anerkennen
und bewundern.
Schon eingangs dieses Kapitels haben wir den großartigen technischen
Leistungen der Amerikaner gebührende Worte der Anerkennung gezollt, und
wenn man die nach allen Richtungen sich kreuzenden, das ganze ungeheure
Gebiet der Vereinigten Staaten netzartig umspannenden Schienenstränge
betrachtet, muß man staunen, daß dies in so kurzer Zeit möglich wurde.
Freilich dürfen wir aber auch nicht vergessen, daß in Amerika eine lange Periode
im Verkehrswesen vollständig überschlagen, übergangen wurde, nämlich jene
jahrhundertelange Zeitepoche, in der Europa mit einem Netz von vorzüg-
liehen, in Steinschotter fundamentierten Straßen, den sogenannten Chausseen
oder chanssierten Straßen überspannt wurde, Straßen und Wege, die un-
gezählte Millionen verschlungen haben. Kaum war dieses Straßennetz zu
hoher Vollendung erstanden, erschienen die eisernen, geschienten Wege, die
die steinfundierten gebahnten Straßen als Verkehrsmittel weit übertrafen,
in deu Schatten stellten und in zweite Linie drängten. Amerika trat als
beginnendes Kulturland just zu Beginn der Eisenbahnära auf, verwendete
selbstverständlich seine Millionen und Milliarden nun nicht für Straßen-
bauten, sondern sprang sofort in die Eisenbahnverkehrsperiode ein und mußte,
um zu großem Aufschwünge kommen zu können, natürlich auf diesem Ge-
biete nun, koste es, was es wolle, große Verkehrsverbindungen mit geschienten
Wegen schaffen, weil ihnen die chanssierte Straße gänzlich mangelte. Da-
her man auch heute noch überall in Amerika, im Augenblicke, wo man den
Schienenstrang verläßt, auf dürftigste, jämmerliche Wege (wie bei Mouida)
stößt . . .
New Jorks Verkehrseinrichtuugen zwingen uns zu bedingungsloser
Anerkennung; der geschäftliche Betrieb ist einfach bewundernswert. Daß
damit nicht auch Schönheit und Anmut Hand in Hand gehen, ist natürlich,
und wer nach New Jork, ja wer überhaupt in eine der zahlreichen großen
Städte Nordamerikas kommt, der darf dort nicht Dinge suchen und er-
warten, für welche dort kein Platz und keine Zeit zum Schaffen vorhanden
waren und noch sind. Denn schön oder anmutend sind die kilometerlangen,
schnurgeradeu, sich im rechten Winkel schneidenden Straßen wahrlich ebenso-
wenig wie die roten Backsteinhäuser. Ja selbst die Palais der Millionäre
und Milliardäre sehen von außen, ohne Garten in der Häuserreihe mit
aufmarschiert, nichts weniger als fürstlich oder besonders vornehm aus; deun
von den Millionenwerten, die sich im Innern vorfinden, sieht man von
außen nichts. Und wahrlich, es macht einen entsetzlich ernüchternden Ein-
druck, wenn man so einen neuen, bis zu 25 Etagen aufweisenden, kahl-
wandigen, mit Hunderten ganz gleichen Fenstern verunzierten „Sky Scraper"
(„Wolkenkratzer") neben einerseits einer Kirche, deren Kreuz auf dem Hoch-
türm noch nicht bis zum letzten Stockwerk reicht und vom Dachsirft des
Riesenhauses erheblich überragt wird, und andererseits einem älteren, vielleicht
drei bis höchstens vier Stockwerke hohen Hause iu der Frout stehen sieht.
Wenn man sich sohin auch nicht leicht zu dem Wunsche aufzuschwingen
vermöchte, in New Jork sein Leben zu verbringen, so mnß man doch in
Anbetracht des großartigen geschäftlichen und wirtschaftlichen Lebens zu-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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Extrahierte Personennamen: Jorks New_Jork
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Europa Amerika Amerika Mouida Nordamerikas
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geradezu als zutage tretende uuterirdische Flüsse oder als unterirdische Ab-
flüsse von Karstseen anzusehen sind. Solche Quellen sind meist von großer
Bedeutung, an ihnen siedelt sich der Mensch an, sie ermöglichen ihm, durch
Berieselung dem Boden höchste Erträge abzugewinnen. Daher hat man
überall eigene, fast überall das gleiche bedeutende Namen für solche Quellen:
Ras el Ain in Syrien, Kephalari in Griechenland, Capo d'aqna in Italien,
Nacimiento in Spanien. Freilich tragen diese Kalkgebiete überall den Cha-
rakter der Karstländer: Palästina, der Südrand Kleinasiens, der ganze West-
rand der südosteuropäischen Halbinsel, Apulien usw. Das obere Tibergebiet
gibt uns ein lehrreiches Beispiel für den Einfluß des Bodens auf die
Wasserstände der Flüsse. Der obere Tiber entwässert ein fast durchweg
aus undurchlässigen Felsarten ausgebautes Gebiet, und der Fluß schwillt
daher nach heftigem Regen oder rascher Schneeschmelze im Apennin gewaltig
an, während er in der Trockenzeit zu einem dünnen Wasserfaden herabsinkt,
der bei tiesstem Stande nur 5 cbm Wasser führt. Dagegen sammelt der
erste größere Nebenfluß des Tiber, die Nera, ihre Gewässer in einem an
mächtigen Kalkstöcken reichen Gebiete der Apenninen und wird daher vor-
zugsweise von starken Quellen genährt. Sie hat daher im Mittel eine
Wasserführung von 100 cbm in der Sekunde und selbst bei niedrigstem
Stande noch 68 cbm. Es leuchtet ein, daß der Kulturwert beider Flüsse
völlig verschieden ist. Am Tiber würden gewerbliche und Bewässerungs-
anlagen in der einen Zeit weggerissen, in der andern ohne Wasser sein,
während an der Nera das ganze Jahr die gleichen Wassermengen als Trieb-
kraft und zu Bewässerungen zur Verfügung stehen. So führen die meisten
Flüsse des hybläischen Berglandes in Südost-Sizilien, obwohl dies der
niederschlagsärmste Teil der Insel ist, danerd Wasser, weil sie in dem aus
Kalkfels und vulkanischem Gestein aufgebauten Lande von Quellen genährt
werden, während im niederschlagsreicheren peloritanischen Gebirge der Nord-
ostecke der Insel den undurchlässigen Felsarten, besonders Gneisen, Fiumare
entsprechen, die zu den wildesten gehören, die man kennt. Ähnlich ist es in
den Atlasländern, wo man die wirklichen Flüsse leicht zählen kann — in
Tunesien gibt es tatsächlich nur zwei — und der größte Fluß Algeriens,
der Schelif, bei niedrigstem Stande nur 3—5 cbm, bei höchstem 1400 cbm
in der Sekunde wälzt. Die Schiffbarkeit der Mittelmeerflüffe und überhaupt
ihr Kulturwert, wo sie nicht zu künstlicher Berieselung verwendet werden
können, ist daher sehr gering. Von Binnenschiffahrt, die doch im übrigen
Europa eine so große Rolle spielt und beispielsweise die großgewerbliche
Entwicklung des Deutschen Reiches in so hohem Grade gefördert hat, ist im
mediterranen Europa kaum die Rede. Ja, die Mittelmeerflüffe sind vielfach
schwere Verkehrshindernisse, die zu überwinden allen Scharfsinn der Wege-
baumeister und große Kosten erfordert. Die beiden wichtigen Küstenbahnen
Kalabriens haben eine große Zahl von fast immer trocken daliegenden Fiu-
maren in mächtigen, langen Brücken überschreiten müssen, die doch noch
häufig zerstört werden, wenn sich die Geröllmassen, die diese plötzlich daher-
tobenden Ungeheuer mit sich schieben, vor den Brückenbögen stauen. In
besonderen Fällen zieht man es vor, die Gießbäche in breiten Brücken über
die Eisenbahnen hinwegschießen zu lassen. In Spanien ist man bei Straßen-
bauten auf den billigeren Ausweg verfallen, daß man das Bett der Gieß-
däche, dort wo die Straße sie zu überschreiten hat, in breitem, flachem,
10*
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
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Extrahierte Personennamen: Palästina
Extrahierte Ortsnamen: Syrien Griechenland Italien Spanien Kleinasiens Apulien Südost-Sizilien Kalkfels Tunesien Algeriens Europa Europa Kalabriens Spanien
— 242 —
lief). Die Summen steigerten sich von Jahr zu Jahr, und es war 1876 das
höchste unter den genannten Jahren mit 1666 000 fl. . . .
Gleich nach der Ausfahrt von Haarlem, wo Kanal, Landstraße und
Bahn schnurgerade nebeneinander herlaufen, eröffnet sich uns rechts der
Blick auf den Haarlemer Polder, eine weite, niedrige Ebene. An ihrer
Stelle war vor dreißig Jahren noch das Haarlemer Meer, eine 4 m tiefe,
6 Stunden lange und 3 Stunden breite Wasserfläche, welche der holländische
Jngenieurgeist indes trocken gelegt hat. Noch zu Anfang des 16. Jahr-
Hunderts bestand das später so genannte Haarlemer Meer aus vier kleiuen,
getrennten Seen; aber das Wasser sraß immer mehr um sich, vereinigte die
Seen und wurde durch fortgesetztes Abnagen des Landes selbst für die
Städte Amsterdam, Haarlem, Leiden und Utrecht bedenklich und unheimlich.
Die Regulierung des Gewässers durch große Schleusen, d. i. sein Abslnß in
das $)*), schien nicht mehr genügend, und so beschloß man 1840, was schon
längst geplant war, auszuführen und begann die Auspolderung des Haarlemer
Meeres. Erdwälle wurden errichtet; statt der früher zu solchen Zwecken
gebräuchlichen Windmühlen trieben Dampfmaschinen die Wasserschöpfräder,
und nach dreizehnjährigem, ununterbrochenem Schöpfen war das Meer aus-
geschöpft und das Waffer in Kanälen der Zuidersee und dem Ozean zu-
geführt. An 14 Millionen Gulden hatte die Trockenlegung gekostet, aber
19 000 Hektar fruchtbaren Landes waren gewonnen, von denen der Hektar
mit 500 fl. bezahlt wurde**). Zehntausend Menschen wohnen jetzt aus dem
von Kanülen umgebenen Meeresboden, und die alten Maschinen arbeiten
weiter, um das Land immer trocken zu halten.
(8. Amsterdam.) Ich ließ mich noch auf den Turm des Schlosses
führen, um eine Übersicht von Amsterdam zu bekommen, und hatte es nicht
zu bereuen. Der Blick auf Stadt, Land und Wasser ist überraschend schön
und überzeugt uüs wiederholt, daß Hollaud landschaftliche Bilder hat, die
in ihrer Art eben nur bei ihm zu sehen sind. Nor uns breitet sich im
Osten und Süden die Amstelstadt aus mit fast ebenso vielen Kanälen als
Straßen; ein mächtiges Häusermeer, von Wassern durchzogen. Westlich
sehen wir bis Haarlem, südlich und östlich bis Utrecht und Amersfoort, im
Norden die Docks und den Mastenwald des I mit der Zuidersee, Zaandam
und das Waterland.
Besondere Liebhaber scheinen die Amsterdamer zu seiu von eigenartigen
Kaminen. Diese Rauchfänge schauen viele Fuß hoch über die Dächer heraus
und machen ganz fratzenhafte Figuren. Daß die Häuser mit Wetterfahnen
aller Gattung versehen sind, gefiel mir; denn das „Garren und Girren"
dieser Windfahnen höre ich nicht ungern, besonders in stürmischen Nächten.
Noch in den Tagen des Grasen-Königs Wilhelm war Amsterdam ein
armseliges Fischerdorf unter dem Schutze des festen Schlosses der Herren
von Amstel. Im 14. Jahrhundert ist es bereits eine Stadt, wohin sich
infolge der vielen Bürgerkriege in ihrer Heimat Brabanter Kaufleute und
Handwerker flüchten. Schiffahrt und Handel begannen sich zu entfalten,
und zur Zeit Karls V. gehörte Amsterdam schon zu den bedeutenderen Städten
*) Das A, sprich Ei, heißt bekanntlich der Busen der Zuidersee bei Amsterdam; er
war nur durch eine schmale Landenge vom ehemaligen Haarlemer Meer getrennt.
**) Heute soll er 2000 fl. gelten.
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TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm Karls_V. Karls_V.
— 354 —
guter gepflasterter Landstraßen zu erleichtern, und die Behörden, welche
damit vorgehen wollten, pflegten in der Regel bei den Marschbewohnern
den heftigsten und entschiedensten Widerstand zu finden. Wohl mochten die
bedeutenden Kosten teilweise Grund sein dieses Widerstrebens; denn zu den
Chansseen bedarf man Sand und Steiue, und die Marsch ist gänzlich sand-
und steinlos, also muß das Material aus den Flüsseu und von der fernen
Geest herbeigeschafft werden.
Mehr aber noch war die Ursache der Opposition in der natürlichen
Trägheit und der Liebe zum Alten zu suchen, da beides Hanptzüge im
Charakter des Marschbauern sind, welcher sich, umgeben von° seinem tiefen
Schlamm und durch ihu vom Verkehr abgeschnitten, fast behaglich und
sicher zu fühlen scheint.
(4. Fehnkultur im Moorgebiet.) Die Moore sind eine kaum zu
erschöpfende Fundgrube; denn Taufende und Tausende von Fudern Torfes,
welche erst eine allgemeine Abwässernng heben läßt, lagern noch nnerreich-
bar in Snmps und Wasser. Die Kanäle sind die Lebensadern der Moor-
gegenden; durch sie allein werden die früher grauenhaftesten Einöden zu
blühenden Kolonien umgeschaffen. Vor allem ist hier der großartigen
Kanalanlagen Ostfrieslands zu gedenken, die unter dem Namen Fehne
bekannt sind. Das Wort stammt jedenfalls aus dem Altdeutschen, wo Feen
oder Fenne so viel als Morast bedeutet, wie denn z. B. auch Finnland
(Fennia) von den Deutschen danach benannt wurde. Fehne aber nennt
man jene breiten schiffbaren Kanäle, die sich unmittelbar vom Meere oder
von der Ems tief in die Moore hinein erstrecken und zu beiden Seiten
mit Häusern, Gärten, Äckern und Stapelplätzen versehen sind. Die Kolonisten
nämlich, nachdem sie einige Schichten Torf abgegraben, haben hier den
untern Boden wieder zum fruchtbarsten Acker- und Wiesenlande geschaffen,
indem sie mit ihren Schiffen, auf denen sie den Torf verfuhren, als Rück-
fracht teils tierischen Dünger aus dem Überflusse der Marschen, namentlich
aber den an organischen Stoffen so reichen Wattenschlick herbeibrachten, um
damit den Boden wieder zu erhöhen und nutzbar zu machen. Kaum gibt
es Überraschenderes als den Anblick eines solchen Fehns. Stundenlang
wandert man in der einsamen schweigenden Wüste; nichts erblickt das Ange
als Moor und Heide, kein menschlicher Laut dringt ans Ohr; da nahet man
dem Fehn, und aus einmal ist die ganze Szene eine andere, und das regste
Leben und Treiben tritt an die Stelle der Einöde. Der breite Kanal
dehnt sich unabsehbar dahin, eine Unzahl von Booten, Kähnen, kleinen
Seeschiffen, ein buntes Segel- und Flaggengeflatter belebt ihn; an seinen
Ufern, kaum 20—30 Schritte voneinander, erheben sich Haus au Haus
mit freundlichen roten Ziegeldächern vom reinlichsten Ansehen, dahinter
Blumen- und Krautgärtchen, aus denen mancher Fruchtbaum emporsteigt;
weiterhin wogen goldene Saaten, leuchtende Raps- und dnstende Buchweizen-
selder, und dazwischen weidet schweres Marschvieh im üppigen Klee; dort
wieder Stapelplätze mit ungeheuren Torsbergen; drüben vielleicht Schiffs-
werfte mit lautem Hammergepoch; weiterhin lustig drehende Windmühlen,
und wohin man blickt, Handel und Wandel, Arbeit, Wohlstand und
Fröhlichkeit, so daß einem das Herz mit fröhlich wird; denn hier arbeiten
nicht Hunderte von Knechten für einen einzigen, fondern jeder hat sein
eigenes Haus, Ackerland und Torfgrund, wenn auch nicht in großer Aus-
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland]]
— 301 —
zu machen. Die Zahl der Sommergäste beträgt jetzt alljährlich, ungerechnet
die Passanten, gegen 10000.
(4. Wildbad.) Kommen wir vom obern Enztal herabgewandert, so
gewährt uns am Fluß die neue, in der Höhe die alte Enztalstraße sofort
beim Eintritt einen überaus lieblichen Blick über die Bäderstadt. Prächtige
Villen grüßen aus dem schattigen Grün wohlgepslegter Parkanlagen her-
nieder; die an den Berg gelehnte, in gotischem Stil erbaute katholische Kirche
ist ein recht stattliches Gotteshaus; näher dem Fluß liegt die englische
Kapelle im lauschigen Dunkel der Anlagen; dnrch diese gelangen wir zu den
Kaufbuden und zur geräumigen, aber überaus zierlich in Eisenkonstruktion
aufgeführten Trinkhalle, dann zu dem in hervorragendem Maße sehens-
werten Prachtbau des „König-Karlsbades" mit Einrichtungen, die jenen des
Friedrichsbades in Baden wohl kaum in etwas Wesentlichem nachstehen dürften.
Von hier führt die König-Karlsstraße am linken Flußufer zum Bahn-
Hof, während am rechten, das über mehrere Brücken erreicht wird, der größere,
von der Hauptstraße durchzogene Teil der Stadt liegt, in dem wir zunächst
zum Kurplatz mit seinen stattlichen Gebänlichkeiten gelangen. Hier stoßen
wir auf das Katharinenstift, in welchem die Bäder für Minderbemittelte
untergebracht sind, was man dem vornehmen Gebäude kaum ausehen würde;
dann folgt das kleine und das große Badegebände, endlich das königliche
Badhotel und Konverfationshans, daneben die protestantische Stadtkirche, von
welcher sich dann die Hauptstraße zu dem am untern, nördlichen Ende der
Stadt gelegenen Bahnhof zieht.
Die waldreiche nähere und weitere Umgebung von Wildbad bietet eine
fast überreiche Auswahl lohnender kleinerer und größerer Ausflüge im Tal
und zu seinen beiden Seiten. Abgesehen von den Anlagen oberhalb des
Kurplatzes und gegenüber desselben über dem König-Karlsbad empfehlen sich
nach Westen die Wege im Sommerbergwald zum Löwenbrückle, zum großen
und kleinen Wendenstein, dann vom Bahnhof anf den Wildbader Kopf und
weiter über den Eselskopf hinab in das vom Hohloh herabkommende Eyach-
tal, das bei der Eyachmühle erreicht wird. Von hier führt eine Straße
talabwärts znr Bahnstation Rotenbach; auf andern Wegen, meist dnrch Herr-
lichen .Wald, ist die Teufelsmühle oder Dobel und Herrenalb zu erreichen.
Östlich von Wildbad erhebt sich etwa 300 Meter über der Enz, deren
Tal von dem nahen Paralleltal der einsamen kleinen Enz trennend, der
lange ungegliederte Rücken der Meisternebene, über welche, am Riesenstein
vorbei, der Weg führt, welcher uns jeufeits der kleinen Enz über welt-
abgeschiedene Höhen weiter nach Teinach und zur Nagold gelangen läßt.
In dieser Richtung floh einst der alte Rauschebart, als er von den „Schleg-
lern" während seiner Badekur überfallen wurde.
Die meilenweit ausgedehnten Tannenforste auf den sanftgeformten
Buntsandsteinhochflächen, welche nur von den freundlichen Wiesengründen
der Flnßtäler unterbrochen werden, sind hier im östlichen Schwarzwald ganz
typisch, und wer für die Poesie der Waldeinsamkeit Sinn hat, dem wird die
Umgebung von Wildbad besonders sympathisch sein, da sie auch durch den
Gegensatz erfrischend wirkt, welcher zwischen dem lebhaften, glänzenden Bade-
ort und seiner großartig schweigenden Umgebung besteht.
Die Eisenbahn führt uns von Wildbad im Enztal abwärts und zeugt
durch die zahlreichen großen Sägewerke und die ausgedehnten Holzverlade-
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Vi. Schantung und Kiautschou.
(„Schantung und seine Eingangspforte Kiautschou" von Ferdinand Frei-
Herr von Richthofen.') Mit 3 großen Karten anßer Text ^1 topographische und 1 geo-
logische Karte der Provinz Schantung — 1 Karte des nordöstlichen China], 3 kleinen
Karten im Text und 9 Lichtdrucktafeln. Berlin 1 c98, Dietrich Reimer [Ernst Ssohsen].
324 Seiten, 10 Mark. S. 26—28, 80-81, 265—268.)
(1. Am Kaiserkanal 2).) Eine stete Erquickung bot der Blick auf
die im schönsten Frühlingsgrün prangenden Felder der östlichen Ebene. Die
kleine Parzellierung des Landes und die Verschiedenheit der ans jedem kleinen
Feld befindlichen Saaten bedingen das Bild eines Gartens. Weithin über-
schaut man die Ebene. Zahlreiche Dörfer sind darin zerstreut, und scharf
zeichnen sich die sich rechtwinkelig kreuzenden geraden Linien des verzweigten
Kanalsystems ab, auf welchem dort fast aller Verkehr stattfindet. Wenn ich
aber den Landleuten meine Freude über das blühende Land aussprach, da
sagten sie wehmütig, daß sie sich niemals dieses Anblickes wirklich erfreuen
könnten, da ihre Hoffnungen nur zu häufig getäuscht würdeu. Denn wenn
das Wasser des Kanyu-Sees steige, dann überfließe es häufig den östlichen
Damm und setze die ganze Ebene unter Wasser; dann würden ihre Felder
und Saaten zerstört, und viele Menschen kämen ums Leben. In der Tat
habe ich nachher noch viel von den Leiden der Bewohner dieser anscheinend
so gesegneten Gegend erfahren. Wenn man davon keine Kunde hat, ist man
verwundert über das Elend des Volkes. Die zahllosen kleinen Dörfer und
Weiler, die man überblickt, sind überaus ärmlich, die Häuser nur aus Lehm
und Rohr gebaut. Die Bewohner sind harmlos, furchtsam, in Lumpen
gekleidet. Und doch könnte ihnen der Boden leicht zwei gesicherte Ernten
geben. Es gibt keine Großgrundbesitzer, welche in manchen anderen Ländern den
größten und besten Teil des Bodens eignen würden; es gibt keine Festtage, welche
die Arbeitszeit einschränken, nicht einmal Sonntage, sondern das ganze Jahr
besteht aus Arbeitstagen; die Lente betrinken sich nicht; sie haben keine Zer-
streuung durch Wirtshäuser und können ihre ganze Energie ans die Arbeit
legen; sie haben auch nur mäßige Abgaben zu zahlen und besitzen in den
Wasserwegen billige und große Verkehrsstraßen, mit denen ihre Dörfer durch
die den Einzelverkehr vermittelnden kleinen Kanäle verbunden sind. Woher
kommt also das Elend? Die Übervölkerung hat sicher viel damit zu tun;
aber sie kann nicht der einzige Grund sein. Auch dem Opium darf ein so
allgemeiner Einfluß nicht zugeschrieben werden, zumal hier die Landbevölkerung
dem Genuß desselben noch wenig ergeben ist. In den Ebenen des Ganges
und in ähnlichen Gebieten auf Java herrscht auch Armut. Dort aber ist das
Klima entnervend, der Mensch ist eines geringeren Arbeitsbetrages fähig,
und es gibt große Landeigentümer. Im chinesischen Flachland sind im
Verhältnis zu dort die Leute günstig gestellt. Es scheint, daß die Haupt-
gründe der Armut in der Übervölkerung und der Häufigkeit der Über-
schwemmungen zufolge unzureichender Sicherung des Kanals, aber auch
großenteils in der Indolenz der hiesigen Bewohner zu suchen sind.
Ebenso gleichförmig wie das Leben dieser bedürfnislosen, in Arbeit auf-
gehenden Menschen ist ihr Land. Man sieht keine Hügel, nicht die geringste
x) Er bereiste China 1868—1872.
2) Strecke zwischen Tsching-Kiang und Hwai-ngan.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Frei-
Herr_von_Richthofen Ferdinand Dietrich_Reimer
Extrahierte Ortsnamen: China Berlin Kaiserkanal China
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wäre er seiner hohen Bedeutung für dieselbe sich wohl bewußt. Er durch-
zieht eine riesige Ebene; an seinen Ufern weiden weithin sichtbar zahlreiche
Herden; einige Forts beherrschen Stadt und Fluß, stören aber das friedliche
Bild nicht im geringsten. Noch zwanzig Standen von ihrer Mündung in
die Nordsee entfernt, bringt die Schelde doch die Wirkungen von Ebbe "und
Flut bis in die Stadt hinein und hat bei 600 Nieter Breite zur Ebbezeit
10 Meter Flußtiefe. Kein Wunder deshalb, weun sie die gigantischen Ost-
indienfahrer bis vor die Warendepots an den Kais trägt. . .
Ich habe schon manchen Seehafen und manch großen Handelsplatz ge-
sehen; aber in Antwerpen begegnete mir ein so erdrückendes Schiffs- und
Verkehrsleben, daß ich da stuud, wie vom Himmel gefallen. Ein ganzer
Urwald von Schiffsmasten starrte vor mir in die Lüfte. Unzählbare Mengen
von Segel- und Dampfschiffen lagen in den Häfen, so gedrängt und dicht
nebeneinander, daß man sich wundern mußte, wie dieser Knäuel vou Schissen
sich wieder lösen könnte. Tauseude vou Menschen sind beschäftigt, die
Schiffe zu belasten oder zu entleeren. Ganze Berge von Schiffsgütern
aller Art und aller Länder harren der Ladung, die von einer verwirrenden
Masse von Wagen besorgt wird. Eine Reihe von Riesengebäudeu an den
Häfen hin dienen als Zoll- und Lagerhäuser. Großartige Schienen- und
Bahnhofsanlagen kommen bis an die Bassins, um das, was diese Tausende
von Schiffen übers Meer hergebracht haben, über die Erde hiu zu zer-
streuen. Garküchen, Matrosenkneipen, Restaurants, Agenturen, Konsulate
aller überseeischen Länder nehmen die Kais von der Stadtseite her ein.
In der Mitte zwischen den zwei innersten und belebtesten Bassins erhebt
sich, alt und ehrwürdig, das Hansahans, von den drei Hansestädten 1568
für ihren Konsul gebaut. Es kann aber, trotz seines Alters, nicht leicht
einen größern Verkehr vor sich gesehen haben als hente.
(5. Holländische Landschaft bei Seeland.) Das Land zwischen
Antwerpen und der holländischen Grenze ist Heide. Kaum haben wir aber
das Gebiet Hollands betreten, so zeigt sich uns zwischen Oudenbosch und
Zevenbergen in kolossalen Ebenen das Weideland dieses Königreiches.
Wer einmal eine holländische Landschaft gesehen, hat alle gesehen. Und
wer nie eine erblickt, der denke sich nur Wiesengründe von zahllosen Kanälen
durchschnitten oder von Fluß- und Meeresarmen bespült, von schwarzen
Rindeiherden beweidet, bisweilen von Pappeln und Ulmen umsäumt und
gar oft von Windmühlen belebt. Freundliche Dörfer mit niedrigen Häusern,
alte Dome neben vielen kleinen Kirchtürmen heben sich weithin sichtbar aus
diesen Ebenen ab. Das Land ist ähnlich wie in Flandern und Brabant,
aber weit niedriger, flacher und wässeriger. Von der letzteren Eigenschaft
konnte ich mich gleich überzeugen, als wir bei Moerdifk über das „Hollandsch
Diep" fuhren.
In der Nacht des 18. November 1421 brachen die Fluten der Maas
und Waal so verheerend in das Land ein, daß oberhalb Dordrecht 22 Dörfer
mit 100000 Menschen im Wasser ihr Grab fanden. Das überschwemmte
Terrain ist bis heute ein „verdrouken land" geblieben, der Biesbosch (Binsen-
dusch) genannt, mit einem Konglomerat sumpfiger Inseln. Eine breite Bucht,
welche beim Biesbosch noch einen Teil der Maas aufnimmt, verbindet dieses
Jnselland unmittelbar mit dem Meere und heißt das „Hollandsch Diep".
Über dieses 2640 m breite „Diep" (Tiefe) hat nun der holländische Unter-
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nehmungsgeist eine Eisenbahnbrücke gebaut, ein wahres Wunderwerk des
19. Jahrhunderts. Vierzehn Bogen, auf Pfeilern ruhend, überspannen die
Bucht; zwei Drehjoche dienen zum Durchlaß der Schiffe. Der ganze Ober-
bau hat an Eisen und Stahl ein Gewicht von 235 800 Zentnern, und die
Gesamtkosten betrugen nahezu 8 Millionen Gulden.
(6. Rotterdam.) Wenn ich nicht von Antwerpen gekommen wäre,
hätte Rotterdam, das wir in dreißig Minuten von Dordrecht weg erreichten,
auf mich einen weit größeren Eindruck gemacht. Immerhin aber hatte ich
allen Grund, staunend zu schauen, als wir ans der kolossalen Gitterbrücke
über den herrlichen Maasstrom rollten, während unter uns Schiffe flußauf
und flußab dahinglitten und in den Häfen und Bafsius ganze Flotten vor
Anker lagen. Hoch oben an den Häusergiebeln hin, brachte uns das Dampf-
roß mitten durch eine Straße ins Innere der Stadt . . .
Ich war bis heute nie ein Freund von ebenem Land; zwischen hohen
Bergen geboren, Hab' ich allezeit geglaubt, es sei nur schön, wo Berg und
Tal, Felseu und Wälder, Bäche und Wasserfälle den Menschen umgeben.
Auf dem Laurentiusturm zu Rotterdam ward ich eines andern belehrt. Ich
hatte nie geahnt, daß Holland so große landschaftliche Reize besitze; aber
von da oben herab gesehen, stimme ich vollauf in das Lob unseres Alban
Stolz ein. In ihrer Art der Umgebung ist Rotterdam die lieblichste Stadt,
die ich in ganz Belgien und Holland gesehen. Der majestätische Fluß, die
zahllosen Grachten und Kanäle, die unermeßlichen grünen Gefilde, bis an
die Stadt hin mit Herden bedeckt, die freundlichen Dörfer und Landhäuser
nah und fern, die Windmühlen in ganzen Scharen über das Land hin
zerstreut, die Türme von Delft, Briel, Schiedam, Vlaardingen, Haag, Leyden,
Gonda, Dordrecht, teils in nächster Sicht, teils weit ab am äußersten
Horizont, unter uns das gleichmäßig gebaute, nach allen Seiten abgerundete
Rotterdam mit seinen spitzen Giebeldächern des 16. und 17. Jahrhunderts,
über dem ganzen Bild Heller Sonnenschein — all das machte einen un-
beschreiblich freudigen Eindruck auf meine Seele. Und wenn ich kein so
poesieloser Mensch wäre, ich hätte dichten können auf dem Turm der
„groote Kerk" zu Rotterdam.
(7. Die Gegend von Haarlem.) Haarlem hat bekanntlich Weltruf
mit seiner Blumenzucht. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als
die Holländer zu viel Geld hatten, herrschte eine wahre Tulpen- und
Hyazinthen-Manie. Man spekulierte mit Zwiebeln wie jetzt mit Staats-
papieren, und der Schwindel wurde hierin so arg getrieben wie bei uns in
der Gründerzeit. Für einen einzigen „Semper Augustus" bezahlte man
13 000 fl.1), für „Admiral Enkhnizen" 4000 fl. Heute kauft man die
schönste Zwiebel für 10 Gulden. Doch ist der betreffende Blumenhandel
noch sehr bedeutend und einträglich. Die Blumenkulturen Hollands um-
fassen nach den letzten Katastral-Ansnahmen 240 Hektar Landes, von denen
200 auf Haarlem und seine Umgebung fallen. Es sind dies jedoch nur die
eigentlichen, größeren Komplexe, während noch in unzähligen kleinen Haus-
gärten Tulpen und Hyazinthen zum Verkauf gezogen werden. Nach offiziellen
Ausweisen betrug die Ausfuhr an Blumenzwiebeln von 1861 bis 1876
einen Gesamtwert von 19 640 000 fl., mithin mehr als eine Million jähr-
l) 1 fl. — 1 niederländischer Gulden = 1,69 Mark.
Marquardt, Quellenlesebuch. Iß
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Extrahierte Personennamen: Marquardt
Extrahierte Ortsnamen: Rotterdam Antwerpen Rotterdam Dordrecht Rotterdam Holland Rotterdam Belgien Holland Delft Gonda Dordrecht Rotterdam Rotterdam Haarlem Hollands Haarlem
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Aufhebung der vielen reichsfreien Städte und besonders durch Eisenbahn
und Dampfschiffahrt. Alle diese Bewegungen der alten und neueren Zeit
haben gewissermaßen Spuren hinterlassen; denn jetzt umgrenzen,, wie zur
Erinnerung der hundertfältigen Werbung, fünf Länder den See: Österreich
und Bayern, Württemberg und Baden, und mit dem Löwenanteile die freie
Schweiz; er schien gleichsam zu wertvoll, als daß ihn ein einziges Reich
besitzen sollte.
(3. Verkehr.) In der neuesten Zeit, in der die Alpenländer jeden
Sommer von Vergnügungsreisenden geradezu überschwemmt werden, übt der
Bodensee besondere Anziehungskraft aus; wenn er auch nicht gerade das
Ziel aller Reiserouten ist, so suchen ihn doch Tansende ans, um von ihm
aus ihre Touren in die Schweiz zu machen oder nach Beendigung derselben
ihre Rückfahrt anzutreten. Acht Eisenbahnlinien führen die Fremden herzu,
und prächtig eingerichtete Personendampfer unterhalten eine fortwährende
Verbindung zwischen allen Orten von einiger Bedeutung (400 000 Passagiere).
Aber auch schwerbeladene Segelboote durchkreuzen den See, und riesige, mit
stockwerkhohen Verdecken versehene Trajekt- oder Überfuhrschiffe nehmen auf
ihre doppelten Schienengeleise gleich ganze Reihen von Eisenbahnwagen (8)
und schleppen sie von der bayerischen oder den württembergischen Linien
unvermittelt hinüber nach Rorschach oder Romanshorn auf die Schweizer
Eifeubahurouteu (etwa 800 Millionen kg Frachtgüter). Teils sind es
Landeserzengnisse, die von einem Orte der Küste zum audern verfahren
werden (Getreide, Wem, Obst, Gemüse, Holz, Vieh), teils Fabrikwaren
und Handelsprodnkte, die von Süden nach Norden, von Osten nach
Westen geschafft werden. Rorschach und Lindau sind für den Getreide-
transport sehr bedeutende Haudelsorte; jenes empfängt das füdrnssische
Getreide über Marseille, dieses den ungarischen Kornsegen über Wien und
München. —
(4. Der See, seine Zu- und Abflüsse.) Betrachten wir nun den
Bodensee an sich. Der Bodensee, auch „Schwäbisches Meer" genannt, bildet
einen großartigen, von Ostsüdost nach Westnordwest gestreckten Wasserspiegel
von 538 qkm Oberfläche. Seine größte Länge (von Bregenz bis Ludwigs-
Hasen) beträgt 64 km, seine größte Breite (zwischen Langenargen und Arbou)
14 km; der Umsang seiner Ufer mißt nahezu 260 km. Auf dem See
könnte die Gesamtbevölkerung der Erde — jeder mit mehr als 30 qdcm! —
Platz finden, und der Rhein, der unterhalb Rheineck in einer Breite von
65 m mündet, würde 2 Jahre 20 Tage brauchen, um das Becken zu füllen.
Die Tiefe des Sees ist sehr verschieden. Das eigentliche Seebecken beginnt
mit einer flachen, bis zu 10 m tiefen Uferzone von wechselnder Breite*),
dem „Hange", und senkt sich dann erst allmählich, später steil in Böschungen
von 15 bis 20" zur Sohle der „Seewanne" hinab, die eine Tiefe von 200
bis 252 m (zwischen Jmmenstadt und Uttwil) hat. Diese steileren Abfälle,
*) Sie erstreckt sich von dem bei ruhigem See trocken liegenden Strande bis dahin,
wo die letzten Wellenwirkungen aufhören, ist beispielsweise am Überlinger ^ee ans »venige
Meter beschränkt, dehnt sich aber am Rohrspitz aus über 2 km aus. Der obere Teil dieser
Tiefenzone wird besonders an steil abfallenden Wänden durch die Brandung zurückgedrängt,
die dann im unteren Teile mit den mitgerissenen Schuttmassen wieder aufbaut. Diese Ab-
lageruugen von nahezu wagerechter Oberfläche in geringer Tiefe nennt der Bodenseefischer
„Wyße" oder Weißboden.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr]]