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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 84

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
84 Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. zu erlangen waren. Die Berliner Börse war für das Ausland noch kaum vorhanden; sie handelte fast ausschließlich mit inländischen Pfandbriefen. nur mit den spanischen Papieren wurde zur Zeit des Karlisten-krieges eine schwindelhafte Spekulation getrieben. Der gesamte Verkehr mit dem Auslande, zumal der überseeische, hing noch, völlig ungeordnet, von tausend Zufällen ab. Wenn der alte Goethe feinem getreuen Carlyle ein Kästchen mit Geschenken senden wollte, so mußte er oft Mouate lang warten, bis ein befreundeter Hamburger Rheder ein Schiff nach Edinburgh abgehen ließ; im Winter hörte dieser Verkehr gänzlich aus. Und dazu die schlechthin unberechenbaren Kosten. Wer sich nicht vorsah, konnte Wunder erleben. Im Jahre 1834 kaufte der sächsische Konsul zu New Aork im Aufträge feiner Regierung die neuesten Schriften über das amerikanische Eisenbahnwesen; die Bücher kosteten 17 ^2 Thlr., als aber die Kiste endlich über Havre in Sachsen anlangte, war sie mit einer Frachtrechnung von 265 Thlr. 18 Gr. 3 Pf. belastet. Der Schiffsverkehr des Zollvereins unterlag jenen plötzlichen, rätselhaften Schwankungen, welche immer das Kennzeichen unfertiger Zustände find. Im Pillauer Hafen waren im Jahre 1830 mehr als taufend Schiffe ein-, und ebenso viele ausgegangen; dann sank der Verkehr beständig, im Jahre 1834 liefen nur 354 Schiffe ein, erst gegen das Ende des Jahrzehnts wurde der frühere Stand wieder erreicht. An den Odermündungen erstarkte die Schifferei nach langem Siechtum wieder, da die Getreideausfuhr nach England und Amerika zunahm und die Ranbziige der Barbaresken feit der Eroberung Algiers aufhörten. Bisher hatte der Stettiner Rheder seine Schiffe nie über Bordeaux hinausgehen, und sie regelmäßig daheim überwintern lassen; fortan segelten sie zur Winterszeit, dank den Franzosen, im sicheren Mittelmeere. Auf der Elbe fuhren seit 1837 Dampfschiffe zwischen Magdeburg und Hamburg; sie beförderten aber bloß Personen, Güter nur nebenbei, auch die kräftig anwachsende rheinische Dampfschiffahrt diente noch fast ausschließlich dem Personenverkehre. Jetzt, da das Verkehrsbedürfnis überall erwachte, empfanden die Deutschen sehr schmerzlich, daß ihr Land in dem klassischen Zeitalter der Kanalbauten, im siebzehnten Jahrhundert, so ganz verarmt und hilflos dagestanden hatte. Deutschland besaß keine Kanäle — mit einziger Ausnahme der Marken und ihrer östlichen Vorlande, denen die Thatkraft des großen Kurfürsten und des großen Königs trotz der Ungunst der Zeiten einige brauchbare künstliche Wasserwege geschenkt

2. Geschichtliches Lesebuch - S. 87

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. 87 bahnen wegen Opfer zu bringen oder das Nationalvermögen zu verschleudern". Auf dem Kontinente ging Belgien voran. ^ Hier lagen die Verhältnisse sehr einfach. Der junge Staat bedurfte durchaus einer Bahn von Antwerpen nach dem Rhein, um seinen ^cheldehafen gegen den Wettbewerb der feindseligen Holländer zu decken; da die reiche Bourgeoisie die Kammern vollständig beherrschte, die großen Städte allesamt nahe beieinander lagen, auch der Bau in der Ebene geringe Schwierigkeiten bot, so wurde schon 1834 ein ^taat^bahn-system für das ganze Land, nach Stephensons Plänen, beschlossen. Die Franzosen zauderten lauge; selbst der sanguinische Thiers meinte noch im Jahre 1830, eine Eisenbahn könne höchstens zum Spielzeug für Großstädter dienen. Nachher übernahmen sie sich in kühnen Entwürfen, jedoch die Korruption ihres Parlamentarismus verhinderte rasches Gelingen. Die großen Gesellschaften, die allesamt von Paris aus nach den Grenzen zu ihre Bahnen bauen wollten, durften während langer Jahre keine Teilstrecken eröffnen, weil die Regierung aus Furcht vor den Wählern keinen Landesteil bevorzugen wollte. So geschah es, daß Frankreich noch in den vierziger Jahren nur eine Eisenbahn besaß, die kleine Lustbahn, welche die Pariser in die Versailler Gürten führte, und erst unter der Herrschaft des dritten Napoleon seine großen Bahnlinien eröffnen konnte, zu einer Zeit, da die deutschen Hauptbahnen schon seit einein Jahrzehnt irrt Betriebe waren. Deutschland schritt in diesem friedlichen Wettkampfe allen Völkern des Festlandes, mit der einzigen Ausnahme Belgiens, weit voran, dem centralisterten Frankreich so gut wie dem reichen Holland. Schon im Jahre 1828 hatte Motz *) an eine Eisenbahn zwischen den Stromgebieten des Rheins und der Weser gedacht, um also die holländischen Rheinzölle zu umgehen; der noch gänzlich unreife Plan ward aber aufgegeben, sobald die Niederlande in dem Zollstreite zurückwichen. Ans demselben Grunde, um Holland zu bekämpfen, verlangte der westfälische Landtag 1831 eine Bahn von Lippstadt nach Minden. Zwei Jahre darauf forderte der rheinische Landtag eine Bahn von der belgischen Grenze zum Rheine und zum Kohlenbecken der Ruhr, eine zweite von Elberfeld nach dem Rheine; die Stünde wünschten, der Staat solle den Bau entweder selbst unternehmen oder einer Aktiengesellschaft eine Verzinsung von 4 °/0 verbürgen. Größer gedacht war der Plan einer Bahn von Köln nach Minden, welchen 1) Preußischer Finanzminister.

3. Geschichtliches Lesebuch - S. 89

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. 89 Hauptverkehr in die Richtung vom Norden nach dem Süden, von der Elbe zum Bodensee ablenken sollte; so sollte sein Bayern die Vorhand im nationalen Handel erlangen. Er ließ deshalb schon in Berlin anfragen, empfing aber zur Antwort nur warmen Dank und die Versicherung, daß man den bayerischen Vorschlag reiflich erwägen werde. Von einer Eisenbahn zwischen Ulm und Augsburg wollte er freilich nichts hören; sie konnte den schwäbischen Nachbarn bedenkliche Vorteile bringen. Auch einen Schienenweg zwischen Würzburg und Frankfurt fand er bedenklich: das würde den Verkehr mit den gefährlichen Franzosen zu sehr erleichtern. Nun gar der Plan einer Bahn zwischen dem Elsaß und der Pfalz, den ihm der französische Gesandte unablässig anempfahl, erweckte sein patriotisches Mißtrauen; so nahe an die Mainzer Bundesfestung wollte er die Straßburger Garnison nicht heranlassen. Wichtiger als alle Eisenbahnen erschien ihm doch der so lange geplante Ludwigskanal. Der große Gedanke, das Werk Karls des Großen zu vollenden, die Nordsee mit dem Schwarzen Meere zu verbinden, übte auf sein romantisches Gemüt einen unwiderstehlichen Zauber; und als uuu Rothschild dienstbeflissen 8 Mill. Gulden Kanalaktien an der Börse unterbrachte, auch der Landtag sich dem königlichen Liebliugsplane willfährig zeigte, da wurden die Eisenbahn-pläne über der Fossa Carolina bald fast vergessen. Gleichwohl erlebte er die Genugthuung, daß in seinem Bayern die erste deutsche Dampfbahn eröffnet wurde, die Bahn von Nürnberg nach Fürth, eine Strecke von einer Meile, die man mit Dampf in 15, mit Pferden in 25 Minuten durchlaufen konnte. Sie war das Werk des wackeren Nürnberger Bürgertums. Joh. Scharrer brachte das Unternehmen in Gang, Plattner verschaffte das Aktienkapital von 175000 Gulden, der Ingenieur Paul Denis leitete den Bau. Die Behörden zeigten sich wenig günstig, weil sie für den Ludwigs-Kanal fürchteten; die Ansbacher Regierung kaufte nur zwei Aktien zu 100 Gulden. Erst als die Unternehmer auf den schlauen Gedanken kamen, ihren Schienenweg Ludwigsbahn zu nennen, wurde die amtliche Welt etwas freundlicher. Groß war der Jubel, als am 7. Dezember 1835 der erste Bahnzug unter Kanonendonner abfuhr; ein Denkstein und ein Geschichtsthaler verherrlichten „Deutschlands erste Eisenbahn mit Dampfwagen". Aber mit dieser kleinen, nur für Personen bestimmten Stadtbahn, die sich bald mit 6% verzinste, war die Frage nach der Möglichkeit großer Eisenbahnen noch nicht beantwortet. Alle diese wohlgemeinten Entwürfe waren doch nur auf das Wohl

4. Geschichtliches Lesebuch - S. 90

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
90 Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. einzelner Städte oder Landschaften berechnet, und fast schien es, als sollten die Deutschen dnrch den Fluch ihres Partikularismus verhindert werden, die große Erfindung mit großem Sinne zu benutzen. Da trat Friedrich List hervor mit dem Plane eines zusammenhängenden, ganz Deutschland umfassenden Eisenbahnnetzes und zeigte durch die That, durch die glückliche Vollendung einer großen Bahnlinie, daß sein dem Durchschnittsmenschen fast unfaßbares Ideal sich verwirklichen ließ. Als der Bahnbrecher des deutschen Eisenbahnwesens erwarb er sich sein größtes Verdienst um die Nation, seine Stellung in der vaterländischen Geschichte. Als er vor Jahren für die deutsche Zolleinheit gearbeitet, hatte er doch nur mutig ausgesprochen, was die Mehrzahl der Zeitgenossen schon ersehnte, und in der Wahl der Mittel vielfach fehlgegriffen; jetzt aber, mit seinen Eisenbahnplünen, eilte er allen Landsleuten weit voraus und bewährte überall die geniale Sicherheit seines Seherblicks. . . . Ein gütiges Geschick führte ihn endlich nach Leipzig, eben in dem Augenblicke, da die Bürgerschaft dem Anschluß an den Zollverein entgegensah und, ohne Wasserstraßen wie sie war, ängstlich nach neuen Verkehrswegen suchte. Hier oder nirgends, das sah er auf den ersten Blick, mußte der Grundstein des deutschen Eisenbahnsystems gelegt werden; wenn hier mit den Kapitalien der bedrängten reichen Handelsstadt eine große Verkehrsbahn entstand, so konnte ihr in dem geroerb-reichen Lande der Erfolg nicht fehlen, und der Anschluß neuer Bahnen nach dem Norden und Westen ergab sich dann fast von selbst aus Leipzigs centraler Lage. Die wohlwollende sächsische Regierung gestattete ihm den Aufenthalt, unbekümmert um die Warnungen der Wiener Hofburg und des unversöhnlichen Königs von Württemberg. Sofort ließ er nun fein Büchlein „über ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems" (1833) erscheinen. In großen Zügen entwarf er hier, mit wunderbarem Scharfblick fast überall das Rechte treffend, ein Bild von dem Eisenbahnwesen der Zukunft: Lindau und Basel, Bremen und Hamburg, Stettin, Danzig und Breslau sollten vorläufig die Endpunkte des deutschen Bahnnetzes bilden, ganz wie es sich nachher erfüllte. In Berlin, das er nur oberflächlich kannte, sah er doch schon den Mittelpunkt des deutschen Verkehrs; sechs große Bahnlinien, die allesamt späterhin gebaut worden sind, wollte er dort einmünden lassen. Sein Plan galt nur dem Zollvereine und dessen Vorlanden; Österreich ließ er, mit Ausnahme der einen Linie Dresden-Prag, vorläufig unbe*

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 93

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. 93 (1833). Ein echt deutsches Bild: diese gewaltige Erfindung zuerst in einer stillen Gelehrtenstadt, deren behäbige Bürgerschaft sich vom Welthandel gar nichts träumen ließ! Die beiden Gelehrten behaupteten, ihr Telegraph müsse auch auf weite Entfernungen, Länder und Völker verbindend, mit der gleichen Sicherheit wirken, und Wilhelm Weber erbot sich (1836), neben der Leipzig-Dresdener Bahn, zunächst bis Wurzen, eine Drahtleitung anzulegen; die Kosten des Versuchs schätzte er auf 2000 Thaler. Das sparsame Komitee wollte aber eine solche Summe nicht an einen zweifelhaften Erfolg wagen. So blieb die deutsche Erfindung liegen, bis die Amerikaner nach Jahren sich ihrer bemächtigten und sie dem Weltverkehre dienstbar machten. Am 7. April 1839 wurde die ganze Bahn eröffnet, und noch lange erzählte sich das Volk von den Abenteuern dieser ersten Fahrten. Auf einer Station war ein Leipziger Student mitsamt einem unbezahlten Glase Bier dem Kellner hohnlachend davongefahren; in dem gefürchteten Tuuuel pflegten die Damen reiferen Alters eine Stecknadel zwischen die Lippen zu nehmen, um sich gegen die Liebkosungen ausschweifender Jünglinge zu sichern. Vorsichtige Ärzte wollten von der Tunnelfahrt, die fast eine Minute währte, überhaupt nichts hören; sie befürchteten, bei dem plötzlichen Luftwechsel müsse ältliche Leute der Schlag rühren, und allerdings waren die Wagen der dritten Klasse noch unbedeckt, die der zweiten ohne Fenster. Daß die Schienen und die Räder durch die ungeheure Reibung notwendig in Brand geraten müßten, war die allgemeine Ansicht; erst die vollendete Thatsache schlug alle Befürchtungen zu Boden. Der Erfolg übertraf die kühnsten Erwartungen. Erstaunlich wie diese erste große Eisenbahn auch aus den benachbarten Landstraßen Mitteldeutschlands sofort die Reiselust belebte; im Jahre 1828 beherbergten die Dresdener Gasthöfe 7000 Fremde, in den ersten drei Vierteljahren 1839 bereits 36000. Schon in ihrem ersten Jahre beförderte die Bahn 412000 Personen und 3,85 Mill. Meilen-Centner. Im zweiten Jahre fank der Personenverkehr um ein geringes, weil sich die erste Neugierde etwas gelegt hatte; der Güterverkehr aber stieg mit einer ganz ungeahnten Schnelligkeit. Anfangs waren viele Frachtfuhrleute noch gemächlich auf der Landstraße neben dem Dampfwagen hingefahren, weil die Spediteure die Kosten des Umladens scheuten. Erst seit die Bahn Anschlüsse erhielt und die Anfuhr zu den Bahnhöfen erleichterte, riß sie auch den Güterverkehr an sich, und nach einer Reihe von Jahren ergab sich, daß sie von den Gütern mehr einnahm als von den Personen.

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 95

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Vii. D. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. 95 und Extra-Convois; es war leider die Zeit, da das junge Deutschland die Zeitungssprache von Grund aus verwälscht hatte. Unerbittert durch seine Leipziger Erfahrungen arbeitete List rastlos weiter. Er gründete ein Eisenbahn-Journal, das sich freilich nicht lange halten sonnte, weil es in Österreich verboten wurde, und zwang durch sein Beispiel die Presse, auf die so lange vernachlässigten volkswirtschaftlichen Fragen gründlich einzugehen. Um seiner Bahn die Fortsetzung nach Norden zu sichern, begab sich List 1835 nach Magdeburg, und die Kaufmannschaft, die erst vor sechs Jahren alle Eisenbahnpläne abgewiesen hatte, nahm ihn jetzt mit offenen Armen auf; allen voran der wackere Oberbürgermeister Francke, einer der angesehensten Bürger der Monarchie, denn wie im Süden die Abgeordneten, so galten im Norden die Gemeindebeamten, Kospoth in Breslau, Bärensprung in Berlin, Demiaui in Görlitz, als die eigentlichen Volksmänner. Die Magdeburger rühmten sich: unsere Eisenbahn nach Leipzig wird die erste Bahn der Welt sein, welche die Grenzen verschiedener Staaten durchschneidet! Francke trat an die Spitze eines Ausschusses und sendete nach Berlin eine Eingabe, welche das Ministerium zwang, die Eisenbahnfrage ernstlich ins Auge zu fassen. So brachte List auch in Preußen die Kugel ins Rollen. . . . Die Verhandlungen währten sehr lange. Eine Kommission aus Räten aller Ministerien ward gebildet; der Kriegsminister sendete einen seiner besten Offiziere, den gelehrten Oberst Peucker. Dann beriet das Staatsministerium, endlich noch der Staatsrat. Der Streit ward sehr lebhaft; die alten Minister hegten Zweifel, die jüngeren, Rochow, Mühler, Alvensleben hielten zu dem Kronprinzen, weil sie der Zukunft vertranten. Der Gegenstand war noch so neu, so unberechenbar, so gänzlich unerprobt, daß niemand sich einen Sachkenner nennen durfte und die tüchtigsten Männer in ihren Meinungen sehr weit auseinander gingen. Der geniale Beuth, der doch noch in seinen besten Jahren stand und sonst jeden technischen Fortschritt mit Feuereifer begünstigte, betrachtete die Eisenbahnen sehr mißtrauisch. Ihr erklärter Gegner aber war General Aster, der erste militärische Ingenieur des Zeitalters, obwohl er doch selbst bei seinen Festungsbauten schon oft kleine Eisenbahnen in Betrieb gesetzt hatte. Er meinte: „die Eisenbahnen halten wegen der Kostbarkeit der Anlage und einer ziemlichen Ausschließlichkeit des Gebrauchs mit anderen weit wohlfeileren und in ihrer Anwendung teilbaren Erfindungen, wie z. B. Buchdruck und Schießpulver, den Vergleich nicht aus".

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 96

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
96 Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. Militärisch brauchbar seien sie nur dort, „wo zufällig die Wege für den Krieg mit denen für die Industrie angelegten Bahnen zusammenpassen"; ein Eisenbahnnetz nütze militärisch nichts, weil es von der leidenden Partei bald außer Betrieb gesetzt würde, auch der aktiven Partei zu wenig Sicherheit gewähre; und woher sollten die Mittel kommen, um die zerstörten Eisenbahnen nach dem Kriege wieder herzustellen? Savigny erwiderte dem General — wohl nicht ohne Zuthun des Kronprinzen: man beabsichtige lange, ununterbrochene Eisenbahnlinien, etwa von Berlin zum Rheine, und diese würden einem im Westen kämpfenden Heere sicherlich Vorteil bringen. Mit der ganzen Feierlichkeit seiner Amtsmiene trat der General-postmeister Nagler für sein bedrohtes Postwesen ein und versicherte: „das gänzliche Lostrennen und Emancipieren eines höchst beschränkten und untergeordneten Kommunikationsmittels — der Eisenbahnen — von einer Staats-Institution wie die Post, welche die wichtigsten Zweige der Kommunikation für das Ganze leitet und fördert, kann nur höchst nachteilig fein und muß den richtigen Standpunkt ganz verrücken". Noch einmal, in einer großen Denkschrift legte er dem Könige ans Herz, „daß das Postinteresse den Elsenbahnunternehmungen nicht aufgeopfert werden dürfe". Nach langen Kämpfen begannen sich die Meinungen doch zu klären. Den Staatsbau empfahl unter den hohen Beamten niemand, obgleich David Hansemann noch während der Beratungen in einer beredten Flugschrift dringend vor den Gefahren der Privateisenbahnen warnte. Ein solches Wagnis erschien zu groß für die beschränkten Finanzen. Darum ward auch die schwere Frage, ob die Krone ohne Reichsstände große Anleihen aufnehmen könne, für jetzt noch gar nicht erwogen. Andererseits wollte der König auch nicht den Privatgesellschaften ein gemeinschädliches Monopol gewähren; er erklärte ausdrücklich: „daß sie zu ewigen Zeiten im Genuß der ihnen eingeräumten Vorrechte verbleiben, ist weder beabsichtigt noch zulässig". Aus solchen Erwägungen entstand, noch bevor die erste große deutsche Eisenbahn vollendet war, das preußische Eisenbahngesetz vom 3. November 1838, eines der letzten denkwürdigen Werke des alten Beamtenstaates, ein Gesetz, das zur Regelung ganz unbekannter Verhältnisse bestimmt war und doch ein halbes Jahrhundert voll ungeahnter Wandlungen lebenskräftig überdauert hat. Seine Stärke lag darin, daß die Staatsgewalt sich ein sehr weit ausgedehntes Aufsichtsrecht über die Privatbahnen, auch die Möglichkeit eines künftigen

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 99

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. 99 Auslande beziehen. Wie die Welt sich verwandelte, das lehrte das tragikomische Beispiel des Generalpostmeisters Nagler. Dieser Todfeind der Eisenbahnen wollte jetzt, nach seiner Niederlage (1839), selber mit den Mitteln der königlichen Post eine Bahn von Halle durch die Goldene Aue nach Kassel bauen, mit Zweigbahnen nach Erfurt, Weimar, Gotha, und sie zum Besten des Postfiskus verwalten. Rother empfahl den Plan dem Könige aufs wärmste, da Post und Eisenbahnen eigentlich denselben Zweck verfolgten. Die anderen Minister jedoch erklärten sich dawider. Sie wollten das Monopol der Post nicht noch erweitern; und welch eine partikularistische Thorheit, die uralte Handelsstraße, die durch das innere Thüringen über Erfurt und Gotha führte, absichtlich zu umgehen, bloß weil der Weg durch die Goldene Aue mehr preußisches Gebiet berührte! Als nunmehr auch Frankfurt in die Eisenbahn-Bewegung eintrat, da zeigten sich schon die dunklen Schattenseiten der neuen Erfindung. Eine Uneigennützigkeit, wie sie die Leipziger und die Magdeburger Kaufleute bewiesen hatten, ließ sich von der Residenzstadt Rothschilds nicht erwarten; dort wurde der Kaufmannsgeist nicht durch eine monarchische Gewalt gezähmt. Schon die Frage, auf welchem Ufer des Mains die geplante Frankfurt-Mainzer Eisenbahn angelegt werden sollte, verursachte ärgerlichen Zwist. Nassau verlangte den Bau auf dem dichter bevölkerten rechten Mainufer, Hessen begünstigte sein linkes Ufer; und der Bundestag erlaubte nicht, daß die Mainzer Festungsbehörden sich unmittelbar mit der Gesellschaft verständigten, obwohl der Festungsingenieur, der preußische Major Pientka, sogleich ein treffliches Gutachten abgegeben hatte. Nach langem Streite ward endlich beschlossen, die Bahn auf dem rechten Ufer zwischen Frankfurt und Eastel auszuführen (1838); denn eine Überbrückung des Rheins galt noch für unmöglich............... Die Größe der beginnenden socialen Umwälzung ließ sich am sichersten daran erkennen, daß schlechterdings niemand ihre Folgen genau vorhergesehen hatte. Nicht bloß der Gesamtverkehr wuchs über alle Vorhersaguugen hinaus; hatten doch selbst mutige Männer höchstens gehofft, die Eisenbahnen würden den Chausseen etwa ebenso weit überlegen sein wie diese vormals den alten Landwegen. Auch im einzelnen kam fast alles anders als die klügsten Leute erwarteten. Der Betrieb der Eisenbahnen war unzweifelhaft ein Monopol, und jener Paragraph des preußischen Eiseubahugesetzes, welcher auch anderen, nicht zur Gesellschaft Gehörigen den Transport gestatten wollte, erwies sich

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 84

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
84 Vii. y. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. zu erlangen waren. Die Berliner Börse war für das Ausland noch kaum vorhanden; sie handelte fast ausschließlich mit inländischen Pfandbriefen, nur mit den spanischen Papieren wurde zur Zeit des Karlisten-krieges eine schwindelhafte Spekulation getrieben. Der gesamte Verkehr mit dem Auslande, zumal der überseeische, hing noch, völlig ungeordnet, von tausend Zufällen ab. Wenn der alte Goethe seinem getreuen Carlyle ein Kästchen mit Geschenken senden wollte, so mußte er oft Monate lang warten, bis ein befreundeter Hamburger Rheder ein Schiff nach Edinburgh abgehen ließ; im Winter hörte dieser Verkehr gänzlich auf. Und dazu die schlechthin unberechenbaren Kosten. Wer sich nicht vorsah, konnte Wunder erleben. Im Jahre 1834 kaufte der sächsische Konsul zu New York int Aufträge seiner Regierung die neuesten Schriften über das amerikanische Eisenbahnwesen; die Bücher kosteten 17»/, Thlr., als aber die Kiste endlich über Havre in Sachsen anlangte, war sie mit einer Frachtrechnung von 265 Thlr. 18 Gr. 3 Pf. belastet. Der Schiffsverkehr des Zollvereins unterlag jenen plötzlichen, rätselhaften Schwankungen, welche immer das Kennzeichen unfertiger Zustände sind. Im Pillaner Hafen waren im Jahre 1830 mehr als tausend Schiffe ein-, und ebenso viele ausgegangen; dann sank der Verkehr beständig, im Jahre 1834 liefen nur 354 Schiffe ein, erst gegen das Ende des Jahrzehnts wurde der frühere Stand wieder erreicht. An den Odermündnngen erstarkte die Schifferei nach langem Siechtum wieder, da die Getreideausfuhr nach England und Amerika zunahm und die Raubzüge der Barbareskeu seit der Eroberung Algiers aufhörten. Bisher hatte der Stettiner Rheder seine Schiffe nie über Bordeaux hinausgehen, und sie regelmäßig daheim überwintern lassen; fortan fegelten sie zur Winterszeit, dank den Franzosen, im sicheren Mittelmeere. Auf der Elbe fuhren seit 1837 Dampfschiffe zwischen Magdeburg und Hamburg; sie beförderten aber bloß Personen, Güter nur nebenbei, auch die kräftig anwachsende rheinische Dampfschiffahrt diente noch fast ausschließlich dem Personenverkehre. Jetzt, da das Verkehrsbedürfnis überall erwachte, empfanden die Deutschen sehr schmerzlich, daß ihr Land in dem klassischen Zeitalter der Kanalbauten, im siebzehnten Jahrhundert, so ganz verarmt und hilflos dagestanden hatte. Deutschland besaß keine Kanäle — mit einziger Ausnahme der Marken und ihrer östlichen Vorlande, denen die Thatkraft des großen Kurfürsten und des großen Königs trotz der Ungunst der Zeiten einige brauchbare künstliche Wafferwege geschenkt

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 87

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Vii. v. Treitschke, Ansänge der Eisenbahnen in Deutschland. 87 bahnen wegen Opfer zu bringen oder das Nationalvermögen zu verschleudern". Auf dem Kontinente ging Belgien voran. Hier lagen die Verhältnisse sehr einfach. Der junge Staat bedurfte durchaus einer Bahn von Antwerpen nach dem Rhein, um seinen Scheldehafen gegen den Wettbewerb der feindseligen Holländer zu decken; da die reiche Bourgeoisie die Kammern vollständig beherrschte, die großen Städte allesamt nahe beieinander lagen, auch der Bau in der Ebene geringe Schwierigkeiten bot, so wurde schon 1834 ein Staatsbahnsystem für das ganze Land, nach Stephensons Plänen, beschlossen. Die Franzosen zauderten lange; selbst der sanguinische Thiers meinte noch im Jahre 1830, eine Eisenbahn könne höchstens zum Spielzeug für Großstädter dienen. Nachher übernahmen sie sich in kühnen Entwürfen, jedoch die Korruption ihres Parlamentarismus verhinderte rasches Gelingen. Die großen Gesellschaften, die allesamt von Paris aus nach den Grenzen zu ihre Bahnen bauen wollten, durften während langer Jahre keine Teilstrecken eröffnen, weil die Regierung aus Furcht vor den Wählern keinen Landesteil bevorzugen wollte. So geschah es, daß Frankreich noch in den vierziger Jahren nur eine Eisenbahn besaß, die kleine Lustbahn, welche die Pariser in die Versailler Gärten sührte, und erst unter der Herrschaft des dritten Napoleon seine großen Bahnlinien eröffnen konnte, zu einer Zeit, da die deutschen Hauptbahnen schon seit einem Jahrzehnt im Betriebe waren. Deutschland schritt in diesem friedlichen Wettkampfe allen Völkern des Festlandes, mit der einzigen Ausnahme Belgiens, weit voran, dem eentralisierten Frankreich so gut wie dem reichen Holland. Schon im Jahre 1828 hatte Motz*) an eine Eisenbahn zwischen den Stromgebieten des Rheins und der Weser gedacht, um also die holländischen Rheinzölle zu umgehen; der noch gänzlich unreife Plan warb aber aufgegeben, sobalb die Nieberlanbe in dem Zollstreite zurückwichen. Aus bemselben Grnnbe, um Hollanb zu bekämpfen, verlangte der westfälische Lanbtag 1831 eine Bahn von Lippstabt nach Minben. Zwei Jahre barauf forberte der rheinische Lanbtag eine Bahn von der belgischen Grenze zum Rheine und zum Kohlenbecken der Ruhr, eine zweite von Elberselb nach dem Rheine; die Stänbe wünschten, der Staat solle den Ban entweber selbst unternehmen ober einer Aktiengesellschaft eine Verzinsung von 4% verbürgen. Größer gebacht war der Plan einer Bahn von Köln nach Minben, welchen 1) Preußischer Finanzminister.
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