217
95. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal.
Die Nordsee gehört zu den gefährlichsten Meeren der Erde.
Häufig wird dieses Meer von heftigen Stürmen heimgesucht. Die
Gefahr für die Seeleute wird dadurch erhöht, daß sich an dem größten
Teil der Küste eine Kette von Sandbänken hinzieht. Diese verraten
sich zwar am Tage und bei klarem Wetter durch den weißen, weithin
sichtbaren Schaum der brandenden Wellen, bei Nacht und Nebel aber
weihen sie jedes Schiff, das ihnen zu nahe kommt, dem Untergange
und sind um so gefährlicher, als die hinter ihnen liegende Insel- und
Festlandsküste äußerst arm ist an schützenden Häfen. Ganz besonders
ungünstig liegen die Verhältnisse für den Seefahrer an der Westküste
Jüllands. Hier haben schon Tausende von braven Seeleuten ihr
Leben verloren.
Wir begegnen daher schon in sehr früher Zeit Bestrebungen, die
dahin gingen, eine direkte Schiffahrtsverbindung zwischen Nord- und
Ostsee und so an Stelle eines weiten und gefahrvollen einen kurzen
und sicheren Weg zu schaffen. Aber die Vollendung dieses Werkes
blieb unserer Zeit vorbehalten. Nachdem der Reichstag die zum Bau
eines Nordoftseekanals geforderte Summe von 156 Millionen Mar?
gewährt hatte, konnte Kaiser Wilhelm I. am 3. Juni 1887 bei Holtenau
den Grundstein legen. Rüstig schritt der Bau vorwärts. Nicht weniger
als 8000 Arbeiter waren zu gleicher Zeit tätig. Galt es doch, das
gewaltige Werk bis zum Jahre 1895 zu vollenden. Und siehe da —
es wurde weder die Bausumme noch die vorgeschriebene Zeit über-
schritten! Am 20. Juni 1895 wurde der Kanal dem Verkehr über-
geben und von 'Kaiser Wilhelm H. zu Ehren Wilhelms I. Kaiser-
Wilhelm-Kanal genannt.
Der Kanal hat eine Länge von 98,650 km und eine Tiefe von
9,50 m. Auf dem Grunde ist er 22 m, auf dem Wasserspiegel 65 m
breit. Es können also Dampfschiffe von 6 m Tiefgang und 12 m
Breite überall einander ausweichen. Damit auch die größten Handels-
und Panzerschiffe einander ausweichen können, ist der Kanal mit
sechs Ausweichstellen versehen worden.
Um den Kanal kennen zu lernen, unternehmen wir eine Durch-
fahrt. Wir besteigen in Hamburg einen Dampfer und fahren nach
Brunsbüttel. Hier erregt das größte Schleusenwerk der Welt unser
Staunen. Mit fortschreitender Ebbe fließt hier täglich eine ungeheure
Wassermenge aus dem Kanäle in die Elbe und somit aus der Ost-
in die Nordsee. Die täglich abfließende Wassermenge beträgt 8 Mil-
lionen edrn, so daß sich das gesamte Kanalwasser in sechs Tagen
vollständig erneuert. Diesem steten Zuflusse frischen Seewassers ist
es zuzuschreiben, daß sich in dem Kanäle nur bei größter Kälte Eis
bildet.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Wilhelm_H. Wilhelm Wilhelms_I.
219
zeuge. Im Betriebsjahre 1896—97 passierten den Kanal, 327 Kriegs-
schiffe mit eingerechnet, insgesamt 20 287 Fahrzeuge, also über 3000
mehr als im Vorjahre. Seit dieser Zeit hat der Verkehr auf dem
Kanäle stetig zugenommen, und er wird weiter zunehmen. Neben
seiner wirtschaftlichen Bedeutung besitzt der Kanal aber auch eine
hohe militärische. Selbst ein Moltke, der es anfangs lieber gesehen
hätte, die Bausumme wäre zur Vergrößerung der deutschen Kriegs-
flotte verwendet worden, äußerte später, der Kanal verdoppele unsere
Stärke zur See. Kanu sich doch in 16 Stunden unser gesamtes
Ostseegeschwader mit dem der Nordsee vereinigen. Daß uns unsere
Feinde bei der Vereinigung der beiden Flotten nicht stören oder
uns gar in den Kanal hinein verfolgen, dafür werden die Befestigungs-
anlagen bei Neuwerk und in der Kieler Bucht schon sorgen.
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal ist eine der großartigsten Seeschiff-
sahrtsanlagen der Welt. Wohl gibt es längere Kanäle, aber sie
haben nicht die Breite und Tiefe unsers Kanals, ganz zu schweigen
von der Gediegenheit der Ausführung. Es gibt auch breitere künst-
lich geschaffene Wasserstraßen, wie z. B. den Kanal von Amsterdam
nach der Nordsee oder von Liverpool nach Manchester. Aber beide
Kanäle werden vom Kaiser-Wilhelm-Kanal an Länge weit übertroffen.
Der Suezkanal kann sich zwar in bezug auf Breite mit unserm Kanal
messen und hat eine Länge von 140 kra, aber seine Tiefe beträgt
nur 8 m, und seine Ausführung läßt zu wünschen übrig. Der
Panamakanal, der sich seiner Vollendung nähert, ist sogar 96 m
breit und 12 m tief, hat aber nur eine Länge von 72 km.
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal hat neben seiner hohen wirtschaft-
lichen und militärischen auch eine hohe ideelle Bedeutung. Hat doch
die Bauausführung der Welt gezeigt, was wissenschaftlich - technisch
geleitete deutsche Arbeit und deutsche Gewissenhaftigkeit zu leisten ver-
mögen. Möge sich an der gewaltigen Schöpfung in Friedens- wie
in Kriegszeiten immerdar der Ausspruch erfüllen, mit dem Kaiser
Wilhelm I. den Grundstein legte:
„Zur Ehre des geeinigten Deutschlands,
zu seinem wachsenden Wohle,
als Zeichen seiner Macht und Stärke/' Pfeifer.
96. Der Hamburger Hafen.
Zu einer Fahrt durch den Hamburger Hafen, die zu dem Inter-
essantesten gehört, was der Fremde unternehmen kann, begeben wir
uns an die neu erbaute 5t. P>auli- Landungsbrücke, auf der zu jeder
Tageszeit der lebhafteste Verkehr flutet. Hier ist der Zentralpunkt
für die Abfahrt und Ankunft aller im Hafenverkehr beschäftigten
Dampfer und aller Dampfer, die den Verkehr mit den elbabwärts
gelegenen Grten vermitteln.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
221
Jene Bogen, die sich so elegant über den breiten Strom
spannen und, aus der Entfernung gesehen, einer einzigen Brücke
anzugehören scheinen, bilden den Oberbau der beiden großartigen,
festen Brücken über die Elbe. Die ältere bewirkte die langersehnte
Eisenbahnverbindung zwischen Marburg und Hamburg; auf der
anderen flutet von früh bis spät ein unablässiger Verkehr von
Wagen, Fußgängern und Straßenbahnen. Den Verkehr zwischen den
Stadtteilen St. Pauli und Steinwärder vermittelt jetzt ein Tunnel unter
der Elbe, der ^8,5 m lang ist und der von allen Fremden, die Hamburg
besuchen, als ein Wunderwerk der Ingenieurkunst angestaunt wird.
Eine einmalige Fahrt durch den Hafen genügt nicht. Nach
dem Gesamtüberblick bleibt noch viel im einzelnen zu sehen, was
namentlich für den Binnenländer lehrreich und fesselnd ist. Vom
großen transatlantischen Dampfer bis zur Tätigkeit der Dampf-
kräne, die mit ihren eisernen Armen das Laden und Löschen spielet
bewirken, gibt es überall Neues und Interessantes zu sehen. Auch
den Schiffswerften auf der Insel Steinwärder, auf denen mächtige
Schiffe entstehen, und den Schwimm- und Trockendocks, in denen die
Dampfer aus dem Wasser gehoben und dann ausgebessert werden,
ist ein Besuch abzustatten. Die meiste Aufmerksamkeit erregt, weil
weit sichtbar, das Schwimmdock der Schiffswerft von Blohm und
Voß; es besteht aus sechs Abteilungen von je sooo bis säoo Tonnen
(zu je sooo Ailogramm) Tragfähigkeit und hat eine Länge von 2^O
Nietern. Es wird durch Wasserfüllung so tief versenkt, daß der
Dampfer in das Dock hineinfährt, dann wird dieses vermittels einer
Tentrifugalpumpe, die hundert Kubikmeter Wasser in der Almute
fördert, entleert, worauf das Dock mit dem Schiffe so hoch steigt, daß
das letztere frei steht und von allen Seiten bearbeitet werden kann.
Die Bedeutung Hamburgs als Handelsplatz beruht auf der Gunst
seiner geographischen Lage an einem gewaltigen, viele Länder durch-
schneidenden Strome, und zwar an derjenigen Stelle, wo die Fluß-
schiffahrt aufhört und die Seeschiffahrt beginnt. Die Flußschiffe
können nur bis zu demjenigen Punkte gelangen, an welchem die
täglich zweinralige Flut und Ebbe vom Aieere her ihre Araft ver-
liert, die Seeschiffe aber können wegen des überall tiefen waffer-
standes bis zur Stadt heraufkommen und an den (Juais anlegen.
Dadurch wird eine enge Verbindung zwischen Binnenschiffahrt und
Seeschiffahrt ermöglicht, wie sie in keinem andern Hafen in solchem
Umfange besteht; was die Flußschiffe heranbringen, kann unmittel-
bar in das Seeschiff und der Inhalt der Seeschiffe in die Oberländer
Aähne übergeladen werden. Zieht man in Betracht, daß an allen
Tuais die Ueberladung aus dem Schiffe direkt in die Eisenbahnwagen
vermittels der Aräne bewirkt werden kann, so wird auch der Nicht-
kaufmann leicht beurteilen können, auf welchen hauptsächlichen
Alomenten das fortwährende Zuströmen und die Bewältigung dieser
ungeheuren warenmassen und zugleich die Handelsgröße Hamburgs
beruht. Nach Singer.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
301
Deutschlands ausgehen. Ein gewaltiges Netz von elektrischen Straßen-
bahnen, größer als in irgend einer anderen Stadt, überzieht Alt-
und Neuleipzig und reicht bis in die weitere Umgebung hinaus. Der Ver-
kehr in der weit ausgedehnten Stadt ist dadurch bedeutend erleichtert worden.
Durch die gewaltigen Veränderungen des heutigen Verkehrswesens,
durch Post und Eisenbahnen, Telegraph und Telephon hat der Handel
neue Formen erhalten. Heute sucht man vergeblich nach den langen
Warenzügen, die sich früher zu den Messen hinbewegten. Die meisten
Händler kommen jetzt nur noch mit den neuesten Mustern zum Markte,
um nach ihnen die Bestellungen der Käufer entgegenzunehmen. Die Stadt
Leipzig ist auch dieser neuzeitlichen Form der Messe gerecht geworden und
hat durch Umbau des alten Gewandhauses und große Neubauten im
Herzen der verkehrsreichen Stadt Hunderte von Räumen zu ständigen
Musterlagern im städtischen Kaufhause, im Handelshofe und in vielen
Privatgebänden geschaffen und sich auf diese Weise den Meßhandel auch
in der neuen Form der Musterausstelluug gesichert. Von Wichtigkeit für
eine ganze Reihe von Gewerbearten war weiterhin die Einrichtung der
Ostervormesse im März.
Auch der mehr örtliche Handelsverkehr ist durch die günstigen Eisen-
bahnverhältnisse nicht unwesentlich gefördert worden. Bis vor kurzem
befand sich ein Teil des Warenmarktes, namentlich für den Kleinhandel,
unter freiem Himmel. Tragbare Verkaufsstände. Wagen, hölzerne Buden
bedeckten fast täglich die Plätze und zuweilen auch einzelne Straßen der
Stadt. Neuerdings ist dieser „fliegende Handel" sehr beschränkt worden,
und es ist für solche Händler, die Lebensmittel aller Art, besonders
Fleisch und Fische oder Landcsprodnkte und Waren für den unmittel-
baren Hausbedarf verkaufen, eine große, auch äußerlich schön ausgestattete
Markthalle vorhanden, die zu den besteingerichteten der Gegenwart
gehört. Leipzig hat nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910
585000 Einwohner. Welch gewaltige Zufuhr von Nahrungsmitteln ist
nötig, die leiblichen Bedürfnisse seiner Bewohnerschaft zu befriedigen!
Um für den Leipziger Handel auch eine Wasserstraße zu schaffen,
ist bereits vor Jahrzehnten der Bau eines Kanals begonnen worden,
der von der Elster nach der Saale führen und so die beiden größten
Handelsplätze Deutschlands, Hamburg und Leipzig, durch Schiffahrt ver-
binden soll. Auch ein Kanal von Leipzig direkt nach der Elbe wird
seit langem geplant. Durch den Bau solcher Wasserstraßen können die
überseeischen Handelsgüter auf eine viel billigere Weise als durch die
Eisenbahn dem Mittelpunkte Deutschlands zugeführt werden.
Von der Bedeutung Leipzigs als Handelsstadt bekommt man einen
Begriff, wenn man den Postverkehr eines Jahres betrachtet. Im
Jahre 1910 gingen in Leipzig 121 Millionen Briefseildungen ein, während
18ö1/2 Millionen Briefe von hier abgesandt wurden. Der Paketverkehr
Leipzigs betrug in dem genannten Jahr fast 5 Millionen eingegangene
und über 10 Millionen abgesandte Pakete. Auf Postanweisungen wurden
211 Millionen M bar eingezahlt und 143;t/5! Million bar ausgezahlt. Im
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]