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1. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 7

1873 - Hildburghausen : Gadow
o von sich, und gewaltsame Zuckungen verriethen, daß sie der Tod ebenfalls schüttelte. So ein Unglücksfall war der guten Frau noch nicht begegnet, seitdem sie wirthschaftete; ganz betäubt von Schrecken, sank sie auf ein Bündlein Stroh hin, hielt die Schürze vor die Augen, denn sie konnte den Jammer der Sterblinge nicht ansehen, und erseufzete tief: Ich unglückliches Weib, was fang ich an! und was wird mein harter Mann beginnen, wenn er nach Hause kommt? Ach, hin ist mein ganzer Gottes- segen auf dieser Welt. — Augenblicklich strafte sie das Herz dieses Gedankens wegen: Wenn das liebe Vieh dein ganzer Gottessegen ist auf dieser Welt, was ist denn Steffen und was sind deine Kinder? Sie schämte sich ihrer Uebereilung. Laß fahren dahin aller We!t Reich- thum, dachte sie, hast du doch noch deinen Mann und deine vier Kinder. Ist doch die Milchquelle für den lieben Säugling noch nicht versiegt, und für die übrigen Kinder ist Wasser im Brunnen. Wenn's auch einen Strauß mit Steffen absetzt und er mich übel schlägt, was ist's mehr, als ein böses Ehestündlein? hab ich doch nichts verwahrlost. Die Ernte stehet bevor, da kann ich schneiden gehn, und auf den Winter will ich spinnen bis in die tiefe Mitternacht; eine Ziege wird ja wohl wieder zu erwerben sein, und hab' ich die, so wirds auch nicht an Hipplein fehlen. Indem sie das bei sich gedachte, ward sie wieder frohen Muthes, trocknete ab ihre Thränen, und wie sie die Augen aufhob, lag da vor ihren Füßen ein Blättlein, das fütterte und blinkte so hell und hochgelb, wie gedie- gen Gold; sie hob es auf, besah's, und es war schwer wie Gold. Rasch sprang sie auf, lief damit zu ihrer Nachbarin, der Judenfrau, zeigt ihr den Fund mit großer Freude und die Jüdin erkannt's für reines Gold, schachert's ihr ab, und zählt' ihr dafür zwei Dickthaler baar auf den Tisch. Vergessen war nun all' ihr Herzeleid. Solchen Schatz an Baarschaft hatte das arme Weib noch nicht im Besitz gehabt. Sie lief zum Bäcker, kaufte Strözel und Bntterkringel und eine Hammelkeule für Steffen, die sie zurichten wollte, wenn er müde und hung- rig auf den Abend von der Reise käm. Wie zappelten die Kleinen der fröhlichen Mutter entgegen, da sie hereintrat und ihnen ein so ungewohntes Frühstück austheilte. Sie überließ sich ganz der mütterlichen Freude, die hungrige Kinderjchaar abzufüttern; und nun war ihre erste Sorge,

2. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 8

1873 - Hildburghausen : Gadow
6 das ihrer Meinung nach von einer Unholdin gesterbte Vieh bei Seite zu schaffen und dieses häusliche Unglück vor dem Manne so lang als möglich zu verheimlichen. Aber ihr Erstaunen ging über Alles, als sie von ungefähr in den Futtertrog sah und einen ganzen Hansen goldner Blätter darin erblickte. Daher schärfte sie geschwind das Küchenmesser, brach den Ziegenleichnam ans und fand im Magenschlunde einen Klumpen Gold, so groß, als einen Paulinerapfel, und so auch nach Verhältniß in den Mägen der Zicklein. Jetzt wußte sie ihres Reichthums kein Ende; doch mit der Besitznehmung empfand sie auch die drückenden Sorgen desselben; sie ward unruhig, scheu, fühlte Herz- klopfen, wußte nicht, ob sie den Schatz in die Lade ver- schließen oder in den Keller vergraben sollte, fürchtete Diebe und Schatzgräber, wollte auch den Knauser Steffen nicht gleich Alles wissen lassen, aus gerechter Besorg- niß, daß er, vom Wuchergeist angetrieben, den Mammon an sich nehmen und sie dennoch nebst den Kindern darben lassen möchte. Sie sann lange, wie sie's klug genug damit anstellen möchte, und fand keinen Rath. Endlich nahm sie ihre Zuflucht zu dem trostreichen Seelenpfleger des Dorfes, berichtete ihm unverhohlen das Abenteuer mit Rübezahl, wie er ihr zu großem Reichthum ver- holfen und was sie dabei für Anliegen habe. Nach- dem er lange nachgesonnen hatte, sagte er: Hör' an, meine Tochter, ich weiß guten Rath für Alles. Wäge mir das Gold zu, daß ich dir's getreulich aufbewahre; dann will ich einen Brief schreiben in welscher Sprache, der soll dahin lauten: dein Bruder, der vor Jahren in die Fremde ging, sei in der Venediger Dienst nach In- dien geschifft und daselbst gestorben, und habe all sein Gut dir im Testament vermacht, mit dem Beding, daß der Pfarrer des Kirchspiels dich bevormunde, damit es dir allein und keinem andern zu Nutz komme. Ich begehre weder Lohn noch Dank von dir; nur gedenke, daß du der heiligen Kirche einen Dank schuldig bist für den Segen, den dir der Himmel bescheert hat, und gelobe ein reiches Meßgewand in die Sakristei. Dieser Rath be- hagte dem Weibe herrlich: er wog in ihrem Beisein das Gold gewissenhaft bis auf ein Quentlein aus, legte es in den Kirchenschatz, und das Weib schied mit frohem und leichtem Herzen von ihm. Rübezahl aber war mittlerweile auch nicht müßig ge-

3. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 16

1873 - Hildburghausen : Gadow
14 bleibende Brod gelegen hatte, und suchten hinter dem alten Gebetbuch nach alten Bröckchen, die sich vielleicht da noch verhalten hatten, aber sie fanden nichts, denn es war schon lange kein Brod hineingekommen, weil nichts übrig blieb, und die Mutter hatte schon öfters den Tisch- kasten ganz umgestürzt und die gefundenen Brosamen den kleinsten Kindern zusammengekehrt und gegeben. Wenn sie denn gar nichts fanden, weinten die Kleinen, während das größere Töchterchen begierig an dem Tuche leckte, worinnen die Mutter gestern Mehl geholt hatte, und der größere Knabe den hölzernen Teller abschabte, worauf der Mehlbrei gewesen war, bis der Vater, der auch vor Hunger matt war, traurig sagte: nun, ihr Kinder, laßt uns das Abendgebet mit einander beten und zu Bette gehen! Wenn dann am Morgen die Kleinen wieder auf- wachten und die Mutter konnte ihnen keine Milch geben, weil die Ziege schon lange aus Noth verkauft oder ge- schlachtet war, da schaute sie wohl manchmal tiefsehnend aus dem Fenster hinaus, wenn wieder ein Sarg vorbei- getragen wurde, und dachte: selig, glücklich sind die, die in dem Herrn sterben, denn sie werden ruhen von ihrer Arbeit, ruhen von ihrem Elend, in der tiefen, stillen Kammer, wo sie nicht hören mehr und versagen müssen die Bitte der unschuldigen, hungernden Kinder. Indem nun das Elend in jenem traurigen Winter fast allgemein in dem armen Erzgebirge so groß war, wie wir es hier beschreiben, hatte auch unsere arme Bergmanns- Familie ihren reichlichen Antheil an der Noth zu tragen. Da gab das Mitleid und die zärtliche Liebe der Mutter ein Mittel ein, wie sie ihren jüngsten, liebsten Sohn, den zweijährigen Johann Gottlob, von dem Hungertod, dem ein so zartes Kind leicht wäre ausgesetzt gewesen, retten konnte. Sie trug nämlich den Knaben täglich hin zu einem Bäcker und ließ ihn in der Nähe des Backofens, während sie auf's Tagelohn ging, Stunden lang sitzen, damit er den nahrhaften Dampf des frischen Brodes einathme, die mit- leidige, aber selber arme und an Kindern reiche Bäckers- frau gab dann dem Kleinen wohl zuweilen auch einige Bissen. So wurde der Knabe jenen Winter hindurch, wo so unzählig viele arme Kinder von seinem zarten Alter starben, beim Leben erhalten. Da nun der Frühling 1771 wieder kam und die Wiesen wurden wieder munter, faßten die Armen auch

4. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 18

1873 - Hildburghausen : Gadow
16 Mittag speist und erquickt ihn eine mitleidige Bauern- Familie reichlich, am Abend wieder, und da er immer noch nach seinem S. fragt und immer hört, es sei ein paar Stunden dahin, läßt er sichs endlich in kindlicher Unüber- legtheit gefallen, so den Tag über zwischen grünen Feldern und blühenden Bäumen herum zu laufen und am Mittag und Abend doch immer seine Mahlzeit bei mitleidigen Menschen zu finden; er wirft die welken Skabiosen aus der Hand und weint nur noch am Abend, wenn er zuweilen in Häusern ist, wo ihn die Leute nicht so freundlich ansehen, nach der Mutter. So wandert der Kleine, der durch sein hübsches Gesicht und sein gar gutes, treuherzig blickendes Auge, so wie, wenn man ihn darum fragt, durch seine treu- herzige Erzählung überall Mitleiden' weckt, eine ziemlich lange Zeit von Ort zu Ort. Bald pflegen seiner mit- leidige Bauern oder eine gute Predigersfrau reinigt und erquickt ihn, wohlmeinende Edelfrauen geben ihm Geld und Kleider. Geld zwar achtete er anfangs nicht, sondern gab es andern armen Kindern; da er aber einmal von diesen bemerkt, daß man auch gutes, weißes Brod an Bäckerläden haben kann, wenn man dem Bäcker Geld gibt, lernte er nach und nach auch den Werth dieses Almosens kennen. Endlich kommt er in eine, ihm damals sehr groß und prächtig scheinende Stadt (wahrscheinlich Zwickau). Die große Theuerung im Gebirge hatte damals viele Arme nach den Städten hingezogen, die am Tage ihren Bissen Brod vor den Thüren der mitleidigeren Bürger suchten und bei Nacht außen vor der Stadt schliefen. Der Kleine hatte bisher noch nie eigentlich gebettelt, sondern, wenn ihn hungerte, sich immer nur vor die Thüren still hinge- stellt und gewartet, bis man ihn anredete und zum Epen einlud; unter die Hausen der Almosen flehenden Armen gemischt, lernte er aber nun auch von diesen uni Almosen bitten. Dem kleinen zarten, treuherzigen Knaben gab Jedes reichlich, und er brachte gewöhnlich, wenn er. nicht über dem Spielen mit andern armen Kindern das Almosenbitten vergaß, am Tage über so viel zusammen, daß er nur den geringsten Theil des empfangenen Brodes zu essen vermochte. Da nahm er denn am Abend seinen ganzen Vorrath an Brod und Geld und ging_ in der Vorstadt in eine Hütte, die ihm die ärmste schien und wo viele hungrige Kinder waren, denen gab er sein

5. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 21

1873 - Hildburghausen : Gadow
19 „Was ich thue, das weißt dir jetzt nicht, du wirst es aber Hernachmals, du wirst es bald erfahren." Auch der Kleine, da er auf einmal, statt zur Mutter zu kommen, unter lauter fremde Leute kam, ähnele es in seinem Kindersinne noch nicht, daß dieser Irrweg, der ihn so herzlich betrübte, der Weg zu seiner Rettung und Er- haltung war, aber jetzt als Mann dankt er dem innig, der ihn so führte aus der Eltern liebem, aber armen Haus, in die Fremde, die ihm Bergungsort wurde. 4. Der Solenhofer Knabe. An der Altmühl, ungefähr eine Viertelstunde unterhalb Solenhofen, ist eine Glashütte im Gang. Das Holz zu den Oefen kann leicht über die jähen Bergwände herabgelassen werden, und der reine, zuckerweiße Sand findet sich da und dort in Nestern, einen oder wenige Schuhe unter dem Rasen. Ehe man aber anfing, diesen Sand in Glas zu ver- wandeln, bestreuten oder fegten schon die Hausfrauen in der Umgegend ihre Stubenböden, Tische, Bänke, hölzerne Geschirre u. s. w. damit, und kauften ihn von Weibern, die ihn bei Solenhofen gruben und in kleinen Säckchen zum Verkauf in die umliegenden Orte trugen. In der ältesten Zeit befaßte sich eine Zeit lang nur ein einziges Weib mit diesem beschwerlichen Handel, bei welchem sie oft über fünfzig Pfund auf dem Rücken aus- und nur ein paar Heller in der Tasche dafür heimtrug. Es war eine Wittwe in mittlerem Alter und hatte einen Knaben von zwölf Jahren, der im Sommer die Ziegen des Orts hütete und im Winter mit seiner Mutter in den unterirdischen Felsklüften Sandnester aufsuchte und aus- beutete, wenn man vor Schnee und Eis in den Boden kom- men konnte. Einmal in einem besonders harten Winter wollte es den guten Leuten gar nicht gelingen. Lange war der Boden bald so fest gefroren und bald so hoch mit Schnee bedeckt, daß sie gar nicht zu ihrer unterirdischen Nah- rungsquelle gelangen konnten. Der kleine Vorrath von Sand, den sie sich im Herbst gegraben hatten, ging zu Ende und mit ihm das Brod, das sie sich für die erlö- sten Pfennige aus den benachbarten Orten mitzunehmen pflegten. An den Sommerseiten der Berge, wo die Februar-Sonne die dünneren Schneeschichten weggeleckt 2*

6. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 22

1873 - Hildburghausen : Gadow
20 hatte, fingen sie nun an zu schürfen, aber überall ver- gebens und ohne Erfolg. Ihre Werkzeuge zerbrachen, und sie hatten noch kein weißes Sandkorn gefunden. Dazu ging das Futter für die Ziegen auf die Neige, und in der Hütte waren nun vier Geschöpfe, denen der Hunger aus den Augen sah. Das Einzige, was sie noch unter sich thei- len konnten, war eine Kufe mit eingestampften Rüben und weißem Kohl, und auch diese stritten schon mit der Ver- wesung, weil sie nur wenig gesalzen waren. Die Geißen erhielten ihren Antheil roh, wie er aus der Kufe kam, die Portionen für sich und ihren Knaben kochte die Wittwe und salzte sie oft mit ihren bittern Kummerthränen. Denn es war damals unter ihrem Dache, wie in der Hütte der Wittwe von Zarpath, als sie dem Propheten antwortete: „So wahr der Herr, dein Gott, lebet, ich habe nichts Ge- backenes, ohne eine Hand voll Mehl im Topf und ein wenig Oel im Kruge. Und siehe, ich habe Holz aufgelesen und gehe hinein und will mir und meinem Sohne zurichten, daß wir essen und sterben." Der Knabe liebte seine Mutter und bewies seine Liebe meistens dadurch, daß er nie über seinen Hunger klagte, sondern geduldig von einer Mahlzeit auf die andere war- tete und überhaupt Alles vermied und verbarg, was ihr das Herz noch schwerer machen konnte. Aber fast die ganze andere Hälfte seines Herzens war den Ziegen zuge- wandt, und es wollte ihm brechen, wenn er sah, wie sie, von Hunger getrieben, an der Kufe hinaufsprangen und ver- gebens Hals und Zunge streckten, um die Neige darin zu erreichen. Hätten sie von seinen schönen Worten und Ver- tröstungen auf den nahen Frühling satt werden können, dann hätten sie mehr als genug gehabt. Aber so wurden sie immer magerer und der Knabe entschloß sich endlich, für sie zu thun, was er noch nicht einmal für seine Mutter gethan hatte. In Solenhofen war ein Benediktinerkloster. An die Pforte desselben pochte der Knabe mit dem schweren, eisernen Klöpfil, d?r daran hing, und antwortete dem Bruder Pförlinr, rer nach seinem Begehren fragte, er müsse mit dem Abt selbst reden. Er wurde vor diesen ehrwürdigen Diener Gottes geführt, küßte ihm die Hand und bat, er möchte ihm doch nur erlauben, das Heu auf- zulesen, das die Klosterkühe unter dem Barren und unter die Streu würfen, denn seine zwei Ziegen wären am Verhungern. Den Abt überraschte anfangs die Bitte,

7. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 85

1873 - Hildburghausen : Gadow
83 machen ein Viel. Nehmt euch vor kleinen Ausgaben in Acht; ein kleiner Leck versenkt ein grosses Schiff. Ein leckrer Gaumen führt zum Bettelstab; Narren bezahlen die Schüsseln, und die klugen Leute verzehren sie. Ihr habt euch hier zu einer öffentlichen Versteigerung von allerhand Kaufmannsgut und Galanteriewaaren ver- sammelt. Ihr nennt diese Dinge Güter, aber wenn ihr nicht auf eurer Hut seid, so werden sie für Einige unter euch zu Uebeln werden. Ihr denkt, sie werden wohlfeil, vielleicht weit unter ihrem Werthe weggehen; allein wenn ihr sie nicht unentbehrlich braucht, so werdet ihr sie auf jeden Fall zu theuer bezahlen. Kaufet nur, was ihr nicht nöthig habt, so werdet ihr bald das Nöthige verkaufen müssen. Viele haben sich bloss durch ihr wohlfeiles Ein- käufen zu Grunde gerichtet. Bedenke dich immer ein wenig, ehe du einen guten Handel eingehst. Der Vortheil desselben ist oft bloss scheinbar : der Kauf kann, indem er dich von deinem Gewerbe abzieht, dir im Grunde un- endlich mehr schaden als Gewinn bringen. 0, es ist eine grosse Thorheit, die Reue theuer zu bezahlen, und gleichwohl wird diese Thorheittäglich in Versteigerungen begangen, weil man nicht an das Sprichwort denkt, wel- ches sagt: Der Weise wird durch fremden Schaden klug, ein Narr kaum durch seinen eigenen. Ich kenne Leute, die um eine schöne Halskrause gern fasten und ihren eigenen Kindern das Brod entziehen. Scharlach und Seide, Sammet und Atlas löschen das Feuer in der Küche aus. Weit entfernt, Bedürfnisse zu sein, gehören sie kaum un- ter die Bequemlichkeiten des Lebens: man wünscht sie, bloss weil sie ins Auge fallen. So sind die künstlichen Bedürfnisse der Menschen zahlreicher geworden als ihre natürlichen, und so gerathen reiche Leute in Armuth und müssen oft von denen borgen, die sie sonst kaum über die Achsel an sahen, die sich aber durch Sparsamkeit undfleiss im Wohlstände erhielten. Mancher, der am meisten klagt, hatte ein artiges Vermögen geerbt, er vergass aber, wie er dazu gekommen, und dachte: nun ist es helle und wird nicht wieder dunkel; eine so geringe Ausgabe von einem Vermögen, wie das meinige, kömmt nicht in Betracht: aber, wie das Sprichwort sagt, wenn man immer aus dem Mehlfasse nimmt und nicht wieder hineinfüllt, kömmt man bald auf den Boden, und wenn der Brunnen trocken ist, schätzt man erst das Wasser. Lieben Freunde, wollt ihr wissen, was das Geld werth ist, so geht hin und borgt 6 *

8. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 262

1873 - Hildburghausen : Gadow
260 einem Alpenstock, einer tüchtigen Büchse und einem Fernrohr. In der Jagdtasche hat er Brod und Käse, auch wohl ein Fläschlein mit Wein oder Branntwein. Kaum daß die Sonne die Gletscher röthet, durchspäht er schon mit dem scharfen Auge oder Fernrohr die höheren Gebirgsregionen und wandert gegen den Wind, welchen er erforscht, indem er ein Haar im Winde spielen läßt. Hat er endlich eine oder mehrere Gemsen erspäht, so stellt er sich an einen Fel- sen und wartet mit vieler Geduld, bis die Gemse sich von dem Weideplätze zurückzieht, um sie sichrer auf's Korn zu nehmen. Sobald er die Hörner unterscheiden kann, schießt er. Geht die Gemse mit vorrückendem Tage höher hinauf, so sucht er unvermerkt höher zu kommen und schneidet ihr den Weg ab. Schwer ist es dem Jäger, einer ganzen Heerde beizukommen, eine einzelne nur ist meistens seine Beute. Sie hat ein sehr zähes Leben, und wenn er nicht Kopf oder Brust trifft, so hat er gewöhnlich das Nachsehen. Oesters stürzt auch die Gemse in einen Abgrund, daß sie gänzlich unbrauchbar wird. Am gefährlichsten für den Jäger wird das Verfolgen, wenn die Gemse auf flache und steile Felsen- massen flüchtet und der Jäger nachsteigt. Hier versteigt er sich oft so, daß er weder vor- noch rückwärts kann und froh sein muß, wenn er nach stundenlangem Bemühen sich retten kann. Er soll sich dann öfters Hände und Füße aufschneiden, um durch das klebende gerinnende Blut sich besser anhalten zu können. Hat der Jäger nun endlich eine oder gar zwei Gemsen erlegt, so fängt die Last und Noth erst an; denn er muß nun mit der schweren Bürde wegsame Gegenden aufzufinden suchen. Zuerst weidet er die Thiere aus, bindet die vier Füße zusammen und hängt sie quer über die Stirn, so daß der Körper der Thiere über den Rücken des Jägers hängt. So beladen, steigt er, an den Alpenstock sich lehnend, behutsam hinunter. Eisige Winde, Schneegestöber, dichter, undurchdringlicher Nebel und Stürme bereiten dem Gemsenjäger Gefahren, denen er selten auf die Dauer entgeht. Allein die Leiden- schaft ist bei diesen Menschen so stark, daß mancher auf der Jagd gestürzte Jäger, kaum geheilt, wieder in die Gebirge eilt, um frische Wunden oder den Tod zu holen. Der ganze Gewinnst beträgt drei bis vier große Thaler, welche man für eine Gemse zahlt. Das Fleisch von jungen, nicht zu alten Thieren ist sehr schmackhaft, und aus dem Leder werden vortreffliche Handschuhe verfertigt.

9. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 133

1873 - Hildburghausen : Gadow
131 und sich zur Alleinherrschaft £mporschwingen wollen. Mit ihm scheint auch sein Volk untergegangen zu sein, denn bald nach ihm verschwindet der Name der Cherus- ker aus der Geschichte; die Longobarden besiegten und vertilgten es. 68. Die Hunnen. Im vierten Jahrhundert nach Christo drangen die Hunnen, nachdem sie aus ihren Wohnsitzen vertrieben wor- den waren, aus Asien in Europa ein und setzten diesen ganzen Erdtheil in Furcht und Schrecken. Die Beschrei- bungen sind fürchterlich, welche die alten Schriftsteller von ihnen machen. Sie sahen mehr wilden Thieren als Men- schen ähnlich. Vom Körper waren sie meist klein und kurz, hatten breite Schultern, flache, dicke, viereckige Gesichter, und gräßliche Gesichtszüge, tiefliegende sehr kleine Augen und eingedrückte Nasen, wie die Kalmücken. Ihre Farbe war schwarzgelb, das Haar lang und schwarz, der Körper fest und stark, und die Sprache rauh und mißtönend. Ihre Beschäftigungen waren Viehzucht, Jagd, Krieg und Räubereien. Sie saßen, wie die heutigen Tartaren, fast beständig zu Pferde und brachten Tag und Nacht auf denselben zu; sie waren daher gute Reiter und vortreffliche Bogenschützen. Mit ihren schnellen Pferden waren sie plötzlich da, wo man sie nicht erwartete. Bald griffen sie an, bald flohen sie wieder, und im Fliehen schossen sie ihre Pfeile rückwärts mit solcher Sicherheit, daß man ihnen kaum ausweichen konnte. Zu ihren Speisen brauchten sie kein Feuer. Ungekochtes, rohes, etwas mürbe gerittenes Pferdefleisch war ihre Speise, Blut und Pferdemilch war ihr gewöhnliches Getränk. Ihre Sitten waren schrecklich. Gegen ihre Feinde übten sie die größten Grausamkeiten aus; man beschuldigte sie sogar, daß sie das Herz der Gefangenen in kleine Stücke zerschnitten und als Arznei verschluckt hätten. Der König und Anführer dieser rohen räuberischen Horde war Attila, ein Mann, geboren zur Erschütterung der Völker und ein Schrecken der ganzen Welt. Man nannte ihn daher Geißel Gottes, und so hörte er sich auch am liebsten nennen. Er setzte Alles in Furcht, selbst sein Aeußeres mußte Schrecken verbreiten. Sein Gang war stolz, und er schoß dabei seine Blicke nach allen Seiten hin. Seine Gestalt war kurz, die Brust breit, der Kopf groß, die Augen klein, Bart und Haare dünn, 9*

10. Geographie für die Volksschule - S. 49

1863 - Hildburghausen : Gadow
49 Schottland ist ein Bergland, die schottischen Ge- birge erreichen eine Höhe bis über 4000'. Irland ist eben. — Cap Landsend. Gewässer. Es finden sich gegen 50 Flüsse von kur- zem Laufe, aber die meisten schiffbar. Die bedeutendsten sind die Themse und die Severn. Klima. Das Klima ist ein Jnselklima, im Winter mild, im Sonimer kühl, doch feucht. Schottland ist kälter, hat aber gesundere, reinere Luft. Irland ist fast das ganze Jahr grün. Produkte. Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine, Hunde (Doggen), Gänse, Fische und Austern. Reißende Thiere fehlen, Wild wenig. Pflanzen. Getreide, vorz. Weizen, Gemüse, Futter- kräuter, Krapp, Hopsen, Obst, Mangel an Holz, kein Wein; in Irland viel Flachs, aber wenig Obst. Mineralien. Gold, Silber, Kupfer, Salz, vorzüg- lich aber viel Steinkohlen, Zinn und Eisen. Einwohner. 29 Mill., in England und Schottland protestantisch, in Irland katholisch. Es herrscht auf der einen Seite ungeheurer Reichthum, aus der andern große Armuth trotz harter Arbeit; die Hälfte der Häuser sind bloße Lehmhütten oder Schuppen. Die Engländer sind sehr thätig und unternehmend, halten auf ihre Freiheiten und sind sehr kirchlich. Die englische Industrie ist sehr blühend, fast die Hälfte der Einwohner lebt in Fabriken, die alle mit Dampf arbeiten. Man hat Fabriken in Baum- wolle, Wolle, Seide, Leinen, Leder, Metallwaaren, Seife, Glas und Porzellan. Bedeutende Eisengießereien, Zucker- siedereien, Bierbrauereien und Brandweinbrennereien. In Irland und Schottland ist die Viehzucht blühender als der Ackerbau. — Der englische Handel ist der bedeutendste der ganzen Erde. Man hat 35,000 Handelsschiffe und 1300 Dampfschiffe, die alle Meere befahren. Zum Schutze des Seehandels dient eine aus 570 Kriegsschiffen bestehende Flotte mit 16—17,000 Geschützen, zur Beförderung des Verkehrs im Innern gibt es eine Menge Eisenbahnen und Kanäle. 4
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