o
von sich, und gewaltsame Zuckungen verriethen, daß sie
der Tod ebenfalls schüttelte. So ein Unglücksfall war der
guten Frau noch nicht begegnet, seitdem sie wirthschaftete;
ganz betäubt von Schrecken, sank sie auf ein Bündlein
Stroh hin, hielt die Schürze vor die Augen, denn sie
konnte den Jammer der Sterblinge nicht ansehen, und
erseufzete tief: Ich unglückliches Weib, was fang ich an!
und was wird mein harter Mann beginnen, wenn er
nach Hause kommt? Ach, hin ist mein ganzer Gottes-
segen auf dieser Welt. — Augenblicklich strafte sie das
Herz dieses Gedankens wegen: Wenn das liebe Vieh dein
ganzer Gottessegen ist auf dieser Welt, was ist denn
Steffen und was sind deine Kinder? Sie schämte sich
ihrer Uebereilung. Laß fahren dahin aller We!t Reich-
thum, dachte sie, hast du doch noch deinen Mann und
deine vier Kinder. Ist doch die Milchquelle für den
lieben Säugling noch nicht versiegt, und für die übrigen
Kinder ist Wasser im Brunnen. Wenn's auch einen
Strauß mit Steffen absetzt und er mich übel schlägt,
was ist's mehr, als ein böses Ehestündlein? hab ich doch
nichts verwahrlost. Die Ernte stehet bevor, da kann ich
schneiden gehn, und auf den Winter will ich spinnen bis
in die tiefe Mitternacht; eine Ziege wird ja wohl wieder
zu erwerben sein, und hab' ich die, so wirds auch nicht
an Hipplein fehlen.
Indem sie das bei sich gedachte, ward sie wieder
frohen Muthes, trocknete ab ihre Thränen, und wie sie
die Augen aufhob, lag da vor ihren Füßen ein Blättlein,
das fütterte und blinkte so hell und hochgelb, wie gedie-
gen Gold; sie hob es auf, besah's, und es war schwer
wie Gold. Rasch sprang sie auf, lief damit zu ihrer
Nachbarin, der Judenfrau, zeigt ihr den Fund mit großer
Freude und die Jüdin erkannt's für reines Gold,
schachert's ihr ab, und zählt' ihr dafür zwei Dickthaler
baar auf den Tisch. Vergessen war nun all' ihr Herzeleid.
Solchen Schatz an Baarschaft hatte das arme Weib noch
nicht im Besitz gehabt. Sie lief zum Bäcker, kaufte
Strözel und Bntterkringel und eine Hammelkeule für
Steffen, die sie zurichten wollte, wenn er müde und hung-
rig auf den Abend von der Reise käm. Wie zappelten die
Kleinen der fröhlichen Mutter entgegen, da sie hereintrat
und ihnen ein so ungewohntes Frühstück austheilte. Sie
überließ sich ganz der mütterlichen Freude, die hungrige
Kinderjchaar abzufüttern; und nun war ihre erste Sorge,
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das ihrer Meinung nach von einer Unholdin gesterbte
Vieh bei Seite zu schaffen und dieses häusliche Unglück
vor dem Manne so lang als möglich zu verheimlichen.
Aber ihr Erstaunen ging über Alles, als sie von ungefähr
in den Futtertrog sah und einen ganzen Hansen goldner
Blätter darin erblickte. Daher schärfte sie geschwind das
Küchenmesser, brach den Ziegenleichnam ans und fand
im Magenschlunde einen Klumpen Gold, so groß, als
einen Paulinerapfel, und so auch nach Verhältniß in den
Mägen der Zicklein.
Jetzt wußte sie ihres Reichthums kein Ende; doch
mit der Besitznehmung empfand sie auch die drückenden
Sorgen desselben; sie ward unruhig, scheu, fühlte Herz-
klopfen, wußte nicht, ob sie den Schatz in die Lade ver-
schließen oder in den Keller vergraben sollte, fürchtete
Diebe und Schatzgräber, wollte auch den Knauser Steffen
nicht gleich Alles wissen lassen, aus gerechter Besorg-
niß, daß er, vom Wuchergeist angetrieben, den Mammon
an sich nehmen und sie dennoch nebst den Kindern darben
lassen möchte. Sie sann lange, wie sie's klug genug
damit anstellen möchte, und fand keinen Rath. Endlich
nahm sie ihre Zuflucht zu dem trostreichen Seelenpfleger
des Dorfes, berichtete ihm unverhohlen das Abenteuer
mit Rübezahl, wie er ihr zu großem Reichthum ver-
holfen und was sie dabei für Anliegen habe. Nach-
dem er lange nachgesonnen hatte, sagte er: Hör' an,
meine Tochter, ich weiß guten Rath für Alles. Wäge
mir das Gold zu, daß ich dir's getreulich aufbewahre;
dann will ich einen Brief schreiben in welscher Sprache,
der soll dahin lauten: dein Bruder, der vor Jahren in
die Fremde ging, sei in der Venediger Dienst nach In-
dien geschifft und daselbst gestorben, und habe all sein
Gut dir im Testament vermacht, mit dem Beding, daß
der Pfarrer des Kirchspiels dich bevormunde, damit es dir
allein und keinem andern zu Nutz komme. Ich begehre
weder Lohn noch Dank von dir; nur gedenke, daß du
der heiligen Kirche einen Dank schuldig bist für den
Segen, den dir der Himmel bescheert hat, und gelobe ein
reiches Meßgewand in die Sakristei. Dieser Rath be-
hagte dem Weibe herrlich: er wog in ihrem Beisein das
Gold gewissenhaft bis auf ein Quentlein aus, legte es in
den Kirchenschatz, und das Weib schied mit frohem und
leichtem Herzen von ihm.
Rübezahl aber war mittlerweile auch nicht müßig ge-
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bleibende Brod gelegen hatte, und suchten hinter dem
alten Gebetbuch nach alten Bröckchen, die sich vielleicht
da noch verhalten hatten, aber sie fanden nichts, denn es
war schon lange kein Brod hineingekommen, weil nichts
übrig blieb, und die Mutter hatte schon öfters den Tisch-
kasten ganz umgestürzt und die gefundenen Brosamen den
kleinsten Kindern zusammengekehrt und gegeben. Wenn
sie denn gar nichts fanden, weinten die Kleinen, während
das größere Töchterchen begierig an dem Tuche leckte,
worinnen die Mutter gestern Mehl geholt hatte, und
der größere Knabe den hölzernen Teller abschabte, worauf
der Mehlbrei gewesen war, bis der Vater, der auch vor
Hunger matt war, traurig sagte: nun, ihr Kinder, laßt
uns das Abendgebet mit einander beten und zu Bette
gehen!
Wenn dann am Morgen die Kleinen wieder auf-
wachten und die Mutter konnte ihnen keine Milch geben,
weil die Ziege schon lange aus Noth verkauft oder ge-
schlachtet war, da schaute sie wohl manchmal tiefsehnend
aus dem Fenster hinaus, wenn wieder ein Sarg vorbei-
getragen wurde, und dachte: selig, glücklich sind die, die in
dem Herrn sterben, denn sie werden ruhen von ihrer Arbeit,
ruhen von ihrem Elend, in der tiefen, stillen Kammer, wo
sie nicht hören mehr und versagen müssen die Bitte der
unschuldigen, hungernden Kinder.
Indem nun das Elend in jenem traurigen Winter fast
allgemein in dem armen Erzgebirge so groß war, wie wir
es hier beschreiben, hatte auch unsere arme Bergmanns-
Familie ihren reichlichen Antheil an der Noth zu tragen.
Da gab das Mitleid und die zärtliche Liebe der Mutter
ein Mittel ein, wie sie ihren jüngsten, liebsten Sohn, den
zweijährigen Johann Gottlob, von dem Hungertod, dem
ein so zartes Kind leicht wäre ausgesetzt gewesen, retten
konnte. Sie trug nämlich den Knaben täglich hin zu einem
Bäcker und ließ ihn in der Nähe des Backofens, während
sie auf's Tagelohn ging, Stunden lang sitzen, damit er den
nahrhaften Dampf des frischen Brodes einathme, die mit-
leidige, aber selber arme und an Kindern reiche Bäckers-
frau gab dann dem Kleinen wohl zuweilen auch einige
Bissen. So wurde der Knabe jenen Winter hindurch, wo
so unzählig viele arme Kinder von seinem zarten Alter
starben, beim Leben erhalten.
Da nun der Frühling 1771 wieder kam und die
Wiesen wurden wieder munter, faßten die Armen auch
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Mittag speist und erquickt ihn eine mitleidige Bauern-
Familie reichlich, am Abend wieder, und da er immer noch
nach seinem S. fragt und immer hört, es sei ein paar
Stunden dahin, läßt er sichs endlich in kindlicher Unüber-
legtheit gefallen, so den Tag über zwischen grünen Feldern
und blühenden Bäumen herum zu laufen und am Mittag
und Abend doch immer seine Mahlzeit bei mitleidigen
Menschen zu finden; er wirft die welken Skabiosen aus der
Hand und weint nur noch am Abend, wenn er zuweilen
in Häusern ist, wo ihn die Leute nicht so freundlich ansehen,
nach der Mutter.
So wandert der Kleine, der durch sein hübsches
Gesicht und sein gar gutes, treuherzig blickendes Auge,
so wie, wenn man ihn darum fragt, durch seine treu-
herzige Erzählung überall Mitleiden' weckt, eine ziemlich
lange Zeit von Ort zu Ort. Bald pflegen seiner mit-
leidige Bauern oder eine gute Predigersfrau reinigt und
erquickt ihn, wohlmeinende Edelfrauen geben ihm Geld
und Kleider. Geld zwar achtete er anfangs nicht, sondern
gab es andern armen Kindern; da er aber einmal von
diesen bemerkt, daß man auch gutes, weißes Brod an
Bäckerläden haben kann, wenn man dem Bäcker Geld gibt,
lernte er nach und nach auch den Werth dieses Almosens
kennen.
Endlich kommt er in eine, ihm damals sehr groß und
prächtig scheinende Stadt (wahrscheinlich Zwickau). Die
große Theuerung im Gebirge hatte damals viele Arme
nach den Städten hingezogen, die am Tage ihren Bissen
Brod vor den Thüren der mitleidigeren Bürger suchten
und bei Nacht außen vor der Stadt schliefen. Der Kleine
hatte bisher noch nie eigentlich gebettelt, sondern, wenn
ihn hungerte, sich immer nur vor die Thüren still hinge-
stellt und gewartet, bis man ihn anredete und zum Epen
einlud; unter die Hausen der Almosen flehenden Armen
gemischt, lernte er aber nun auch von diesen uni Almosen
bitten. Dem kleinen zarten, treuherzigen Knaben gab
Jedes reichlich, und er brachte gewöhnlich, wenn er.
nicht über dem Spielen mit andern armen Kindern das
Almosenbitten vergaß, am Tage über so viel zusammen,
daß er nur den geringsten Theil des empfangenen Brodes
zu essen vermochte. Da nahm er denn am Abend seinen
ganzen Vorrath an Brod und Geld und ging_ in der
Vorstadt in eine Hütte, die ihm die ärmste schien und
wo viele hungrige Kinder waren, denen gab er sein
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19
„Was ich thue, das weißt dir jetzt nicht, du wirst es aber
Hernachmals, du wirst es bald erfahren."
Auch der Kleine, da er auf einmal, statt zur Mutter
zu kommen, unter lauter fremde Leute kam, ähnele es in
seinem Kindersinne noch nicht, daß dieser Irrweg, der ihn
so herzlich betrübte, der Weg zu seiner Rettung und Er-
haltung war, aber jetzt als Mann dankt er dem innig, der
ihn so führte aus der Eltern liebem, aber armen Haus,
in die Fremde, die ihm Bergungsort wurde.
4. Der Solenhofer Knabe.
An der Altmühl, ungefähr eine Viertelstunde unterhalb
Solenhofen, ist eine Glashütte im Gang. Das Holz zu den
Oefen kann leicht über die jähen Bergwände herabgelassen
werden, und der reine, zuckerweiße Sand findet sich da
und dort in Nestern, einen oder wenige Schuhe unter dem
Rasen.
Ehe man aber anfing, diesen Sand in Glas zu ver-
wandeln, bestreuten oder fegten schon die Hausfrauen in
der Umgegend ihre Stubenböden, Tische, Bänke, hölzerne
Geschirre u. s. w. damit, und kauften ihn von Weibern,
die ihn bei Solenhofen gruben und in kleinen Säckchen zum
Verkauf in die umliegenden Orte trugen.
In der ältesten Zeit befaßte sich eine Zeit lang nur
ein einziges Weib mit diesem beschwerlichen Handel, bei
welchem sie oft über fünfzig Pfund auf dem Rücken aus-
und nur ein paar Heller in der Tasche dafür heimtrug.
Es war eine Wittwe in mittlerem Alter und hatte einen
Knaben von zwölf Jahren, der im Sommer die Ziegen
des Orts hütete und im Winter mit seiner Mutter in den
unterirdischen Felsklüften Sandnester aufsuchte und aus-
beutete, wenn man vor Schnee und Eis in den Boden kom-
men konnte.
Einmal in einem besonders harten Winter wollte es
den guten Leuten gar nicht gelingen. Lange war der
Boden bald so fest gefroren und bald so hoch mit Schnee
bedeckt, daß sie gar nicht zu ihrer unterirdischen Nah-
rungsquelle gelangen konnten. Der kleine Vorrath von
Sand, den sie sich im Herbst gegraben hatten, ging zu
Ende und mit ihm das Brod, das sie sich für die erlö-
sten Pfennige aus den benachbarten Orten mitzunehmen
pflegten. An den Sommerseiten der Berge, wo die
Februar-Sonne die dünneren Schneeschichten weggeleckt
2*
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hatte, fingen sie nun an zu schürfen, aber überall ver-
gebens und ohne Erfolg. Ihre Werkzeuge zerbrachen, und
sie hatten noch kein weißes Sandkorn gefunden. Dazu
ging das Futter für die Ziegen auf die Neige, und in der
Hütte waren nun vier Geschöpfe, denen der Hunger aus
den Augen sah. Das Einzige, was sie noch unter sich thei-
len konnten, war eine Kufe mit eingestampften Rüben und
weißem Kohl, und auch diese stritten schon mit der Ver-
wesung, weil sie nur wenig gesalzen waren. Die Geißen
erhielten ihren Antheil roh, wie er aus der Kufe kam, die
Portionen für sich und ihren Knaben kochte die Wittwe
und salzte sie oft mit ihren bittern Kummerthränen. Denn
es war damals unter ihrem Dache, wie in der Hütte der
Wittwe von Zarpath, als sie dem Propheten antwortete:
„So wahr der Herr, dein Gott, lebet, ich habe nichts Ge-
backenes, ohne eine Hand voll Mehl im Topf und ein wenig
Oel im Kruge. Und siehe, ich habe Holz aufgelesen und
gehe hinein und will mir und meinem Sohne zurichten, daß
wir essen und sterben."
Der Knabe liebte seine Mutter und bewies seine Liebe
meistens dadurch, daß er nie über seinen Hunger klagte,
sondern geduldig von einer Mahlzeit auf die andere war-
tete und überhaupt Alles vermied und verbarg, was ihr
das Herz noch schwerer machen konnte. Aber fast die
ganze andere Hälfte seines Herzens war den Ziegen zuge-
wandt, und es wollte ihm brechen, wenn er sah, wie sie,
von Hunger getrieben, an der Kufe hinaufsprangen und ver-
gebens Hals und Zunge streckten, um die Neige darin zu
erreichen. Hätten sie von seinen schönen Worten und Ver-
tröstungen auf den nahen Frühling satt werden können,
dann hätten sie mehr als genug gehabt. Aber so wurden
sie immer magerer und der Knabe entschloß sich endlich,
für sie zu thun, was er noch nicht einmal für seine Mutter
gethan hatte.
In Solenhofen war ein Benediktinerkloster. An die
Pforte desselben pochte der Knabe mit dem schweren,
eisernen Klöpfil, d?r daran hing, und antwortete dem
Bruder Pförlinr, rer nach seinem Begehren fragte, er
müsse mit dem Abt selbst reden. Er wurde vor diesen
ehrwürdigen Diener Gottes geführt, küßte ihm die Hand
und bat, er möchte ihm doch nur erlauben, das Heu auf-
zulesen, das die Klosterkühe unter dem Barren und unter
die Streu würfen, denn seine zwei Ziegen wären am
Verhungern. Den Abt überraschte anfangs die Bitte,
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machen ein Viel. Nehmt euch vor kleinen Ausgaben in
Acht; ein kleiner Leck versenkt ein grosses Schiff. Ein
leckrer Gaumen führt zum Bettelstab; Narren bezahlen
die Schüsseln, und die klugen Leute verzehren sie.
Ihr habt euch hier zu einer öffentlichen Versteigerung
von allerhand Kaufmannsgut und Galanteriewaaren ver-
sammelt. Ihr nennt diese Dinge Güter, aber wenn ihr
nicht auf eurer Hut seid, so werden sie für Einige unter
euch zu Uebeln werden. Ihr denkt, sie werden wohlfeil,
vielleicht weit unter ihrem Werthe weggehen; allein wenn
ihr sie nicht unentbehrlich braucht, so werdet ihr sie auf
jeden Fall zu theuer bezahlen. Kaufet nur, was ihr nicht
nöthig habt, so werdet ihr bald das Nöthige verkaufen
müssen. Viele haben sich bloss durch ihr wohlfeiles Ein-
käufen zu Grunde gerichtet. Bedenke dich immer ein
wenig, ehe du einen guten Handel eingehst. Der Vortheil
desselben ist oft bloss scheinbar : der Kauf kann, indem
er dich von deinem Gewerbe abzieht, dir im Grunde un-
endlich mehr schaden als Gewinn bringen. 0, es ist
eine grosse Thorheit, die Reue theuer zu bezahlen, und
gleichwohl wird diese Thorheittäglich in Versteigerungen
begangen, weil man nicht an das Sprichwort denkt, wel-
ches sagt: Der Weise wird durch fremden Schaden klug,
ein Narr kaum durch seinen eigenen. Ich kenne Leute,
die um eine schöne Halskrause gern fasten und ihren
eigenen Kindern das Brod entziehen. Scharlach und Seide,
Sammet und Atlas löschen das Feuer in der Küche aus.
Weit entfernt, Bedürfnisse zu sein, gehören sie kaum un-
ter die Bequemlichkeiten des Lebens: man wünscht sie,
bloss weil sie ins Auge fallen. So sind die künstlichen
Bedürfnisse der Menschen zahlreicher geworden als ihre
natürlichen, und so gerathen reiche Leute in Armuth und
müssen oft von denen borgen, die sie sonst kaum über die
Achsel an sahen, die sich aber durch Sparsamkeit undfleiss
im Wohlstände erhielten. Mancher, der am meisten klagt,
hatte ein artiges Vermögen geerbt, er vergass aber, wie
er dazu gekommen, und dachte: nun ist es helle und wird
nicht wieder dunkel; eine so geringe Ausgabe von einem
Vermögen, wie das meinige, kömmt nicht in Betracht:
aber, wie das Sprichwort sagt, wenn man immer aus dem
Mehlfasse nimmt und nicht wieder hineinfüllt, kömmt man
bald auf den Boden, und wenn der Brunnen trocken ist,
schätzt man erst das Wasser. Lieben Freunde, wollt ihr
wissen, was das Geld werth ist, so geht hin und borgt
6 *
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einem Alpenstock, einer tüchtigen Büchse und einem Fernrohr.
In der Jagdtasche hat er Brod und Käse, auch wohl ein
Fläschlein mit Wein oder Branntwein. Kaum daß die
Sonne die Gletscher röthet, durchspäht er schon mit dem
scharfen Auge oder Fernrohr die höheren Gebirgsregionen
und wandert gegen den Wind, welchen er erforscht, indem
er ein Haar im Winde spielen läßt. Hat er endlich eine
oder mehrere Gemsen erspäht, so stellt er sich an einen Fel-
sen und wartet mit vieler Geduld, bis die Gemse sich von
dem Weideplätze zurückzieht, um sie sichrer auf's Korn zu
nehmen. Sobald er die Hörner unterscheiden kann, schießt er.
Geht die Gemse mit vorrückendem Tage höher hinauf, so
sucht er unvermerkt höher zu kommen und schneidet ihr den
Weg ab. Schwer ist es dem Jäger, einer ganzen Heerde
beizukommen, eine einzelne nur ist meistens seine Beute. Sie
hat ein sehr zähes Leben, und wenn er nicht Kopf oder
Brust trifft, so hat er gewöhnlich das Nachsehen. Oesters
stürzt auch die Gemse in einen Abgrund, daß sie gänzlich
unbrauchbar wird. Am gefährlichsten für den Jäger wird
das Verfolgen, wenn die Gemse auf flache und steile Felsen-
massen flüchtet und der Jäger nachsteigt. Hier versteigt er
sich oft so, daß er weder vor- noch rückwärts kann und froh
sein muß, wenn er nach stundenlangem Bemühen sich retten
kann. Er soll sich dann öfters Hände und Füße aufschneiden,
um durch das klebende gerinnende Blut sich besser anhalten
zu können. Hat der Jäger nun endlich eine oder gar zwei
Gemsen erlegt, so fängt die Last und Noth erst an; denn
er muß nun mit der schweren Bürde wegsame Gegenden
aufzufinden suchen. Zuerst weidet er die Thiere aus, bindet
die vier Füße zusammen und hängt sie quer über die Stirn,
so daß der Körper der Thiere über den Rücken des Jägers
hängt. So beladen, steigt er, an den Alpenstock sich lehnend,
behutsam hinunter.
Eisige Winde, Schneegestöber, dichter, undurchdringlicher
Nebel und Stürme bereiten dem Gemsenjäger Gefahren,
denen er selten auf die Dauer entgeht. Allein die Leiden-
schaft ist bei diesen Menschen so stark, daß mancher auf der
Jagd gestürzte Jäger, kaum geheilt, wieder in die Gebirge
eilt, um frische Wunden oder den Tod zu holen.
Der ganze Gewinnst beträgt drei bis vier große Thaler,
welche man für eine Gemse zahlt. Das Fleisch von jungen,
nicht zu alten Thieren ist sehr schmackhaft, und aus dem
Leder werden vortreffliche Handschuhe verfertigt.
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131
und sich zur Alleinherrschaft £mporschwingen wollen.
Mit ihm scheint auch sein Volk untergegangen zu sein,
denn bald nach ihm verschwindet der Name der Cherus-
ker aus der Geschichte; die Longobarden besiegten und
vertilgten es.
68. Die Hunnen.
Im vierten Jahrhundert nach Christo drangen die
Hunnen, nachdem sie aus ihren Wohnsitzen vertrieben wor-
den waren, aus Asien in Europa ein und setzten diesen
ganzen Erdtheil in Furcht und Schrecken. Die Beschrei-
bungen sind fürchterlich, welche die alten Schriftsteller von
ihnen machen. Sie sahen mehr wilden Thieren als Men-
schen ähnlich. Vom Körper waren sie meist klein und kurz,
hatten breite Schultern, flache, dicke, viereckige Gesichter, und
gräßliche Gesichtszüge, tiefliegende sehr kleine Augen und
eingedrückte Nasen, wie die Kalmücken. Ihre Farbe war
schwarzgelb, das Haar lang und schwarz, der Körper fest
und stark, und die Sprache rauh und mißtönend. Ihre
Beschäftigungen waren Viehzucht, Jagd, Krieg und Räubereien.
Sie saßen, wie die heutigen Tartaren, fast beständig zu
Pferde und brachten Tag und Nacht auf denselben zu; sie
waren daher gute Reiter und vortreffliche Bogenschützen.
Mit ihren schnellen Pferden waren sie plötzlich da, wo man
sie nicht erwartete. Bald griffen sie an, bald flohen sie
wieder, und im Fliehen schossen sie ihre Pfeile rückwärts mit
solcher Sicherheit, daß man ihnen kaum ausweichen konnte.
Zu ihren Speisen brauchten sie kein Feuer. Ungekochtes,
rohes, etwas mürbe gerittenes Pferdefleisch war ihre Speise,
Blut und Pferdemilch war ihr gewöhnliches Getränk. Ihre
Sitten waren schrecklich. Gegen ihre Feinde übten sie die
größten Grausamkeiten aus; man beschuldigte sie sogar, daß
sie das Herz der Gefangenen in kleine Stücke zerschnitten
und als Arznei verschluckt hätten.
Der König und Anführer dieser rohen räuberischen
Horde war Attila, ein Mann, geboren zur Erschütterung
der Völker und ein Schrecken der ganzen Welt. Man
nannte ihn daher Geißel Gottes, und so hörte er sich
auch am liebsten nennen. Er setzte Alles in Furcht, selbst
sein Aeußeres mußte Schrecken verbreiten. Sein Gang
war stolz, und er schoß dabei seine Blicke nach allen
Seiten hin. Seine Gestalt war kurz, die Brust breit,
der Kopf groß, die Augen klein, Bart und Haare dünn,
9*
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Extrahierte Personennamen: Attila
Extrahierte Ortsnamen: Christo Asien Europa Gottes
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Schottland ist ein Bergland, die schottischen Ge-
birge erreichen eine Höhe bis über 4000'.
Irland ist eben. — Cap Landsend.
Gewässer. Es finden sich gegen 50 Flüsse von kur-
zem Laufe, aber die meisten schiffbar. Die bedeutendsten
sind die Themse und die Severn.
Klima. Das Klima ist ein Jnselklima, im Winter
mild, im Sonimer kühl, doch feucht. Schottland ist kälter,
hat aber gesundere, reinere Luft. Irland ist fast das ganze
Jahr grün.
Produkte. Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine,
Hunde (Doggen), Gänse, Fische und Austern. Reißende
Thiere fehlen, Wild wenig.
Pflanzen. Getreide, vorz. Weizen, Gemüse, Futter-
kräuter, Krapp, Hopsen, Obst, Mangel an Holz, kein Wein;
in Irland viel Flachs, aber wenig Obst.
Mineralien. Gold, Silber, Kupfer, Salz, vorzüg-
lich aber viel Steinkohlen, Zinn und Eisen.
Einwohner. 29 Mill., in England und Schottland
protestantisch, in Irland katholisch. Es herrscht auf der
einen Seite ungeheurer Reichthum, aus der andern große
Armuth trotz harter Arbeit; die Hälfte der Häuser sind
bloße Lehmhütten oder Schuppen. Die Engländer sind
sehr thätig und unternehmend, halten auf ihre Freiheiten
und sind sehr kirchlich. Die englische Industrie ist sehr
blühend, fast die Hälfte der Einwohner lebt in Fabriken,
die alle mit Dampf arbeiten. Man hat Fabriken in Baum-
wolle, Wolle, Seide, Leinen, Leder, Metallwaaren, Seife,
Glas und Porzellan. Bedeutende Eisengießereien, Zucker-
siedereien, Bierbrauereien und Brandweinbrennereien. In
Irland und Schottland ist die Viehzucht blühender als der
Ackerbau. — Der englische Handel ist der bedeutendste
der ganzen Erde. Man hat 35,000 Handelsschiffe und
1300 Dampfschiffe, die alle Meere befahren. Zum Schutze
des Seehandels dient eine aus 570 Kriegsschiffen bestehende
Flotte mit 16—17,000 Geschützen, zur Beförderung des
Verkehrs im Innern gibt es eine Menge Eisenbahnen
und Kanäle.
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