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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
geschossen; der übrige Teil der Herde macht Kehrt und ergreift die Flucht.
Das getroffene Tier steht trotzig da, augenscheinlich von Wut erfüllt und
doch unfähig zunl Angriff. Das Blut strömt ans den Nasenlöchern auf
deu grünen Grund, zornig blitzen die kleinen, feurigen Augen unter dem
buschigen Haar hervor. Ohne einen Laut von sich 511 geben, stirbt das
stolze Geschöpf.
Das Jagdglück ist uns günstig; nach nicht allzn langer Streife er-
blicken wir anch ein Rudel weidender Renntiere. Es ist Wild von
der Größe eines Damhirsches mit jetzt braungrauem (im Winter weißem)
Felle und starkem, an der Spitze handsörmigästigem Geweih. Aber wie
plump und unschön sind diese Geschöpfe im Vergleich zu unserem stolzen
Edelhirsch! Wie ungelenk sind alle ihre Bewegungen! Wir sind ihnen,
durch den Wind begünstigt, ganz nah gekommen und hören nun bei jeder
Bewegung der so nützlichen Geschöpfe jenes höchst eigentümliche Knacken,
das den Fremdling, der zum ersten Male in die Nähe einer Renntier-
Herde kommt, nicht wenig in Erstaunen setzt. Jetzt giebt einer unserer
Begleiter ein Zeichen — donnernd entladen sich die Gewehre, und drei
der Geweihträger wälzen sich sterbend am Boden, indes die übrigen
flüchten. Erfreut eilen wir hinzu, dem Todeskampfe der Getroffenen
schnell ein Ende machend.
„Eine gute Jagd," rufen die Dänen einander fröhlich zu, und be-
lehren uns auf unsere Frage, daß das Fleisch des Tieres einen überaus
wohlschmeckenden Brateu liefere, während sich das Fell vortrefflich zu
Bettvorlageu und ähnlichen Dingen eigne.
„Schade," meint der alte Warfredfon halb ärgerlich, „daß ans so
schauerliche Art von deu Eingeborenen gegen die Remitiere gehaust wird!
Sonst wurden jeden Sommer 19—20 000 Stück auf den Markt gebracht,
es gab köstliches Wildpret in Menge. Jetzt erlegen die Eskimos in
Mittelgrönland zuweilen in einem Jahre nur noch 20—80 Stück. Die
Thoren töten das treffliche Wild nicht selten nur aus Vergnügen oder
der Zunge wegen. Im Süden sind die Tiere noch häufiger, namentlich
in den Thälern, die von den Fjords, aufwärts ziehen. Sie haben sich
aber iu Menge nach der Ostküste zurückgezogen, weil sie dort von ihrem
größten Feinde, dein Menschen, weniger zu leiden haben."
„Wie mag's wohl kommen, daß die Eingeborenen das Renntier
nicht gezähmt haben, wie es die Lappen mit bestem Erfolge thun?"
fragen wir.
„Es würde ihnen gezähmt wenig nützen," lautet die Antwort des
freundlichen alten Herrn. „Das Tier kommt nämlich anf dem Eise nicht
gut fort, auch würden die Eskimos bei ihren Reisen anf dem Eise Not
haben, Futter für die Rens zu fchaffeu. Wenn Sie den Winter über in
Grönland bleiben, werden Sie erkennen lernen, daß sich der Hund viel
besser zu Schlittenfahrten auf dem Eise eignet. Übrigens wird eine höchst
eigentümliche Liebhaberei der Eskimos Ihre Aufmerksamkeit noch erregen,
^ie essen das magere Fleisch des Renntiers sehr gern in fauligem Zu-
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
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— 65 —
Einsam reiten wir durch die endlosen Weidegründe; öde liegt die
Gegend um uns her, kein Städtchen, keine größere Ansiedlung winkt gast-
lich in der Ferne, dem Ermüdeten Ruhe verheißend nach langem Ritt int
Sonnenbrand. Da stoßen wir auf eine Herde weidender Rinder; berittene
Cowboys bewachen die knochigen, scheuen Tiere. Es sind trotzige, toll-
kühne Burschen in Lederwams und Lederbeinkleidern; auf dem Kopse sitzt
der breitkrempige Mexikanerhut, an den Füßen sind gewaltige Sporen
befestigt, um den Leib haben sie den breiten Patronengürtel geschnallt,
und keinem fehlt der in solcher Öde unentbehrliche Revolver. Sie
beantworten unsern Gruß nicht unfreundlich, aber wortkarg und zurück-
haltend. Sobald wir aber anfangen, ihre erstaunliche Sicherheit und
Geschicklichkeit im Reiten, im Einsangen der Tiere mit dem Lasso, im
Zusammentreiben der Herde ausrichtig zu bewundern, werden sie warm,
munter und zutraulich. Großmütig und gastfreundlich, wie fast alle
Hirten der Steppe, laden sie uns ein, in ihrem Ranche*) zu übernachten
und uns dort an Speise und Trank zu stärken. Dankend nehmen wir
das Anerbieten an; im Nu ist die Herde zusammengetrieben, und nun
geht's in wildem Lause auf den Unterschlupf zu. Endlich taucht der
Ranche vor uns auf: ein roh gezimmertes Blockhans, das auf eiuer
niedrigen Bodenerhebung am Ufer eines Flusses liegt, unfern davon zwei
andere, ebenso einfache Gebänlichkeiten. Wir halten vor dem größeren,
aus dem der Aufseher über die Herde getreten ist; kurz, aber freundlich
heißt er uns willkommen. Die Hirten begeben sich in das zweite Gebäude,
während im dritten eine Anzahl wertvollerer Pserde Unterknnst findet.
Ein weibliches Wesen, das die Haushaltungsgeschäfte beforgen könnte, ist
nicht vorhanden; die Männer müssen sich in allem selber helfen. Und
die derben Bursche thun das, ohne viel nach dem Wie? zu sragen. In
ihrer gutgemeinten, aber ungeschlachten Weise bewirten sie uns mit dem
Besten, was sie haben: Fleisch, Fisch, Früchten, alles in Blechbüchsen
eingekocht; selbst Milch und Butter kommen in solchen Behältern aus der
Union herüber. Abends erzählen die wilden Gesellen dann von ihrem
eigentümlichen, an Strapazen und Gefahren reichen Leben, auch von den
Aussichten, die den Viehzüchtern in Alberta zur Zeit beschieden sind.
„Sieht noch windig damit aus, Fremder," schließt der bejahrte Aufseher.
„Können uoch gar zu wenig Vieh nach dem Osten verkaufen, wird aber
mit der Zeit gewiß besser werden."
Am nächsten Morgen eilen die Cowboys mit ihren Herden wieder
auf die Prairie hinaus, wir aber kehren zur Eisenbahn zurück. Noch
haben wir 960 Kilometer vom Fuße der Rocky Mountains bis zur
Küste des Stillen Oeeans zurückzulegen. Keuchend und stöhnend arbeitet
sich das Dampfroß durch die wilden Berggegenden hindurch. Unglaublich
kühne Felsbilduugeu, fcharfe Zacken, scharfkantige Pyramiden, trotzige
*) Gesprochen: Rehndsch (vom Spanischen ranelio-Hütte),
Klcinschmidt, Lebensbilder :c. 5
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
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— 26 —
anderen Dinge ein. Die Büchsen mit eingemachten Speisen z. B. würden
vortreffliche Geschosse für Kanonen abgeben. Alle Eßwaren sind zu
lächerlich aussehenden festen Körpern von den verschiedensten Formen ge-
worden, sodaß wir Mühe haben, mit ihnen umzugehen und sie wie vordem
zu verwenden. Die getrockneten Äpfel sind zu einer festen Masse voll
zusammengedrängter Ecken und Winkel geworden, ebenso getrocknete Pfirsiche.
Es ist unmöglich, sie aus dein Fasse herauszubekommen; wir müssen den
Behälter sowohl wie die Früchte mit Schlägen einer schweren Axt müh-
sam auseinander hauen und am Feuer anstauen. Sauerkraut sieht aus
wie Talkschiefer und wird mittelst eines Brecheisens mit eiselierter Schneide
in einzelnen Platten unter großer Mühe losgebrochen. Ter Zucker ist
zu einem höchst drolligen Gemengsel geworden; er muß mit der Säge
losgearbeitet werden. Butter und Schweineschmalz erleiden weniger Ver-
änderung, müssen aber doch mit Meißel und Schlägel behandelt werden;
ihr Bruch ist eigentümlich muschelig. Schweine- und Ochsenfleisch sehen
mosaikartig aus und gleichen in der Gestalt versteinerten Eingeweiden;
Brecheisen und Hebebaum sind erforderlich, es in kleinere Stücke zu zer-
legen. Ter Klumpen Lampenöl, der ans den Faßdauben losgelöst wurde,
sieht aus wie eine Walze aus gelbem Sandstein, bestimmt, den Kiesweg
glatt zu walzen. Eis zum Nachtisch ist in allen Formen und Arten zu
haben; einige Moosbeeren werden mit Zncker bestreut, mit etwas Butter
und siedendem Wasser vermischt, und schnell ist wohlschmeckendes Beeren-
eis fertig. Mit einem Stück cylinderförmigen Polareises können wir einen
starken Ochsen niederschlagen, so fest ist es. Wehe depi, der sich von der
Durchsichtigkeit eines Eiszapfens verleiten läßt, ihn durchbeißen zu wollen!
Die Stücke frieren nnmeidbar an Zunge und Lippen an und nehmen
beim gewaltsamen Ablösen Hautstücke mit.
Der November ist herangekommen, die Sonne geht zum letzten Male
für uns unter, die drei Monate lange Polarnacht tritt ein. Sie hat
etwas ungemein Unheimliches für des Menschen Gemüt; in ewigem, reiz-
losem Einerlei schleicht die Zeit träge dahin, und wie düstere Schatten
legt es sich dabei auf die Seele. Tot, in schauerlicher Öde liegt die in
Schnee und Eis begrabene Gegend. Verhallt ist das Fließen und Rauschen,
das Plätschern und Tosen der Bäche und Flüsse, verstummt siud die
Stimmen der Vögel, verkluugeu ist das dumpfe Brüllen des Walrofses,
das heisere Bellen des Fuchses. Die Brandung der Wogen rauscht uicht
mehr schwellend und sterbend im ewig wechselvollen Spiel; erstarrt hängt
der Wasserfall an der eisigen Felswand, alles Pflanzenleben scheint aus
immer unter dem Schnee vergraben, für alle Zeit vernichtet zu sein. Kein
Sonnenblick färbt die Eiskoloffe mit magischem Lichte, kein Widerschein
des lebenspendenden Gestirns schimmert goldig auf deu Wassern. Ge-
stalten und Farben sind schaurig verdüstert, eiu riesiges Leichentuch verhüllt
alles, so weit unser Auge schweift. Eisig liegt die Wiuternacht darüber;
die Sterne senden, lebhast zitternd wie vor den Einwirkungen des er-
tötenden Frostes, ihr bleiches, kaltes Licht hernieder; gespensterbleich leuchten
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
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— 138 —
Hindernis zurückschreckenden Jankees erhöhten ihn und bauten dann dar-
auf; das Bett des Chicagostusses ward gleichzeitig vertieft und aus solche
Art ein trefflicher Hafen gewonnen. Da gutes Trinkwasser fehlte, wurde ein
Schacht, dann von diesem aus ein Stollen eine Stunde weit unter dem
Seegrund hin gegraben; am Ende dieses Ganges ward ein Wasser- und
Leuchtturm gebaut. Von dort aus leitete man das klare Wasser des
Sees in die Stadt; hier wird es in die riesigen Wasserbehälter geführt.
Obwohl diese Wasserkunst im Tage fast 80 000 000 Liter Wasser lie-
ferte, baute man doch noch einen zweiten Tunnel in den See, denn die
.Parkanlagen sollten der Springbrunnen nicht entbehren. Überdies sind
an den Grenzen der Stadt noch tiese artesische Brunnen gegraben worden,
die in einem Tage 1 000 000 Liter ganz vorzügliches Wasser geben.
Unter dem Bett des Chicago führen zwei Tuunel hinweg, die allzugroße
Hemmung des Verkehrs durch die ein- und ausladenden Schiffe verhin-
dern sollen. Kostspielige Hafenbauten sind ausgeführt, der Michigansee
ist dnrch einen großen Kanal mit dem Mississippi verbunden worden. Die
regsame Stadt ist zugleich für die vier übrigen Riesenseen an der Grenze
zwischen den Vereinigten Staaten und Canada Haupthaseu; mittelst jener
Wasserbecken besteht direkte Verbindung mit dem Lorenzstrom; mittelst
des Erie-Kanals mit New-Dork. Die Niagara-Fälle sind durch den
breiten und tiefen Cleveland-Kanal nmgangen; große Seeschiffe können
sonach bis Chicago hinauf gelangen. Erstaunlich ist die rastlose, nmsich-
tige, ausdauernde Regsamkeit der Bevölkerung, die nicht allein einen groß-
artigen Handel mit Natnrerzeugnissen, namentlich mit Getreide, sondern
auch sehr ansehnlichen Einsnhrhandel mit Manufakturwaren treibt und
überdies bereits felbst eine sehr mannigfaltige Industrie besitzt. Die Vor-
städte wimmeln geradezu von Eisenwerken, Dampfmaschinen-Bauanstalten,
Fabriken zur Herstellung von Ackergeräten, von Leder, Hüten, Zucker,
Tabakwaren; überall sieht man dort ungeheure Mahlmühlen, Brauereien,
Brennereien, Schlacht- und Fleischversenduugshäuser. Cincinnati, die be-
kannte „Schweinestadt", ist im Handel mit Schweinefleisch längst von
Chicago übertroffen, denn schon im Jahre 1878 betrug die Zahl der hier
geschlachteten Rüsseltiere 4 593 000. Im gleichen Jahre verschickte die
Stadt für 49 512 412 Dollars Speck, für 6 296 414 Dollars Pökel-
fleisch und für 25 552 665 Dollars Schmalz. Das großartigste Geschäft
bleibt aber der Handel mit Getreide, das hier in Ungeheuern Speichern
aufgesammelt wird. Mancher Iankee versteigt sich in seiner Speknlations-
lust beim Getreideein- und -verkauf so, daß er vom reicheu Manne Plötz-
lich zum armen wird und wieder von ganz vorn ansangen mnß. Jeden-
falls muß aber zugestanden werden, daß sich die Bewohner Chicagos
dnrch große Unternehmungslust auszeichnen und damit schon viel erreicht
haben.
Wir sind jetzt bereits in das Gebiet der Ungeheuern Wiesenland-
schaften gelangt, die mit dem Namen Prairieen oder Savannen be-
zeichnet werden. Einst von Riesenherden zottiger Büffel, von Rudeln
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Extrahierte Ortsnamen: Chicago Chicago Cincinnati Chicago
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— 183 —
Büffel stillstehend regelmäßig nach feinem Feinde umzuschauen pflegte.
In den ungeheuren Herden der Bisons hatte die Natur den Menschen
in dieser Gegend eine schier unerschöpfliche Hilfsquelle geschenkt; aber
statt sie vorsichtig zu nützen, brachte man sie auf die roheste Art iu blinder
Geld- und Mordgier mit einem Schlage zum Versiegen. Die Regierung
that nicht das Mindeste, um solchem Frevel Einhalt zu gebieten; die
erstaunliche Vervollkommnung der Feuerwaffen beschleunigte dann das Ver-
nichtnngswerk noch. Von den verschiedenen Jagdarten war der „Anstand"
sicher die verwerflichste; der feige Jäger wurde dabei zum erbarmuugs-
losen Schlächter. Hinter einem Felsen oder einem hohen Grasbüschel
verborgen, feuerte er so lange auf die iu Schußweite vorüberkommenden
Glieder der tausendköpfigen Herden, bis er selber des Gemetzels satt
war. Die wilden Indianer jagten den Büffel zu Pserde, auch noch
nach Einführung der Feuerwaffen. Diese Jagdart war entschieden edler,
sie erforderte ein vortreffliches Pferd, einen sicheren Reiter, Mut und
Kaltblütigkeit. Der bekannte Buffallo-Bill brachte es in der Bisonjagd
zu Pferde zu einer Art Meisterschaft; im Dienste der Kansas-Pacisic-
Eisenbahn hat er behufs Versorgung der Arbeiter mit Fleisch binnen
18 Monaten 4280 Büffel getötet. Oft schlössen die zu Pferde jagenden
Indianer die Herde auch in einen immer enger werdenden Kreis ein.
Vergeblich wagten die edlen Tiere dann Durchbruchsversuche; in Zeit
von 15 Miuuteu war die Herde vernichtet. Nicht selten trieb man die
wandernden Massen der Büffel auch iu Abgründe, oder in der Winterszeit,
wenn die Bisons ties in den Schnee versanken, näherten sich ihnen die
Jäger auf Schneeschuhen und töteten sie ohne alle Gefahr. So schmolz
die Zahl der Bisons immer mehr zusammen; trotzdem lebteu im Jahre
1870 noch Millionen der riesigen Tiere. Da wurden die großen, den
Kontinent durchquerenden Eisenbahnen gebaut, und damit war das Ver-
nichtnngsurteil über die Büffel ausgesprochen. Die Art, wie man das
nutzbare Wild von der Erde vertilgte, steht in der Geschichte der Jagd
ohne Beispiel da. Namentlich um das Jahr 1873 wurden ganze Gesell-
schasten zu dem Zwecke ausgerüstet, deu riesigen Höckerträgern zu Leibe
zu gehen — aber nicht etwa aus Jagdlust, sondern aus bloßer roher Geld-
gier, zum Teil auch aus Vergnügen an der sinnlosen Schlächterei. Mit
Wagen, Zelten, Waffen, Schießbedarf ausreichend versehen, drangen die
Jäger, besser gesagt Schlächter, in die Weidegründe der Bisons vor. Zu
Hunderttausenden knallte man die Büffel nieder; vom Fleische ward höch-
stens die als besonderer Leckerbissen bekannte Zunge benutzt, das Übrige
blieb liegen. Diese Tierleichname erfüllten die Gegend weithin mit
entsetzlichem Gestank, machten die vorher von frohem Leben erfüllte Prairie
zu einer öden, verpesteten Wüste. An einer Stelle des Republikanflufses
lagen 1874 zu gleicher Zeit 6500 solcher Kadaver. In langer Reihe
stellten sich die Jäger an den Ufern der Flüfse aus, wohin die Büffel
kommen mußten, um ihren Durst zu löschen. So viel wie möglich wurden
niedergeschossen; die übrigen wurden von den rohen Gesellen durch Stein-
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— 186 —
schlafen lege? Ob ich Wochen-, monatelang nur Fleisch, Speck, Brot,
Bohnen, Reis und Kaffee zu genießen bekomme? Das freie Leben ersetzt
mir alles. — Kommen eben aus Texas, ich und meine wilden Jungens;
kanfte dort tausend Tiere, das Stück zu 10 Dollars. Sind jetzt schon
einen Monat unterwegs. Ist ein gefährlich Ding, solche weite Reise mit
dem Vieh. Scheut leicht und rennt dann wie wild und toll dahin, bricht
die Beine, oder stürzt in Abgründe — Stampede nennen die Mexikaner
solche Hätz. Nachts muß besonders acht gegeben werden; wenn der Mond
auftaucht, die Wölfe heulen, fönst etwas Ungewöhnliches sich regt, entsteht
oft Unheil. Ein fchener Stier reißt die ganze Herde mit; schnaubend
und brüllend drängen die Tiere durcheinander, dann geht's los wie vom
Teufel gejagt. Jetzt heißt es reiten; wie der Wind jagen die Cow-boys
an die Spitze der Herde und treiben sie zurück, muß aber oft genug
einer der Jungens sein Leben bei solcher Jagd lassen. Mehr noch fürchten
wir Rancher den Prifon-River, im Norden von Texas, denn er führt
Giftwaffer. Das Vieh hat immer schlimmen Durst, wenn es dorthin
kommt. Müssen es so schnell wie möglich durch Schießen und Schreien
in eine Stampede versetzen und durch den verfluchten Fluß jagen. Jedes
Tier, das eiue größere Menge von dem Giftwaffer trinkt, stirbt. Sind
mir dort fünfzig Stück verendet. Liegen da Taufende von toten Tieren
umher. Jetzt ist die Herde fchon ruhiger, selten kommt eine Stampede vor."
„Wie bringen Sie die Tiere durch den Winter?" fragen wir.
„Wir lassen im Herbste Gras mähen, dörren und in Haufen auf-
setzen, daß die Rinder nicht vor Hunger umkommen. Im Winter führen
die Cow-boys anch immer eine Axt bei sich, damit sie das Eis aufschlagen
und den Tieren so Wasser schaffen können. Wer nicht für Fntter sorgt,
hat bei Schneestürmen großen Verlust. Ist da ein Freund von mir,
dem im letzten Jahre 3000 Stück auf solche Art eingingen. Im Ge-
birge bieten Felsen Schutz vor dem Schnee, und der Salbei giebt Futter
in der Not."
„Verlieren Sie anch Vieh dnrch Seuchen oder diebische Indianer?"
„Nein, Seuchen kommen nicht vor, und die Rothäute mögen das
Fleisch der Rinder nicht. Doch nun gute Nacht — morgen ist auch ein Tag!"
Nun fiukt die Nacht in hehrer Majestät hernieder; eine eigentümliche
Erregung läßt uns nicht einschlafen, während die müden, abgehärteten
Cow-boys sowohl wie ihr Gebieter lange schon in festem Schlummer liegen.
Der folgende Mittag bringt uns zu dem Blockhause des Ranchers,
dem Mittelpunkte seines Weidegrundes. Im Winter dient es den bei
der Herde zurückbleibenden Hütern als Aufenthalt, während der schönen
Jahreszeit wird es kaum benutzt. Stämme der Pechtanne bilden die
Wände, das Innere ist in zwei Räume geteilt. Das Dach wurde aus
Sparren und Strauchwerk hergestellt, worauf des bessereu Schutzes wegen
noch Rasen und Steine zu liegen kommen. Die Feuerstelle ist aus Fels-
blöcken gebaut; große Holzblöcke dienen als Stühle, der höchst einfache
Tisch ist aus Kistenbrettern zufammeugenagelt. In diesem unansehnlichen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
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TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]
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— 145 —
deutschen Küche eine so große und berechtigte Rolle spielen, fehlen fast
ganz; die Männer haben nach ihrer Meinung Besseres zu thun, als
solches „Gras" zu ziehen. Auch eingemachte oder getrocknete Geinüse
kennt man nicht. Dafür kommen aber gewisse pikante Sachen auf den
Tisch, wie z. B. kleine Gurken, Zwiebeln n. f. w., die in Essig eingelegt
werden, desseu entsetzlich scharfer Geschmack an verdünnte Schwefelsäure
erinnert. Der ungemein stark entwickelte Erwerbssinn giebt zu einer
weiteren nicht unbedenklichen Verirrnng Anlaß: die frische, in Menge
bereitete Butter schickt der Farmer zum Verkaufe in die Stadt; er selber
ißt mit seiner Familie alte, die man in der Stadt nicht mag und die
deswegen von dort aufs Land geworfen wird. Auch mit der Milch geht
man im Haushalte knickerig um — sie wird in die überall bestehenden
Käsefabriken verkauft. Frisches Fleisch kommt nur selteu auf den Tisch;
dafür ist aber gesalzenes in Überfluß vorhanden, und auch von Speck
wird sehr ausgiebiger Gebrauch gemacht. Gefährlich für den Magen ist
ferner das Brot, das allgemein genossen wird; man bäckt es ans Mais-
oder Weizenmehl und — ißt es heiß. Lockeres, noch heißes Brot ist
aber bekanntlich eine nichts weniger als leichtverdauliche und harmlose
Speise, deren reichlicher Genuß sogar schon Todesfälle veranlaßt hat.
Daß die Händler in der Union Erstaunliches in Verfälschung der Lebens-
mittel leisten, wird uns namentlich am Kaffee und Thee deutlich. Das
Zeug, das mit diesen Namen belegt wird, ist aus allem möglichen Kram
zusammengesetzt, und der daraus bereitete Trank ist deswegen kaum zu
genießen. Dazn kommt noch, daß die Frauen auch aus gutem Material
kein wohlschmeckendes Getränk zu bereiten verstehen. Suppen sind nnbe-
kannt, nur Austernsuppe kommt vielleicht da oder dort einmal auf den
Tisch; machen die Frauen wirklich einmal den Versuch, ein Essen mit
Snppe zu eröffnen, so kann man überzeugt sein, daß sie schlecht ist;
nur deutsche Frauen verstehen, eine gnte Snppe zu kochen. Ein Gericht,
das anch bei uns jetzt häufiger genossen wird, hat sich ziemlich einge-
bürgert; es heißt Irisch Stew und ist aus frischem Fleisch, Kartoffeln
u. s. w. zusammengekocht. Eiue Speise, die niemals fehlen darf, find
kleine Pfannkuchen; sie werden aus Weizen- oder Buchweizenmehl bereitet
und heiß mit Butter und Syrup gegessen. Dieses ebenfalls wenig
zuträgliche Gebäck ist zu einer Art Nationalgericht geworden; es fehlt
auf keinem Tische, bei keiner Mahlzeit. Ebensowenig will der Ameri-
kaner seine Pies entbehren, eine Art Fruchttorte, die auf einem Teller
gebacken wird und auch seine Form hat. Man kann die Kurzsichtig-
feit der sonst so intelligenten Bevölkerung hierin nicht begreifen; die
Leute wollen, obwohl der Genuß der Pfannkuchen und Pies schon endloses
Unheil angerichtet hat, doch nicht einsehen, daß sie sich in ihrer Lieb-
haberei dafür wenigstens Beschränkung auferlegen müßten, wenn nicht
Gesundheit und Kraft der ganzen Nation empfindlich darunter leiden
sollen. Aber mit dem eingefleischten Amerikaner ist über solche Dinge nicht
zu streiten. Da auf den Farmen Geflügel in Menge vorhanden ist,
Kleinschmidt, Lebensbilder :c.
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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kommt an Sonntagen durch ein gebratenes Huhn, einen Truthahn oder
einen anderen Hausvogel erwünschte Abwechfeluug in das Einerlei des
Speisezettels. Weil in den Vereinigten Staaten vollkommene Jagdfreiheit
herrscht, wird ab und zu wohl auch eiu kleines Wild in die Küche geliefert:
aber die goldenen Zeiten der Jäger, da Wald und Prairie noch von
Büffeln, Elks, virginischen Hirschen u. s. w. wimmelten, sind längst
vorüber. Amerika ist jetzt in vielen Strichen wildärmer, als das alte
Europa. Daß es so wurde, daran ist der Unverstand der Jäger und
der Behörden wesentlich mit schuld; jeder grüue Junge, der eine alte
Flinte aufzutreiben vermag, schweift in freien Stunden draußen herum
und knallt nieder, was ihm vorkommt. So wird die Menge des nutz-
baren Wildes sehr schnell vermindert, und den maßgebenden Gewalten
fällt es nicht ein, in den dicht besiedelten Gegenden durch vernünftige
Gesetze für Schonung des Wildstandes zu sorgen.
Über die Art und Weise, wie man in Amerika ißt, ließe sich
vieles sagen. In dem nervösen, hastigen Treiben kann jene wohl-
thnende Behaglichkeit und Gemütlichkeit nicht aufkommen, mit der sich
deutsche Familien im alten Vaterlande um den Tisch sammeln. Drei
Mahlzeiten werden im Tage gehalten; aber die Hast, womit die Menge
der Speisen hineingestopft wird, verrät uns, daß man hier nur ißt, weil
man muß, nicht weil das Essen ein Genuß ist. Au einem Tage des
Jahres allerdings giebt man sich dem Schmausen mit großer Gründlichkeit
vollständig hin; das ist der allgemeine, Eude November gefeierte Dank-
sagungstag. Dann findet sich alles, was zur Familie gehört, zu löblichem
Thun zusammen; von früh bis spät wird „gefuttert" und Apfelwein in
Massen dazu getrunken. Was Küche und Keller liefern können, wird
aufgetragen. Schon eine Woche vorher beginnen die Vorbereitungen der
Hausfrauen zu dem Feste. Ganze Reihen von Pies werden aufgestellt,
daß mau meinen sollte, auch die uachdrücklichsteu Angriffe würden sie
nicht zu bewältigen vermögen. Unter diesen Magenverderbern ist der
Mince-Pie der beliebteste, ein Gebäck aus Fleisch, Obst, Gewürz und
einer Menge anderer Dinge; wer ihn aber nicht gewohnt ist, dem ver-
dirbt er leicht die Lust am Essen vollständig. Als vornehmste Speise
kommt der gebratene Truthahn mit eingekochten Preißelbeeren auf die
Tafel, ein überaus leckeres Gericht, das selbst der Ärmste sich an diesem
Tage nicht versagt. Die Folgen der allzu ausgiebigen Genüsse sind
leider meist recht unerfreulich; man fühlt sich tagelang nach dem Feste
unwohl, aber im nächsten Jahre wird mit dem gleichen Eifer und der
gleichen Ausdauer gegessen und getrunken, denn die Erinnerung an die
häßlichen Nachwehen hat sich dann verwischt.
Vertrauen wir uns nunmehr einmal den Mississippifluten an, um
auch die in Klima, Anbau und Bevölkerung von den Nord-, Ost- und
Weststaaten wesentlich verschiedenen Südstaaten kennen zu lernen! Eine
solche Fahrt auf dem stolzen „Vater der Gewässer" ist aus verschiedenen
Gründen nicht ungefährlich, aber sie bietet auch hohe Reize.
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 270 —
Lohn erhält es eine kleine Portion Maiskörner, die es dem Herrn aus
den Händen frißt. Mit größter Zärtlichkeit hängt der braune Mann an
seinem Rosse; er sorgt mit rührender Sorgsalt für den treuen Gesährteu.
Nun schleift der Llanero seine Lanze und das Messer; dann nimmt er
sein Früh mahl ein, bestehend aus langsam über Kohlenfeuer geröstetem
oder an der Luft getrocknetem Rindfleisch; mit Kaffee oder Kakao wird
die Speise hinabgespült. Halbnackt, nur mit kurzen Beinkleidern und mit
einem breitrandigen Sombrero bekleidet, schwingt er sich jetzt auf seinen
Renner und eilt im Fluge zu seiner umherirrenden Herde, der er mit
dem Lasso gebietet. Übermütig trällert er ein Liedchen das seine Denk-
weise klar veranschaulicht:
„Mein Rößlein und mein Mädchen
Sie starben zu gleicher Zeit,
Zum Teufel mit dem Weibsbild,
Ums Roß nur thut mir's leid!"
Wilde Lust ist's ihm, den flüchtigen Tieren nachznsansen, die endlose
Ebne frei zu durchschweifen. Hat er diese Freude genügend ausgekostet,
so kehrt er heim zu feinem elenden Rancho, den Hunger mit geröstetem
Fleische stillend.
Es ist ein eignes Völkchen, diese Llaneros. Heimtücke ist, wie wir
bald genug erfahren, ihrem Wesen sremd. Sie geben sich ganz so, wie
sie sind, ihrer leidenschaftlichen Gemütsart keinerlei Schranken auferlegend.
Ohne Falsch und Arglist in ihrem Reden und Handeln, sind sie doch maß-
los im Genuß, unbändig in der Erregung. Liebe und Haß brechen mit
vulkanischer Gewalt aus ihren Gemütern hervor; verwegen setzen sie sich
über Sitte, Religion und Gesetz hinweg. Wenn ihr Zorn durch Wider-
streit beim Trunk, durch Verlust im leidigen Spiel, durch Eifersucht gegen
einen begünstigten Nebenbuhler erregt ist, dann bricht ihre Roheit, Gewalt-
thätigkeit und Znchtlosigkeit erschreckend hervor wie ein Lavastrom. In
blinder Rauflust setzeu sie das Leben ein, rachsüchtig über alle Begriffe
stellen sie ihrem Beleidiger nach, aber im offenen Kampfe fechten sie ihre
Sache mit ihm aus. Die Frauen und Mädchen unter diesen Hirten ver-
bringen ihre Tage mit süßem Nichtsthun, denn in den überaus armseligen
Haushaltungen beschränkt sich ihre Thätigkeit auf gauz wenige Verricht-
nngen. Wenn sie besonders fleißig sein wollen, bebauen sie ein kleines
Feld neben dem Rancho mit Bananen oder Jucca. Locker sind die Sitten;
wie Mann und Frau sich rasch zu gemeinsamem Leben vereinigen, so trennen
sie sich auch wieder.
Endlich ist die traurige Zeit der Dürre vorüber; heller wird das
dunkle Blau des vorher nie bewölkten Himmels — ein Zeichen, daß die
ersehnte Regenzeit herannaht. Fernen Gebirgen vergleichbar, tauchen ein-
zelne Wolken am Horizonte empor; sie schieben sich zu gewaltigen Massen
zusammen, heben sich höher und höher aufwärts. Heftige Regenschauer
prasseln, sich rasch folgend, aus die lechzende Erde nieder, sie gehen in
grauenhafte Gewitterstürme über, wie sie in solcher Furchtbarkeit nur die
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1 681 000 Stück Rindvieh getötet wurden, in einem Tage 1000—1500.
Verlockend ist solcher Besuch freilich nicht, lehrreich aber sicher. Der zum
Schlachten bestimmte Ochse wird durch vorgespannte Pserde am Lasso zum
Schlächter hingezerrt, der ihn durch einen einzigen Messerstoß ins Genick
abfängt. Eine Art Rollwagen führt das Tier hinweg; binnen wenigen
Minuten ist es von den halbbekleideten, mit Messern und Beilen bewaffneten
Arbeitern abgehäutet, ausgeweidet, zerschnitten und zerhauen. Die Teile
werden alsdann in bestimmter Ordnung an den dazu vorhandenen Ge-
rüsten aufgehängt. Die besten Stücke werden zur Bereitung des Welt-
bekannten Liebigschen Fleischextraktes verwendet, den Rest zerschneiden
die blutbefleckten Leute iu 6 cm dicke schmale Streifen, tauchen sie in
Salzlake und hängen sie dann zum Dörren in die Sonne. Ein Wider-
wärtiges Gesühl überkommt uns nach kurzer Zeit bereits in den Saladeros,
wie die Schlächtereien heißen. Die zitternden, mit stieren Blicken den Tod
erwartenden Opfer, die finsteren Männer, das Ausgleiten auf dem blutigen
Kot, der eigentümliche fcharfe Geruch des Blutes, die zahlreichen, blutigen,
in fieberhafter Thätigkeit begriffenen Arme — alles das macht uns übel,
und gern wenden wir den Schlachträumen nach kurzer Zeit bereits
den Rücken.
Argentinien, das 6—8 mal so groß ist wie das deutsche Reich,
aber nur ungefähr so viel Einwohner zählt wie das Königreich Württem-
berg, nämlich etwa 3^/g Millionen, ist seinem größten Teile nach eine
unabsehbare Ebene, die sich von den Gestaden des Atlantischen Oceans bis
zu dem erhabenen Gebirge der Anden ausdehnt, sich nach Westen hin all-
mählich erhebt und am Fuße des Gebirges in ein Hochland von 900 m
Höhe übergeht. Diese Hochfläche ist mit mehreren ansehnlichen Gebirgs-
ketten besetzt, wird im Süden immer schmäler und geht nach Norden hin
in das Hochland von Bolivia über.
Die Hauptstadt des Staates heißt Bueuos-Ayres („gute Lüste")
und liegt 44 Meilen vom offenen Atlantischen Ocean, am rechten Ufer
des hier 8 Meilen breiten La Platastromes auf dem etwa 12 m hohen,
steil ansteigenden Gestade. Der Landungsplatz ist leider so seicht, daß
nicht einmal Boote ans Ufer gelangen können; auf Wagen fährt man an
den Strand und in die Stadt hinein, die dem herrlich gelegenen Rio de
Janeiro den Rang streitig macht, obwohl in ihr noch gar vieles im Werden
und Entstehen begriffen ist. Bnenos-Ayres wächst rasch und wird sicher
einst einer der wichtigsten Plätze in ganz Amerika werden, obwohl sein
Hafen schlecht ist. Schon jetzt erinnern seine meist einstöckigen Häuser mit
den flachen Dächern, die mit Marmorplatten belegten, mit Brunnen und
Blumen geschmückten Höfe an eine südeuropäische Großstadt. Die Straßen
schneiden sich rechtwinklig und bilden dadurch Quadrate (Euadras). Fast
überall rollt die Pferdebahn, die wegen des schlechten Pflasters und der
1—2 m hohen Lage der guten Fußsteige über der Fahrbahn fleißig be-
nutzt wird. An der Stromfeite liegen die stattlichsten Gebäude: die
Kathedrale, die Post, die Bahnhöfe, die Regierungsgebäude, sowie die
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Extrahierte Ortsnamen: Argentinien Bolivia Amerika