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unbezwinglich war den einfachen Maschinen der früheren Belage-
rung, das mußte den neu ersonnenen Werkzeugen der Zerstörung
unterliegen.
Gegen die vereinte und immer sich erneuende Macht des so-
genannten türkischen Reichs, gegen die wüthenden, unablässigen
Angriffe eines unabsehbaren Heeres und einer mächtigen Flotte sah
sich Constantin, ohne Hoffnung eines Beistandes, aus die Hülfs-
quellen seines eigenen Geistes beschränkt und auf den Arm von
nicht zehntausend Streitern. Die Mächte Europas waren gleich-
gültig bei seiner Noth geblieben. Furcht hielt die eine, die andere
Verblendung, gehässige Leidenschaft oder kurzsichtiger Eigennutz
von der dringenden Hülfe ab. Zwar noch stand es bei dem Kaiser,
durch Unterwerfung sein Leben und vielleicht durch die Gnade des
Siegers selbst Wohlleben zu erkaufen; aber er, der erste unter den
Römern an Rang und Geist, achtete es seiner uiib des römischen
Namens würdiger, der Nachwelt ein großes Beispiel von Helden-
sinn zu hinterlassen. <Weil aber weder das Vorhalten deiner frü-
heren Eide, noch meine äußerste Nachgiebigkeit dich entwaffnen
kann,' antwortete der christliche Fürst auf des Sultans übermüthige
Aufforderung, ffo beharre in deinem verbrecherischen Beginnen.
Wenn der Herr die Stadt in deine Hände liefert, so werde ich in
seinen heiligen Willen ohne Murren mich fügen; aber so lange
Gott nicht zwischen uns entschieden hat, ist es meine Pflicht, zu
streiten für Reich unfc Ehre.' — Schon zweiundsunfzig schreckliche
Tage waren über die Bürger von Constantinopel hingegangen.'
In den Donner des Geschützes mischte sich das Jammern der Angst
und des Schreckens; durch die Stille der Nacht tönte das Ächzen
der Verwundeten, das Wehklagen der Verwaisten. Was hals es
den tapfern Streitern, daß ihr Schwert der Türken Scharen fraß?
Die Lücken füllten sich bald aufs neue, und der glänzendste Er-
folg ward zu theuer durch ihr kostbares Herzblut erkauft. So
schwand allmählich die Hoffnung, und Mohamed, da er die Türme
durch sein Geschütz zertrümmert, die Mauern zerbrochen sah, erließ
den Befehl zum allgemeinen Sturme. In der Nacht sollten die
Zubereitungen geschehen. Die Christen sahen weithin an beiden
Gestaden unzählige Wachtfeuer lodern und das Meer von vielen
Leuchten heranrudernder Schiffe glänzen, ein großes, prachtvolles,
aber schreckliches, Unglück weissagendes Schauspiel. Dazu der
dumpfe Ton der sich bewegenden und drängenden Heerscharen, das
tausendfache Klirren der Waffen, und bald, mit dem ersten Morgen-
strahl, der laute Donner des Geschützes, das Geprassel hundertfältiger
Zerstörnngswerkzeuge und das hunderttausendstimmige Schlachtge-
wühl blutdürstiger Krieger. — Nicht unvorbereitet waren die Grie-
chen: der wachsame Constantin hatte des Feindes Bewegung er-
späht. Er rief in der Mitternachtsstunde seine Verwandten, seine
Freunde und die Edelsten, der Nation auf die Burg, um seine
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Extrahierte Personennamen: Constantin Mohamed Constantin
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23
dm Leichen hervorkrochen, hernmirrende Kinder, die mit herzzer-
schneidendem Geschrei ihre Eltern suchten, Säuglinge, die nn den
tobten Brüsten ihrer Mütter saugten! Mehr alö sechstausend Leichen
mußte man in die Elbe werfen, um die Gassen 511 räumen 5 eine
ungleich größere Menge von Lebenden und Leichen hatte das
Feuer verzehrt; die ganze Zahl der Getödteten wird auf dreißig-
tausend angegeben. -
Der Einzug des Generals, welcher am vierzehnten erfolgte,
machte der Plünderung ein Ende, und was bis dahin gerettet
war, blieb leben. Gegen tausend Menschen wurden aus der Dom-
kirche gezogen, wo sie drei Tage und zwei Nächte in beständiger
Todesfurcht und ohne Nahrung zugebracht hatten. Tilly ließ
ihnen Pardon ankündigen und Brot unter sie vertheilen. Den
Tag daraus ward in dieser Domkirche feierliche Messe gehalten
und unter Abfeuerung der Kanonen das Tedeum angestimmt.
Der kaiserliche General durchritt die Straßen, um als Augenzeuge
seinem Herrn berichten zu können, daß seit Troja's nnb Jerusalems
Zerstörung kein solcher Sieg gesehen worden sei. Und in diesem
Vorgeben war nichts Übertriebenes, wenn man die Größe, den
Wohlstand und die Wichtigkeit der Stadt, welche untergieng, mit
der Wnth ihrer Zerstörer zusammendenkt.
9.
Ulrich Zwingli in der Aappeler Schlacht.
Aus Fröhlich's Ulrich Zwingli.
Zürich 1840- — Vergl. Gesammelte Schriften. Frauenseld 1853. Bd. Iii.
Noch liegt im Schlafe Zwingli, und noch ift's Morgen nicht,
Da pocht es an die Thüre; ihm sendet schon Bericht
Abt Joner her von Kappel, und so beginnt das Blatt:
'Der Feind ist aufgebrochen; eilt, eilt uns zu, was Waffen hat.'
Da nimmt der fromme Zwingli die Rüstung von der Wand,
Mit der er schon im Blute vor Marignano stand:
Sturmhaube, Schwert und Panzer, noch glänzend stets bewahrt
Als Spiegel jener Thaten und nach der Väter Landesart.
So groß das Schwert und mächtig, es ist ihm nicht zu lang,
Es steht ihm wohl und hindert nicht seinen großen Gang;
Der Panzer, wie gewölbt auch, er ist ihm nicht zu weit,
Er deckt ihm rechtermaßen die Heldenbrust so stark als breit.
So zieret eins das andre des Mannes Helm und Haupt
Und scheinet, wenn auch schmucklos, dennoch von Sieg umlaubt.
So tritt er jetzt noch einmal zu seinem Pult heran
Und sieht in einer Summe, was hier er Tag und Nacht gethan —
Und denkt: 'Nehm' ich die Bibel mit mir, den höchsten Hort?
Doch nein, sie ist geschrieben ins Herz mir Wort für Wort.
Und nah' schon ist der Meister, der, wo mir Licht gebricht,
Mich selbst wird unterrichten von Angesicht zu Angesicht.'
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238
mittelbar aus dem Bette wieder aufs Pferd fällte, um mit seinen
Truppen zur neuen Schlacht auszurücken, war man für den übel-
zugerichteten Greis nicht ohne Sorgen; der Wundarzt wollte ihn
noch zu guter letzt einreiben, Blücher aber, als er die Anstalten
sah, versetzte: 'Ach was, noch erst schmieren! Laßt nur sein! Ob
ich heute balsamiert oder unbalsamiert in die andre Welt gehe, das
wird wohl auf eins herauskommen!' erhub sich, ließ sich ankleiden
und setzte sich wohlgemutst zu Pferde, obgleich ihn bei jeder Be-
wegung die gequetschten Glieder schmerzten. Als er sah, wie stark
es geregnet hatte, und daß es noch immer fort regnen würde,
sagte er: 'Das sind unsere Alliierten von der Katzbach, da sparen
wir dem Könige wieder viel Pulver.' Blücher begab sich an die
Spitze des Heertheils von Bülow, der voranzog und zuerst an den
Feind kommen mußte. Er that alles, um den Marsch zu be-
schleunigen; allein schon gleich anfangs wurde derselbe durch ein
zufälliges Hindernis unerwartet aufgehalten: in Wavre entstand
eine Feuersbrunst, welche die Hauptstraße sperrte und die Truppen
zu Unwegen nöthigte, wodurch ein beträchtlicher Zeitverlust ent-
stand. Weiterhin wurde es noch schlimmer, der unaufhörliche
Reger, hatte den Boden ganz durchweicht, die Bäche geschwellt,
jede kleinste Vertiefung mit Wasser gefüllt. Die schmalen Wege
durch Wald und Gebüsch nöthigten zu häufigem Abbrechen der
Glieder. Das Fußvolk und die Reiterei kamen mit Mühe fort;
das Geschütz machte unsägliche Beschwer; der Zng rückte zwar im-
mer vor, aber mit solcher Langsamkeit, daß zu befürchten war, er
werde zur Schlacht viel zu spät eintreffen, und weit über den
Zeitpunkt hinaus, in welchem er für Wellington noch die ver-
sprochene Hülfe sein könne. Offiziere kamen und brachten Nachricht
von dem Gange der Schlacht, von Napoleon's übermächtigem An-
dränge, und wie sehr die Ankunft der Preußen ersehnt werde.
Blücher, in heftigen Sorgen, sein gegebenes Wort nicht zu lösen,
rief sein 'Vorwärts, Kinder, vorwärts!' anfeuernd in die Reihen
der Truppen, überall fördernd flogen seine Blicke und Worte um-
her; wo ein Hindernis entstand, wo eine Stockung sich zeigte,
war er sogleich gegenwärtig: doch alle Anstrengung gab noch im-
mer nur geringe Aussicht, zu rechter Zeit anzulangen. Neuer-
dings trieb er zu doppelter Eile an; die Truppen erlagen fast den
Mühseligkeiten; aus dem Gemurmel der im Schlamm und durch
Pfützen Fortarbeitenden klang es hervor, es gehe nicht, es sei un-
möglich. Da redete Blücher mit tiefster Bewegung und Kraft
seine Krieger an: 'Kinder, wir müssen vorwärts! Es heißt wohl,
es geht nicht; aber es muß gehn, ich hab es ja meinem Bruder
Wellington versprochen! Ich hab es versprochen, hört ihr wohl?
Ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden soll?' Und so
gieng es denn mit allen Waffen unaufhaltsam vorwärts.
Es war angenommen, die Preußen würden um zwei Uhr
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243
Flucht nöthigte. Der Feind hatte sein meistes Geschütz auf dem
Schlachtfelde stehen lassen, das mit seinen Trümmern und Leichen
bedeckt war. In Genappe war aufgehäuft, was an Geschütz,
Pulverwagen, Gepäck und andcrm Fuhrwerk noch gerettet worden;
alles fiel hier den Preußen in die Hände, unermeßliche Beute, Na-
poleons eigne Feldrüstnng, sein Sübervorrath, seine Edelsteine,
der Wagen selbst, in welchem er gefahren war, und den er beim
plötzlichen Geschrei, die Preußen seien da, ohne Hut und Degen
eiligst verlassen hatte, um stch aufs Pferd zu werfen. Die Klein-
odien, das viele Geld und andrer Besitz, verblieb den Soldaten;
den Wagen Napoleons, den kaiserlichen Mantel, sein Fernglas
nahm Blücher an sich, Hnt lind Degen und die Ordenssterne Na-
poleons sandte er als Siegeszeichen an den König. Die Ver-
folgung gieng unaufhaltsam fort. Wie bei Genappe, so auch bei
Otuatre-Bras und weiterhin bei Frasnes, wurde der Feind noch
in derselben Nacht immer wieder allsgestört; wo im Getreide sich
ein Trupp lagern, in Gebäuden und Höfen sich einrichten wollte,
trieb schnell wieder der Schall der Flügelhörner und Trommeln,
das Feuern ans Flinten lind Kanonen ihn auf; der Mond schien
hell und begünstigre die Verfolgung, welche Gneisenan mit dem
Heertheile von Bülow rastlos betrieb, und all welche, wie Blücher
befohlen hatte, der letzte Hauch von Roß und Mann gesetzt wurde.
Der Heertheil von Pirch war inzwischen beordert, den Truppen unter
Grouchy, welche bei Wavre gegen Thielemann gefochten hatten,
den Rückzug bei Sombref abzuschneiden; der Heertheil von Ziethell
folgte dem voil Bülow nach. Blücher selbst blieb die Nacht in
Genappe; in dem Zimmer, das ihm angewiesen wurde, lagen sechs
schwer verwliildete Franzosen, die man fortschaffeil wollte, doch er
litt nicht, daß sie um seinetwegeil gestört würden, sondern ließ
ihnen vielmehr alle Hülfe und Linderlmg zukommen, welche der
Zustand gestattete. Noch in der Nacht, während zugleich die An-
gaben zu dem Bericht an den Köllig gesammelt wurden, ließ
Blücher folgeilden Aufruf an sein Heer anfertigen: 'Brave Offi-
ziers und Soldaten des Heers vom Niederrhein! Ihr habt große
Dinge gethan, tapfere Waffengefährten! Zwei Schlachten habt
ihr in drei Tagen geliefert: die erste war unglücklich, und dennoch
war euer Muth nicht gebeugt. Mit Mangel hattet ihr zu kämpfen,
und ihr trugt ihn mit Ergebuilg. Ungebeugt durch ein widriges
Geschick, tratet ihr mit Entschlossenheit vierlindzwanzig Stunden
nach einer verlornen, blutigen Schlacht den Marsch zu einer neuen
an, mit Zuversicht zu dem Herrn der Heerscharen, mit Vertrauen
zu euren Führern, mit Trotz gegen eure siegtrunkenen, übermüthigen,
eidbrüchigen Feinde, zur Hülfe der tapferen Briten, die mit unüber-
troffener Tapferkeit einen schweren Kampf fochten. Die Stuilde
der Entscheidung aber sollte schlagen und kllnd thun, wer ferner
herrschen solle, ob jener ehrsüchtige Abenteurer oder friedliche Re-
10*
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198
Masse streitig machen. Zwei Innungen, die Metzger und Wein-
schröter, hatten sich hergebrachtermaßen wieder so postiert, daß einer
von beiden dieser ungeheure Braten $u Theil werden mußte. Die
Metzger glaubten das größte Recht an einen Ochsen zu haben,
den sie unzerstückt in die Küche geliefert; die Weinschröter dagegen
machten Anspruch, weil die Küche in der Nähe ihres zunftmäßigen
Aufenthalts erbaut war, und weil sie das letztemal obgesiegt hatten,
wie denn aus dem vergitterten Giebelfenster ihres Zunft- iinb
Versammlungshauses die Hörner jenes erbeuteten Stiers als Sie-
geszeichen hervorstarrend zu sehen waren. 'Beide zahlreichen In-
nungen hatten sehr kräftige und tüchtige Mitglieder; wer aber
diesmal den Sieg davon getragen, ist mir nicht mehr erinnerlich.
Wie nun aber eine Feierlichkeit dieser Art mit etwas Ge-
fährlichem nnb Schreckhaftem schließen soll, so war es wirklich ein
fürchterlicher Augenblick, als die bretterne Küche selbst Preis gemacht
wurde. Das Dach derselben wimmelte sogleich von Menschen,
ohne daß man wußte, wie sie hinaufgekommen; die Bretter wur-
den losgerissen und heruntergestürzt, so daß man, besonders in
der Ferne, denken mußte, ein jedes werde ein paar der Zudrin-
genden todtschlagen. In einem Nu war die Hütte abgedeckt, und
einzelne Menschen hiengen an Sparren und Balken, um auch
diese mt8 den Fugen zu reißen; ja, manche schwebten noch oben
herum, als schon unten die Pfosten abgesägt waren, das Gerippe
hin- und widerschwankte und jähen Einsturz drohte. Zarte Per-
sonen wandten die Augen hinweg, und jedermann erwartete sich
ein großes Unglück; allein man hörte nicht einmal von irgend
einer Beschädigung, rmd alles war, obgleich heftig und gewaltsam,
doch glücklich vorübergegangen.
Jedermann weißte nun, daß Kaiser und König aus dem Ca-
binet, wohin sie vom Balcon abgetreten, sich wieder hervor begebeir
und in dem großen, Römersaale speisen würden. Man hatte die
Anstalten dazu tages vorher bewundern können, und mein
sehnlichster Wilnsch war, hellte wo möglich nur einen Blick hinein
zu thun. Ich begab mich daher ans gewohnten Pfaden wieder an
die große Treppe, welcher die Thür des Saales gerade gegenüber
steht. Hier staunte ich nun die vornehmen Personeil an, welche
sich heute als Diener des Reichsobcrhaliptes bekalluten. Vierund-
vierzig Graseil, die Speisen ans der Küche herantragend, zogen an
mir vorbei, alle prächtig gekleidet, so daß der Contrast ihres An-
standes mit der Handliing für einen Knaben wohl sinnverwirrend
sein konnte. Das Gedränge war nicht groß, doch wegen des
kleinen Ranms merklich genug. Die Saalthür war bewacht, in-
des giengen die Befugteil häufig alis und ein. Ich erblickte einen
pfälzischen Hausoffizianten, den ich anredete, ob er mich nicht mit
hineinbringen könne. Er besann sich nicht lange, gab mir eins der
silbernen Gesäße, die er eben trlig, welches er um so eher konnte,
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202
fahren im günstigsten Falle die Stadt und den dritten Theil
des Landes der Verwüstung Preis geben und sich in die Marsch
und die Hammen') werfen iinb die Zeit walten lassen. Aber wird
in solcher Noth nicht vollends die Einheit des kriegerischen Wider-
standes verschwinden, die sich mit der Fürstlichkeit so leicht, so
schwer mit der Volksfreiheit gattet? Darum ließen sich auch ein-
zelne Stimmen für,die Nothwendigkeit vernehmen, sich einer Ge-
walt von solcher Überlegenheit, wie sie nie über die Vorfahren
gekommen, in Ergebung 511 unterwerfen. Die Landesversammlnng
blieb aber dem Vaterlande getreu, die Andachtsübnngen wurden
verdoppelt, ein Wandern und Fortschaffen in die Marsch begann.
Indes versammelte sich der Feind schon an der Grenze, harrte dort
noch einige Tage, ob vielleicht die Unabwendbarkeit der Gefahr
die hartnäckigen Herzen bräche. Als alles still blieb, rückte man
am elften Februar über Hanerau in die Landesmitte ein, besetzte,
nordwärts wendend, das verlassene Alversdorp. Man hatte so
den Weg zu den Hammen eingeschlagen. Auf den Rath einiger
Ditmarschen, welche den Feinden ihres Vaterlandes für Sold
dienten, gieng man aber am zwölften auf einem Wiesenwege zu-
rück auf die Meldorper Straße; die Fürsten übernachteten in
Windbergen, wo man so unerwartet eintraf, daß die vorausge-
schickten leichten Truppen auf den Sang und Klang eines Hoch-
zeitznges stießen, der jetzt in schleunige Flucht sich auflöste. Am
dritten Tage fiel Meldorp ans den ersten Aiigriff. Man hatte
einige Schanzen um die Stadt ailfgeworfen, die Söldlinge als
Besatzung zurückgelassen. Diese schossen ein paarmal, wurden dann
seldflüchtig, riefen diirch das Land, alles sei verloreii. Die große
Mehrzahl der städtischen Bevölkeriing war ansgewandert; was
von Greisen, Weibern, Kiiidern sich noch vorfaiid, ward plan-
mäßig ohne Üiiterschied niedergestochen. Schrecken sollte die Ünter-
werftlng erzwingen. Für die hundertzwanzig Gemordeten wiirden
heriiach jährliche Seelenmessen in Meldorp gelesen. König nnb
Herzog nahmen im Kloster Quartier; das dänische Banner prangte
hoch auf dem Kirchturme. In der Stadt und den umliegenden
Dörfern ward geplündert, die Flamme von drei Dörfern leiichtete
in die Marsch hinein. Hier saßen die Ditmarschen in der Gegend
von Oldenwörden zusammen. Als eine Unglückspost die andere
drängte, fielen wieder leise Worte von Übergabe; nach diesem und
jenem Landeshaupte sah man sich vergebens um; wie, wenn der
Mann in Meldorp schon seinen Frieden machte? Ein Theil rieth,
sich mit der ganzen Bevölkerung nach der Insel Büsum, ihrem
Salamis, einzuschiffen, dort zu harren, bis die Kriegsvölker sich
verlaufen hätten, dann das Land wieder einzunehmen. Aber die
Landesversammlnng blieb sich gleich; ungeregelter ist keine gehalten:
1) befestigte, mit breiten Gräben umgebene Landwchre vor der Marsch.
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204
mit dem, was noch zu ihnen stieß, gewiß nicht unter tausend Mann.
Die übrigemacht ward an verschiedenen Orten, besonders zum Schutze
von Oldenwörden, aufgestellt, um nicht das ganzeheil des Vaterlandes
an die Aussage des Friesen zu wagen. Ein betagter Mann eilte aus
dem drei Meilen fernen Lunden mit fünf Söhnen in die Schanze,
unter ihnen der Vater des Achtundvierzigers und Geschichtschreibers
Johann Russe. Die Losung war: <Hilf, Maria milde!'
Sonntags hatte sich ein ungetreuer Bürger von Heide, der
zu den Regenten des Landes gehörte, Karsten Holm, in das könig-
liche Hauptquartier geschlichen, um den Fürsten seine Dienste an-
zubieten, tiib sie auf den nächsten Tag in sein und seines Bruders
Haus nach Heide, bot sich zum Führer nach Lunden an, schlich
dann, um keinen Argwohn zu erregen, wieder zurück. Er mußte
wohl verschweigen, was er selbst nicht wußte, das Geheimnis Jse-
brand's, durch die Arbeit einer Nacht den Weg nach Heide zu sperren.
Als der Montag erschien, waren Wind und Wetter umge-
sprungen: statt des Frostes Thanwetter, es wollte nicht Helle wer-
den, der Nordwest trieb den Fürstlichen Hagel und Regen ins
Gestcht. Da rieth Ritter Hans Alefeldt, Marschall der Herzog-
thümer, welchem die Reichsfahne, das Danebrog, vertraut war,
ernstlich zum Aufschubz Junker Thomas Slentz, der die bösen
Marschwege kannte, war derselben Meinung; aber die anderen
Kapitäne der Garde wollten nicht warten. Nach Heide, hieß es,
könne man am Ende schon kommen; und sie trugen es bei dem
Könige davon. Eine Besatzung blieb in Meldorp. Der Kern des
Heeres rückte in drei Treffen aus: voran die ganze Garde mit Ge-
schütz, auch Faschinen und Brettern, um mit den Wassergraben
fertig zu werden; laut scholl ihre Losung: <Wahr di, Bur, de
Gard' de summt!’ Dann die Mannschaften der Bürger und
Bauern, zuletzt die Ritterschaft, welche höchst unbedacht sich einen
dichten Zug von Packwagen auf dem Fuße folgen ließ, als gälte
es, schon für die heitere Feier des Sieges zu sorgen. Es gieng
langsam vorwärts, immer geradans nach Norden, aber doch vor-
wärts; die Rosse sanken bis an die Knie ein; aber man getröstete
sich, die Garde da vorn, die der wüste Nebel dem Auge ganz ver-
barg, werde schon aufräumen. Auch that diese ihre Schuldigkeit.
Es war um ein Uhr mittags, als die Kugeln Jsebrand's plötzlich
ihren rauhen Gruß ans der Schanze sprachen. Die Überraschung
war groß, aber Junker Slentz ließ das Geschütz auffahren; man
langte die Faschinen hervor: unten Spieße, darüber die Faschinen
gelegt, so bahnte man sich über die Seitengräben den Weg und
dehnte die Schlachtordnung aus. Man hoffte, die Schanze, auf
deren Dasein man aus ihrer Wirkung schloß, umgehen zu können.
Allein auf Gräben folgten Gräben; was man auch that, man
blieb in der Enge; der Wind ward zum Sturme, der strömende
Regen machte das Geschütz unbrauchbar, wenige Steinkugeln wur-
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Johann_Russe Johann Maria Maria Karsten_Holm Hans_Alefeldt Thomas_Slentz
205
den entsendet. Einen Ausfall der Ditmarschen, die das Geschütz
umwerfen wollten, schlug die Garde zurück. Als aber jene sich
nun begnügten, aus ihrem sicheren Hinterhalte in die dichten
Reiben der Feinde zu feuern, rief die kriegerische Wuth eine letzte
Anstrengung der Angreifer hervor; mit aller Kraft ward die Um-
gehung der Schanze abermals versucht. Das war für durchkältete,
im lehmichten Grunde fest gewordene Füße eine saure Arbeit; aber
man schritt vor. Dahin durften es die Ditmarschen nicht kommen
lassen. Plötzlich drangen ihrer drei- bis vierhundert, langbärtige
Männer nach Landesart, aus der Schanze hervor, zum Todeskampf
gegen so viel Tausende, eine Jungfrau voran mit dem Bilde des
Gekreuzigten und der Lanze. Sie warfen den schweren Brust-
harnisch von sich, den Eisenhut, den Schild und selbst die Schuhe,
sprangen barfuß, mit der gewohnten Hülfe der Springstöcke, leicht-
füßig über die Gräben, warfen sich auf die Männer der Garde,
schleuderten sie in die Wassergräben hinein. Zweimal schaffte sich
die Garde Lust; die Eingebornen flohen. Als sie zum drittenmale
zurückkehrten, brachten sie einen neuen Bundesgenossen mit:
schon war die Flutzeit eingetreten. Als die Wachen auf den Deichen
im Norden der Meldorper Vogtei an dem Kanonendonner aus der
Schanze die rechte Stunde erkannten, öffneten sie die Seeschleusen;
der Sturm aus Nordwest trieb die Flut gewaltig landeinwärts,
und bald waren in der ganzen Marsch zwischen Meldorp und der
Schanze Land und Gräben nicht mehr zu unterscheiden. Jetzt
riefen die Bauern: Wahr di, Gard', de Bur de summt!’ Einer
unter ihnen, der lange Reimer von Wimerstedt, aus dem Kirchspiel
Neuenkirchen, ersah sich jetzt den Anführer, der nicht aufhörte, vom
Rosse herab zu rufen, es solle nnr einer kommen und es mit ihm
aufnehmen. Der Bauer schlug mit seiner groben Hellebarde den
langen Ritterspieß zur Erde, traf den Junker, daß die Waffe im
Panzer festblieb und er mit dem Pferde stürzte. Reimer sprang
mit dem Fuße auf die Hellebarde, daß sie tief in die Brust ein-
drang, und schleppte dann mit anderer Hülfe Mann und Roß in
den nächsten Graben. Davon spricht eines der Siegeslieder:
'Der uns die große Guardie todtschlug, das will ich euch wohl sagen,
Das hat der große Reimer von Wimerstedt gethan, der hat die große
Guardie geschlagen.
Der uns das meue Liedlein sang, ganz neu hat er's gesungen,
Das hat der große Reimer von Wimerstedt gethan, mit seinen langen
gelben krausen Haaren.'
Als die Garde ihre Trümmer nicht mehr vertheidigte und sich
nur seitwärts durch die Flucht zu retten suchte, da fiel der Sieger,
durch die Mannschaft der Osterdöffte verstärkt, auf das zweite
Treffen der Bürger und Landleute, die bisher unbewegliche Zu-
schauer des Kampfes waren. Hier begann ein fast widerstands-
loses Morden und ins Wasser Stoßen. Die Gräben füllten sich
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mit der Menge der Ertränkten. Als eö darauf an die Ritter kam,
so gab es kein Vorwärts und kein Rückwärts auch für diese. An
den Seiten aber waren die Ditmarschen geschäftig, mit Spießen
und Pfeilen bloß die Pferde zu verwunden, die dann sich bäumten
und ihre Reiter abwarfen. Durch dieses'gewirre, die Ausdünstung
der Rosse, durch den auf dem Boden lastenden Pulverdampf ward
beim Sinken des Tages der Qualm so groß, daß die Angen nichts
mehr zu unterscheiden vermochten. Die vordersten Reiter schafften
sich zur Seite Bahn über die Leichen des Fußvolks, welche die
Gräben ausfüllten z man floh, unbewußt, wohin. Die in der
Mitte aber starben, ohne nur das Schwert ju zücken, eines drei-
fachen Todes: gestürzt, zertreten, ertränkt. An wenig Leichen fand
man Wunden. Wie die Noth wuchs, sahen sich die letzten im
Zuge mit ängstlichem Bemühen nach dem Rückwege um, den die
Wagen zusperrten. Hier war um so schwerer durchzukommen, weil
das verwundete Zugvieh das Fuhrwerk in die Quere warf, so
daß alles sich wie zu einer künstlichen Wagenburg verschränkte.
Es ist »inbekannt, aus »velche Weise die fürstlichen Führer den
Rettungsweg nach Meldorp zurückfanden. Hier boten sie die Be-
satzung auf zur Hülfe des geschlagei»en Hecres z aber als die Männer
des Süderstrandes nun erschienen und ihr Geschütz vor Nieldorp
anfflihren, da erwählten sie den schnellsten Rückzug nach Holstein.
Wäre der Strandinann zwei Stunden früher zur Stelle gewesen,
weder Kbnig noch Herzog »väre davon geko»iunen.
In dieser Schlacht von drei Nachmittagsstunden nahm der
Tod »»»»zählige Opfer. Der tapferen That folgte die Plünderung,
und manche Hand, die dem Kampfe sich entzog, war jetzt eifrig im
Ausplündern der Todten, bis sie ganz nackt dalagen, ihrer Waffen,
ihrer Kleider, der gefüllten Gürtel, selbst der Hern den beraubt, im
Erwürgen von Halbtodten, im Wüthe»» selbst gegen Leichen.
Wenige wurden ain »»ächsten Tage mit dein Lebe»» begnadigt.
Einige tmifcub Leichen begrub inan z aber die adelichei» Leichi»an»e
mußten auf freiein Felde verwesen.
Die Hälfte des dänischen Heeres fai»d hier dei» Tod, nach
»näßiger Schätzuiig sechstausend Mann. Die Garde allein verlor
vicrzehnhundertsechsundzwanzig Ma»»n; fünfzig Bürger von Rends-
b»irg blieben. Die Sieger zählte»» zweiui»df»»nfzig Todte von
den Ihren, acht von den Sbldi»ern. Die Däne»» schlugen ihren
ganzen Verlust ans mehr als zweibunderttausend Gulden an, »n»d
d»e Beute war übergroß: der Schatz an golde»»en »nid silbernen
Geschirren, unzählige Wagen mit Lebensmitteln und Kriegsgeräthe,
einige tausend Pferde, das sämmtliche Geschütz, groß und klein,
vier Last Pulver. Die herrlichste Trophäe aber »var, mit sieben
anderen Fahnen, die Dancbrogsfahne Waldemar's des Zweiten.
Sie faiid ihren Platz in der Kirche von Oldenwörden.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]