Einleitung.
Der indogermanische Sprachstamm.
Aus einer Ursprache eines der vorhistorischen Zeit angehörenden,
im tnittelasiatischen Hochlande wohnenden Urvolkes der Arier (— der
Glänzenden, Edlen) ist im Laufe der Jahrhunderte eine Anzahl verschiedener
Sprachen hervorgegangen. Das Volk zog aus seinen Ursitzen aus und
ließ sich teils in Asien (in Indien und im Hochlande von Iran), teils
in Europa in einzelnen Stämmen nieder. Diese entwickelten mit der Zeit
in sich geschiedene, aber den gemeinschaftlichen Ursprung doch nicht ver-
leugnende Sprachen, die in ihrer Gesamtheit den „indogermanischen" oder
(richtiger) den „indoeuropäischen" Sprachstamm bilden, dem auch die deutsche
'Sprache als Zweig angehört. Der Stamm umfaßt folgende Sprachen:
A. In Asien:
1. Die indischen, namentlich das Sanskrit, d. h. die reine
Sprache, in welcher die heiligen Schriften der Inder (die Vedas) geschrieben
sind, sodann die jetzt in Indien gesprochenen Mundarten, wie das Hindo-
stanische, das Mahrattische usw.
2. Die iranischen, von denen die Z end spräche, die Sprache der
heiligen Schriften der alten Parsen (Zendavesta), und das Altpersische,
die Sprache des Darius, Aerxes und der Nachkommen desselben, aus-
gestorben sind; die noch lebenden iranischen Sprachen sind namentlich das
Neutzersische, Kurdische, Afghanische und Armenische.
B. In Europa (nach der Zeitfolge der Auswanderung der be-
rstenden Völkerschaften vom Hochlande Mittelasiens, der Wiege jenes
großen Sprachstammes):
1. Die griechische mit ihrer Tochter, dem Neugriechischen.
2. Die italischen, namentlich die lateinische mit ihren Töchtern,
den romanischen Sprachen: der italienischen, spanischen, portugiesischen,
proverumschen, französischen, rumänischen oder walachischen.
Heuse, Lesebuch. I. 4. Aufl. 1
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TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See]]
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Extrahierte Personennamen: Darius Darius
Extrahierte Ortsnamen: Asien Indien Hochlande_von_Iran Europa Asien Indien Armenische Europa Hochlande_Mittelasiens
34 Dritte Periode, von 1100 bis 1300, oder erste Blüteperiode.
fasser der homerischen Epen viel und oft erörtert worden. Die Ansicht
von Professor Lachmann (f zu Berlin 1851), daß das Nibelungenlied
mittels allerlei Einschiebsel aus 20 nach Ton und Inhalt verschiedenen
romanzenartigen Liedern (vgl. die homerischen äpioremi) von einem Be-
arbeiter oder Ordner zusammengestellt sei (etwa von 1190 bis 1210),
fand lebhaften Widerstreit in den Ansichten anderer Gelehrten, welche das
Werk wegen seiner künstlerischen Einheit (vgl. die Schlußbemerkungen)
einem (oder zweien) gegen das Ende des 12. Jahrhunderts in Österreich
lebenden Dichter zuschreiben.
Von den zehn vollständigen Handschriften des Nibelungenliedes sind
drei aus dem 13. Jahrhundert, auf Pergament geschrieben, die wichtigsten:
1. Die Hohenems-Münchener (A), auf Schloß Hohenems (Vorarl-
berg) entdeckt, jetzt in München, 2. die St Gallen er (B), 3. die
Hohenems-Laßbergsche (C), nach dem Fundorte Hohenems und dem
früheren Besitzer, Herrn von Laßberg, benannt, jetzt in der Fürstlich Fürsten-
bergschen Bibliothek zu Donaueschingen.
In den Jahrhunderten des politischen Verfalles Deutschlands vergessen,
wurde das Lied durch den Schweizer Bodmer im Jahre 1757 in seinem
zweiten Teile: „Kriemhildens Rache" wieder aufgedeckt, vollständig
herausgegeben von Müller in Berlin 1782.
Der Inhalt des Nibelungenliedes zeigt eine Mischung von drei
Bildungsepochen des deutschen Volkes; denn es enthält Elemente:
1. des altgermanischen Heidentums, 2. des germanischen
Heldentums aus der Zeit der Völkerwanderung und 3. des christ-
lichen Rittertums.
1) Die Elemente des altgermanischen Heidentums bilden den
mythischen Hintergrund, wie schon das Wort Nibelungen^, der Zwerg
Alberich, die verderbenbringende Kraft des Goldes, welches den, der sich
in seinen Besitz setzt, dem Tode verfallen läßt, wie ferner Siegfried mit
seiner unsichtbar machenden Tarnkappe und seiner vor Verwundung schützenden
Hornhaut, wie die Walküre Brunhild, der grimme Hagen, dem manche
Züge vom bösen Gotte Loki eigen sind, und die weissagenden Meerweiber
in der Nähe der Donau sattsam beweisend 1 2
1 Bewohner von Niflheim — Nebelheim — Totenreich; der Name Nibe-
lungen bezeichnet zunächst die ursprünglichen Besitzer des Schatzes, später die Bur-
gunden, auf welche nach Siegfrieds Tod der Hort übergegangen war.
2 Alberich — Fürst der Albe, Zwerge; Siegfried — Sieg und fried — fridu,
d. h. Schutz, Sicherheit; Walküre (altnord. val[r] — Leiche und küren — wählen)
— die des Kampfes waltende Botin Odins (Odin — Wuotan [= Wut)); Brunhilde
— brünne (von brinnen — brennen) — glänzender Harnisch und bild — Kampf.
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TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium]]
§ 14. Stoff, Darstellung und Form des Kunstepos. 135
Wolfdietrich, der von seinem Großvater unter Wölfen (daher
sein Name) aufgefunden wurde. Die Dichtung enthält eine Häufung
wundersamster Abenteuer, die ihn auch in Verbindung mit König Ortnit
in Lamparten bringen. Wirkungsvoll ist in der Dichtung die Treue des
Herzogs Berchtung, des Erziehers des jungen Königs, geschildert. Wolf-
dietrich findet sein Ende in einem Kloster, aus dem die Engel seine Seele
nach langer Buße heimführten.
8 14.
Ii. Das kunftopos.
Stoff, Darstellung und Form des Kunstepos.
Das Kunstepos ist „die Arbeit" ritterlicher Sänger, welche, aus-
gezeichnet durch höfische Bildung, namentlich an den gastlichen Höfen
der Fürsten, so des Herzogs Heinrich des Löwen, der Landgrafen von
Thüringen und der babenbergischen Herrscher Österreichs ihre heimische Stätte
fanden. Dieselben nahmen ihre Stoffe, entsprechend ihrer Bildung, die
ganz von fremden, besonders französischen, beziehentlich provenzalischen Ein-
flüssen beherrscht war, aus der Fremde und zwar meist nach franzö-
sischen Vorbildern: fremdiu maere und fremde namen hat diu
äventiure, wie einer jener Dichter selbst sagt. So sind die Stoffe ge-
wählt aus den antiken Sagen vom Trojanischen Kriege und
von Äneas, aus der Sage von Alexander dem Großen, aus der
französischen Sage von Karl dem Großen, aus der britischen
Sage von König Artus und der Tafel runde1 und aus der spa-
1 Um den Namen des Königs Artus (getötet 542), der als Vertreter der bri-
tischen (keltischen) Nationalität in siegreichem Kampfe gegen die Angelsachsen, gegen
Schottland, Irland, Norwegen und Dänemark gedacht wird, bildete sich mit der
Zeit, indem „das erlöschende Nationalbewußtsein des von Römern und Germanen
aus der Reihe der herrschenden Völker Europas verdrängten Keltenvolkes sich um
ihn sammelte", ein Sagenkreis, welcher sich von Wales über Britannien und von
dort über Frankreich ausbreitete. Als Muster und Vorbild aller ritterlichen Tu-
genden und der feinen Sitte hält Artus mit seiner schönen und tugendhaften Gattin
Ginevra glänzenden Hof in Wales. Auf den Rat des ihm befreundeten Zauberers
Merlin gründet er den Orden der Ritter der Tafelrunde. Nur zwölf Helden, die
durch ritterliche Tüchtigkeit jeglicher Art hervorragen, können in diesen Orden auf-
genommen werden und sitzen zum Zeichen ihrer gleichen Würdigkeit vereint mit
dem Könige und der Königin um eine runde Tafel. Ihr Streben geht dahin, alle
Ausgaben des weltlichen Rittertums zu lösen: die Frauen zu schützen, die Über-
mütigen zu demütigen, Riesen zu bändigen, Ungeheuer zu erlegen, Bezauberte zu
befreien. Zu diesem Zwecke ziehen sie vom Hofe des Königs auf Abenteuer (ent-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_des_Löwen Heinrich Alexander_dem_Großen Alexander Karl_dem_Großen Karl König_Artus Ginevra
Extrahierte Ortsnamen: Lamparten Schottland Irland Norwegen Europas Wales Britannien Frankreich Wales