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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 26

1901 - Glogau : Flemming
Herz des Reiches".- Es hat übrigens früher lebhafte Beziehungen zu dem oberrheinischen Deutschland unterhalten, und die Bildsäule des „von Allemand" ist ein Zeugnis für die dankbare Pietät der Bewohner. — Westwärts von Lyon liegt der große Kohlenbezirk, und mitten in ihm St. Etienne, das Birmingham und Sheffield Frankreichs. Hier werden Metallgeräte gearbeitet und namentlich die Waffen geschmiedet für die französische Armee; hier ist aber auch der Derd der Strikebewegungen und socialdemokratischen Umtriebe. — Nördlich von Lyon zieht sich die Saone aufwärts und an den Berg- hängen das Land Burgund mit seinem berühmten Weinwuchs. Das Gebirge cöte d'or hat ja daher den Namen, daß aus den Reben Gold über das Land fließt. Die Herzöge von Burgund beherrschten dies Gebiet, und Philipp den Guten nannte man geradezu den due des bons vins. Die burgundischen Fürsten haben eine große Nolle in der Geschichte Frankreichs und Deutschlands gespielt; Karl der Kühne war der reichste Fürst seiner Zeit, und da Burgunds Herrscher zugleich die gewerbthätigen Niederlande mit ihrer Wollensabrikation besaßen, so ist auf sie der Orden des goldenen Vließes zurückzuführen, der noch heute als einer der vornehmsten der Christenheit anzusehen ist. Aber noch in einer anderen Beziehung ist das burgundische Land von mächtigem Einflüsse gewesen; es war das Land der Klöster. Welche Fülle religiöser Anregungen ist von Cluny ausgegangen! Die cluniacensische Richtung verinnerlichte das ganze Glaubensleben des 11. Jahrhunderts, ermöglichte demnach die Entstehung der Kreuzzüge, begründete aber auch zugleich die Anmaßung der hierarchischen An- sprüche und schus dem deutschen Kaiser die schwersten Gegner und Kämpfe. Ungleich friedlicher ist der Einfluß, der von Citeaux, der Heimatsstätte der Cifterzienfermönche, ausging. Aus den weit ver- breiteten Tochterklöstern dieses Ordens zogen die Pioniere christlicher Kultur, rationelleren Ackerbaus und vorgeschrittener Gartenpflege oft- wärts unter die slavischeu Völkerschaften und gewannen z. B. dem Deutschtum den ganzen Osten seines heutigen Gebietes, die Kern- lande unseres jetzigen imposanten Kaisertums. Unweit von Citeaux liegt die clara vallis, wo der heilige Bernhard als Abzweigung des Ordens das berühmte Clairvaux gründete. Übrigens nennt man in Frankreich gewöhnlich die Cisterzienser Bernhardiner. Um hier, da wir gerade von den Klöstern sprechen, auch noch dreier anderer berühmten Abteien in Frankreich zu gedenken, so liegt in der Perche La Trappe der strengste Orden der katholischen Kirche, der seinen Bekennern nur erlaubt den Mund zu öffnen zu dem Todesgruße memento mori, in den Voralpen bei Grenoble die Karthaufe, das Stammkloster der Karthäuser, das seit 1819 wieder bewohnt wird, und bei Laon Pr6- montre, wo Norbert von Tanten die Prämonstratenser stiftete, die sich in gleicher Weise wie die Cisterzienser um die Verbreitung der

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 42

1901 - Glogau : Flemming
— 42 — Ferner ist zu beachten, daß der Boden dort mit Stauden und Zwiebel- gewachsen bedeckt ist, daß aber bei dem Mangel an sommerlichem Regen ganz die rasenbildenden Gräser fehlen. Statt des Rindviehes und der Pferde erscheinen als Haustiere Büffel und Maultiere. Die Butter entbehrt man ganz und ersetzt sie durch Ol. — Was sonst die Vegetationsformen betrifft, so sind ja vom Altertum her bekannt die Pinie, der Lorbeer und die Cypresse. Letztere in ihrer bleistift- ähnlichen Form hat den Orientalen als Vorbild für ihre Obelisken und Minarets gedient. Es hat doch aber in diesen Gebieten künstliche Einführung und Übertragung fremdartiger Gewächse sehr umgestaltend auf das Pflanzenkleid eingewirkt. Wir können uns Süditalien und Sicilien heute gar nicht ohne die stachligen Agaven denken, und doch sind sie erst seit Entdeckung der neuen Welt dorthin übergesiedelt. Alan muß es daher als einen Anachronismus bezeichnen, wenn Preller seine Odysseelandschaften überall mit diesen Agaven schmückt. Zum heutigen Landschaftsbilde gehören ferner die Agrumen und Gold- orangen, von den Magnolien mit ihren Tulpenblüten ganz zu ge- schweigen. Die Citrgsarten sind aber aus Indien über Persien ein- geführt, und der Name Apfelsine deutet schon ohne weiteres in seinem Namen: chinesischer Apfel auf die fremdländische Herkunft. Peschel sagt mit Recht, daß die Flora des europäischen Südens, namentlich Italiens, mit der Zeit völlig umgewandelt ist und als Kunstprodukt alter Kulturvölker bezeichnet werden muß. Er fügt dann aber weiter hinzu, daß die Pflanzengebilde Südeuropas ästhetisch unendlich höher stehen, und daß man sast betroffen ist, wenn man nach Norden zurück- kehrt, über „die Ordinärheit der Pflanzenwelt, deren Laub- und Nadelholzmassen schier ungeschlacht und grob erscheinen. Darum" — und dies ist sein geistvoller Schluß — „ist der Kunstsinn hier im Süden so früh geweckt worden. Das Akanthusblatt wurde zum Vorbilde der Arabesken an der korinthischen Säule, das Laub des Lorbeers schmückte die Stirn des Siegers, und der Zapfen der Pinie krönte den Thyrsusstab." Wenn wir die südeuropäischen Halbinseln betrachten, so gebührt der mittelsten der Vorzug, den unverfälschtesten Ausdruck dieses be- sonderen europäischen Ländertypus in sich darzustellen, also Italien. Das alpine Hochgebirge schützt die Halbinsel gegen alle klimatische Rauhigkeit des Nordens; nur ab und zu spürt man den Wind, die tramontana, und namentlich im Süden entwickelt das Land allen Reiz einer ganz eigenartigen Flora und einer weichen, gleichmäßigen Himmelsluft. Das sind die Eindrücke, die Platen die Verse eingaben: Zeit nur und Jugend verlor ich in Deutschland, Lebenserquickung Reichte zu spät Welschland meinem ermüdeten Geist!

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 109

1901 - Glogau : Flemming
— 109 — schast mag ja auch die Unterwürfigkeit begünstigt haben. Aber etwas anderes ist charakteristisch. Sie schließen sich gern zusammen und übertragen einem aus ihrer Mitte die Fuhrung. Es pocht nicht jeder aus seine Individualität, und man sieht ein, ein Volk, aus solchem Holz geschnitzt, ist zu einer führenden Stellung, zu einer politischen Rolle berufen und vorausbestimmt. Zudem hat es Nuß- land nie an energischen Herrschern gefehlt. Schon das muß als ein günstiges Omen gleich am Anfang der russischen Geschichte betrachtet werden, daß Wladimir, „der Zar Peter des 10. Jahrhunderts," eine Enkelin an König Heinrich I. von Frankreich vermählen konnte, so daß alle französischen Könige das Blut seines Geschlechts in ihren Adern tragen. Die Tüchtigkeit der Regenten verband sich dem Cha- rakter des halbasiatischen Volkstums gemäß oft nüt einer grausamen Wildheit; deshalb legte man dem Zar Iwan den Namen des Schreck- lichen bei. Es geht die Sage, daß er den Baumeister der oben er- wähnten „Ananaskirche" gefragt hätte, ob er sich getraue, ein zweites Bauwerk derart vollenden zu können. Und auf die bejahende Ant- wort hin ließ er ihn schnell enthaupten, damit nur er ein so Herr- liches Gotteshaus besitze. Dann solgt um 1700 Peter der Große, dem man eine wilde Energie gewiß nicht absprechen wird. Im 18. Jahrhundert regierten vier Frauen, Katharina I., Anna, Elisa- beth und Katharina Ii. oder die Große, der Rußland so ungemein viel zu verdanken hat, was uns Deutsche um so mehr freut, als sie in Stettin geboren war und völlig als unsere Landsmännin angesehen werden kann. Im 19. Jahrhundert war Nikolaus I. ein mächtiger Fürst, der schon in seiner äußeren Erscheinung das Majestätische und Jmperatorische spüren ließ. Als das Cholera- schrecken 1831 in Petersburg alle Gemüter lähmte und ein wilder Aufruhr die Stadt durchtobte, erscheint er ohne Begleitung unter der wütenden Menge. Man raunt sich zu: Gossu dar (der Herr ist da). Dann steigt er auf die Stufen einer Kirche und donnert den Nuffen zu: na kalenn (aus die Kniee). Widerstandslos haben zehn- tausend Menschen dem Befehl gehorcht. Bei einem so gearteten Volke und bei solchen immer von neuem wiederkehrenden energischen Herrschern will das westlichere Europa aus der Angst nicht herauskommen, als ob uns alle das Slaventum der- einst verschlingen werde. Erst neuerdings hat Nietzsche dieser Be- sürchtung Ausdruck gegeben. Fast unheimlich ist ja das Anwachsen der Bevölkerung. Wir haben heute dreimal soviel Russen als vor hundert Jahren, und die Volksmasse allein des europäischen Ruß- lands mit 106 Millionen erscheint unzählig und beängstigend. Aber hinter, solcher Angst birgt sich doch nur das Gefühl der eigenen schwäche; ein gesundes Westeuropa kann auch gegenüber solchen Zahlen die Furcht bezwingen; denn es sprechen verschiedene Gründe

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 111

1901 - Glogau : Flemming
— Iii — schweren Nachteil für die Entwickelung des Landes bedingt die Un- Bildung der großen Massen, die fast zum Erschrecken große Zahl der Analphabeten. So gewiß „Bildung Macht ist", so armselig ist der Staat daran, dessen Bevölkerung nur körperlich mitzählen kann. Was hat in den Perserkriegen den Athenern schließlich den Sieg verliehen? Die Zahlenverhältnisse waren ja ungünstig genug, Herodot wenig- stens rechnet bei Marathon aus 10 Perser 1 Athener. Aber es waren bei den Orientalen zusammengetriebene Massen, bei den Griechen selbständige, gebildete und sreiheitsliebende Männer, bei denen Ehrgefühl und innerer Wert ganz anders mitsprachen. Man rechnet in Rußland, daß nur der achte Teil der schulpflichtigen Ju- gend Unterricht genießt und daß auch bei den bevorzugteren Klassen sich jener Halbsirnis der Bildung eingestellt hat, unter dem sich an- geborene Roheit versteckt. Darauf zielte jenes Wort Napoleons, das wir oben erwähnten. Und damit hängt auch die erschreckliche Unehr- lichkeit und Korruption des Beamtentums zusammen, ein Krebs- schaden, dessen Heilung je länger desto mehr fast eine Undenkbarkeit zu sein scheint. — Und sehen wir denn nicht, wie in dem ungeheuren Reiche der Wurm im Innern nagt? — wie durch die nihilistischen Ver- brechen alles Vertrauen erschüttert wird? Die Lebensbeschreibung des Fürsten Krapotkin, die unlängst erschienen ist, weist auf entsetz- liche Zustände. Ein Fürst steht an der Spitze der anarchistischen Partei; das giebt doch wohl genug zu denken. Schließlich bleibt Rußland als vornehmste und unbestrittenste Aufgabe die Ausbreitung in Asien, und da hat, wie wir das schon im ersten Teile nachwiesen, es Rußland auch erreicht, daß es zu- sammen mit seinem europäischen Besitz den sechsten Teil der Land- masse der Erde umfaßt. Man rechnet, dem Zaren ist die Hälfte von Europa und ein Drittel von Asien unterthan. Und hier in Asien stehen Rußland noch die rühmlichsten Kulturausgaben bevor. Möchte es immer dessen eingedenk sein, was einst ein Russe gesagt hat: Wir wollen Asien als unser eigenes Kind erziehen, es gleich der Mutter an unseren eigenen Brüsten säugen!

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 51

1901 - Glogau : Flemming
— 51 — die, wie G. zu Stolberg gesagt hat, des schönen Italiens schönste Provinz ist. „Wolkenlos erscheint der Himmel. Tags sieht man Sterne, und in der Nacht hebt sich jedes Gebüsch unglaublich scharf in der Landschaft ab. Beim bloßen Scheine der Mondsichel werfen die Körper starke Schatten, und wo bei uns ein grauer Himmel das Meerwasser grau erscheinen läßt, nimmt dort die See eine tiefgesättigte indigoblaue Farbe an. In der Dunkelheit schimmern die Wellen in mattem phosphorischen Lichte; um des Fischers Ruder sprühen^unken, und die Spur seiner Barke ist Feuer." Allerdings, sagt ^tolberg weiter, bedecken hier nur Blumen die Rüstkammer des Allmächtigen. Denn Kalabrien ist der Brennpunkt der unterirdischen Feuer, deren Hauch aus dem Vesuv, dem Stromboli und dem Ätna atmet. Bei Reggio (Rhegium), das mit dem griechischen Qijywßl zu- sammenhängt, ist der Faro di Messina, der Italien von Sicilien trennt. Schon den alten Griechen muß also das Bewußtsein inne- gewohnt haben, daß hier eine gewaltsame Ruptur gleichartige Lande und Gebirge von einander gerissen hat. Wenn wir an dieser An- nähme festhalten, so entfaltet sich, der Apenninenzug zum Schlüsse zur gewaltigsten Erhebung. Der Ätna ragt gewaltig über das ganze Eiland Sicilien, und wenn die Sonne ausgeht, soll man noch 150 km entfernt bei Palermo seinen Schatten sehen können. Der alte Philosoph Empedokles stürzte sich in seinen Krater, und ihm zu Ehren nennt man heute einen Trümmerrest den Philosophenturm. Übrigens er- zeugen die Minen des Ätna das Gold Siciliens — den Schwefel. Sicilien, im Centrum des Mittelmeeres gelegen, war das Märchen- land der antiken Welt. Hier hausten die Cyklopen und Lästrygonen, und hier war für das homerische Zeitalter der Rand des geographischen Horizontes, an den die abergläubischen Schiffer erfahrungsmäßig alle die Fabelwesen ihrer erregten Phantasie hinversetzen. Im Mittel- alter war die Insel das Streitobjekt zwischen Jtalikern, Normannen und Saracenen, und die Erinnerung an diese dreifache Zusammen- setzung der Bevölkerung ist festgehalten in Schillers Braut von Messina, so wie blaue Augen und blonde Haare auch dem heutigen Besucher das Normannenblut vergegenwärtigen sollen. — Von Messina la nobile bis zu den im Westmeer liegenden Ziegeninseln sägatischen) ist die Vegetation Siciliens namentlich an den Küstenrändern fast tropisch; Messina bildet den Ausfuhrhafen für die köstlichen Süd- srüchte, an denen sich die Nordländer erlaben. Vor Blumenduft, berichtet schon Diodor, hätten die Hunde die Fährte des Wildes ver- loren, und neben dem berühmten sicilischen Weizen, der „gedüngt ist mit dem Blute des Ätna", erscheinen die Vertreter der Tropenwelt, Zuckerrohr und Baumwolle. Zur Veranschaulichung dieser sicilischen Vegetation der Küstenränder — denn die innere Hochfläche ist infolge der Abholzung kahl, wovon wir weiter unten sprechen werden, —

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 55

1901 - Glogau : Flemming
— 00 — australischen Eukalypten, die ihre Wurzeln tief in das^ Erdreich ein- senken, die Striche von ihrem Überfluß an Sumpfwasser allmählich zu befreien. — Das arme italienische Volk bekundet seit je große Neigung auszuwandern, und namentlich für die benachbarten Länder haben sie, fozufagen, die Rolle der auswanderungslustigen Chinesen übernommen. Bewundert wird dann ihre erstaunliche Anspruchs- losigkeit und Lebhaftigkeit, wenn sie sich ihre polenta nach den Ge- setzen der Kreisteilung vergnügt einteilen und ihrer drei bei einer Flasche Wein mehr Spektakel machen als dreißig Deutsche, die Gam- brinus einen Eimer opfern. Die Auswanderung beträgt, in manchen Strichen über 3% der Bevölkerung. — Das schwerste Übel, an dem endlich der Staat krankt, ist die mangelhafte Schulbildung des Volks, namentlich wenn man tiefer in die Halbinsel nach Süden vordringt, wo die ehemalige Mißwirtschaft der Bourbonen noch immer in ihren beklagenswerten Folgen sich spüren läßt. Ehre und Anerkennung sei der jetzigen Regierung, daß sie auch hier Wandel zu schaffen be- strebt ist! Italienische Sprache und Bildung stehen sonst hoch in Achtung, das ganze östliche Mittelmeer hat noch heute das Italienisch zur Verkehrssprache, und nun sollten die eigenen Landeskinder die wissenschaftliche Pflege ihrer Muttersprache vernachlässigen? Recht prunkhaft nimmt es sich aus, daß Italien 19 Universitäten zählt, aber auch da wird des Guten fast „zu viel geboten, und an inten- filiere Geistespflege ist bei dieser Überzahl nicht mehr zu denken. Die Regierung ist daher daraus aus, die kleineren Hochschulen all- mählich eingehen zu lassen und dadurch Mittel in die Hand zu be- kommen, um an den größeren Universitäten wirklich Vorzügliches zu leisten. _ Dieselben Vorzüge des Klimas und einer entzückenden Vegetation wie in Süditalien treffen wir auch in Süd- und Ostspanien und bei dem Ostrande der südlichen Balkanhalbinsel. Valencia heißt z. B. „das spanische Paradies", und von den Huertas und Vegas haben wir schon im ersten Teile gesprochen. ^ Dasür macht das Innere der pyrenäischen Halbinsel stellenweise einen fast trostlosen Eindruck. Aber das Starre, Unbewegliche der Natur paßt zum Volkscharakter des Spaniers, der seine ganze Empfindungsglut nach einer Richtung hin ausströmen läßt, dann aber wieder in völliger Abgeschlossenheit und Unzugänglichkeit sich stolz gegen alle fremden Einwirkungen verschließt. Diese Mischung einer glühenden Leidenschaftlichkeit und sanatischen Anhängerschaft an das Althergebrachte erzeugte in dem spanischen Volke das Blütezeitalter unter Philipp Ii., wo der Spanier mit Todesverachtung überall für den althergebrachten katholischen Glauben 1 Erdkundliche Aufsätze, S. 60.

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 57

1901 - Glogau : Flemming
— 57 — tugal seinem Riesenreiche hinzuerwarb, es eigentlich versäumte, nach Lissabon die Hauptstadt seines Pyrenäenreiches hin zu verlegen. Dann hätte „die Sultanin des Westens" dieselbe Rolle gespielt, wie etwa heute Liverpool, das den Verkehr und Handel mit Amerika beherrscht. Aber es ist müßig, solchen Kombinationen in der Geschichte nach- zugehen, und jedenfalls eignet sich der Tajo auch nicht in dem Grade dazu, alle die natürlichen Reichtümer des Landes ausschließlich nach Lissabon als dem Ausfuhrhafen hinzuleiten. — Im Mittelalter ist die Pyrenäenhalbinsel wieder nach einer andern Hinsicht höchst inter- essant. Es ist die Zeit des Cid und der Mauren. Zweimal hat der Islam versucht, Europa zu unterjochen. Im 8. Jahrhundert von Westen her durch die Araber, vom 15. Jahrhundert ab von der Südostseite durch die Türken. Damals gelang es den Saracenen, sich in der Pyrenäenhalbinsel festzusetzen; aber da der Islam wohl vermag, seine Streiter zum Angriff zu begeistern, sie aber nicht zur Seßhaftigkeit und zum Widerstande zu erziehen, so hat nach der ersten stürmischen Eroberung Stillstand und Rückgang begonnen. Die Christen der Halbinsel, die in die kantabrisch-asturischen Berge ge- flüchtet waren, eroberten von da aus das Land allmählich zurück. Daher hat der Thronfolger in Spanien den Titel Prinz von Asturien. Aber lange Zeit faßen doch die Araber in Spanien, so daß man in dem heutigen spanischen Volke die Mischung erkennen will: iberisches Bergvolk, heißes Saracenenblut und gotische Eisensubstanz. In dieser langen Zeit der arabischen Herrschaft in Spanien, die durch das Kalifat von Cordova repräsentiert wird, hat das orientalisch-semitische Volkstum eine Zeit hoher Blüte erlebt, und seine Spuren sind bis in die heutige Zeit zu verfolgen. Einmal bewundern wir die arabi- schen Bauten. Am Guadalquivir, dessen Name noch an die arabische Zeit erinnert, und in Granada treffen wir auf die ehrwürdigen Zeugen muhammedanischer Vergangenheit. In Cordova war vier Jahrhunderte lang (bis 1031) der Sitz des Kalifats; es zählte eine Million Ein- wohner, und man nannte es „das Mekka des Westens". An die frühere Glanzzeit erinnert noch die herrliche Kathedrale, die in die alte berühmte Moschee hineingebaut ist: la Mezquita. Die Moschee war nächst der Kaaba zu Mekka der größte mohammedanische Tempel, durch 1200 Säulen in 19 Längs- und 29 Querschiffe geteilt und zur Zeit des Kalifats von 4700 geschliffenen Krystalllampen er- leuchtet. In Sevilla, von wo der Guadalquivir schiffbar wird, üben gleichermaßen auf uns maurische und altchristliche Denkmäler eine zauberhafte Wirkung aus. Da ist zunächst Alkassar, „das Haus des Cäsar", ursprünglich ein maurischer Palast mit seinen Hufeisen- und Kielbogen; während die Außenflächen der Mauern ungegliedert sind, erscheinen die Innenflächen mit ihren wunderbaren Ziegelarabesken gleichsam, als wären sie aus den feinsten Spitzenstoffen gewebt. Von

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 58

1901 - Glogau : Flemming
— 58 — überwältigendem Eindruck ist daneben die Kathedrale S. Maria de la Sede, eine der schönsten gotischen Kirchen der Welt mit der be- rühmten, 5000 Pfeifen zählenden Orgel. Endlich liegt in Granada der seenhaste Palast, die Alhambra. Mitten in dieser herrlichen Bega, die „ein vom Tau benetzter Rosenkranz" genannt wird, ragt die Akropolis von Granada empor, eben die Alhambra, „das Herr- lichste Bauwerk, das Menschenhand vollbrachte". Vieles in dem imposanten Gebäude ist ja schon versallen oder dient anderen Zwecken, aber noch deuten Hose und Säle auf die einstige Pracht. Der Hof des Löwenbrunnens ist mit Recht berühmt. Er gleicht einem schönen Saale und ist aus allen Seiten mit offenen Bogen, die von zarten Säulen getragen werden, umgeben. Charakteristisch sind auch hier die Flächen zwischen den Bogen „mit reich gemusterten durchbrochenen Ziegeln ausgefüllt, so daß die Wände ausgespannten arabischen Teppichen ähneln". — Die Araber haben während ihrer Herrschast in Spanien auch eine Zeit hoher geistiger Blüte erlebt, und ihr Ein- flnß auf die Wissenschaft ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen. Namentlich wurden bei ihnen die exakten Wissenschaften gepflegt, wie denn die Semiten von je eine besondere Begabung z. B. für die Heilkunde gezeigt haben. Als der Kardinal Z^imenez 1498 sämtliche in der Stadt vorgefundenen arabischen Bücher — es waren wohl 80000 — verbrennen ließ, schied er die Bücher medi- zwischen und naturhistorischen Inhalts aus, die jetzt einen wertvollen Teil der Bibliothek des Escorial ausmachen. Was für Förderung verdankt ferner die abendländische Kulturwelt dem Arabertum in Be- zug auf Erdkunde, Astronomie und mathematische Wissenschaft! Ziffer, Algebra sind Wörter arabischen Ursprungs, ebenso Zenith und Nadir; die /ueydlrj ovvxa^ig des Ptolemäus wurde in das Arabische über- setzt, und in dieser Verkleidung wurde der Almagest der Brunnen, aus dem Europa seine astronomische Kenntnis schöpfte. Die pyre- näische Halbinsel war damals reich bevölkert; allein das Land süd- lich vom Duero soll 25 — 30 Millionen beherbergt haben, und die Araber brauchten das Sprichwort: wen Gott lieb hat, dem giebt er sein Brot in Spanien zu essen. In noch älterer Zeit war Spanien womöglich noch berühmter; es galt als das antike Mexiko und hatte in der Römerzeit wohl 40 Millionen Bewohner. Die Gegend von Sevilla hat den berühmten Kaiser Trajan erzeugt, und ebenso stammen die Vorsahren des Hadrian daher. Im grauesten Altertum haben endlich die Phönizier das Land Tarschisch ausgesucht, ^eben die Tief- ebene des Guadalquivir, und sie fanden dort so viel Silber, daß sie Anker und Schiffsgerätschasten aus diesem edlen Metalle verfertigt haben sollen. Hört man diese Angaben, so muß man bekennen, daß Spanien heutzutage einen bedenklichen Rückgang erlitten^ hat,^ es zählt nur etwa 17 Millionen Einwohner, und das Land ist vielfach

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 60

1901 - Glogau : Flemming
— 60 — Während Europa und die occidentalische Kultur auf der Pyrenäen- Halbinsel schon über 500 Jahre lang den Zwang und die Einwirkung des Islam abgeschüttelt haben, ist auf der Balkanhalbinsel auch noch gegenwärtig der Islam, vertreten durch die Türkenmacht, im Besitz seiner Ländereien. Allerdings hat die verachtete Rajah, also die christliche Unterthanenschaft, im 19. Jahrhundert große westlich und nördlich gelegene Stücke von dem türkischen Staatenleib losgerissen, und so sind die Königreiche Griechenland, Rumänien, Serbien und das Fürstentum Montenegro als selbständige Staaten entstanden, während Bulgarien, Bosnien, Kreta nur noch in nomineller Verbin- dung mit dem Sultanat stehen; aber immerhin glänzt noch von der Hagia Sophia in Konstantinopel der Halbmond, und das Dasein des „kranken Mannes", wie man den Sultanstaat nennt, ist weiter gefristet, weil die europäischen Mächte nicht darüber sich einigen können, was nach der Vertreibung der Türken aus ihrer Erbschaft werden soll. Das ist ja klar, die Türkenherrschaft hat den unter- jochten Ländern keinen Segen gebracht, die Osmanen gehören nach Asien, und mit Vorliebe lassen sich auch die vornehmen Türken in Skutari beerdigen, gleichsam als ob ihnen instinktiv das Gefühl inne- wohnte, daß es mit ihrer Herrlichkeit in Europa bald vorbei sein würde; — aber die Thatsache ist nun einmal da, politisch muß mit dem islamitischen Staate in Europa nach wie vor gerechnet werden. Man schätzt, wenn man die großen wüsten Striche, die die Türkei in Asien und Afrika besitzt, nicht mit in Anschlag bringt, etwa so, daß der vierte Teil des Türkenreiches in Europa liegt. Und wiederum sind unter diesen europäischen Unterthanen nur die Hälste Muhamme- daner. Man kann sich denken, daß bei diesen für die Türken un- günstigen gegebenen Verhältnissen die christlichen Unterthanen sehr zur Empörung neigen, und der Abbröckelungsprozeß wird wohl auch sürderhin seinen Fortgang nehmen. Wirtschaftlich steht es um die Türkei recht traurig. Der Türke neigt zum Phlegma, abgesehen da- von, daß auch seine Religion ihm vorschreibt, an sein „Kismet" zu glauben, also sein Schicksal als ein prädestiniertes zu betrachten und der eigenen fleißigen Arbeit nur wenig Kraft zur Förderung seiner Glückseligkeit zuzuschreiben. Daher liegt es mit dem landwirtschaft- lichen Betrieb des Landes sehr im argen, nur ein Zehntel der Boden- fläche ist bebaut. Dazu kommt die greuliche Waldverwüstung, die wir in sämtlichen südeuropäischen Halbinseln haben wahrnehmen müssen. Ihr leistet allen Vorschub die vorherrschende Methode der Viehzucht, die von dem Rind wesentlich absieht und Schafe und Ziegen bevor- zugt. Der Straßenbau ist überall vernachlässigt, selbst die berühmte ostwestliche Heerstraße von Durazzo über Saloniki nach Konstantinopel, die schon im Altertum von einschneidendster Bedeutung war, existiert nicht mehr; an Eisenbahnen sind mit fremdem Gelde nur ein paar

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 67

1901 - Glogau : Flemming
— 67 — werk der römisch-katholischen Kirche betrachtet werden. Diesen Ruf hat es sich seit Kaiser Ferdinand Ii. erkämpft. Schon war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Protestantismus im Oster- reichischen gewaltig verbreitet. Um 1560 rechnete man 20, ja 60 Lutheraner auf einen Katholiken, um 1600 war in Kärnten nur der zwanzigste Teil der Bewohner katholisch, da kam die er- folgreichste Reaktion der katholischen Kirche. Ferdinand Ii., der in Steiermark, wo er srüher herrschte, mit eisernem Besen die neue Lehre ausgerottet und der in Loretto gelobt hatte, seine Dienste wie in Spanien Philipp Ii. dem alten Glauben zu weihen, ist nach seinem Siege in Böhmen auf das unbarmherzigste darauf bedacht gewesen, alles in seinem Lande katholisch zu machen. Er wolle lieber in einer Wüste herrschen, sagte er, als über einen Staat voll Ketzer. Und wirklich haben er und seine.nachfolger es erreicht, daß der Katho- licismus uneingeschränkt in Österreich Geltung hat. Im 18. Jahr- hundert ist ein zweiter unduldsamer Fürst in den Gebieten, die jetzt im österreichischen Staatenleibe vereinigt sind, zu erwähnen. Es ist der Erzbischof Firmian von Salzburg, der seine protestantischen Unter- thanen grausamer Weise aus dem Lande trieb. Zum Glück fand sich ein Landesfürst, Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der die Ver- triebenen mit offenen Armen aufnahm und ihnen in Litauen neue Wohnsitze anwies. Heute bilden diese Salzburger Kolonisten einen erfreulichen und wertvollen Zuwachs der alteinheimischen preußischen Bevölkerung, und die damals geübte fürstliche Wohlthat hat tausend- fältige Frucht getragen. — Ist nun aber auch Osterreich ein Hort des Katholicismus, so hat darum doch nicht die ganze Monarchie einen einheitlichen Glauben. Je weiter nach Osten, desto bunter wird die Mischung, und in einzelnen Städten hat man viererlei, sogar sechserlei Gotteshäuser. Da finden sich Anhänger der griechischen Kirche, die aber noch den Papst als Oberhaupt anerkennen, daneben aber auch orthodoxe Griechen, die sich ganz losgesagt haben; Evangelische Augsburger Konfession erscheinen neben Evangelischen Helvetischer Konfession. Die Israeliten bilden mit fast 2 Millionen, namentlich in Galizien, einen starken Prozentsatz der Bevölkerung, und endlich zählt „die apostolische Majestät" des österreichischen Kaisers seit der Besitzergreifung von Bosnien und der Herzegowina auch islamitische Unterthanen, die durch die Stimme der Muezzine in ihre Moscheen gerufen werden. Die zweite Kulturaufgabe, die Osterreich seit je obgelegen hat und die auch heutzutage als sein nobile officium zu betrachten ist, besteht darin, das Deutschtum unter dieser östlichen und fremdartigen Bevölkerungswelt aufrecht zu halten und ihm stets und immer den gebührenden Rang in dem seltsamen Völkergemisch zuzuweisen. Wie ein Keil schiebt sich das Deutschtum an der Donau zwischen den
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